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2014/04/06 09:44:25
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] 5 Jahrhunderte der Stadt St. Wendel im Spiegel dreier Familiengeschichten
Datum 2014/04/07 08:33:17
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[Regionalforum-Saar] 5 Jahrhunderte der Stadt St. Wendel im Spiegel dreier Familiengeschichten
Autor 2014/04/07 08:33:17
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Die Erde erinnert sich an uns

[Regionalforum-Saar] Tagber: Orden in der Krise

Date: 2014/04/06 21:31:56
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

From:    Susanne Häcker <susanne.haecker(a)...   07.04.2014
Subject: Tagber: Orden in der Krise - Möglichkeiten und Grenzen
         religiöser Lebenswelten in der Vormoderne
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Doktoranden des Fachbereichs Geschichtswissenschaft an der Universität
Tübingen, Seminar für Neuere Geschichte
05.09.2013-06.09.2013, Tübingen

Bericht von:
Susanne Häcker, Seminar für Neuere Geschichte, Eberhard Karls
Universität Tübingen
E-Mail: <susanne.haecker(a)... 5. und am 6. September fand an der Eberhard Karls Universität
Tübingen der Doktoranden-Workshop "Orden in der Krise - Möglichkeiten
und Grenzen religiöser Lebenswelten in der Vormoderne" statt. Gefördert
wurde die Veranstaltung vom Zukunftskonzept der Universität Tübingen und
vom Universitätsbund Tübingen e. V.

Der Workshop zielte darauf ab zu erörtern, inwieweit sich "Krise" als
heuristische und analytische Kategorie für die Ordensforschung der
Vormoderne als operationalisierbar und erkenntnisfördernd erweisen kann.
Mit der römisch-katholischen Kirche wurde eine Institution in den Blick
genommen, die in der Gegenwart - zumindest in weiten Teilen der
"Westlichen Welt" - als sich in einer tiefgreifenden Krise befindlich
angesehen wird. Dies gilt insbesondere für die geistlichen Orden.

In der ersten Sektion des Workshops, kommentiert von FABIAN FECHNER
(Tübingen), lag der Schwerpunkt auf institutionellen und strukturellen
Krisenursachen. Dabei standen ordens- oder kircheninterne
Umstrukturierungen und Verschiebungen im Fokus.

CORNELIA EBERLEIN (Berlin) zeigte exemplarisch an den zisterziensischen
Frauenklöstern Neukloster und Zarrentin auf, dass sich der
Zisterzienserorden im Zuge der sogenannten religiösen Frauenbewegung mit
einer großen Zahl an Frauengemeinschaften konfrontiert sah, deren
Gewohnheiten, geistliche Betreuung und Verhältnis zum Orden geregelt
werden mussten. Diese gesteigerte Nachfrage bezüglich der Aufnahme von
Frauen in den Orden kann als Moment der Überstrapazierung des Ordens
interpretiert und somit als Krise betrachtet werden. Eine Reihe von
Beschlüssen des Generalkapitels, welche die Aufnahme beziehungsweise
Ablehnung von Frauengemeinschaften regelten, war die Folge. BRIGITTE
OBERLE (Mainz) untersuchte die Krise des Benediktinerordens im 15.
Jahrhundert. Kirchliche und weltliche Obrigkeiten nahmen einen Verfall
des monastischen Lebens im Sinne einer Krise wahr, dem sie vor allem
durch Rückgriff auf ursprüngliche Regelstrenge begegnen wollten. Damit
trafen sie insbesondere die vom Adel dominierten Konvente, deren
Lebensweise sie als dringend reformbedürftig identifizierten. Die
betroffenen Konvente hingegen sahen sich mit unerhörten Forderungen
konfrontiert, die ihre hergebrachte Lebensform gefährdeten. Für diese
entstand dadurch eine durchaus krisenhafte Situation, der sie auf
unterschiedliche Weise zu begegnen suchten. ESTHER SCHMID HEER (Zürich)
ging in ihrem Beitrag von der Beobachtung aus, dass die
frühneuzeitlichen Jesuitenmissionen in ein krisenhaftes Umfeld
hineingegründet wurden. Die allgemeinpolitischen und kirchenpolitischen
Verhältnisse gestalteten sich komplex und unübersichtlich. Den
ordensinternen Rahmen bildeten die Konstitutionen (Satzungen und
Regeln), jeder einzelne Jesuit hatte sich jedoch darüber hinaus an die
kulturell kontingenten Situationen vor Ort anzupassen, was für
deutschsprachige Jesuiten wie Anton Sepp, Martin Schmid oder Florian
Paucke zu Spannungen und Missverständnissen mit der indigenen
Bevölkerung führte, die in deren Südamerika-Berichten nachzuvollziehen
sind. Im Kontext der Missionsarbeit in Lateinamerika erörterte ebenfalls
MANUEL GÓMEZ MENDOZA (Mainz) die Krise der missionarischen Identität für
die Franziskaner des Kollegs der Propaganda Fide von Tarija. Als Ansatz
zur Lösung wurde einerseits ein neues Verständnis der Spiritualität des
Ordens entwickelt, andererseits aber auch ein neues Regelwerk für Kolleg
und Mission verfasst.

Die zweite, von CHRISTINE SCHNEIDER (Wien) moderierte Sektion bezog sich
auf gesellschaftliche Umbrüche, welche die Orden und deren Ordo
beeinflussten. Darunter sind etwa staatliche Reformen, soziale
Verschiebungen oder gesellschaftliche Transformationsprozesse zu
verstehen.

Anhand der Chronik der Genfer Klarissen während und nach der
Reformationszeit zeigte BABETTE REICHERDT (Kassel), wie eng Erfolg und
Verlust mit einer Semantik von Schmerz verknüpft sind. Die mit Schmerz
identifizierten, emotionalen, körpergebundenen Praktiken werden hier als
Bewältigungsstrategie von Krise verstanden und sind eng an die Narration
einer Konventgemeinschaft gebunden, die es über die Krise hinweg zu
erhalten galt. Am Beispiel von Magdalena von Österreich (1532-1590)
veranschaulichte JULIA HODAPP (Tübingen) das Wirken einer Erzherzogin in
der Gegenreformation und zeigte auf, welche Aufgaben und Funktionen die
Erzherzogin in dieser krisenhaften Zeit für die Dynastie wahrnahm und
inwieweit sie dabei mit dem Jesuitenorden kooperierte. Hierbei wurde
deutlich, welches Konfliktpotential die Umsetzung des religiösen
Handlungsraumes durch hochadlige Frauen in Zusammenarbeit mit Jesuiten
bergen konnte. Eine "zweifache Krise", ausgelöst durch die aufgeklärt
absolutistischen Reformen des Josephinismus, beleuchtete DENNIS SCHMIDT
(Tübingen). Am Beispiel des steirischen Stiftes Stainz zeigte er auf,
welche Folgen die Bedrohung durch die Reformen für die kleinräumige
Ordnung einer einzelnen Gemeinschaft hatte. Doch galt dies nicht nur auf
der Mikro-, sondern auch auf der Makroebene, wie er mit publizistischen
Quellen veranschaulichte - die Ordnung der ganzen Habsburgermonarchie
schien für die Gegner der Reformen krisenhaft umgekehrt. Das Engagement
von Klöstern im Elementarschulwesen in Altbayern und Böhmen untersuchte
MARIA ROTTLER (Regensburg) vor dem Hintergrund der Katholischen
Aufklärung, aber auch in Bezug auf den Paradigmenwechsel des ausgehenden
18. Jahrhunderts, in dem die Religiosen sich gezwungen sahen, ihre
Nützlichkeit für den Staat zu betonen, da sich ihr Lebensentwurf
massiver antimonastischer Kritik ausgesetzt sah und ihre Klöster
unmittelbar von der Aufhebung bedroht waren.

Am Beispiel des Wiener Ursulinenkonvents zwischen 1770 und 1790 stellte
CHRISTINE SCHNEIDER (Wien) in ihrem öffentlichen Abendvortrag dar, wie
der Konvent mit der Bedrohung der Klosterauflösung umging und welche
Bewältigungsstrategien sowohl der Konvent im Allgemeinen als auch die
Nonnen im Besonderen sich zu eigen machten.

Unter der Leitung von MICHAEL KAISER (Bonn) standen in der dritten
Sektion Kriege und andere Katastrophen im Mittelpunkt. Die Jesuiten
spielten für das katholische Bildungswesen und für die katholische
Reform im Alten Reich eine zentrale Rolle. SUSANNE HÄCKER (Tübingen)
beschrieb die Aktivitäten der Societas Jesu an den Universitäten
Heidelberg, Tübingen und Freiburg während des Dreißigjährigen Krieges.
In diesem Rahmen verwies sie auf erhebliche Rückschläge, aber auch auf
Möglichkeiten zur Ausweitung des jesuitischen Einflusses auf das
Bildungswesen im Reich. Den Mord an einem Franziskanermönch im Jahr 1632
durch den in schwedischen Diensten stehenden Söldner Caspar Imlin und
den darauf folgenden Prozess skizzierte OLEG RUSAKOVSKIY (Tübingen). Er
konnte dabei die konfessionelle Komponente und die Wahrnehmung
katholischer Geistlicher in einem streng protestantischen und seit dem
Restitutionsedikt von Rekatholisierungsversuchen betroffenen Territorium
aufzeigen. THOMAS SCHRÖTER (Tübingen) sprach über die temporäre
Säkularisation des Zisterzienserklosters Schöntal während des
Dreißigjährigen Krieges sowie über die enormen materiellen, kulturellen
und demographischen Belastungen, die das Kloster während der Kriegsjahre
auszuhalten hatte. Anhand vielfältiger Quellen konnte er die Bedeutung
der engen Verflechtung verschiedener Bereiche für die Strategie der
einzelnen Akteure aufzeigen und deren dahinterstehende Intentionen
separat erörtern.

Über die Mission im Umfeld kolonialer Grenzkonflikte berichtete IRINA
PAWLOWSKY (Tübingen) am Beispiel des Jesuitenpaters Samuel Fritz, dessen
Missionsgebiet an der Grenze von spanischem und portugiesischem
Kolonialterritorium am Oberlauf des Amazonas lag. Eine permanente
Bedrohung der Sicherheit stellten Einfälle portugiesischer
Sklavenhändler dar. Fritz setzte sich sowohl für die indigene
Bevölkerung als auch die Besitzansprüche der spanischen Krone ein.

In den Diskussionsbeiträgen und anhand der Vorträge wurde festgestellt,
dass Krisen häufig durch eine spezifische zeitliche Dynamik geprägt
sind: Bedrohungsmomente können eine Krise verschärfen und zu einem
Wechsel von Latenz und Manifestation der Krise führen, und in einer
Phase erhöhten Handlungsdrucks kann es zu einer diskursiven Zuspitzung
auf harte Alternativen kommen. Hinsichtlich der Semantik der Krise wurde
wiederholt der in der Quellensprache oftmals auftauchende Verfallstopos
diskutiert, der stets vor allem hinsichtlich seines moralisierenden
Potentials zu hinterfragen ist und gelegentlich wohl vorschnell in die
Forschungsliteratur übernommen wird.

Die DiskutantInnen des Workshops plädierten für eine grundlegende
Unterscheidung von zwei Blickwinkeln hinsichtlich des Konzepts "Krise",
nämlich die zeitgenössische Krisenerfahrung und die nachmalige Diagnose
aus Sicht der Sozialwissenschaften. Bei letzterer Anwendung des Begriffs
sind stets auch zeitgenössische Protestkulturen, Bewältigungsstrategien
aus einem möglichen Set zwischen Tradition und Innovation und
Erwartungshorizonte zu berücksichtigen. So sei etwa Krieg in der Frühen
Neuzeit nicht automatisch als Krise zu bewerten, galt er doch über lange
Zeiträume hinweg als allzu probates Mittel der Politik.

Konferenzübersicht:

Begrüßung und Einführung
Renate Dürr / Dennis Schmidt

Maria Rottler (Universität Regensburg), Ordensgeschichte. Ein
interdisziplinäres Gemeinschaftsblog zur Geschichte von Klöstern und
Orden

Sektion 1: Institutionelle und strukturelle Ursachen

Cornelia Eberlein (Freie Universität Berlin), Neukloster und Zarrentin.
Zisterziensische Frauenklöster des südlichen Ostseeraumes zwischen
Bischof, Papst und Orden

Brigitte Oberle (Universität Mainz), Umwandlungen von
Benediktinerklöstern in Säkularkanonikerstifte im 15. und 16.
Jahrhundert

Esther Schmid Heer (Provinzbibliothek SJ, Zürich), "Die Zeiten thun sich
enderen...". Krisendiskurse in Südamerika-Berichten deutschsprachiger
Jesuiten im 18. Jahrhundert

Manuel Gómez Mendoza (Universität Mainz), Missionarische Krise und
Erneuerung der Franziskaner des missionarischen Kollegs der Propaganda
Fide in Tarija. 1755-1814

Kommentar: Fabian Fechner (Universität Tübingen)

Sektion 2: Reformen und gesellschaftliche Umbrüche

Babette Reicherdt (Universität Kassel), Die Gemeinschaft im Schmerz,
Krisenerzählung und -bewältigung in der Chronik der Genfer Klarissen

Julia Hodapp (Universität Tübingen), Jesuiten, hochadlige Frauen und die
Gegenreformation

Dennis Schmidt (Universität Tübingen), Josephinismus und geistliche
Orden - Schlaglichter auf eine zweifache Krise

Maria Rottler (Universität Regensburg), Engagement der Klöster im
Elementarschulwesen in der Sattelzeit in Altbayern und Böhmen

Kommentar: Christine Schneider (Universität Wien)

Abendvortrag:
Christine Schneider (Universität Wien), "Der Wiener Ursulinenkonvent im
Spannungsfeld der josephinischen Kirchenreformen. Innenansicht einer
Krise"

Sektion 3: Kriegseinwirkungen

Susanne Häcker (Universität Tübingen), Die Jesuiten an den Universitäten
Heidelberg, Tübingen und Freiburg während des Dreißigjährigen Krieges

Oleg Rusakovskiy (Universität Tübingen), "In qualitate hostis publici":
Ermordung eines Franziskaners im protestantischen Württemberg

Thomas Schröter (Universität Tübingen), "Nit ohne argwohn der
Verrätherey hinweggeraubet worden, und der langwihrige Krieg noch darzu
kommen". Temporäre Säkularisation des Zisterzienser-Klosters Schöntal
während des Dreißigjährigen Krieges

Irina Pawlowsky (Universität Tübingen), Mission im Umfeld kolonialer
Grenzkonflikte - das Wirken des Jesuitenpaters Samuel Fritz in der
Provinz Maynas im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert

Kommentar: Michael Kaiser (Max Weber Stiftung Bonn)

Abschlussdiskussion

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