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2024/05/05 10:30:01 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Friedhof zum Totlachen |
Datum | 2024/05/07 21:40:24 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Deutschsprachige ONLINE-FRAGERUNDE ZUR FAMILIENFORSCHUNG IN DEN USA |
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2024/05/15 11:07:49 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Gasthäuser in Saarbrücke n (1842) |
Betreff | 2024/05/21 23:53:08 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] morgen abend online Frauenschicksale unterschiedlicher Epochen |
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2024/05/05 10:30:01 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Friedhof zum Totlachen |
Autor | 2024/05/07 21:40:24 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Deutschsprachige ONLINE-FRAGERUNDE ZUR FAMILIENFORSCHUNG IN DEN USA |
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Date: 2024/05/05 10:52:00
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Moin-Moin in Ontario
Eine Autostunde westlich von Toronto: In Orten wie New Hamburg,
Heidelberg oder
Wallenstein leben „Fischköppe“ auf einem Fleck mit Rheinländern
und Urenkeln
pfälzischer Einwanderer. Alle erzählen gerne ihre Exil-Stories und
gewähren
Einblicke in den Lebensalltag von Kanadas deutschester Ecke.
Von Stephan Brünjes
Moment mal – spinnt das Navi? Wieso geht’s mitten in Kanada auf der
Hessen-Straße nach
Heidelberg?
Warum rechts
nach Bamberg,
in dieselbe
Richtung aber auch nach Mannheim? Und wie kommt New Hamburg in diese
Ecke? Bis eben
war‘s eine zurückgelehnte, tempomat-gedrosselte Landpartie im
Mietwagen durch
Ontarios liebliches, grünes Hügelland, vorbei an weißen
Weidegattern, grasenden
Kühen und kleinen Farmen. Dieser vor den Autoscheiben
vorbeiflimmernde
Naturfilm mutiert nun jäh zu einem Roadmovie mit dem
Anfangsverdacht
„Irgendwas-stimmt-hier-doch-nicht“. Also aussteigen, stirnrunzelnd
Ortsschilder
studieren und mal den Bauern an seinem Straßen-Obststand um
Aufklärung bitten.
Der Mann trägt Schwarz – vom Breitkrempen-Hut bis zur Sohle, sagt
„hallo“ und
„wie heischt du?“ Nanu – ein Exil-Schwabe? Nein, Aden Sauder ist
Mennonit,
Angehöriger einer evangelischen Freikirche, benannt nach dem
Reformationszeit-Prediger Menno Simons. Adens pfälzische
Vorfahren, so erzählt
er, wanderten ab 1680 zunächst in den US-Bundesstaat Pennsylvania
aus, dann
etwa 120 Jahre später weiter nach Ontario,
wo sie viele Dörfer mit deutschen Namen im Umkreis von etwa 50
Kilometern
gründeten. Hier, eine Autostunde westlich von Toronto, sprechen
die Mennoniten
bis heute einen süddeutsch-niederländischen Dialektmix und prägen
das Straßenbild.
Statt Autos fahren sie schwarze Kutschen, auf eigens
eingerichteten,
geschotterten Straßenrandstreifen, meist gezogen von zwei Pferden,
für die es
vor den Supermärkten eigene Parkplätze gibt – mit Stroh- und
Wassertankstellen.
Doch hier kaufen nur moderner eingestellte Mennoniten, die auch
mal
Sonnenbrillen tragen und verreisen, während strenggläubige, extrem
sesshafte
„Old Order Mennonites“ wie Aden Sauder eher in „General Stores“
wie den von
Vera Brubacher gehen. Ein Tante-Emma-Laden, wo man die TV-Serie
„Die Waltons“
sofort weiterdrehen könnte – mit Verkäuferinnen in altmodischen
Schürzenkleidern und Kopfhauben, die Haferflocken abwiegen,
Multivitamin-Produkte der Marke „Hoffnung“ empfehlen und ihren
Käufern zum
Abschied ein Heft mit Bibelgeschichten namens „Tägliches Manna“
mitgeben.
Wie viele „old german families“ hier seit Generationen leben, wird
auf dem
Friedhof klar: Weber, Busch, Meyer, Goldschmidt oder Stoltzfus
stehen auf den
Grabsteinen. Spannender als solche erstarrten Namen aber sind
überraschende
Begegnungen mit Exil-Deutschen – etwa im Baden-Hotel: Mitten in
diesem schönen,
heute als Kneipe genutzten Rotklinkerbau der Kleinstadt Baden
steht das
verschnörkelte Schild: „Stammtisch“. Dahinter sitzt Ernst Stoiber.
Und erzählt,
immer donnerstags träfen sich hier Matt, Diego, Chris und Shawn.
„Hey, ihr habt
einen Stammtisch“, sagte Ernst nach ein paar Monaten zu dem
Quartett,
schmiedete ihnen in seiner Autowerkstatt das Schild und montierte
eine Glocke,
mit denen die vier nun ihr Bier herbeiläuten. Seitdem heißt Ernst
im
Baden-Hotel „Mr. Stammtisch“.
Spätestens jetzt sind Augen und Ohren im German-Modus,
erwartungsvoll
fokussiert auf weitere deutsche Töne, Menschen und Momente. Schon
schräg,
inmitten einer Kulisse aus Sojabohnenplantagen,
Vom-Winde-verweht-Landhäusern
und amerikanisch anmutenden Straßendörfern. Heidelberg heißt
eines, und hier,
in „Stemmlers“ Feinkostladen, freuen sich drei Verkäuferinnen
hinter der
Käsetheke ebenso über deutschen Besuch wie Hans Pottkamper, der
mit zwölf vom
Niederrhein hierher auswanderte und immer noch „Augenblickchen“
sagt, wenn er
im Gespräch nach deutschen Wörtern sucht. Die sind der
Wochenzeitung
„Independent“ allerdings schon ein wenig länger abhandengekommen –
denn
jahrzehntelang erschien das Blatt aus New Hamburg auf Deutsch,
erzählt Martha
in ihrer winzigen Redaktionsstube.
Die deutscheste aller deutschen Ontario-Städte hingegen hat auch
keinen
deutschen Namen mehr, schon seit mehr als 100 Jahren: Dieses
Berlin in Ontario
wurde 1916 aus Protest gegen Weltkriegsgegner Deutschland
umbenannt und
heißt bis heute Kitchener – nach einem britischen Feldmarschall
und
Kriegsminister.
Dennoch: Deutsches und Deutsche gibt’s trotzdem reichlich in der
ein wenig
konturlosen 240.000-Einwohner-Stadt: Das weltweit wohl zweitgrößte
Oktoberfest
etwa. Oder im erholsamen Victoria-Park diesen leeren
Denkmal-Sockel. Drei
marodierende junge Männer rissen 1914 kurz nach Ausbruch des
Ersten Weltkriegs
die Kaiser-Wilhelm-Büste herunter und warfen sie in den
angrenzenden See. Und
weil die Mansion Street damals Kaiser-Straße hieß, haben hiesige
Anwohner
diesen – im Krieg ebenfalls getilgten – Namen vor ein paar Jahren
wieder in
eine Gehwegplatte eingravieren lassen.
Vier deutsche Clubs gibt es in Kitchener, also wollen wir
wenigstens einen
davon besuchen. Im „Concordia“ sitzt man unter einer wuchtigen
Holzbalkendecke,
eingerahmt von staubigen Asbach-Uralt-Magnumflaschen,
Butzenscheiben und
deutschen Wappen. Die „Black Forest Band“ baut ihr Schlagzeug
auf... Wer jetzt
den Notausgang sucht, um diesen arg deutschtümelnden Ort schnell
wieder zu
verlassen, würde das Beste verpassen. Denn Sauerbraten und Rote
Grutze (mit u
statt ü!) stehen auf der Speisekarte und sind wirklich lecker!
Anreise Air France, KLM und United Airlines fliegen günstig ab
Frankfurt nach
Toronto, Lufthansa auch direkt ab München. Von Toronto ist‘s ein
lohnender
Abstecher in die Region um Kitchener, leicht erreichbar per Auto
in einer guten
Stunde.
Wohnen Entweder in Toronto: Das Park Hyatt Hotel liegt nah am
Queens Park und
der Uni sowie bei mehreren Museen und exklusiven Einkaufsstraßen.
(4 Avenue
Road, Telefon 001 416 925 1234,
www.toronto.park.hyatt.com/en/hotel/home.html.
Doppelzimmer/Frühstück ab rund 410 Euro
Oder: Wer in Ontarios deutschem Eck gut übernachten will, ist in
den Homewood
Suites in St. Jacobs richtig: 45 Benjamin Rd, Telefon 001
519-514-0088,
homewoodsuites3.hilton.com, Doppelzimmer/Frühstück ab 105 Euro)
Essen & Trinken Deutsche und bisweilen deftige Küche gibt‘s
unter anderem
im Olde Heidelberg House (3006 Lobsinger Line, Heidelberg, Telefon
001 519
699-4413, www.
oldhh.com) und im Concordia Club (429 Ottawa Street, Kitchener,
Telefon 001
519-745-5617, www.concordiaclub.ca)
Attraktionen Der „Sound“ zur Tour durch Ontarios deutschen Winkel
läuft
samstags im lokalen Radiosender FM 98,5 CKWR: Hier moderiert der
aus Hamburg
eingewanderte Henning Grumme Sendungen wie „Continental Breakfast“
und „German
Hitparade“.
Den Originalartikel mit Fotos siehe
„https://rp-online.de/leben/reisen/deutsche-spuren-in-ontario-kanada_aid-111298317“