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2011/07/03 17:23:03
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Das verheißene Land
Datum 2011/07/04 10:31:22
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[Regionalforum-Saar] Römerstein im Bliesener Tu rm
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[Regionalforum-Saar] Göttert, Karl-Heinz: Di e Ritter
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[Regionalforum-Saar] Das verheißene Land
Autor 2011/07/04 21:41:37
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Historisches Kupferbergwerk D üppenweiler

[Regionalforum-Saar] eine Konferenz zum Thema "Vagabunden"

Date: 2011/07/03 22:11:06
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Subject: Konf: Die Gesellschaft der  Nichtsesshaften. Zur  Lebenswelt
vagierender  Schichten vom 16. bis zum  19.
Jahrhundert - Rothenburg  ob der Tauber  09/11
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Gerhard  Ammerer, Gerhard Fritz
29.09.2011-30.09.2011, Rothenburg ob der Tauber,  Kriminalmuseum

Bei manchen werden sich beim Wort "Vaganten" zunächst  Bilder aus der
Carmina Burana aufdrängen, Vorstellungen einer trink- und  lebensfrohen
mobilen Gesellschaft, möglicherweise auch die Fiktion des  "edlen
Räubers" (Prototyp: Robin Hood), wie sie die ab dem späten  18.
Jahrhundert aufkommenden Räuberlieder und -romane beschrieben und  heute
in zahlreichen Varianten über den Bildschirm unser Bewusstsein  (falsch)
prägen. Die "Vagantenromantik" ist eine Seite einer  verkehrten
Sichtweise, die beharrlich an der Realität der Tag für Tag von der  Hand
in den Mund lebenden, herren- und besitzlosen  Nichtsesshaften
vorbeigeht. Die andere Seite wird deutlich, wenn man im 1.  Band von
Hans-Ulrich Wehlers "Deutscher Gesellschaftsgeschichte" zunächst  vom
"System der sozialen Ungleichheit" liest, die der Autor für so  bedeutsam
hält, dass er damit die Analysekategorien Max Webers,  Herrschaft,
Wirtschaft und Kultur zu komplettieren sucht, um dann, von  der
abstrakten Ebene auf die konkrete übergehend, die Erkenntnis  zu
vermitten, dass es "außerhalb der Alltagssphäre der  ortsansässigen
Bevölkerung ... eine Unterwelt (gab), die von unstet  umherziehenden,
heimatlosen Menschen bevölkert wurde."  Selbst die  soziologische
Forschung hatte zum Zeitpunkt des Erscheinens des Wehlerschen  Werkes,
die Sichtweise, dass deviant Handelnde, z. B. die Vaganten,  als
außerhalb des normalen sozialen Lebens standen, bereits  längst
revidiert. Die Kriminalsoziologie fordert seit langem vehement  die
"Aufhebung der rigiden Trennung zwischen der Welt der Konformen und  der
Welt der Abweichler"  ein. Dass "Vaganten und  Kriminelle"
(Kapitelüberschrift bei Wehler) keine - erst recht keine  geschlossene -
Subkultur-"Unterwelt" darstellten, sehr wohl in vielfältigen  Verzahnung
in der Alltagssphäre der ansässigen Bevölkerung integriert waren,  dass
diese sogar einen konstitutiven Bestandteil der Lebenspraxis  ausmachte,
soll dieser Tagung thesenhaft vorangestellt werden.

Es ist  in der Literatur immer wieder zu beobachten, dass die  einseitige
obrigkeitliche Prägung der Quellen (vor allem aus dem  Justizbereich)
stark in die moderne Begrifflichkeit und die  Argumentationsführung
einfließt. Auch die Orientierung an  Sozialdisziplinierungs- und
Modernisierungsmodellen vermag den Blick auf die  Pluralität historischer
Gegebenheiten am unteren Rand der Gesellschaft zu  verstellen. Den Alltag
der "winzigen Leben" (Arlette Farge) bestimmten nicht  vorrangig
obrigkeitliche Politik und gesetzliche Normen, auch nur bedingt das  mit
Verfolgungs- uns Ausmerzungsaufträgen versehene Wach-  und
Gerichtspersonal, sondern das jeweils spezifische soziokulturelle  Milieu
der Landstraße sowie die unterschiedlichen und vielfältigen  
Überlebensstrategien. Dennoch scheint uns die Thematisierung  der
Wechselseitigkeit von Selbst- und Fremdbestimmung ein lohnender  Aspekt
für die Tagung zu sein. Insbesondere sollte dieser nicht zuletzt  deshalb
angesprochen werden, da traute Uneinigkeit zwischen den  Historikern
herrscht, wenn es um die Frage der Durchsetzung von  obrigkeitlichen
Normen geht. Im Widerspruch zu den in den vergangenen  Jahrzehnten
überwiegend geäußerten Bedenken, dass nicht zuletzt die  strukturellen
Mängel des Staatsapparates, die ungenügenden Kapazitäten und  Ressourcen
die Durchsetzung einer effektiven Bettler- und  Vagantenpolitik
verhinderten und Polizeiordnungen nicht viel  mehr als  "obrigkeitliche
Drohgebärden" dargestellt hätten - manche Autoren sprachen  sogar vom
"'Scheitern' des frühmodernen Staates"  -, werden neuerdings  wiederum
Gegenposition vertreten, die den Staat keineswegs als  "schwach"
beschreiben. Vielmehr hätten die Obrigkeiten durch die  wiederholte
Pub¬likation von Normen, durch Verurteilungen, Streifen und  sonstige
Repressalien den Vagierenden ihre Handlungsfähigkeit durchaus  deutlich
bewiesen.

Die Gesellschaft der frühen Neuzeit war - auch und  besonders dieses
Bevölkerungssegment - zutiefst von der mündlichen Tradition  geprägt, sie
war eine Anwesenheitsgesellschaft par excellence im Sinne  Rudolf
Schlögls  und ist daher auch als eine solche zu beschreiben.  Die
Interaktion war das Wesentliche, die soziale Ordnung und  die
Strukturzusammenhänge konstituierten und reproduzierten sich  über
temporäre Sozialsysteme, wurden durch geformte Kommunikation  unter
Anwesenden aufgebaut. Die Besonderheiten der Sozialformen,  die
Kommunikationszusammenhänge innerhalb der vagierenden Gesellschaft  (und
nach "außen") sollten auf der Tagung herausgearbeitet werden. Waren  die
mit Anwesenheitskommunikation verbundenen Sinngefüge kontext-  und
situationsabhängig, so entkoppelte die Kommunikation über  Printmedien,
z. T. auch über Amtsschriftverkehr Sender und Empfänger.  Über
unterständische Schichten wurde ausschließlich dasjenige zu  Papier
gebracht, das für Behörden und Obrigkeit relevant war.  Unspektakuläre,
persönliche Befindlichkeiten des Einzelnen, Aspekte des  täglichen
Lebens, Wahrnehmungsformen, Erfahrungen, Verhaltensweisen etc.,  also die
Sinnstrukturen und Sinnzusammenhänge der Welt der Landstraße,  entziehen
sich somit vielfach dem historischen Zugriff, da sie außerhalb  der
behördlichen Interessenssphäre lagen. Gerade Fragen  der
Daseinsbewältigung, der Lebens- und Umgangsformen, der  Lebenschancen,
Lebensstile und Lebensweisen sollten auf der Tagung  aufgeworfen werden.
Zu erkunden sind Wünsche und Ängste, Erinnerungen und  Hoffnungen,
Erfahrungen und Projektionen, Wahrnehmungen und Handlungen von  Subjekten
und Kollektiven.

Die Zugänge zum Thema sollten von möglichst  vielen Seiten her erfolgen:
lebensweltlich im Sinne von Alfred Schütz,  alltags- oder und
mentalitätsgeschichtlich, von Anomie- oder  Labeling-Theorien  ausgehend
u.a.m.

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Mittwoch,  28. September 2011

Anreise, ab 20.00 Uhr informelles Treffen  

Donnerstag, 29. September 2011

09.00 h: Begrüßung, Einführung in  die Thematik (Fritz und Ammerer)

9.30-12.00 Uhr
Chair: Gerhard  Ammerer

1. Dr. Satu Lidman (Universität Turku): Unehrlich, kriminell  und
gottlos. Die Binnenstruktur vagierender Personengruppen  im
frühneuzeitlichen Bayern

2. Prof. Dr. Gerhard Fritz (Pädagogische  Hochschule Schwäbisch Gmünd):
Bettler und Vaganten in Südwestdeutschland im  späten 18. Jahrhundert

3. Prof. em. Dr. Bernard Vogler (Universität  Straßburg): Die nicht
sesshaften Unterschichten in Straßburg nach dem  "Straßburger Taschenbuch
auf das Jahr 1803" 

12.00-14.00 h:  Mittagessen 

14.00-16.15 Uhr
Chair: Alfred Stefan Weiß

1. Dr.  Elke Hammer-Luza (Universität Graz): Die "Stradafisel".
Sozialstrukturen und  Alltagsleben einer steirischen Räuberbande in der
Biedermeierzeit

2.  Dr. Eva Wiebel (Konstanz): Mitteilungen an einer Schnittstelle. Zu
den  Aussagen und Erzählungen des Konstanzer Hans (1759-1793) über  seine
Lebenswelt - "Rädelsführer aller Jauner", Verräter, Bekehrter?  Der
Konstanzer Hans und sein Umfeld 

3. Dr. Andreas Fischnaller  (Pädagogisches Zentrum Brixen): "...und das
Sitzen that mir nicht gut." Aus  dem Leben eines "Taugenichts" und
"Erzvagabunden" im Tirol der  Restaurationsepoche

Kaffeepause

17.00-20.00 Uhr Stadtrundgang und  Museumbesuch

20.00 h: Prof. Dr. Karl Härter (Max-Planck-Institut für  Europäische
Rechtsgeschichte Frankfurt/M.): Lebenswelten vagierender  Randgruppen und
obrigkeitliche Ordnungspolitik im frühneuzeitlichen Alten  Reich


Freitag, 30. September 2011 

9.00-10.30 
Chair: Karl  Härter

1. Prof. Dr. Martin Scheutz (Universität Wien): Die große  Freiheit? Die
Beziehungen von Vaganten zu Sesshaften in der Frühen Neuzeit  im
Voralpengebiet

2. Dr. Pavel Himl (Universität Prag): Sesshaft  gemacht. Möglichkeiten,
Mechanismen und Grenzen der (erzwungenen) Integration  der
nichtsesshaften Bevölkerung in den böhmischen Ländern im 17. und  18.
Jahrhundert

10.00-10.30.00 Uhr Pause

10.30-13.00 
Chair:  Gerhard Fritz

1. Prof. Tim Hitchcock (Universität Hertfordshire): When  being a
nuisance was a necessity: Vagrant removal and the provision of  medical
care in late eighteenth-century London

2. Prof. DDr. Gerhard  Ammerer (Universität Salzburg): Partnerschaft,
Sexualität und Nachkommen auf  der Straße

3. Dr. Fabian Brändle (Zürich): Wirtshäuser als populare  Kommunikations-
und Sehnsuchtsorte 1700-1850. Beispiele aus der Schweiz und  Europa

Fazit

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Prof.  Dr. Gerhard Fritz

Pädagogische Hochschule
Oberbettringer Str.  200
73535 Schwäbisch Gmünd
07171/983-269 oder -243