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2014/04/25 10:03:54
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] 30. April 1945
Datum 2014/04/25 10:08:34
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[Regionalforum-Saar] Was hat nun das Geschilderte mit St. Wendel zu tun?
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Autor 2014/04/25 10:08:34
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[Regionalforum-Saar] Schweiß, Muskeln, Entsc hlossenheit

Date: 2014/04/25 10:04:53
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heute in der SZ:
 
 

Schweiß, Muskeln, Entschlossenheit

„Arbeit zeigen“: Das Historische Museum Saar beleuchtet das Arbeitsethos des Industriezeitalters

Harte Maloche, aber schöne Körper – die neue Ausstellung im Historischen Museum Saar konfrontiert uns mit einem überhöhten Bild der Arbeitswelt zwischen 1850 und 1950. Gezeigt werden ab Sonntag Arbeiterplastiken und Saar-Fotografien.

Von SZ-Redakteurin Cathrin Elss-Seringhaus

Saarbrücken. Der arme Gerhard Pohlmann! Wo, um Himmels willen, hat der Berliner Angestellte 1955, in seinem Kleinbürger-Haushalt, Platz gefunden für die fanfarenhafte, dramatische Bronze-Skulptur „Lebensrettung“? Sein Arbeitgeber, die Berliner Minimax AG schenkte sie Pohlmann für seine herausragenden Verdienste. Die Plastik friert eine Hollywoodfilm-reife Szene ein: Ein todesmutiger Familienvater schützt unter Anwendung einer „Spitztüte“ Frau und Säugling vor dem Feuer. Die Spitztüte war ein bis in die 60er Jahre millionenfach verkauftes Handfeuerlöschgerät, zu dessen 25-jährigem Jubiläum 1927 die Bronze „Lebensrettung“ in Auftrag gegeben wurde. Aus heutiger Sicht eine aufdringliche Kitsch-Dekoration, nicht die einzige der aktuellen Schau im Historischen Museum Saar zum Thema Arbeitsethos des Industriezeitalters. Pathos, Pädagogik und Propaganda ergeben nun mal keine gute Kunst, weiß man nach dem Rundgang. Aber sie erzählen viel über Mentalitätsgeschichte.

Versammelt sind unter dem Titel „Arbeit zeigen“ 116 Skulpturen von Bauern, Schmieden, Hütten- und Bergarbeitern aus der Hoch-Zeit der Industrialisierung (1850 bis 1950) sowie 28 historische Fotos ausschließlich aus saarländischen Unternehmen, sei es die Grube Göttelborn oder die Halberger Hütte. Die Plastiken stammen aus der Sammlung Werner Bibl (Gelsenkirchen), sie ist eine der größten ihrer Art. Das Industriemuseum Henrichshütte Hattingen präsentierte sie 2013 unter dem selben Titel, das Historische Museum musste entschlacken. Trotzdem entstand dank einer vorzüglichen Ausstellungsarchitektur eine ungewöhnlich üppige Anmutung.

Wohin man sich auch wendet: Muskeln, Schweiß, grimmige Entschlossenheit. Es tobt der Kampf des Menschen gegen die Gewalt der Natur und der Technik. Welch ein Leistungs-Ethos trompetet uns da entgegen! Die reale proletarische Arbeitswelt spielt hier kaum eine Rolle, dafür erhellt sich das Menschenbild einer Epoche, die das Über-sich-Hinauswachsen noch zum gesellschaftlichen Ziel erklärt hatte.

Technischer Fortschritt galt als Sieg und wurde genau so inszeniert. Deshalb muten fast alle Skulpturen martialisch an: Soldaten und Helden der Arbeit, nicht selten in antiker Pose und Nacktheit. Die Plastiken wurden en gros produziert, standen auf Schreibtischen und Kaminsimsen, schmückten in größeren Formaten Firmenfoyers und wuchsen, etwa vor Zechenhäusern oder Hütten-Eingangstoren, zu übermenschlicher Denkmal-Größe. So grüßte denn der Arbeiter jeden Morgen sein Idealbild. Und war stolz, dazu zu gehören. Arbeiterplastiken legen Zeugnis davon ab, wie selbstbewusst die neue Arbeiterklasse das Bürgerparkett betrat. Denn nur deshalb avancierte der gesellschaftliche Umbruch zum Sujet der Bildhauerkunst.

In Saarbrücken trifft man die Künstler, die in Paris oder Berlin den Ton angaben, etwa den Belgier Constantin Meunier oder Gerhard Janensch. Ihr unbekümmertes Heroisieren und Moralisieren in der Gestaltung wurde Trend, es wirkt auf uns heute fremd oder kippt sogar ins unfreiwillig Komische oder Rührende. Da posieren zwergenhafte Arbeiter als Monster-Bändiger neben riesenhaften Dampfturbinen, wischen sich Land- oder Straßenarbeiter mit immer gleicher stereotyper Geste den Schweiß von der Stirn – Klone einer Bildhauerkunst, die im Atelier entstand statt am Abstich und nur selten zur Wahrhaftigkeit vorstieß.

Insofern freut der Humor der Ausstellungsmacher. Sie haben eine Superman-Figur ans Stirnende gerückt, vor ein plakathaftes Foto. Es zeigt die fein gemachte Führungs-Riege der Saarbrücker Firma Ehrhardt & Sehmer 1936. Vorstände, die ihre Brust wie Heroen der Hand-Arbeit nach vorne stemmen – so stark wirkte das Schaffe-Schaffe-Idealbild. Aufschlussreich ist das – und köstlich.

Bis 21. September. Eröffnung: Sonntag, 11 Uhr; Di, Mi, Fr, So: 10-18 Uhr, Do bis 20 Uhr, Sa: 12-18 Uhr.