Date: 2024/08/01 20:36:27
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Planetarien. Wunder der Technik – Techniken des
Wunderns
Autor: Helen Ahner
Erschienen Göttingen 2023: Wallstein
Verlag
Anzahl Seiten 366 S., 20 Abb.
Preis € 38,00
ISBN 978-3-8353-5430-2
URL https://doi.org/10.46500/83535430
Inhalt meinclio.clio-online.de/uploads/media/book/toc_book-79066.pdf
Rezensiert für den Rezensionsdienst "Europäische
Ethnologie / Kulturanthropologie / Volkskunde" bei H-Soz-Kult von:
Oliwia Murawska, Institut für Geschichtswissenschaften und
Europäische
Ethnologie, Universität Innsbruck
Daran, dass der Sternenhimmel in den 1920er-Jahren in greifbare
Nähe rückte und
zugleich Erfahrungen der Entrückung sowie Ergriffenheit erlaubte,
hatten nicht
zuletzt auch die in den europäischen Großstädten zahlreicher
werdenden
Planetarien Anteil. Schließlich konnten sich darin die
Besucher:innen zum
Weltraum, zur Technik, zur Wissenschaft, zu möglichen Zukünften,
zur Natur und
auch zur Moderne ins Verhältnis setzen. Von einer regelrechten
„Planetariumseuphorie“ (S. 14) spricht Helen Ahner in ihrer
Dissertationsschrift, die sich aus
empirisch-kulturwissenschaftlicher
Perspektive mit dem Projektionsplanetarium zur Zeit seiner
Entstehung und
Etablierung zwischen 1923 und 1933 zuwendet. Nicht nur die
ansprechende
Gestaltung des Umschlages lädt zum Lesen ein, auch der Titel und
das darin
Ausdruck findende, auf 368 Seiten schrittweise aufgeschlüsselte
Spiel der Worte
wecken Neugier.
Zu Beginn erklärt Ahner, worin die
empirisch-kulturwissenschaftliche
Perspektive auf den Gegenstand besteht – namentlich in der Frage
nach der
gesellschaftlichen Bedeutung von Planetarien, wobei Menschen, ihre
Erfahrungen,
Gefühle, Imaginationen und Erzählungen im Mittelpunkt stehen. Die
Arbeit
versteht sich dabei als ein Beitrag zur Kulturgeschichte des
Alltags und spürt
der Selbstbeschreibung des Menschen als „modern“ nach. Dazu wurden
vier
Fallbeispiele – die Planetarien in Jena, München, Wien und Hamburg
– ausgewählt
und ein 900 historische Dokumente umfassender Quellenkorpus –
bestehend aus
Bildern, Briefen, Zeitungsartikeln und Programmheften – einer
historischen
Kulturanalyse unterzogen. Ziel der Arbeit sei es, „das Planetarium
als Wunder
der Technik und gleichzeitig als Technik des Wunderns zu
untersuchen, den
diskursiven und praktischen Seiten der Planetariumserfahrung
gerecht zu werden
und dabei deutlich zu machen, wie Formen des Wahrnehmens, Fühlens,
Erzählens
und Wissens zusammenhängen“ (S. 30).
Im ersten Teil des insgesamt drei Teile umfassenden Buches wird
das Planetarium
als Feld und Forschungsgegenstand präsentiert. Nah am empirischen
Material und
sehr ausführlich werden dazu zunächst die Geschichte sowie
Spezifika der vier
Planetarien vorgestellt und dann methoden- sowie quellenkritisch
die Potenziale
und Grenzen des gewählten Zugriffes – namentlich der historischen
Ethnografie –
diskutiert. Bei der Auswertung ihres Quellenkorpus bedient sich
Ahner dabei
sowohl diskursanalytischer als auch praxisorientierter Lesarten,
um vergangene
Erfahrungen, Wahrnehmungen und Gefühle zu analysieren und sie auf
diesem Wege
zum Vorschein zu bringen.
Der zweite Teil der Arbeit widmet sich dem zunächst historisch
hergeleiteten
Topos vom „Wunder der Technik“, der die Erfahrung im Planetarium
als
Technikerfahrung rahmt: Das Planetarium sei ein Ort, an dem das
Verhältnis zur
Technik erfahren, gefühlt, vermittelt und ausgehandelt werden
konnte. In ihrer
Hinwendung zur technischen Dimension des Planetariums positioniert
sich Ahner
dabei in der empirisch-kulturwissenschaftlichen Technikforschung,
wie sie – in
der Tradition von Hermann Bausinger – gegenwärtig etwa von Klaus
Schönberger
angewandt wird, und distanziert sich zugleich von den Science and
Technology
Studies (STS): „STS-Perspektiven bergen die Gefahr, sowohl die
Frage nach dem
Alltag als auch die Frage nach der Erfahrungsdimension des
Alltäglichen
auszublenden.“ (S. 153) Es ist bedauerlich, dass sich Ahner dieser
Forschungsperspektive versperrt – nicht nur, weil ihre Sorge im
Lichte
zahlreicher Alltagskulturforscher:innen, die sich in den STS
verorten,
unbegründet ist, sondern da ihr die Ansätze der STS den Weg zur
Erforschung der
im folgenden Kapitel behandelten naturkultürlichen
Planetariumserfahrungen
geebnet hätten. Dessen ungeachtet gelingt es Ahner, den Projektor
ausgehend von
ihrem Material als Wesen, Werk und Weltmaschine, welche „die Welt
nicht
abbildete, sondern sie erst hervorbrachte“ (S. 170), zu
identifizieren.
Im vierten Kapitel wird die im Planetarium erzeugte Naturerfahrung
als
„Durch(-)einander von Natur und Kultur“ (S. 190) ausgewiesen.
Dabei scheint die
Autorin ein wenig hin- und hergerissen zu sein zwischen dem
„klassisch“
empirisch-kulturwissenschaftlichen Zugriff auf Natur, der danach
fragt, „was
Menschen wann und warum als Natur begegnet(e)“ (S. 194), und
neueren Ansätzen
der NaturenKulturen-Forschung. Ihre bis zu diesem Kapitel
konsequent sozialkonstruktivistische
und diskurs- sowie praxistheoretische Argumentation – welche die
Planetariumserfahrung als gemacht und Ergebnis narrativer oder
inszenatorischer
Strategien sowie erlernter Wahrnehmungsweisen ausweist (S. 216,
224) –
kollidiert mit den nun eingeführten postdualistischen,
postanthropozentrischen
und posthumanistischen Ansätzen der NaturenKulturen-Forschung.
Diese hätten ein
grundsätzlich anderes Fragen erfordert – etwa nach den Seins- und
Erscheinungsweisen eines durch das Planetarium erzeugten
Mensch-Technik-
beziehungsweise Mensch-Natur-Kontinuums – und zudem vom Wechsel
der
Betrachtungsrichtungen – also nicht nur „vom Menschen her“,
sondern „von der
Maschine her“ – profitieren können. Auch das im Kontext der
NaturenKulturen-Forschung umstrittene Konzept Natur – das
unweigerlich
Dualismen und Anthropozentrismen produziert – sowie die im Zuge
der Vermischung
der kontrastierenden Zugriffe entstehenden Widersprüche hätten
einer stärkeren
Problematisierung bedurft. Gleichwohl sollte dieser Eindruck nicht
das positiv
zu bewertende Bemühen schmälern, an historischem Material aktuelle
und zumeist
auf Gegenwartsfragen gerichtete Denkrichtungen zunächst tastend zu
erproben.
Mithin gelingt es Ahner, einerseits mannigfaltige Naturkonzepte zu
identifizieren
sowie den zwischen Planetarium, Stadt und Natur bestehenden Konnex
herauszuarbeiten, andererseits das Planetarium in Anlehnung an
Alexander C.T.
Geppert und Tilmann Siebeneichner als lieux de l’avenir
auszuweisen: als einen
Ort, an dem gesellschaftliche Erwartungen ausgehandelt sowie
Zukünfte erprobt
werden konnten und dem ein „will to wonder“ zugrunde liegt (S.
227).
Der Sprung in postdualistische Denksphären gelingt Ahner
schließlich im
dritten, „Techniken des Wunderns“ betitelten Teil (und dies ohne
explizite
Anwendung der STS oder NaturenKulturen, wenngleich spekuliert
werden könnte, ob
diese nicht implizit das Fragen anleiteten) mit der Zuwendung zur
Körperlichkeit der Planetariumserfahrung sowie den zwischen
Begeisterung und
Angst changierenden Gefühlen: „Diese Gefühle und Vorstellungen
griffen auf die
Leiber der Planetariumsgäste aus und machten Technik und den
Umgang damit zur
Körpersache.“ (S. 225) Ahner nimmt dabei sowohl die
körperlich-sinnliche
Dimension des Wunderns sowie die im Planetarium eingeübten
Körpertechniken wie
Hören, Sehen, Sitzen und Schwindel in Augenschein, als auch die
stimmungsmäßigen und atmosphärischen Dimensionen: Die
„Planetariumsatmosphäre“
(S. 258) korreliere dabei mit den Wahrnehmungen, Emotionen und der
Wissensaneignung
der Besucher:innen; zudem gelte das körperliche wie emotionale
„Durchschauern“
als Symptom der „Planetariumsstimmung“ (S. 259). Durch die
Hinwendung zur
Körperlichkeit gelangt das zunächst nicht ganz überzeugende
„Durch(-)einander“
(S. 190) klar zur Abhebung und lässt an posthumanistische Konzepte
wie Stacy
Alaimos Transkorporealität denken, wenn Ahner schreibt, dass der
gleichermaßen
dezentriert wie zentriert erlebbare Körper der Besucher:in „mit
der Schau
verschmolz und als Teil ihrer hervortrat“ (S. 283). Das
„Durch(-)einander“
kulminiert schließlich in den letzten beiden, die Dramaturgie des
Buches
krönenden Kapiteln, in denen das Planetarium als Ort der
kollektiven
„Transzendenzerfahrung“ und „Erfahrung des Erhabenen“ (S. 335)
ausgewiesen
wird, der ein gemeinschaftliches Erleben von Wirklichkeiten, die
den Alltag
überschreiten, erlaubte und zudem Raum zur Reflexion über die
Stellung des
Menschen in und jenseits der Welt sowie zur Perspektivierung des
Daseins im
Lichte der Erfahrung des Erhabenen bot.
Beim Lesen der Monografie, die einen wichtigen Beitrag zur
empirisch-kulturwissenschaftlichen Technik- und Emotionsforschung
leistet und
ein musterhaftes Beispiel für eine historische Ethnografie bietet,
lässt sich
anschaulich das Werden eines aufregenden Dissertationsprojektes
nachzeichnen:
Von einer soliden Quellenarbeit mit einer der Tübinger Tradition
erwachsenen
sozialkonstruktivistischen Analyse über eine anschwellende
Experimentierlust
mit neuen Theoremen bis hin zu einer philosophische Fragen des
Menschseins
aufwerfenden Interpretation. Nah am Material und stets die
Fachtermini souverän
erläuternd wird Helen Ahner dabei gewiss auch Nicht-Fachkundige in
den Modus
des Wunderns über die faszinierende Welt der Planetarien
versetzen.
„Planetarien. Wunder der Technik – Techniken des Wunderns“ ist
eine
empfehlenswerte Lektüre gerade mit Blick auf die vorlesungsfreie
Zeit, die uns
sowohl auf den nächsten Planetariumsbesuch als auch die
sommerlichen Perseiden
einzustimmen vermag.
Zitation
Oliwia Murawska, Rezension zu: Ahner, Helen: Planetarien. Wunder
der Technik –
Techniken des Wunderns. Göttingen 2023 , ISBN 978-3-8353-5430-2,
In:
H-Soz-Kult, 02.08.2024, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-139502>.
Date: 2024/08/03 10:25:17
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Strandgut
am Berg: Dinge und ihre Geschichten am Rande der
Seidenstraßen
Veranstalter
Völkerkundemuseum der J. & E. von Portheim-Stiftung
Heidelberg
Ort Heidelberg
Vom - Bis 25.01.2024 - 08.09.2024
Website https://voelkerkundemuseum-vpst.de/besuch/strandgut/
Publikation(en)
Elders, Maren; Saxer, Martin; Kuhlmann, Tinka, Küng,
Alfred: Strandgut
am Berg. Dinge und ihre Geschichten am Rande der
Seidenstraßen. Heidelberg
2023/2024 : -,
ISBN 1350655-1926205 92 S.
Rezensiert für H-Soz-Kult von Lea Garcia, IRTG
Baltic
Peripeties, Universität Greifswald
Anhand von sechzehn Alltagsobjekten erzählt die Ausstellung
„Strandgut am Berg.
Dinge und ihre Geschichten am Rande der Seidenstraßen“ im
Völkerkundemuseum
vPST in Heidelberg vom Leben in den Bergregionen Asiens.
Mithilfe von
Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens werden so historische
und
zeitgenössische Verflechtungen mit verschiedenen Nationen,
politische und
wirtschaftliche Ambitionen in der Region, aber auch familiäre
Geschichten von
Migration und persönliche Erinnerungen nachgezeichnet.
Die einzelnen Objekte stammen aus Nepal, Tadschikistan, Myanmar,
China,
Afghanistan, Tibet und Kirgistan. Trotz des lokalen Bezugs der
einzelnen
Gegenstände und der Einbindung in den konkreten Alltag vor Ort
machen ihre
Geschichten auch überregionale Erfahrungen und Prägungen
deutlich: So gewähren
eine verrostete Schreibmaschine oder eine ausgediente Atemmaske
Einblicke in
den Arbeitsalltag von Schlossern in Tadschikistan und
Minenarbeitern in
Kirgistan, verweisen aber beide gleichzeitig auch auf den
Zerfall der
Sowjetunion und dessen wirtschaftliche Konsequenzen.
Abb. 1: Objekt „Schreibmaschine“
(© Völkerkundemuseum vPST, Heidelberg. Foto: Lea Garcia, Juni
2024)
Abb. 2: Objekt „Maske eines unbekannten Kumpels“
(© Völkerkundemuseum vPST, Heidelberg. Foto: Lea Garcia, Juni
2024)
Unter den Objekten ist auch zurückgelassener Müll, etwa
verrostete
Konservendosen der russischen Armee, aber auch
Alltagsgegenstände der
Ausstellungsmacher:innen selbst, wie eine Armbanduhr, und neu
gekaufte Objekte,
wie ein geknüpfter Teppich. Während einige von ihnen auf
historische Ereignisse
verweisen, repräsentieren andere zeitgenössische Entwicklungen.
Abb. 3: Objekt „Konservendosen der russischen Armee“
(© Völkerkundemuseum vPST, Heidelberg. Foto: Lea Garcia, Juni
2024)
Abb. 4: Objekte „Uhren in Silber“ und „Uhr in Gold“
(© Völkerkundemuseum vPST, Heidelberg. Foto: Lea Garcia, Juni
2024)
Abb. 5: Objekt „Teppich der Zukunft“ mit Stadtmotiv und
Spielautos
(© Völkerkundemuseum vPST, Heidelberg. Foto: Lea Garcia, Juni
2024)
Nach nur wenigen Treppenstufen hinunter in den Keller des
Museumsgebäudes
treffen Besuchende auf eine Art Atrium aus beleuchteten
Vitrinen. Lässt man von
der Treppe aus zunächst einmal den Blick durch den kleinen Raum
schweifen,
entdeckt man Bilder von kargen Berglandschaften und eine große
Landkarte. Aber
schnell fällt der Blick auch auf folgende Worte an der Wand:
„Remote areas are full of innovators.
Remote areas are full of ruins of the past.
Remote areas are in constant contact with the world.
Edwin Ardener“
Besuchende werden hier mit potenziellen Stereotypen über die
Bergregionen
Asiens und ihre oft entlegene Umgebung konfrontiert. Das ist
auch die explizit
formulierte Intention der Ausstellungsmacher:innen –
Vorstellungen von
„Abgeschiedene[r] Peripherie, ursprüngliche[r] Natur [und]
zeitlose[n]
Traditionen […] etwas entgegen[zu]setzen“ (S. 5). An dieser
Stelle wird der
gewollte Bruch nochmal genauer ausgeführt: Ziel ist „ein anderer
Blick auf die
Bergregionen Asiens und unsere eigenen Vorstellungen“ (ebd.).
Was auffällt, ist die doppelte Richtung des Blicks. Dieser führt
zunächst in
die Ferne, ins Hochland Asiens, dann aber auch zurück in den
Ausstellungsraum,
wo kritisch auf die Rolle des Museums und die Besuchenden mit
ihren
Vorstellungen der Region geblickt wird. Die Spannung zwischen
diesen beiden
Polen – dem Blick nach außen und dem Blick nach innen – prägt
die gesamte
Ausstellung. Stereotype und exotisierende Vorstellungen werden
gezielt
aufgegriffen, widergespiegelt und gebrochen. So werden
Besuchende dazu
eingeladen, sich selbst mit ihren Imaginationen der Region
auseinanderzusetzen
und sie kritisch zu reflektieren.
Hinter deckenhohen Glasvitrinen entlang der Wände strukturiert
sich die
Ausstellung in großformatige Fotos, hinter denen auf von der
Decke hängenden
weißen Stoffbahnen Bildüberschriften in roter Farbe zu lesen
sind. Besuchende
folgen so einer Art Rundgang durch den Raum entlang der
Außenwand. Ergänzt wird
dieser Weg durch Objekte, die exponiert auf unterschiedlich
hohen weißen
Sockeln im Raum verteilt stehen. Die Höhe der Sockel variiert
entsprechend der
Höhenmeter des Ortes, an dem das jeweilige Objekt gefunden
wurde, die auch
nochmal auf einem roten Band angegeben werden. Besuchende haben
durch QR-Codes
die Möglichkeit, mit einem Smartphone den Ort des Objektfunds
auf Google Maps
zu betrachten. Häufig liegen die Objekte frei auf dem Sockel;
gerade dann
entfalten sie durch die Abwesenheit von zusätzlichen Glaskästen
eine
unmittelbare Präsenz. Die Architektur des Raumes mit den hohen
Glaswänden
entlang der Außenwand als Kontrast zu den meist ungeschützt
präsentierten
Objekten verstärkt diesen Eindruck und rückt sie in den Fokus.
Abb. 6: Objekt „Futterball“
(© Völkerkundemuseum vPST, Heidelberg. Foto: Lea Garcia, Juni
2024)
In der Mitte des Rundgangs, an der Innenwand, befindet sich eine
Galerie der
Ausstellungsmacher:innen. In den Kurzbiografien erzählen sie aus
der
Ich-Perspektive ihren Bezug zur Thematik und zur Region.
Besuchenden wird hier
Einblick in zugrundeliegende Prozesse der Forschungs- und
Museumsarbeit und die
Verwobenheit der involvierten Akteur:innen gewährt. Durch
Lichtdesign und
Farbkonzept wird hier eine klare Differenz zur restlichen
Ausstellung
geschaffen. Während die Fotografien und die Objekte auf den
Sockeln stark in
Szene gesetzt werden und rot und weiß als Farben des
Grafikdesigns dominieren,
ist die ästhetische Gestaltung hier sehr schlicht gehalten:
jeweils zwei
schwarz-weiß Portraits hängen auf schwarzen Tafeln und sind
dezent beleuchtet.
Die im Einführungstext angeklungene doppelte Blickrichtung sowie
das Aushandeln
der Frage nach Akteurspositionen in musealen Kontexten spiegelt
sich so auch in
der Gestaltung des Ausstellungsraums wider. Der Blick schweift
von Wand zu
Wand, von außen nach innen, und die Grenzen zwischen diesen
vermeintlichen
Gegensätzen verschwimmen.
Museen werden oft in erster Linie als Ausstellungsräume
wahrgenommen,
wenngleich die Praktik des Ausstellens, neben Sammeln, Forschen,
Bewahren und
Vermitteln, nur eine der zentralen Aufgaben ist, der sich Museen
widmen.1 Die Ausstellung bricht
mit diesem
einseitigen Blick auf Museumsarbeit und gewährt Besuchenden
Einblicke in die
Praktik des Sammelns. Dabei werden die darin involvierten
Akteur:innen ganz
explizit gezeigt und ihre Verbindungen zum und Verwobenheit mit
dem Feld
thematisiert. Dadurch entstehen neue Perspektiven auf die
Entstehung und
Produktion von Wissen im Museum. Es wird ein Eindruck davon
vermittelt, wie
Objekte teils gezielt, teils zufällig ihren Weg ins Museum
finden und wie ihre
Kontextualisierung geschieht.
Viele Ausstellungstexte sind aus der Ich-/Wir-Perspektive
formuliert und lesen
sich wie Einträge aus einem Reise- oder Forschungstagebuch: „Ein
kalter Wind
bläst durch die Straßen und wir betreten eines der spärlichen
Teehäuser, die
hungrige Reisende bewirten.“ (Martin Saxer, Traumbilder an der
Wand; S. 71)
Dadurch wird mit der distanziert anmutenden Stimme eines
vermeintlich
„allwissenden Museums“ gebrochen. Gleichzeitig wird dadurch sehr
deutlich, dass
Museen nicht neutral Fakten aufzeigen, sondern durch die von
ihnen
präsentierten Perspektiven und gewählten Erzählweisen immer aus
einer
bestimmten Position heraus sprechen.
Trotz des dezidierten Fokus auf die Gegenwart in dieser
„Archäologie des
Zeitgenössischen“ (S. 5) könnte eine weiterführende
Kontextualisierung an
manchen Stellen die Einordnung in historische und
gesellschaftspolitische
Zusammenhänge unterstützen. Der Fokus in den Objekttexten liegt
in erster Linie
auf der Gegenwart, also darauf, wie sich historische Erfahrungen
in der Region
im Hier und Jetzt auswirken. Die kurz gehaltenen Referenzen
machen neugierig
auf fundiertere Ausführungen der geschichtlichen Verstrickungen.
Wenngleich
also wie im Titel antizipiert die „Dinge“ durch die Inszenierung
zur Geltung
kommen und „ihre[n] Geschichten“ Platz eingeräumt wird, bleiben
an einigen
Stellen Fragen nach den übergeordneten Kontexten offen.
Gleichzeitig rückt der Fokus auf die Gegenwart die Rolle des
Alltagslebens zum
Verständnis von Objekten in den Blick. Das vermeintlich
Selbstverständliche des
Alltags wird hier zum Besonderen gemacht und ausgestellt. Die
sechzehn Objekte
bzw. Objektgruppen auf den Sockeln sind jeweils kombiniert mit
großformatigen
Fotografien im Hintergrund und der herabhängenden Stoffbahn mit
entsprechendem
Titel. In dieser Dreierkombination entfalten sie also ihre
Wirkung. Die Fotos
zeigen oft einen Blick in die Ferne, auf die karge Landschaft;
gleichzeitig
wird Besuchenden durch das Abbilden von Alltag in Form von
Zuhause, von
Menschen beim Nachgehen ihrer Arbeit, vom gemeinsamen Einnehmen
von Mahlzeiten,
Einblick in etwas Intimes gewährt. Auch hier entsteht durch die
doppelte
Blickrichtung – zwischen Ferne und Nähe – ein
Spannungsverhältnis.
Abb. 7: Objekt „Dreirad“
(© Völkerkundemuseum vPST, Heidelberg. Foto: Lea Garcia, Juni
2024)
Abb. 8: Objekt „Dreirad“, zugehörige Ausstellungsfotografien
(© Völkerkundemuseum vPST, Heidelberg. Foto: Lea Garcia, Juni
2024)
Wenn in vielen anderen Ausstellungen oft unklar bleibt, wem die
gezeigten
Objekte gehörten und aus welchem Kontext sie stammen, so stehen
die ehemaligen
Besitzer:innen und ihre Geschichten hier häufig im Vordergrund
und die
ursprüngliche Rolle im Alltag wird geschildert. Gleichzeitig
stolpert man
gerade aufgrund dieser transparenten Handhabe der Provenienz in
manchen Fällen
etwas über den Begriff „found“ auf den Objekt-Tags. Durch die
große
Bereitwilligkeit, diese Kontexte offenzulegen und in den Fokus
zu rücken,
stellen sich hier dann weiterführende Fragen nach Transaktionen,
Erwerbs- bzw.
Schenkungsbedingungen, die häufig im Zentrum von Debatten um
Objektprovenienzen
stehen. Es ist sozusagen klar wo, bei wem und von wem die
Objekte „gefunden“
wurden; offen bleibt aber zum Teil, was die vormaligen
Besitzer:innen für das
Überlassen der Objekte erhalten haben.
Nichtsdestotrotz wird durch das Schildern unterschiedlicher
Beispiele ein
Bewusstsein dafür geschaffen, auf welch unterschiedliche Weisen
Objekte ihren
Weg ins Museum finden können. Insgesamt trägt das Sichtbarmachen
von
Sammlungspraktiken und der außergewöhnlich transparente Umgang
mit Provenienz
dazu bei, Besuchenden ein kritisches Verständnis für die
Komplexität der
Thematik zu vermitteln und sie dazu anzuregen, weitere Fragen zu
stellen.
Anmerkung:
1 Deutscher Museumsbund,
Museumsaufgaben, https://www.museumsbund.de/museumsaufgaben/
(31.07.2024).
Zitation
Lea Garcia, Ausstellungsrezension zu: Strandgut am Berg:
Dinge und ihre
Geschichten am Rande der Seidenstraßen , 25.01.2024 -
08.09.2024
Heidelberg, , In: H-Soz-Kult, 03.08.2024, <www.hsozkult.de/exhibitionreview/id/reex-145435>.
Date: 2024/08/12 17:08:56
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Date: 2024/08/23 08:16:44
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Wollen Sie mehr über „das Ausweiden“ von Menschen im Mittelalter und über eine „der letzten großen Ritterschlachten“ in unserer näheren Umgebung erfahren? Dann sollten Sie sich den Vortrag von Jörg A. Künzer nicht entgehen lassen. |
Auch die Totenmemoria und die Genealogie der vor Ort Beigesetzen mittelalterlichen Führungselite aus dem heutigen Saarpfalz-Kreis werden entsprechend veranschaulicht. Diese und noch viele weitere Informationen bilden die Inhalte für den Vortrag am Freitag, 4. Oktober 2024, in der Orangerie am Blieskasteler Schlossberg. Der Vortrag wird umrahmt von einer Power-Point-Präsentation mit über 100 Bildern. |
Termin: Freitag, 04.10.2024, 19.00 Uhr, Orangerie am Blieskasteler Schlossberg (Einlass ab 18.30 Uhr). Der Eintritt ist frei. |
Referent: Jörg A. Künzer, Historische Forschungen im Saarpfalz-Kreis, in Zusammenarbeit mit der Stadt Blieskastel.
Date: 2024/08/31 16:11:10
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Umgeschriebene Geschichte?. Die Hitler-Tagebücher und ihr Echo
Autor: Sebastian Barth,
Reihe Forum historische Forschung: Moderne Welt
Erschienen Stuttgart 2023: Kohlhammer
Verlag
Anzahl Seiten 525 S.
Preis € 79,00
ISBN 978-3-17-043760-9
Rezensiert für H-Soz-Kult von Maximilian Kutzner,
Geschichtsmanufaktur Kutzner,
Fulda
In der universitären Geschichtswissenschaft hat man es selten mit
richtig guten
Geschichten zu tun. Über den Kreis des Fachkollegiums hinaus
interessiert sich
die breite Öffentlichkeit kaum für Befunde, Theorien und
detaillierte Quellenstudien.
Im Besonderen gilt dies für Dissertationen: Die
Qualifikationsarbeiten des
wissenschaftlichen Nachwuchses drehen sich oft um Randthemen,
Kleinigkeiten und
Details. Obwohl der Beitrag zur Forschung durchaus substanziell
sein kann,
bleibt bei Leser:innen dann ein dröger Beigeschmack haften. Dafür
können die
Autor:innen oft nichts. Die strengen formalen Fesseln des Fachs
zwingen sie
dazu.
Es kommt selten vor, dass eine Dissertation ein
öffentlichkeitswirksames Thema
verhandelt, ansprechend im Stil ist und zugleich einen integralen
Beitrag zur
Forschung leistet. Sebastian Barths an der
Ruprecht-Karls-Universität
Heidelberg vorgelegte Dissertation ist so ein Fall. Aber ist zu
den
vermeintlichen Hitler-Tagebüchern nicht bereits alles bekannt? Im
Mai 1983 flog
die Fälschung auf. Seither wurden Spielfilme, Dokumentationen,
Podcasts und
Serien darüber gemacht. Helmut Dietls Komödie „Schtonk!“ ist hier
nur das
berühmteste und womöglich amüsanteste Beispiel.1 Das bisherige Standardwerk
zum Thema
stammt von Robert Harris, einem britischen Journalisten und
Schriftsteller.2 Bisher hat kein:e
Historiker:in einer
deutschen Universität ein umfassendes Werk nach wissenschaftlichen
Standards
zum Thema vorgelegt.
Auch Barths Dissertation behandelt trotz des stattlichen Umfangs
von 437
Textseiten nur einen Randaspekt des Gegenstands. Ihm geht es nicht
um die
Groteske, die Affäre oder die Männerfreundschaft zwischen dem
Fälscher Konrad
Kujau und dem STERN-Reporter Gerd Heidemann als Käufer im Auftrag
des Verlags
Gruner + Jahr. Barth konzentriert sich auf die Mediengeschichte
der gefälschten
Hitler-Tagebücher.
Es kann bemängelt werden, dass im Unterkapitel 1.3, das mit
„Fragestellung und
Prämissen“ überschrieben ist, kein einziges Fragezeichen zu finden
ist.
Stattdessen ist von Rezeption und Diskurs die Rede.
Erfreulicherweise folgt
Barth diesem gefährlichen Pfad nicht: Er lässt sich nicht dazu
verleiten, wie
die alte Mediengeschichte ein historisches Ereignis „im Spiegel
der Medien“ zu
sehen und damit eine reine Rezeptionsgeschichte vorzulegen.
Stattdessen bietet
er im zweiten Kapitel eine breite historische Einordnung des STERN
in die
bundesdeutsche Medienlandschaft. Das Blatt galt als links, jedoch
brachte
Heidemann schon vor der Veröffentlichung der Tagebücher immer
wieder Storys von
geflüchteten, untergetauchten und vermeintlich noch lebenden
Nazi-Größen ins
Blatt.
Das dritte Kapitel liefert auf rund 30 Seiten eine solide und
nachvollziehbare
kurze Geschichte davon, wie die Bücher entstanden und zum STERN
kamen.
Demgegenüber werden Spezifika des Nationalsozialismus
(NS)-Diskurses in den
1980er-Jahren in der Bundesrepublik nur recht knapp behandelt.
Angesichts des
Stellenwertes, den Barth selbst der Einordnung vor dem
„Hintergrund des
geschichtspolitischen Rahmens und der Diskussion über den
Nationalsozialismus in
den 1980er Jahren“ (S. 24) gibt, erscheint dies etwas wenig.
Allerdings
relativiert sich dieser Umstand durch zahlreiche Querverweise,
eine breite
Einbettung in die internationale Forschungsliteratur und
Vergleiche im Verlauf
der Arbeit.
Im vierten und vor allem fünften Kapitel kommt dann Barths
methodisch-theoretischer Apparat stärker zum Tragen. Hier wird die
eigentliche
Frage der Arbeit behandelt: Es ist stets vom „Skandal“ um die
gefälschten
Hitler-Tagebücher die Rede, so auch in der Dissertation. Aber
trifft dies im
Lichte der sozialwissenschaftlichen Skandalforschung überhaupt zu?
Der Autor
verfolgt die These, dass der Begriff auf die Vorgänge anwendbar
ist, und belegt
dies anhand des 4-Stufen-Modells des politischen Skandals nach
Karl Otto
Hondrich: 1. die angenommene oder tatsächliche Verfehlung, 2. ihre
Enthüllung,
3. die öffentliche Entrüstung und 4. die Konsequenzen daraus.
Hinzu kommt ein
chronologisches Erfassungsschema nach Steffen Burkhardt, welches
Skandale in
Phasen zwischen Latenz, Aufschwung, Etablierung und Abschwung
unterteilt. Dem
Autor gelingt es mit Hilfe dieses Instrumentariums sogar, zwei
Skandalebenen
klar auszumachen.
Denn in Kapitel vier beschäftigt er sich, anders als viele andere
fachwissenschaftliche Publikationen, intensiv mit dem Inhalt der
Tagebücher.
Warum haben Historiker:innen diesen so lange gemieden, möchte man
angesichts
der Ergebnisse Barths fragen. Erst in jüngster Vergangenheit
wurden die Inhalte
aller Halbjahresbände der Tagebücher veröffentlicht.3 Sie sind eben nicht nur
„Fake History“,
sie sind auch ein Spiegel der Zeit. Der Autor Kujau hat seinem
Hitler neben
viel Nonsens, zwischen Beschwerden über Mundgeruch und
Beziehungsquerelen mit
Eva Braun, vor allem das in die Feder gelegt, was er dem
nicht-wissenschaftlichen und bisweilen revisionistischen Diskurs
zur
NS-Vergangenheit in den 1980er-Jahren entnahm: Er reproduzierte
dessen Merkmale
wie Personalisierung – Hitler als verkannter Feldherr, Künstler
und Staatsmann
– , Simplifizierung – die SS als eigentlicher und alleiniger
Verbrecher und
Verantwortlicher für die Shoa, die von Hitler angeblich sogar
eingebremst
werden musste – sowie Exkulpation – wenn Hitler damit nichts zu
tun hatte, dann
erst recht nicht der einfache Landser. Darin bestand laut Barth
die oft
übersehene erste Skandalebene: Dass der STERN dieses Hitlerbild
unkritisch, ja
sogar willfährig replizierte und veröffentlichte, wenngleich
längst andere
Deutungsansätze inner- und außerhalb der Geschichtswissenschaft
bestanden.
Als medienhistorische Arbeit qualifiziert sich die Studie durch
das fünfte und
mit rund 200 Seiten auch längste Kapitel. Inhaltlich geht es dort
um eine
breite Analyse der Berichterstattung über die Veröffentlichung der
Tagebücher,
aber auch die Veröffentlichungsstrategie des STERN. Hier wendet
Barth formgetreu
das Skandalschema Burkhardts an und unterscheidet klare Phasen.
Dass es in der
Geschichtswissenschaft nicht immer so einfach ist, wie einen die
Sozialwissenschaftler glauben machen wollen, das zeigt sich hier.
Die
Einteilung der Phasen von Latenz bis zum Abschwung wirkt
schematisch und der
Leser fragt sich, ob das Schema die Analyse bestimmt oder die
Analyse das
Schema.
Das schmälert allerdings den Erkenntnisgewinn nicht wirklich. Wem
es nicht
primär um die Frage geht, wie Barth skandaltheoretisch
argumentiert, der erhält
hier die wohl umfassendste Betrachtung und eine kluge Analyse der
Berichterstattung über die gefälschten Tagebücher. Der Autor
beleuchtet
Presseerzeugnisse und Rundfunkberichterstattung aus zehn Ländern.
Dies verleiht
der Geschichte eine transnationale Ebene, die Barth gekonnt
analytisch nutzt,
indem er etwa Unterschiede der Skandalisierung in bundesdeutschen
und
angloamerikanischen Medien herausarbeitet.
Verwirrend ist die hier und andernorts zu beobachtende Unsitte,
dass Quellen
und Literatur nicht in zwei gesonderten Anhängen sauber
voneinander getrennt
und schlicht unter „Bibliographie“ versammelt sind. Ansonsten
wirkt der
Quellenapparat breit und ausgewogen. Gleiches gilt für die
konsultierte
Literatur.
Die Leser:innen fragen sich bei der Lektüre unweigerlich: Warum
ist dieses Buch
nicht schon viel früher geschrieben worden, angesichts des
forschungsrelevanten
Themas, des öffentlichen Interesses am Gegenstand, der breiten
verfügbaren
Quellenbasis und nicht zuletzt der Kontaktflächen zu Kernbegriffen
der
Zeitgeschichte (Erinnerungskultur, Diktaturforschung,
Mediengesellschaft und
einige weitere)? Barth hat mit seiner Studie ein Thema beleuchtet,
das bisher
zwar nicht gänzlich als Desiderat, aber doch als bisher nicht
umfassend historiographisch
betrachtet gelten kann. Die Stärken der Studie liegen klar auf der
breiten
Quellenbasis. Hinzu kommt ein nachvollziehbarer methodischer
Apparat, auch wenn
er an manchen Stellen eine Tendenz zum Selbstzweck hat. Die
eigentliche
wissenschaftliche Erkenntnis versteckt sich bisweilen hinter
Theoriebegriffen –
wie bei vielen Dissertationen.
Der Mehrwert für die Leser aus dem Fach und von außerhalb der
Geschichtswissenschaft liegt darin, aus einem gefühlten und
unkritisch stets so
genannten, einen nun auch nach wissenschaftlichen Standards so zu
bezeichnenden
Skandal auf zwei Ebenen herausgearbeitet zu haben. Das ist weit
mehr, als das
Gros anderer Qualifikationsarbeiten vorweisen kann.
Anmerkungen:
1 Schtonk!, Deutschland 1992.
Regie Helmut
Dietl, Buch Helmut Dietl und Ulrich Limmer.
2 Robert Harris, Selling
Hitler. The Story of
the Hitler Diaries, London 1986.
3 John Goetz (Hrsg.), Die
echten falschen
„Hitler-Tagebücher“. Kritische Dokumentation eines
geschichtsrevisionistischen
Rehabilitierungsversuchs, Berlin 2023.
Zitation
Maximilian Kutzner, Rezension zu: Barth, Sebastian: Umgeschriebene
Geschichte?.
Die Hitler-Tagebücher und ihr Echo. Stuttgart 2023 , ISBN
978-3-17-043760-9,
In: H-Soz-Kult, 29.08.2024, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-138720>.
Date: 2024/08/31 16:25:12
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Wappen
als Waffe. Heraldische Symbole in politischen, dynastischen,
militärischen und
rechtlichen Konflikten des Mittelalters und der Frühen Neuzeit
Organisatoren
Ralf-Gunnar Werlich, Historisches Institut, Universität
Greifswald (Alfried
Krupp Wissenschaftskolleg)
Ausrichter Alfried Krupp Wissenschaftskolleg
Förderer Alfried Krupp von Bohlen und Halbach–Stiftung;
Deutsche
Forschungsgemeinschaft; Österreichische Akademie der
Wissenschaften;
Gesellschaft von Freunden und Förderern der
Ernst-Moritz-Arndt-Universität
Greifswald e.V.; International Office der Universität
Greifswald
Fand statt In Präsenz
Vom - Bis 13.06.2024 - 15.06.2024
Von Torsten Fried, Staatliche Schlösser,
Gärten und
Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern / Historisches
Institut, Universität
Greifswald
Schon der Blick in das gesammelte Weltwissen von Johann
Heinrich Zedler
offenbarte den Zusammenhang von Wappen und Waffen: „Den Nahmen
haben sie [die
Wappen – T. F.] von den Waffen, welche nach Niedersächsischer
Mund-Art Wapen
genennet werden, bekommen, weil dergleichen Zeichen anfänglich
nur wohl
verdienten Soldaten und Rittern ertheilet, oder von diesen auf
ihren Schilden
und Helmen geführet worden.“1 Doch die etymologische
Herleitung ist nur
die eine Seite der Medaille, die andere erweist sich als
ungleich komplexer.
Schließlich führte man um Wappen immer wieder
Auseinandersetzungen, die am Ende
sogar mit Waffen ausgetragen wurden. Überhaupt spielten im
Mittelalter und in
der Frühen Neuzeit heraldische Symbole in politischen,
dynastischen,
militärischen und rechtlichen Konflikten eine wichtige Rolle.
Diesem Phänomen in seiner gesamten europaweiten Dimension
nachzuspüren, galt
das Ansinnen der Tagung, die vom 13. bis 15. Juni 2024 im
Alfried Krupp
Wissenschaftskolleg in Greifswald stattfand.
Eingeladen hatte der Lehrstuhl Allgemeine Geschichte des
Mittelalters am
Historischen Institut der Universität Greifswald unter
Federführung von
RALF-GUNNAR WERLICH (Greifswald). Dieser betonte in seiner
thematischen
Einführung das Anliegen der Tagung: Als Ausgangspunkt diene
die Beobachtung, dass
diese in jener Zeit omnipräsenten Zeichen nicht selten in
Konflikten
unterschiedlichster Art zum Einsatz kamen und
instrumentalisiert wurden. Da
dieser Aspekt des Einsatzes heraldischer Symbole jedoch bisher
nicht im Fokus
der Forschung stand, gehe es darum, erstmals derartige
Begebenheiten europaweit
vergleichend zu untersuchen und dabei in einzelnen Fallstudien
neue
kulturhistorische Ansätze der heraldischen Forschung mit der
Konfliktforschung
zu verknüpfen. Ganz allgemein wolle die Tagung der immer noch
bestehenden
Unterrepräsentation heraldischer Themen in der deutschen
Forschungslandschaft
entgegenwirken, die nicht mit der zentralen und herausragenden
Rolle im
Einklang steht, die Wappen in spätmittelalterlichen und
frühneuzeitlichen
Gesellschaften in der visuellen Kommunikation spielten.
OLIVER AUGE (Kiel) führte in seinem Beitrag aus, dass im
dynastischen
Fürstenstaat Wappenfragen immer auch Fragen des
herrscherlichen
Selbstverständnisses waren. Konkret: der zweieinhalb
Jahrhunderte währende
Streit zwischen den askanischen Herzögen von Sachsen-Lauenburg
und den
wettinischen Kurfürsten von Sachsen-Wittenberg um das
Wittenberger Erbe samt
Kurwürde und Kurwappen. Die Lauenburger wollten nun einmal
nicht auf die
Kurschwerter in ihrem Wappen verzichten, bedeutete dieses
Symbol doch eine
ungleich größere Reputation.
Dass der Wettstreit zwischen den Dynastien mit Hilfe von
Wappen geführt wurde,
thematisierte auch RALF-GUNNAR WERLICH (Greifswald), indem er
die Konflikte
zwischen den Herzögen von Pommern und den Markgrafen von
Brandenburg aus dem
Haus Hohenzollern darlegte. Zwar konnten die Greifen den Griff
des
Brandenburger Adlers nach den pommerschen Herrschaftssymbolen
nicht abwenden
und mussten diesen im Rahmen eines Kompromisses akzeptieren.
Der rote brandenburgische
Adler hingegen musste sich damit abfinden, dass er im
brandenburgischen
Gesamtwappen von den pommerschen Greifen – wenn auch nicht
rangmäßig so doch
zahlenmäßig – bei weitem überflügelt wurde.
THOMAS VOGTHERR (Osnabrück) richtete sein Augenmerk auf eine
weitere bedeutende
Dynastie, konkret auf die Braunschweiger Welfen, die sich des
„Sachsen“-Rosses
bedienten, um politische Ansprüche auf (Gesamt-)Sachsen
gegenüber den Askaniern
zu untermauern. Ein wichtiger Unterschied: Die Lüneburger
Welfen schlossen sich
dieser Forderung nicht an. Die Braunschweiger wandten sich
jedoch nicht nur
gegen die Askanier als Herzöge von „Braunschweig-Lüneburg“,
sondern auch als
Inhaber einer Kurstimme und des Reichsvikariats über Sachsen.
HARALD DRÖS (Heidelberg) erläuterte anhand einer Vielzahl von
Wappendarstellungen, dass die Wappen der jülich-klevischen
Erbschaft in großer
Zahl und auf breiter Linie „überlebt“ haben – und das in den
meisten Fällen als
reine Anspruchswappen. Tatsächliche Herrschaftswappen waren
sie nur für
Pfalz-Neuburg und Kurbrandenburg sowie deren direkte
Rechtsnachfolger. Die
Wittelsbacher haben nach dem Verlust der realen Herrschaft in
Jülich und Berg
dann auch zu Beginn des 19. Jahrhunderts konsequent sämtliche
jülich-klevischen
Anspruchswappen abgelegt. Nicht so die Wettiner, welche die
Wappen in drei
ihrer thüringischen Herzogtümer
(Sachsen-Meiningen-Hildburghausen,
Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg und Gotha) trotzig
weiterführten.
ANDREA STIELDORF (Bonn) begann ihre Ausführungen mit der Frage
nach dem ersten
Vorkommen des Kölner Kreuzes auf erzbischöflichen Siegeln als
bewusste
Abgrenzung von Stadt und rheinischem Adel. Dabei wurde gerade
in der ersten
Hälfte des 14. Jahrhunderts deutlich, dass das Verhältnis
zwischen Familien-
und Bistumswappen auszuloten war, zumindest auf den
Gegensiegeln. Auf den
Hauptsiegeln wie auch auf den Münzen war die Vorrangstelle des
Wappens des
Erzbistums grundsätzlich nicht umstritten, auch wenn sich in
Details durchaus
Möglichkeiten ergaben, dem Familienwappen eine besondere
Prominenz zukommen zu
lassen. Darüber hinaus eröffneten sich gerade auf den Münzen
durch die
Hinzufügung anderer Wappenfiguren (Reichsadler,
Petrusschlüssel) Möglichkeiten
zu spezifischeren Aussagen, die zumeist im Zusammenhang mit
politischen oder
Rangkonflikten standen.
Im Mittelpunkt des Beitrags von CHRISTOF ROLKER (Bamberg)
stand das Erbe des
alten Herzogtums Schwaben, das von mehreren konkurrierenden
Parteien
beansprucht wurde. So von den Grafen von Württemberg, die 1495
zu Herzögen (aber
von Württemberg, nicht von Schwaben) erhoben wurden.
Dementsprechend führten
sie auch nicht das alte Herzogswappen mit drei schwarzen
schreitenden Löwen
beziehungsweise Leoparden in Gold, auch wenn ein Wappenbuch
aus der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts dieses den Württembergern
zuordnet.
Wappensammlungen aus dem Umkreis der Vier Lande-Turniere aus
dieser Zeit
markieren ebenfalls Ansprüche der schwäbischen
Adelsgenossenschaften, das „Land
Schwaben“ zu vertreten, auch wenn diese nicht das alte
Herzogswappen für sich
reklamierten.
REGULA SCHMID KEELING (Bern) stellte die Frage, inwieweit das
kommunikative
beziehungsweise aggressive Potenzial, das den „redenden
Wappen“ Berns und Uris
eigen ist, verallgemeinerbar ist. Ihre Antwort lautete:
grundsätzlich ja. Die
Wappen entfalten es durch ihre öffentliche Sichtbarkeit an im
Wortsinn
exponierter Stelle. Insofern sind sie mehr als
Repräsentationen ihrer Träger.
Sie sind als Medien zu begreifen, die in Handlungen,
Sprechakten und Ton
Assoziationsräume aufrufen, die wiederum auf die Bedeutung des
Wappens im
konkreten Handlungskontext zurückwirken.
Den ersten Abendvortrag hielt ANDREAS ZAJIC (Wien), der Gewalt
gegenüber Wappen
in ihren unterschiedlichen Ausprägungen analysierte. Dabei
unterschied er die
Zerstörung, Schmähung und Schändung von Wappen im Kontext
rechtserheblicher
Repräsentation im Hinblick auf Siegel als urkundliche
Beglaubigungsmittel. Dann
ging er auf die Zerstörung von Wappen bei
Herrschaftsnachfolgen und noch weiter
gefasst als Ausdruck politischen Dissenses ein. Ebenso wurden
Wappen als
zielgerichtete Sanktion zerstört. Besondere Aufmerksamkeit
schenkte Zajic der
Zerstörung von Wappen beziehungsweise Wappenbildern als
Bestandteil
performativer Akte der Gedächtnisstiftung/Memoria
(Begräbniszeremoniell).
Zuletzt interpretierte er Gewalt an Wappen als abbreviative
Bildchiffre zu
einer komplexen narrativen Darstellung beziehungsweise Wappen
als Resultat von
Gewalt.
Der Beitrag von MIGUEL METELO DE SEIXAS (Lissabon) handelte
vom Wappentransfer
auf und neben dem Schlachtfeld während des
portugiesisch-kastilischen Krieges
von 1383 bis 1385. Die portugiesischen Hauptakteure verfügten
über heraldische
Zeichen, die sie wechselseitig präsentierten, um als gemeinsam
Kämpfende
anerkannt zu werden. Dies offenbarte sich vor allem in der
Schlacht von
Aljubarrota (1385), die damit endete, dass die Portugiesen die
Invasion
Kastiliens abwenden konnten. Aber nicht nur das eigentliche
Kampfgeschehen war
von heraldischen Gemeinsamkeiten der portugiesischen
Verteidiger geprägt,
sondern auch die Memorialkultur, wobei der Schwerpunkt auf
deren Grabstätten
lag.
STEVEN THIRY (Antwerpen) erläuterte den Umgang mit Wappen im
niederländischen
Befreiungskampf gegen die Spanier. Herzog Alba tat alles
dafür, dass die
Zeichen der Rebellen überall entfernt wurden. Deren
Bildersturm in Kirchen und
Klöstern setzte Alba einen „Wappensturm“ entgegen, der die
Aufständischen ihrer
sozialen Identität berauben sollte. Diesem Vorgehen waren aber
auch Grenzen
gesetzt. Die Niederländer verteidigten ihre Zeichen, die als
symbolische
Rechtfertigung und als Beweis für ihren loyalen Widerstand
dienten.
MARCUS MEER (London) sprach über die heraldische
Konfliktaustragung während der
Rosenkriege in England. Das Zeigen der eigenen Wappen mag
durchaus – wie im
Falle Herzog Richards von York – nicht nur die eigene Präsenz
markiert, sondern
auch Ansprüche auf Macht in der Stadt London wie überhaupt dem
Königreich
England insinuiert haben. Dazu zählte die Manipulation von
bestehenden Zeichen
durch die Hinzufügung anderer Zeichen. Angeeignete,
manipulierte und
beschädigte oder zerstörte Zeichen brauchten ein kundiges
Publikum, damit die
Botschaft verstanden werden konnte.
STEEN CLEMMENSEN (Farum) rückte den Streit zwischen Schweden
und Dänemark um
das ausschließliche Recht, ein Wappen mit drei goldenen Kronen
auf blauem Feld
zu führen, in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Der
Konflikt gipfelte im
siebenjährigen Nordischen Krieg, der von 1563 bis 1570 geführt
wurde. Mit dem
Friedensschluss vom 13. Dezember 1570 gab Dänemark seinen
Anspruch auf die
Krone Schwedens auf, jedoch verblieben langfristig die „Drei
Kronen“ im
dänischen Wappen.
Das Dreikronenwapppen beschäftige ebenso JOACHIM KRÜGER
(Greifswald), der die
Auseinandersetzungen der schwedischen und polnischen Wasa um
diese heraldische
Symbolik darlegte. Sichtbarstes Zeichen des polnischen
Anspruchs auf die
schwedische Krone war das Führen des Wasa-Wappens mit den
„Drei Kronen“, dem
Bjälbo-Löwen und der Wasa-Garbe. Allerdings zeitigte die
heraldische „Aufrüstung“
keinen Erfolg: Im Vertrag von Oliva musste der
polnisch-litauische König Johann
II. Kasimir 1660 allen Ansprüchen auf Schweden entsagen, nur
als Privatmann
durfte er die „Drei Kronen“ noch führen.
SABINE SOMMERER (Zürich) richtete ihr Augenmerk auf Wappen
in der Schweiz. Sie
stellte Fallbeispiele profaner Wandmalereien vor, bei denen
Wappen explizit
fehlen beziehungsweise das fehlende Wappen zur Strategie der
Selbstdarstellung
wird. Im Zentrum standen die Wappenzyklen im Schönen Haus in
Basel (vor dem Hintergrund
des Parteienstreits zwischen den Psittichern und Sternern).
Abstecher nach
Norditalien (Rodenegg) sowie in die Buchmalerei rundeten die
Überlegungen ab.
Im zweiten Abendvortrag widmete sich ANDREAS REHBERG (Rom)
der Heraldik in Rom.
Mit den gekreuzten Petrusschlüsseln war schon im 13.
Jahrhundert ein Symbol
gefunden, mit dem sich die päpstliche Gewalt vom
kaiserlichen Adler absetzen
konnte. Den Päpsten traten aber in der Stadt Rom und im sich
ausbildenden
Kirchenstaat mit mächtigen Adelshäusern und Kommunen weitere
Konkurrenten um
die Sichtbarkeit im öffentlichen Raum entgegen. In diesen
Konflikten spielten
die Wappen eine große Rolle, ließ sich doch die Verdammung
und Verunglimpfung
des politischen Gegners bestens gegen dessen Symbole in
Szene setzen.
FRANZISKA DECKER (Graz) befasste sich mit der Chronik des
Florentiner Kaufmanns
und Chronisten Giovanni Villani (um 1280–1348). Mit seinem
Werk war er
bestrebt, durch die geschickte Verbindung der Wappen mit
logisch schlüssigen
Argumenten die Deutungshoheit über die repräsentativen
Symbole zu erlangen und
dadurch auch zukünftige Rezipienten dieser Wappen in ihrer
Interpretation zu
beeinflussen. Komplexe Sachverhalte wurden durch
Wappenbilder vereinfacht
dargestellt und verständlich erklärt – sie verdichten die
historiographischen
Erzählungen und führen zu einer erhöhten Anschaulich- und
Glaubwürdigkeit von
interpretativen Aussagen.
Der Beitrag von LUISA GENTILE (Turin) handelte von
heraldischen Konflikten in
Oberitalien am Beispiel der Herzöge von Savoyen und der
Markgrafen von
Montferrat vom 15. bis zum 17. Jahrhundert. Hierbei ging es
stets darum, seinen
Platz im Herrschaftsgefüge gegenüber Ansprüchen von außen zu
verteidigen und
eigene Interessen durchzusetzen (man denke nur an
Standeserhöhungen). Selbstverständlich
wurden in diesen Auseinandersetzungen heraldische Symbole
eingesetzt – auch und
gerade um eine dynastische Abkunft aufzuzeigen, die weit und
prominent
zurückreicht. So führte nicht zufällig Savoyen
(alt-)sächsische Insignien im
Wappen, um die Reichsnähe zu demonstrieren.
THOMAS VOGTHERR (Osnabrück) gliederte seine Zusammenfassung
in sechs Punkte:
1. Wappen sind Waffen überall dort, wo Herrschaftsübergänge
unklar sind, die
Legitimität einer Herrschaft bestritten wird oder der
Vorrang vor anderen
erreicht werden soll.
2. Wappen sind Waffen gegenüber allen Ebenen von Akteuren
und Autoritäten.
3. Wappen sind Waffen auch und vielleicht gerade deswegen,
weil sie mitunter
eben nicht so eindeutig sind, wie es scheint (Stichwort
Ambiguität).
4. Wappen sind Rechtszeugnisse, können es jedenfalls sein.
5. Wappen haben – meist unbekannt bleibende – Autoren und
ideologisch-historiographische Hintergründe.
6. Wappen werden stellvertretend für ihren Besitzer
verunglimpft oder bestraft.
Die Tagung machte eines unmissverständlich klar: Wappen sind
kein schmückendes
Beiwerk. Sie erweisen sich vielmehr als ein konstitutiver
Bestandteil der
historischen Entwicklung in all ihrer Widersprüchlichkeit.
Deshalb ist es
unbedingt notwendig, dass die Ergebnisse der heraldischen
Forschung von der
Geschichtswissenschaft rezipiert werden. Genauso ist die
heraldische Forschung
gefordert, die Wappen als Bildquelle nicht vom historischen
Kontext
abzukoppeln.
Die Tagung konnte ihrem Anliegen, heraldische
Konfliktforschung erstmals
europaweit vergleichend zusammenzuführen, gerecht werden.
Heraldiker aus ganz
Europa fanden in Greifswald ein Podium, um sich über den
sehr facettenreichen
Einsatz dieses ganz spezifischen Mediums in
Konfliktsituationen auszutauschen.
Berührt wurden dabei die unterschiedlichsten Fachbereiche
der
Geschichtswissenschaft wie Landesgeschichte,
Rechtsgeschichte,
Militärgeschichte, Kommunikationsgeschichte oder auch andere
Disziplinen der
Historischen Grundwissenschaften wie Historische Geographie,
Numismatik und
Sphragistik.
Auf den Tagungsband darf die heraldische Community gespannt
sein.
Konferenzübersicht:
Ralf-Gunnar Werlich (Greifswald): Begrüßung und Einführung
Sektion 1: Von Nord nach Süd: Heraldische Konflikte im
Alten Reich nördlich
der Alpen
Oliver Auge (Kiel): Mit roten Schwertern und grünem
Rautenkranz. Der
Wappenstreit zwischen den Herzögen von Sachsen-Lauenburg und
den sächsischen
Kurfürsten 1423–1689
Ralf-Gunnar Werlich (Greifswald). Der Adler greift die
Greifen. Die pommerschen
Wappen in den Auseinandersetzungen zwischen der
Greifendynastie und den
Markgrafen von Brandenburg aus dem Hause Hohenzollern
Thomas Vogtherr (Osnabrück): Das Sachsenross als Wappentier
im späten
Mittelalter. Welfen und Askanier im Symbolstreit
Harald Drös (Heidelberg): Der Streit um das Jülich-Klevische
Erbe zwischen
Wittelsbachern, Zollern und Wettinern im Spiegel ihrer
Wappen
Andrea Stieldorf (Bonn): Zwischen Territorium und Familie.
Wappen auf den
Siegeln und Münzen Kölner Erzbischöfe im Spätmittalter
Christof Rolker (Bamberg): Herzogtum ohne Herzog, Wappen
ohne Träger. Konflikte
um heraldische Repräsentation am Beispiel des Herzogtums
Schwaben im
Spätmittelalter
Regula Schmid Keeling (Bern): Von Bären wie Kühe und Wappen
am Galgen.
Heraldische Symbole als Kampfmittel in der Eidgenossenschaft
des 15. und 16.
Jahrhunderts
Öffentlicher Abendvortrag
Andreas Zajic (Wien): Geschändet – getötet – begraben.
Stellvertretendes
Handeln und Gewaltausübung an Wappen im Spätmittelalter und
in der Frühen
Neuzeit
Sektion 2: Im Westen, im Osten, im Norden, im Süden.
Heraldische Konflikte
in weiteren Teilen Europas
Miguel Metelo de Seixas (Lissabon): Fraternity of arms.
Heraldic sharing on and
off the battlefield during the Portuguese-Castilian war of
1383–1385
Steven Thiry (Antwerpen): Counter-Iconoclasm in the
Netherlands. The armorial
punishment of rebellion under the Duke of Alba, 1569–1571
Marcus Meer (London): Mehr als Rosen. Heraldische
Konfliktaustragung im Ringen
um die englische Krone
Steen Clemmensen (Farum): The war over the ‚Three Crowns‘
1563–70. The futility
of fighting over a construction
Joachim Krüger (Greifswald): Unfreundliche Verwandte. Die
schwedischen und
polnischen Wasa im Streit um das Dreikronenwappen
Sabine Sommerer (Zürich): Zur Negation von Wappen.
Überlegungen zum Fehlen
heraldischer Symbole in mittelalterlichen
Profanraumdekorationen und darin
aufscheinenden Konflikten
Öffentlicher Abendvortrag
Andreas Rehberg (Rom): Heraldische Konkurrenz und Konflikte
im Umfeld der
Päpste vom 13. bis zum frühen 16. Jahrhundert
Sektion 3: Heraldische Konflikte im Süden Europas
Franziska Decker (Graz): Im Dienste der Republik Florenz.
Wappen als
literarische ‚Waffen‘ bei Giovanni Villani
Luisa Gentile (Turin): Heraldic conflicts between the Alps
and the
Mediterranean Sea. The dukes of Savoy and the marquises of
Montferrat (XV–XVII
century)
Thomas Vogtherr (Osnabrück): Zusammenfassung
Anmerkung:
1 Johann Heinrich Zedler,
Universal-Lexicon
Bd. 52, Halle 1747, Sp. 2012.
Zitation
Torsten Fried, Tagungsbericht: Wappen als Waffe.
Heraldische Symbole in
politischen, dynastischen, militärischen und rechtlichen
Konflikten des
Mittelalters und der Frühen Neuzeit, In: H-Soz-Kult,
30.08.2024, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-145803>.
Date: 2024/08/31 18:25:42
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Moin, weiß jemand, bei wem man 1925 in Neunkirchen-Saar den Bau eines Wohnhauses beantragen mußte? Beim Stadtbauamt Neunkirchen? Oder gab es analog des heutigen Verfahrens eine Art "UBA" (Untere Bauaufsicht)? Roland Geiger
Date: 2024/08/31 18:36:51
From: Friedrich . Denne <Friedrich.Denne(a)t-online.de>
Kann ich am Montag beantworten. Gesendet mit der Telekom Mail App -- Original-Nachricht -- Von: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net> Betreff: [Regionalforum-Saar] 1925 in Neunkirchen Datum: 31.08.2024, 18:35 Uhr An: Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net> Moin, weiß jemand, bei wem man 1925 in Neunkirchen-Saar den Bau eines Wohnhauses beantragen mußte? Beim Stadtbauamt Neunkirchen? Oder gab es analog des heutigen Verfahrens eine Art "UBA" (Untere Bauaufsicht)? Roland Geiger _______________________________________________ Regionalforum-Saar mailing list Regionalforum-Saar(a)genealogy.net https://list.genealogy.net/mm/listinfo/regionalforum-saar