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2025/05/06 09:32:43 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Genealogisches Seminar auf Burglichtenberg am 18.-19. Oktober 2025 |
Datum | 2025/05/25 18:48:26 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] "Palast und Bauernhaus, ein sozialgeschichtlicher Vergleich" |
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2025/05/06 09:32:43 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Genealogisches Seminar auf Burglichtenberg am 18.-19. Oktober 2025 |
Betreff | 2025/05/25 18:48:26 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] "Palast und Bauernhaus, ein sozialgeschichtlicher Vergleich" |
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2025/05/06 09:32:43 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Genealogisches Seminar auf Burglichtenberg am 18.-19. Oktober 2025 |
Autor | 2025/05/25 18:48:26 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] "Palast und Bauernhaus, ein sozialgeschichtlicher Vergleich" |
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Date: 2025/05/08 08:56:55
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Lothar von Trotha in Deutsch-Südwestafrika,
1904–1905.
Band I: Das Tagebuch.
Band II: Das Fotoalbum
Herausgeber Häussler, Matthias; Eckl, Andreas
Erschienen Berlin 2024: De
Gruyter Oldenbourg
Anzahl Seiten 648 S.
Preis € 164,95
ISBN 9783111127996
Rezensiert für H-Soz-Kult von Alina Marktanner,
Lehrstuhl für
die Geschichte der Neuzeit (19.-21. Jh.) mit ihren Wissens- und
Technikkulturen, RWTH Aachen
Die von Matthias Häussler und Andreas Eckl vorgelegte zweibändige
Quellenedition stellt einen wichtigen und in mehrfacher Hinsicht
bemerkenswerten Beitrag dar zur Aufarbeitung des Genozids an den
OvaHerero,
Nama und Oorlam in „Deutsch-Südwestafrika“ – dem heutigen Namibia
– und
insbesondere der Rolle des Oberkommandeurs der Schutztruppe,
Lothar von Trotha.
Sie versammelt bislang unzugängliche Selbstzeugnisse des Generals
aus den
Jahren 1904 bis 1907. Eine Objektsammlung, die Trotha aus dem
„Schutzgebiet“
ebenfalls mit ins Reich überführte, vervollständigt die Zeugnisse
zum Wirken
des Generalleutnants, ist aber nicht Gegenstand der vorliegenden
Edition. Gefördert
von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und wesentlich
unterstützt durch den
Familienverband Trotha, stellt das Editionsprojekt einen
wertvollen Beitrag zur
Aufarbeitung der deutschen Kolonialverbrechen dar, indem es uns
die
Gedankenwelt eines Schlüsselakteurs erschließt, der maßgeblich für
den ersten
deutschen Genozid verantwortlich war.
Band I umfasst Trothas „Kriegstagebuch“, das den Zeitraum von Mai
1904 bis
November 1905 abdeckt. Häusslers einstige Tätigkeit als
wissenschaftlicher
Mitarbeiter Trutz von Trothas, den verstorbenen
Soziologieprofessor und
verwandt mit Lothar von Trotha, ebnete den Weg zu den ungekürzten
Aufzeichnungen und legte den Grundstein für die langfristige
Kooperation mit
der Familie. So dankt der Familienverband im Vorwort beiden
Herausgebern für
die „langjährig bestehende vertrauensvolle Zusammenarbeit in
dieser nicht ganz
einfachen Materie unserer Familiengeschichte“ (Band I, S. VII).1 Während eine frühere, von
der Witwe Lucy
von Trotha herausgegebene Edition nur eine beschönigende Version
des Tagebuchs
präsentierte, liegt damit nun erstmals der vollständige,
unzensierte
Originaltext vor. Der größte editorische Eingriff und gleichzeitig
das
Verdienst der Herausgeber besteht zunächst darin, die über fünf
Hefte
verstreuten Aufzeichnungen Trothas chronologisch geordnet zu
haben. Von Mai
1904 bis November 1905 führte Trotha beinahe täglich Tagebuch,
wechselte dabei
aber wiederholt das Medium: Während der Märsche im Feld griff er
zu einem
kleinformatigen Heft, das er auch ohne weitere Habseligkeiten
stets bei sich
tragen konnte. In stationären Phasen hielt er seine regelmäßigen
Beobachtungen
– von Korrekturen der Kriegskarte über die Verächtlichmachung von
Rivalen wie
Theodor Leutwein und ihm untergebenen Schutztruppenangehörigen bis
hin zu
Bemerkungen über eigene gesundheitliche Beschwerden – in einem
größeren Heft
fest. Zwecks Lesbarkeit und Zugänglichkeit setzen sich die
Editoren über die
originale Konfiguration der Quellen hinweg und präsentieren die
Eintragungen in
einer linearen Anordnung. Durch Einbeziehung digitaler
Editionsformen lässt
sich aber ebenfalls der ursprüngliche Dokumentenzusammenhang
nachvollziehen:
DeGruyter/Oldenbourg stellt den Tagebuchtext zusätzlich in Form
von Faksimiles
in Gänze auf der Verlagsseite zur Verfügung.2 Dies ermöglicht es, die
Entstehungsbedingungen der Notizen zu erfassen, und lädt zu
übergeordneten
Fragestellungen zur Visualität und Hypertextualität des
Tagebuchschreibens ein.
In der Druckfassung originalgetreu wiedergegeben werden
Orthografie,
Interpunktion, Auslassungen und Streichungen. Die Authentizität
der
Quellensprache bleibt somit gewahrt und Trothas Sprachduktus, der
von häufigen
Ausrufen und englischen oder französischen Redewendungen
durchsetzt ist
(„Bon!“), wird der Analyse zugänglich.
Hervorragend gelingt die Kommentierung des Tagebuchs. In
Anmerkungen lösen die
Herausgeber die meisten der von Trotha erwähnten Personennamen und
Ortsbezeichnungen auf, liefern Begriffserklärungen oder ordnen die
vom
Diaristen geschilderten Begebenheiten in den historischen Kontext
ein. Als
wahrer Fundus erweist sich der Anhang zu Band I: Hier finden sich
die
transkribierten Fassungen 43 weiterer Quellen. Teilweise handelt
es sich dabei um
Briefe, Zeitungsartikel oder sonstige Schriftstücke aus Trothas
Nachlass,
teilweise um Dokumente, die der Protagonist in seinen
Aufzeichnungen erwähnt.
Zahlreiche weitere archivalische Quellen werden in den Anmerkungen
zum Tagebuch
genannt, jedoch nicht als Transkripte bereitgestellt.
Wohl um angesichts kritischer Berichterstattung sein eigenes
Narrativ ob seiner
Kriegsführung zu streuen – wenn auch nur im kleinen Kreis –,
fertigte Trotha
zwei Jahre nach seiner Rückkehr ins Kaiserreich fünf Exemplare
einer
„Bildermappe“ mit 206 Aufnahmen an. Eine der fünf Versionen bildet
die
Grundlage für Band II der Edition, „Das Fotoalbum“.
Bedauerlicherweise bleibt
die Überlieferungsgeschichte des Albums, das sich laut
wiederholter Aussage „im
Privatbesitz“ von Andreas Eckl befindet (Vorbemerkungen zu Band
II; Band II, S.
266), vage, im Gegensatz zu den ausführlichen Erläuterungen zur
Provenienz des
Tagebuchs und der vier weiteren überlieferten Alben. Umso
versierter fällt
dafür die quellenkritische Analyse des Entstehungskontextes und
Narrativs des
Albums aus, die in der Materialität, Urheberschaft, und Serialität
der
Fotografien in den Blick genommen werden. Trothas Intention war
es, im Album
die chronologische Abfolge seines Aufenthalts in „Südwest“
abzubilden. Geschickt
arbeiten Häussler und Eckl heraus, dass die Aufnahmezeitpunkte
sich nicht
durchgehend mit der im Fotoalbum skizzierten Chronologie decken,
Trotha also
als kuratierender „Bilderbuchautor“ agierte (u. a. Band II, S.
54). Aus der
linearen Anordnung, die Trothas Stationen zwischen Ankunft und
Abreise
dokumentieren sollen, stechen nur drei Sektionen heraus:
„Pferdebilder“,
„Einzelbilder“ – ein Kapitel, das hauptsächlich deutsche Frauen
porträtiert,
mit denen Trotha vor Ort bekannt war – und ein mit dem Titel „Der
General“
überschriebener Abschnitt, der ausschließlich Bilder des
Protagonisten selbst
versammelt. Laut Vermutungen der Herausgeber stammen wohl alle
Bilder vom
Amateurfotografen Trotha, bis auf die Aufnahmen, die ihn selbst
zeigen.
Wie die Herausgeber in den Vorbemerkungen zum Tagebuch festhalten,
oblag ihnen
vonseiten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, keine
argumentative
Interpretation des Tagebuchs vorzunehmen, sondern die
Aufzeichnungen lediglich
zu dokumentieren. Demgegenüber bestanden keine Auflagen
hinsichtlich des
Fotoalbums. Die Kommentierung der Fotografien erfolgt daher nicht,
wie in Band
I, durch Anmerkungen, sondern durch deutende Texte. Zur Auslegung
der Bilder
stützen sich Häussler und Eckl stark auf das Tagebuch, ordnen die
vom Protagonisten
genannten Aufenthaltsorte in seine Itinerarien ein und liefern
passende Zitate
aus den persönlichen Aufschrieben, die Trothas Beziehung mit den
im Album
abgebildeten Akteur:innen erhellt. Die Verzahnung der
Quellengattungen
ermöglicht zum einen die informierte Deutung des Fotoalbums, zum
anderen einen
Einblick in Bekanntschaften Trothas, insbesondere mit
afrikanischen
Akteur:innen, die im Tagebuch keine Erwähnung finden.
Fragen werfen die ausgreifend interpretierenden Kapitel auf, die
die Herausgeber
rund um die Bildermappe gruppieren. Anders als in der gekonnten
editorischen
Aufbereitung der Quellen zeigen sich hier einige Unsauberkeiten.
Im Unterschied
zu den konsequent referenzierten Anmerkungen in Band I finden sich
in der
eigenen Darstellung nur spärliche Belege. Nicht befriedigen kann
dabei der
Hinweis der Herausgeber: „Die Arbeiten Vieler und die in ihnen
enthaltenen
Gedanken haben in der einen oder anderen Form Eingang gefunden in
den Text,
ohne dass dies immer genau zu bestimmen ist“ (Vorbemerkungen zu
Band II).
Neben einigen formalen Unstimmigkeiten und Redundanzen fällt eine
argumentativ
durchaus diskussionswürdige Einschätzung der Herausgeber ins
Gewicht: Sowohl im
Tagebuch als auch im Fotoalbum lasse sich, so ihre Einschätzung,
„ein besonders
extremer Rassismus [Trothas] nicht ausmachen“ (Band I, S. 55).
Unter
ausdrücklicher Abgrenzung zu etablierten Arbeiten der colonial
photography
vertreten sie die These, Trothas Blick sei kein kolonialer:
„Trotha
kontrastiert nicht, er vergleicht nicht und wertet damit auch
nicht ab. Das
Andere oder Fremde interessiert ihn nicht sonderlich, weder in
diesem Album
noch im Tagebuch“ (Band II, S. 287). Diese apodiktische Aussage
erstaunt
insofern, als Häussler in seiner früheren Qualifikationsschrift –
unter
Rückgriff auf Wulf D. Hund – betont hatte, dass sich rassistische
Strukturen
nicht nur in gewalttätigen Übergriffen, sondern auch in Formen der
„Unterlassung, Ignorierung und Gleichgültigkeit“ manifestieren
können.3 Hinweise auf einen
kolonial geprägten
Blick lassen sich durchaus auch in Trothas Sprachgebrauch
erkennen: Während
deutsche Akteure mit vollem Namen oder Nachnamen benannt werden,
erscheinen
Krankenschwestern und Schwarze Figuren – etwa der Herero-Anführer
Samuel
Maharero – überwiegend nur mit Vornamen. Diese Differenzierung
kann als
Ausdruck der von den Herausgebern selbst konstatierten
„Entsubjektivierung“
gelesen werden. Darüber hinaus durchziehen auch
zivilisationstheoretisch
begründete, offen rassistische Klassifikationen der
Kolonialbevölkerung sowie
eine daraus abgeleitete Legitimation extremer Gewalt die Seiten.
Beispielhaft
hierfür ist Trothas Eintrag vom 16. Juli 1904: „Jede andere Idee,
hier Ruhe zu
stiften, anders, als mit Strömen von Blut, ist falsch. Dazu muß
man die Natur
der Bande kennen“ (Band I, S. 52). Vor diesem Hintergrund
erscheint die
Einschätzung der Herausgeber, Trothas Blick sei nicht als
kolonialrassistisch
zu verstehen, zumindest erklärungsbedürftig – insbesondere im
Hinblick auf die
Gewichtung solcher Aussagen innerhalb des Gesamtmaterials.
Zumindest unklar ist ebenso die Verortung der Trothaschen
Aufnahmen als „Kriegsfotografie“
statt Kolonialfotografie – stellen die Herausgeber doch wiederholt
fest, dass
„nichts in den Bildern von Trotha auf Krieg hindeutet“ (Band II,
S. 304). Hier
vermisst man eine kritischere Einordnung der Leerstellen, die die
Herausgeber
in einem mit „Lücken“ überschriebenen Kapitel nur anreißen: Das
demonstrative
Ausblenden des Genozids ist ein zentraler und beredter Aspekt der
visuellen
Erzählung, die einer Auslöschung der OvaHerero und (Oorlam-)Nama
auch auf Ebene
der Erinnerung gleichkommt. Ebenso problematisch erscheint es, dem
Fotoalbum
als Schlusswort der Gesamtedition einen apologetischen Brief
Trothas folgen zu
lassen, in dem er sich als Opfer einer medialen Hetzkampagne im
Kaiserreich
inszeniert. Die Herausgeber erkennen durchaus die Brisanz von Lucy
von Trothas
Bemühungen, posthum das Bild ihres Gatten zu beschönigen und der
„Kolonialschuldlüge“ entgegenzutreten. Warum also ausgerechnet
diesen Text
derart prominent platzieren und dem Täter das letzte Wort lassen?
Ungeachtet dieser Kritikpunkte ist mit dieser umfangreichen
Edition eine
maßgebliche Quellenbasis für die weitere Erforschung des ersten
Genozids im 20.
Jahrhundert und der Täterbiografien geschaffen. Die Edition
gewinnt ihre Stärke
gerade daraus, Text- und Bildquellen nicht isoliert, sondern in
ihrem
Zusammenspiel zu präsentieren und damit mehrschichtige Deutungen
zu
ermöglichen. Die vom Familienverband anvisierte Erschließung
weiterer
Tagebücher Trothas aus seiner Zeit in „Deutsch-Ostafrika“ um 1897
und rund um
die Niederschlagung des „Boxeraufstands“ 1900/1901 in China mögen
die
Auseinandersetzungen fortführen.4 Es bleibt zu hoffen, dass
dieser
imposante Beitrag zur Grundlagenforschung trotz seines stolzen
Preises eine
weite Verbreitung und intensive Diskussion in Wissenschaft und
Öffentlichkeit
erfährt.
Anmerkungen:
1 Eine gemeinsame
Veröffentlichung mit dem
Soziologen Trutz von Trotha legte Häussler noch im Jahr vor dessen
Tod 2013
vor: Matthias Häussler / Trutz von Trotha, Koloniale
Zivilgesellschaft? Von der
„kolonialen Gesellschaft“ zur kolonialen Gewaltgemeinschaft in
„Deutsch-Südwestafrika“, in: Dirk Spreen / Trutz von Trotha,
(Hrsg.),
Zivilgesellschaft und Krieg, Berlin 2012, S. 293–317.
2 Verband der Familie von
Trotha GbR, Band
Lothar von Trotha: Tagebuch, Band 1–5, Berlin 2024, https://doi.org/10.1515/9783110652765
(15.04.2025).
3 Matthias Häussler, Der
Genozid an den
Herero. Krieg, Emotion und extreme Gewalt in
Deutsch-Südwestafrika, Weilerswist
2018, hier S. 23; vgl. Wulf D. Hund, Rassismus, Bielefeld 2007, S.
110.
4 Zur Bedeutung seiner diversen
Kriegseinsätze
in Europa und Übersee für Trothas imperiale Laufbahn siehe
Christoph Kamissek,
„Ich kenne genug Stämme in Afrika“. Lothar von Trotha – Eine
imperiale
Biographie im Offizierkorps des deutschen Kaiserreiches, in:
Geschichte und
Gesellschaft 40 (2014), S. 67–93.
Zitation
Alina Marktanner, Rezension zu: Häussler, Matthias; Eckl, Andreas
(Hrsg.): Lothar
von Trotha in Deutsch-Südwestafrika, 1904–1905. Band I: Das
Tagebuch. Band II:
Das Fotoalbum. Berlin 2024 , ISBN 9783111127996, in: H-Soz-Kult,
08.05.2025, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-152116.