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2024/08/01 20:36:27 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Planetarien. Wunder der Technik – Techniken des Wunderns |
Datum | 2024/08/12 17:08:56 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Jörn Didas: „Die Moor soldaten“ von Adolf Bender |
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2024/08/01 20:36:27 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Planetarien. Wunder der Technik – Techniken des Wunderns |
Betreff | 2024/08/31 16:11:10 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Umgeschriebene Geschichte?. Di e Hitler-Tagebücher und ihr Echo |
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2024/08/01 20:36:27 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Planetarien. Wunder der Technik – Techniken des Wunderns |
Autor | 2024/08/12 17:08:56 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Jörn Didas: „Die Moor soldaten“ von Adolf Bender |
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Date: 2024/08/03 10:25:17
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Strandgut
am Berg: Dinge und ihre Geschichten am Rande der
Seidenstraßen
Veranstalter
Völkerkundemuseum der J. & E. von Portheim-Stiftung
Heidelberg
Ort Heidelberg
Vom - Bis 25.01.2024 - 08.09.2024
Website https://voelkerkundemuseum-vpst.de/besuch/strandgut/
Publikation(en)
Elders, Maren; Saxer, Martin; Kuhlmann, Tinka, Küng,
Alfred: Strandgut
am Berg. Dinge und ihre Geschichten am Rande der
Seidenstraßen. Heidelberg
2023/2024 : -,
ISBN 1350655-1926205 92 S.
Rezensiert für H-Soz-Kult von Lea Garcia, IRTG
Baltic
Peripeties, Universität Greifswald
Anhand von sechzehn Alltagsobjekten erzählt die Ausstellung
„Strandgut am Berg.
Dinge und ihre Geschichten am Rande der Seidenstraßen“ im
Völkerkundemuseum
vPST in Heidelberg vom Leben in den Bergregionen Asiens.
Mithilfe von
Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens werden so historische
und
zeitgenössische Verflechtungen mit verschiedenen Nationen,
politische und
wirtschaftliche Ambitionen in der Region, aber auch familiäre
Geschichten von
Migration und persönliche Erinnerungen nachgezeichnet.
Die einzelnen Objekte stammen aus Nepal, Tadschikistan, Myanmar,
China,
Afghanistan, Tibet und Kirgistan. Trotz des lokalen Bezugs der
einzelnen
Gegenstände und der Einbindung in den konkreten Alltag vor Ort
machen ihre
Geschichten auch überregionale Erfahrungen und Prägungen
deutlich: So gewähren
eine verrostete Schreibmaschine oder eine ausgediente Atemmaske
Einblicke in
den Arbeitsalltag von Schlossern in Tadschikistan und
Minenarbeitern in
Kirgistan, verweisen aber beide gleichzeitig auch auf den
Zerfall der
Sowjetunion und dessen wirtschaftliche Konsequenzen.
Abb. 1: Objekt „Schreibmaschine“
(© Völkerkundemuseum vPST, Heidelberg. Foto: Lea Garcia, Juni
2024)
Abb. 2: Objekt „Maske eines unbekannten Kumpels“
(© Völkerkundemuseum vPST, Heidelberg. Foto: Lea Garcia, Juni
2024)
Unter den Objekten ist auch zurückgelassener Müll, etwa
verrostete
Konservendosen der russischen Armee, aber auch
Alltagsgegenstände der
Ausstellungsmacher:innen selbst, wie eine Armbanduhr, und neu
gekaufte Objekte,
wie ein geknüpfter Teppich. Während einige von ihnen auf
historische Ereignisse
verweisen, repräsentieren andere zeitgenössische Entwicklungen.
Abb. 3: Objekt „Konservendosen der russischen Armee“
(© Völkerkundemuseum vPST, Heidelberg. Foto: Lea Garcia, Juni
2024)
Abb. 4: Objekte „Uhren in Silber“ und „Uhr in Gold“
(© Völkerkundemuseum vPST, Heidelberg. Foto: Lea Garcia, Juni
2024)
Abb. 5: Objekt „Teppich der Zukunft“ mit Stadtmotiv und
Spielautos
(© Völkerkundemuseum vPST, Heidelberg. Foto: Lea Garcia, Juni
2024)
Nach nur wenigen Treppenstufen hinunter in den Keller des
Museumsgebäudes
treffen Besuchende auf eine Art Atrium aus beleuchteten
Vitrinen. Lässt man von
der Treppe aus zunächst einmal den Blick durch den kleinen Raum
schweifen,
entdeckt man Bilder von kargen Berglandschaften und eine große
Landkarte. Aber
schnell fällt der Blick auch auf folgende Worte an der Wand:
„Remote areas are full of innovators.
Remote areas are full of ruins of the past.
Remote areas are in constant contact with the world.
Edwin Ardener“
Besuchende werden hier mit potenziellen Stereotypen über die
Bergregionen
Asiens und ihre oft entlegene Umgebung konfrontiert. Das ist
auch die explizit
formulierte Intention der Ausstellungsmacher:innen –
Vorstellungen von
„Abgeschiedene[r] Peripherie, ursprüngliche[r] Natur [und]
zeitlose[n]
Traditionen […] etwas entgegen[zu]setzen“ (S. 5). An dieser
Stelle wird der
gewollte Bruch nochmal genauer ausgeführt: Ziel ist „ein anderer
Blick auf die
Bergregionen Asiens und unsere eigenen Vorstellungen“ (ebd.).
Was auffällt, ist die doppelte Richtung des Blicks. Dieser führt
zunächst in
die Ferne, ins Hochland Asiens, dann aber auch zurück in den
Ausstellungsraum,
wo kritisch auf die Rolle des Museums und die Besuchenden mit
ihren
Vorstellungen der Region geblickt wird. Die Spannung zwischen
diesen beiden
Polen – dem Blick nach außen und dem Blick nach innen – prägt
die gesamte
Ausstellung. Stereotype und exotisierende Vorstellungen werden
gezielt
aufgegriffen, widergespiegelt und gebrochen. So werden
Besuchende dazu
eingeladen, sich selbst mit ihren Imaginationen der Region
auseinanderzusetzen
und sie kritisch zu reflektieren.
Hinter deckenhohen Glasvitrinen entlang der Wände strukturiert
sich die
Ausstellung in großformatige Fotos, hinter denen auf von der
Decke hängenden
weißen Stoffbahnen Bildüberschriften in roter Farbe zu lesen
sind. Besuchende
folgen so einer Art Rundgang durch den Raum entlang der
Außenwand. Ergänzt wird
dieser Weg durch Objekte, die exponiert auf unterschiedlich
hohen weißen
Sockeln im Raum verteilt stehen. Die Höhe der Sockel variiert
entsprechend der
Höhenmeter des Ortes, an dem das jeweilige Objekt gefunden
wurde, die auch
nochmal auf einem roten Band angegeben werden. Besuchende haben
durch QR-Codes
die Möglichkeit, mit einem Smartphone den Ort des Objektfunds
auf Google Maps
zu betrachten. Häufig liegen die Objekte frei auf dem Sockel;
gerade dann
entfalten sie durch die Abwesenheit von zusätzlichen Glaskästen
eine
unmittelbare Präsenz. Die Architektur des Raumes mit den hohen
Glaswänden
entlang der Außenwand als Kontrast zu den meist ungeschützt
präsentierten
Objekten verstärkt diesen Eindruck und rückt sie in den Fokus.
Abb. 6: Objekt „Futterball“
(© Völkerkundemuseum vPST, Heidelberg. Foto: Lea Garcia, Juni
2024)
In der Mitte des Rundgangs, an der Innenwand, befindet sich eine
Galerie der
Ausstellungsmacher:innen. In den Kurzbiografien erzählen sie aus
der
Ich-Perspektive ihren Bezug zur Thematik und zur Region.
Besuchenden wird hier
Einblick in zugrundeliegende Prozesse der Forschungs- und
Museumsarbeit und die
Verwobenheit der involvierten Akteur:innen gewährt. Durch
Lichtdesign und
Farbkonzept wird hier eine klare Differenz zur restlichen
Ausstellung
geschaffen. Während die Fotografien und die Objekte auf den
Sockeln stark in
Szene gesetzt werden und rot und weiß als Farben des
Grafikdesigns dominieren,
ist die ästhetische Gestaltung hier sehr schlicht gehalten:
jeweils zwei
schwarz-weiß Portraits hängen auf schwarzen Tafeln und sind
dezent beleuchtet.
Die im Einführungstext angeklungene doppelte Blickrichtung sowie
das Aushandeln
der Frage nach Akteurspositionen in musealen Kontexten spiegelt
sich so auch in
der Gestaltung des Ausstellungsraums wider. Der Blick schweift
von Wand zu
Wand, von außen nach innen, und die Grenzen zwischen diesen
vermeintlichen
Gegensätzen verschwimmen.
Museen werden oft in erster Linie als Ausstellungsräume
wahrgenommen,
wenngleich die Praktik des Ausstellens, neben Sammeln, Forschen,
Bewahren und
Vermitteln, nur eine der zentralen Aufgaben ist, der sich Museen
widmen.1 Die Ausstellung bricht
mit diesem
einseitigen Blick auf Museumsarbeit und gewährt Besuchenden
Einblicke in die
Praktik des Sammelns. Dabei werden die darin involvierten
Akteur:innen ganz
explizit gezeigt und ihre Verbindungen zum und Verwobenheit mit
dem Feld
thematisiert. Dadurch entstehen neue Perspektiven auf die
Entstehung und
Produktion von Wissen im Museum. Es wird ein Eindruck davon
vermittelt, wie
Objekte teils gezielt, teils zufällig ihren Weg ins Museum
finden und wie ihre
Kontextualisierung geschieht.
Viele Ausstellungstexte sind aus der Ich-/Wir-Perspektive
formuliert und lesen
sich wie Einträge aus einem Reise- oder Forschungstagebuch: „Ein
kalter Wind
bläst durch die Straßen und wir betreten eines der spärlichen
Teehäuser, die
hungrige Reisende bewirten.“ (Martin Saxer, Traumbilder an der
Wand; S. 71)
Dadurch wird mit der distanziert anmutenden Stimme eines
vermeintlich
„allwissenden Museums“ gebrochen. Gleichzeitig wird dadurch sehr
deutlich, dass
Museen nicht neutral Fakten aufzeigen, sondern durch die von
ihnen
präsentierten Perspektiven und gewählten Erzählweisen immer aus
einer
bestimmten Position heraus sprechen.
Trotz des dezidierten Fokus auf die Gegenwart in dieser
„Archäologie des
Zeitgenössischen“ (S. 5) könnte eine weiterführende
Kontextualisierung an
manchen Stellen die Einordnung in historische und
gesellschaftspolitische
Zusammenhänge unterstützen. Der Fokus in den Objekttexten liegt
in erster Linie
auf der Gegenwart, also darauf, wie sich historische Erfahrungen
in der Region
im Hier und Jetzt auswirken. Die kurz gehaltenen Referenzen
machen neugierig
auf fundiertere Ausführungen der geschichtlichen Verstrickungen.
Wenngleich
also wie im Titel antizipiert die „Dinge“ durch die Inszenierung
zur Geltung
kommen und „ihre[n] Geschichten“ Platz eingeräumt wird, bleiben
an einigen
Stellen Fragen nach den übergeordneten Kontexten offen.
Gleichzeitig rückt der Fokus auf die Gegenwart die Rolle des
Alltagslebens zum
Verständnis von Objekten in den Blick. Das vermeintlich
Selbstverständliche des
Alltags wird hier zum Besonderen gemacht und ausgestellt. Die
sechzehn Objekte
bzw. Objektgruppen auf den Sockeln sind jeweils kombiniert mit
großformatigen
Fotografien im Hintergrund und der herabhängenden Stoffbahn mit
entsprechendem
Titel. In dieser Dreierkombination entfalten sie also ihre
Wirkung. Die Fotos
zeigen oft einen Blick in die Ferne, auf die karge Landschaft;
gleichzeitig
wird Besuchenden durch das Abbilden von Alltag in Form von
Zuhause, von
Menschen beim Nachgehen ihrer Arbeit, vom gemeinsamen Einnehmen
von Mahlzeiten,
Einblick in etwas Intimes gewährt. Auch hier entsteht durch die
doppelte
Blickrichtung – zwischen Ferne und Nähe – ein
Spannungsverhältnis.
Abb. 7: Objekt „Dreirad“
(© Völkerkundemuseum vPST, Heidelberg. Foto: Lea Garcia, Juni
2024)
Abb. 8: Objekt „Dreirad“, zugehörige Ausstellungsfotografien
(© Völkerkundemuseum vPST, Heidelberg. Foto: Lea Garcia, Juni
2024)
Wenn in vielen anderen Ausstellungen oft unklar bleibt, wem die
gezeigten
Objekte gehörten und aus welchem Kontext sie stammen, so stehen
die ehemaligen
Besitzer:innen und ihre Geschichten hier häufig im Vordergrund
und die
ursprüngliche Rolle im Alltag wird geschildert. Gleichzeitig
stolpert man
gerade aufgrund dieser transparenten Handhabe der Provenienz in
manchen Fällen
etwas über den Begriff „found“ auf den Objekt-Tags. Durch die
große
Bereitwilligkeit, diese Kontexte offenzulegen und in den Fokus
zu rücken,
stellen sich hier dann weiterführende Fragen nach Transaktionen,
Erwerbs- bzw.
Schenkungsbedingungen, die häufig im Zentrum von Debatten um
Objektprovenienzen
stehen. Es ist sozusagen klar wo, bei wem und von wem die
Objekte „gefunden“
wurden; offen bleibt aber zum Teil, was die vormaligen
Besitzer:innen für das
Überlassen der Objekte erhalten haben.
Nichtsdestotrotz wird durch das Schildern unterschiedlicher
Beispiele ein
Bewusstsein dafür geschaffen, auf welch unterschiedliche Weisen
Objekte ihren
Weg ins Museum finden können. Insgesamt trägt das Sichtbarmachen
von
Sammlungspraktiken und der außergewöhnlich transparente Umgang
mit Provenienz
dazu bei, Besuchenden ein kritisches Verständnis für die
Komplexität der
Thematik zu vermitteln und sie dazu anzuregen, weitere Fragen zu
stellen.
Anmerkung:
1 Deutscher Museumsbund,
Museumsaufgaben, https://www.museumsbund.de/museumsaufgaben/
(31.07.2024).
Zitation
Lea Garcia, Ausstellungsrezension zu: Strandgut am Berg:
Dinge und ihre
Geschichten am Rande der Seidenstraßen , 25.01.2024 -
08.09.2024
Heidelberg, , In: H-Soz-Kult, 03.08.2024, <www.hsozkult.de/exhibitionreview/id/reex-145435>.