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2014/04/25 09:57:08
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Vom Pomeranzengänger zum Gr oßhändler?
Datum 2014/04/25 10:04:53
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[Regionalforum-Saar] Schweiß, Muskeln, Entsc hlossenheit


Betreff 2014/04/06 09:44:25
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Autor 2014/04/25 10:04:53
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[Regionalforum-Saar] 30. April 1945

Date: 2014/04/25 10:03:54
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heute in der SZ:
 
 

Und die Erde drehte sich weiter

Alexander Kluge beschreibt, was am Tag von Hitlers Suizid sonst noch geschah

Was machte Thomas Mann in Kalifornien? Wie reagierte die New Yorker Börse? Alexander Kluge hat eine faszinierende Chronik des 30. Aprils 1945, Hitlers Todestag, verfasst.

Von SZ-Mitarbeiter Roland Mischke

Alexander Kluge war 13 Jahre alt, als Adolf Hitler zur Pistole griff. Er kann sich nicht daran erinnern, dass der Tod des Tyrannen ihn damals beschäftigte. Zumal Hitlers Selbstmord nicht offiziell vermeldet wurde. Er war traurig, weil er aus dem zerstörten Halberstadt in den Harz verschickt worden war, um dort Unkraut auf Rübenäckern zu zupfen. „Der einzelne Tag ist erinnerungstechnisch ein Niemandsland“, heißt es in Kluges Buch „30. April 1945“, von einer „Stunde Null“ war nichts zu spüren. Vielmehr rotteten sich deutsche Truppenteile im Südharz gegen vorgerückte Alliierte zusammen, die sie mit einem Panzervorstoß attackieren wollten. Und Klein-Alexander hatte Sehnsucht nach seiner Mutter. Am „letzten Werktag des Dritten Reiches“, so Alexander Kluge, haben sich Adolf Hitler und Eva Braun im „Führerbunker“ ihrer Verantwortung entzogen. Erst wurde der Schäferhund eingeschläfert, dann tötete sich das Ehepaar selbst.

Was aber ist an diesem Tag weltweit geschehen? Der 82-jährige Autor und Filmemacher hat gründlich in der ihm eigenen Patchwork-Technik Ereignisse des Tages zusammengetragen. Eine faszinierende Chronik ist entstanden. „Es ist eine wirre Landschaft, es ist die anarchistischste Situation, in der sich Deutschland je befand“, so Kluge. Aber die Erde drehte sich weiter.

Als Kluge 2010 mit seiner Firma dctp die TV-Doku von Michael Kloft über die letzten zwölf Stunden Hitlers koproduzierte, begann er über das Ereignis tiefer nachzudenken. Seine Fantasie katapultierte ihn nach San Francisco. „In den Minuten, die nach mitteleuropäischer Zeit den Moment umfassen, in dem Hitler die Tür zu seinem Sterbezimmer schließt, putzen sich die Diplomaten, die an diesem Tag in San Francisco über Gründung und Struktur der Vereinten Nationen verhandeln werden, die Zähne, sie duschen, frühstücken und bereiten sich auf den Tag vor.“

Seine eigene Fantasie genügt Kluge aber nicht, er bezieht auch andere Zeitgenossen ein, dazu deren Gefühle, Wünsche und Gedanken. Neben dem Fiktionalen wird Gehörtes und Geschriebenes, etwa aus Briefen und Memoiren zitiert, werden Ereignisse fingiert, die wohl nie stattfanden, neben Anekdoten stehen konkrete Tatsachen. In gewohnter Weise umkreist Kluge das Geschehnis vielfältig. Was empfand Thomas Mann an diesem 30. April in Kalifornien? Was dachten die Männer der Wehrmacht vor dem müden letzten Gefecht? Was bewegte den britischen Sergeanten, der einen ranghohen deutschen Militär gefangen nahm? Was ersann Martin Heidegger, der am Vormittag ein Seminar abhielt? Warum gab es so viel Bewegung an der New Yorker Börse? Und wie kamen die Flüchtlinge auf dem Weg nach Hause voran? Im Chaos des nationalsozialistischen Untergangs navigiert sich Kluge durch einen Wendetag, von dem die wenigsten seinerzeit wussten – aber er hatte gravierende Folgen. Unterstützt wird er dabei vom Soziologen Oskar Negt und dem Dichter Reinhard Jirgl, deren Einlassungen abgedruckt sind. Auch Schiller, Lenau und Heine, Ezra Pound, Heiner Müller und Einar Schleef sind mit Texten vertreten.

Alexander Kluge: 30. April 1945. Der Tag an dem Hitler sich erschoß und die Westbindung der Deutschen begann. Suhrkamp, 316 S., 24,95 €.