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2024/04/16 08:55:58 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] 11.01.1949 Stand der Wiederaufbauarbeiten in St. Wendel. |
Datum | 2024/04/17 17:37:31 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] bitte beachten: Das Mitgliedertr effen der ASF im April findet eine Woche früher statt. |
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2024/04/16 08:55:58 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] 11.01.1949 Stand der Wiederaufbauarbeiten in St. Wendel. |
Autor | 2024/04/17 17:37:31 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] bitte beachten: Das Mitgliedertr effen der ASF im April findet eine Woche früher statt. |
Date: 2024/04/17 14:36:50
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Über Kriege und
wie man sie
beendet. Zehn Thesen
Autor Jörn Leonhard
Erschienen München 2023: C.H.
Beck Verlag
Anzahl Seiten 208 S.
Preis € 18,00
ISBN 978-3-406-80898-2
Rezensiert für den Arbeitskreis Historische
Friedens- und
Konfliktforschung bei H-Soz-Kult von: Jost Dülffer, Historisches
Institut,
Universität zu Köln
Wer in der gegenwärtigen historischen Situation mit dem
intensivsten Krieg in
Europa seit dem Zweiten Weltkrieg konkrete Handreichungen
erwartet, wird
enttäuscht. Das kann seriöse Historie auch gar nicht leisten.
„Man kann die
aktuellen Krisen nicht an die Geschichte delegieren. Geschichte
wiederholt sich
nicht und sie liefert auch keine Blaupausen für Entscheidungen“,
schreibt der
Freiburger Historiker Jörn Leonhard. „Sie offenbart
Verlaufsmuster und
Handlungslogiken genauso wie Ambivalenzen und paradoxe
Situationen, und sie
immunisiert gegen einfache Erklärungen, Analogien und
Vergleiche.“ (S. 17) Was
Leonhard also liefert, ist ein beeindruckender Überblick über
die Vielfalt von
Kriegen. Er behandelt zunächst die verschiedenen Arten von
Kriegen, beschreibt
dann ihre jeweils unterschiedlichen Verläufe und geht auf dieser
Grundlage auf
einzelne Elemente aus verschiedenen Perspektiven während der
Kriege ein.
Formal ist das Ganze in 10 Kapitel aufgeteilt, die Thesen
heißen, eigentlich
aber jeweils ein Feuerwerk an historischen Beispielen und deren
Vielfalt
abbrennen: mal konnte sich der thesenartige Sachverhalt so oder
auch anders entwickeln.
Jeder These ist ein historisch kennzeichnender konkreter Fall
vorgeschaltet,
dem die historische Entfaltung folgt. Das reicht bisweilen in
die Antike
zurück, wird mit dem Dreißigjährigen Krieg häufiger und zieht
seine empirischen
Erläuterungen weitgehend aus den letzten beiden Jahrhunderten
heran. Nehmen wir
These 1: „Die Natur des Krieges bestimmt sein Ende“ (S. 19).
Wenn „Natur“ auch
ein vages Kriterium sein mag, so folgen doch vier Faktoren, die
den Wandel des
Krieges selbst seit dem 18. Jahrhundert umreißen, dann den des
Wandels von
Legitimation von Herrschaft benennen, weiterhin fragen,
inwieweit sich die
Kontrahenten auf der gleichen Ebene sahen und schließlich die
Möglichkeit einer
Vermittlung durch Dritte als relevant erklären. Strukturelle
Ursachen von
Kriegen bestimmten demgemäß auch ihr Ende. Solche allgemeinen
Sätze mögen banal
klingen, sie werden jedoch immer wieder mit historischen
Beispielen zur
Erläuterung der Vielfalt untermauert. Genau darin liegt ja ein
wesentlicher
Bestandteil historischer Aufklärung.
Generell gelingt es Leonhard immer wieder, an vielen Beispielen
die sehr
unterschiedliche Dynamik von Wegen aus dem Krieg zu zeigen,
überraschende
Entwicklungen zu zeigen. „Planung, Prognose und dynamische
Wirklichkeit“ fielen
nicht nur im bzw. seit dem Ersten Weltkrieg auseinander (S. 48)
– und mit
dieser „Kontingenz“ sind wir beim preußischen Militärtheoretiker
Carl von
Clausewitz. Nicht jeder Frieden trägt auch, manche sind nur
Waffenstillstände,
die einer Seite die Möglichkeit bieten, den Krieg bald wieder
aufzunehmen. In
vielen Fällen bestimmen die verfügbaren Ressourcen die
„Kippmomente“ von
Kriegen – aber das müssen die Akteure selbst nicht unbedingt
auch selbst
zugleich mitbekommen haben. Hier klaffen also Gegensätze von
Fakten und deren
Perzeption.
„Es gibt keinen Frieden ohne Kommunikation, und wer den
Besiegten demütigt,
macht den Frieden zum Waffenstillstand“, lautet These VII des
Bandes (S. 123).
Klassische Verlaufsmuster von Kriegsenden wie: Waffenstillstand,
Präliminarfrieden
und endgültiger Friedensschluss bildeten seit dem Ersten
Weltkrieg immer
weniger die Norm. Viele Kriege endeten seither gar nicht mehr
mit formalen
Friedensschlüssen. Auf der anderen Seite und gleichsam
entgegengesetzt: Frieden
dürfe auch nicht mit Erwartungen überfordert werden, dann trage
er nicht. Hatte
sich in der frühen Neuzeit etwa seit 1648 die Einsicht
durchgesetzt,
grundsätzlich wechselseitige Amnestie unter Gleichen zu
gewähren, so setzte
sich im 20. Jahrhundert die Vorstellung von „Krieg als
Verbrechen und Bruch
moralischer Normen“ (S. 128) durch, die Vertrauensbildung unter
Kontrahenten,
die als Gleiche anerkannt wurden, wesentlich erschwerte.
Übergroße Erwartungen
erzeugten vielfach Enttäuschungen und konnten durch
Desillusionierung stattdessen
den Auftakt zu neuer Gewalt bilden.
Gerade der vorangegangene Erste Weltkrieg überforderte diese
Friedenskonferenz
und jede weitere gleichsam notwendig von vornherein und
strukturell. „Doing
peace“ (These IX), oder, wie man auch sagen könnte: die Arbeit
am Frieden setzt
erst mit dem Ende der Kampfhandlungen ein und lässt sich kaum
als ein
einsträngiger Erfolgsprozess bestimmen. „Einerseits tragen
Prozesse und
strafrechtliche Sanktionierungen dazu bei, den Erfahrungen der
Opfer Raum zu
geben und erlittenes Leid anzuerkennen. Andererseits können sich
durch
Aufarbeitungsprozesse Feindbilder zumindest kurz- und
mittelfristig auch
verhärten, weil Gerichtsprozesse durch Bestrafung der Täter den
Gedanken der
Rache befeuern können“ (S. 170), heißt es allgemein. Das wird
wiederum an den
jüngsten Jugoslawienkriegen und der internationalen
Strafgerichtsbarkeit
konkretisiert. „Das beleuchtet paradigmatisch das grundsätzliche
Dilemma
zwischen Gerechtigkeit und Frieden.“ (S. 170)
Und schließlich, wie Reinhart Koselleck prominent argumentierte:
Die
eigentlichen grundlegenden Erkenntnisse praktischen Folgerungen
aus Kriegen
würden bisweilen eher die Verlierer als die Sieger ziehen,
„nicht jeder Sieg
ist ein Gewinn, und manche Niederlage wird zur Chance“ (S. 173,
These X).
Insgesamt schreibt Leonhard in einer klaren und nüchternen
Sprache und wer als
lesende Person den Eindruck hat, der Autor bediene sich eines
entschiedenen
„Sowohl als auch“, wird nicht ganz falsch liegen. Die Stärke der
Darstellung
liegt in dichten empirischen Beispielen, die jeweils die
Komplexität,
Andersartigkeit und Gemeinsamkeit hervorheben. Vielleicht wird
beim Wandel von
Kriegführung zu wenig der Einschnitt der Vernichtungskapazitäten
und auch
Realitäten zumal im Nuklearzeitalter seit Hiroshima und Nagasaki
betont.
Bestechend ist auch die jeweilige politische Einbettung von
Friedensschlüssen,
welche die völkerrechtliche Seite nur als ein Element in einem
breiteren
historischen Kontext versteht. „Frieden durch Recht“ war ja
schon seit dem
späteren 19. Jahrhundert eine politische und völkerrechtliche
Forderung. Ein
Blick in außereuropäische Kriege, nicht nur kolonialer Art,
könnte womöglich
noch weitere Erkenntnisse liefern. Ein „gerechter Frieden“ ist
sicher immer und
so auch in der „unübersichtlichen Gegenwart“ (S. 15)
wünschenswert, aber ist
das auch real? Bei aller Notwendigkeit und politischen
Gestaltungsabsicht zu
Frieden hin, kann es aber keine einfachen Rezepte dazu geben.
Was Jörn Leonhard
in diesem Paperback bietet, ist ein klug durchdachtes Reservoir
an historischen
Beispielen der letzten Jahrhunderte. Sie zeigen nicht nur –
erneut mit
Clausewitz –, dass der Krieg ein „Chamäleon“ ist – und dies bis
heute bleibt –,
sondern dass auch Wege aus dem Krieg unbestimmt, gefahrvoll, mit
unerwünschten
und nicht intendierten Wirkungen und Nebenwirkungen behaftet
sind. Gerade das
ist aufklärend und warnt davor, in unserer Zeit mit bestimmten
historischen
Analogien sichere „Wege aus der Gefahr“1 geben zu können.
Anmerkung:
1 Erhard Eppler, Wege aus der
Gefahr, Reinbek
1981.
Zitation
Jost Dülffer, Rezension zu: Leonhard, Jörn: Über Kriege und wie
man sie
beendet. Zehn Thesen. München 2023 , ISBN 978-3-406-80898-2, In:
H-Soz-Kult,
17.04.2024, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-142293>.