Suche | Sortierung nach | Monatsdigest | ||
2023/01/20 16:42:15 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Fwd: [saarland-l] Vortrag "Heiratsverträge, Grundstücksverkäufe und Te stamente - Was man in notariellen Verträgen alles finden k ann." |
Datum | 2023/01/30 11:13:42 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Gedenkveranstaltung am Gymnasium Wendalinum in St. Wendel für die Opfer des Nationalsozia lismus. |
||
Betreff | 2023/01/12 16:53:35 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Alsfassen unter Beschuß? Nu n, es wehrt sich tapfer :-) |
|||
2023/01/20 16:42:15 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Fwd: [saarland-l] Vortrag "Heiratsverträge, Grundstücksverkäufe und Te stamente - Was man in notariellen Verträgen alles finden k ann." |
Autor | 2023/01/30 11:13:42 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Gedenkveranstaltung am Gymnasium Wendalinum in St. Wendel für die Opfer des Nationalsozia lismus. |
Date: 2023/01/24 23:11:33
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Organisatoren Forschungszentrum Gotha der
Universität Erfurt
29.08.2022 - 02.09.2022
Von Albert Feierabend, Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte,
Universität
Göttingen; Teresa Göltl, Historisches Seminar, Universität
Heidelberg
Wie rassistisch war die Frühe Neuzeit? Welche Handlungsspielräume
besaßen
People of Colour (PoC) an deutschen Residenzen? Dies sind Fragen,
die im Rahmen
der Sommerschule „‚Hofmohren‘. Repräsentation und soziale Realität
von
Afrikanern in deutschen Residenzen 1600–1800“ des
Forschungszentrums Gotha
diskutiert wurden. Die Teilnehmenden setzten sich aus
Doktorand:innen und
Postdoktorand:innen verschiedener Disziplinen (Geschichte,
Literaturwissenschaft, Ethnologie, Museologie), Professor:innen
sowie
Museumskurator:innen aus Deutschland, den USA, Togo und Nigeria
zusammen. Mit
der Organisation der Sommerschule, gefördert durch die Alfried
Krupp von Bohlen
und Halbach-Stiftung, griff MARTIN MULSOW (Erfurt/Gotha) eine
Thematik auf, die
Teil intensiv geführter Debatten ist, beispielsweise die
Umbenennung der
Berliner „Mohrenstraße“ in „Anton-Wilhelm-Amo-Straße“. Der Ort der
Sommerschule
war ebenfalls passend gewählt, da auch in Gotha „Hofmohren“
lebten, wie die
Fourierbücher belegen. Während des Workshops gab es nicht nur die
Möglichkeit
zur gemeinsamen Diskussion von Texten, sondern es rückten auch
künstlerische
Darstellungen wie Gemälde und figürliche Objekte in den Fokus.
Verschiedene
thematische Seminareinheiten und Vorträge ermöglichten den
Teilnehmenden einen
Einblick in die aktuelle Forschung.
In seinem Eröffnungsvortrag führte Martin Mulsow in die Thematik
ein und
betonte bereits die Ambivalenz, mit der PoC in der Frühen Neuzeit
betrachtet
wurden. Einerseits waren sie mit kulturellen Herausforderungen,
einer oft geringen
Lebenserwartung und einer stets prekären Stellung konfrontiert,
andererseits
hatten sie als prestigeträchtige Diener an den Höfen eine große
Nähe zum Adel
und konnten mitunter in verhältnismäßig privilegierte Positionen
aufsteigen.
Die Frage nach Freiräumen und Grenzen selbstbestimmten Handelns
schwarzer
Bediensteter an deutschen Adelshöfen wurde insbesondere in dem
Beitrag von ANNE
KUHLMANN-SMIRNOV (Berlin) thematisiert, die mit ihrer Dissertation
„Schwarze
Europäer im Alten Reich. Handel, Migration, Hof“ (2013) bereits
einen
entscheidenden Beitrag geleistet hat. Ihren Vortrag umrahmten zwei
Einzelschicksale, zum einen das von Christian Ferdinand Mohr
(1650–1702),
dessen Präsenz am Bayreuther Hof aufgrund seiner Tätigkeit als
Pauker sehr gut
belegt ist. Zum anderen nannte sie Samuel Ramsey, der am Hof in
Dresden
angestellt war und der in einem kürzlich erschienenen
Ausstellungskatalog von
Matthias Donath und André Thieme Berücksichtigung findet.[1] Kuhlmann-Smirnov legte
anschaulich dar,
dass es unterschiedliche Formen einer Integration am Hof gab,
beispielsweise
von „oben“ mithilfe der Taufe, die obligatorisch war.
Am zweiten Tag setzte PETER BURSCHEL (Wolfenbüttel) einen anderen
inhaltlichen
Schwerpunkt, indem er den Begriff des „(Hof-)Mohren“ anhand einer
weiteren
Perspektive betrachtete, nämlich die der Hautfarbe. Er stellte die
These auf,
dass diese erst im Verlauf der Frühen Neuzeit zu einem
Unterscheidungsmerkmal
wurde, das es erlaubte, interkulturelle Begegnungen „chromatisch
zu
strukturieren, zu klassifizieren und nicht zuletzt auch zu
hierarchisieren“. Er
sieht es dabei als entscheidend an, dass Hautfarbe zu einem
Kriterium für
kulturelle „Reinheit“ wurde. Mitte des 17. Jahrhunderts kam jedoch
die
Problematik der Abstufung von „Rassen“ hinzu. Fundiert wurden die
Ausführungen
anhand der Gemälde ethnographischer Typenporträts (unter anderem
Eckhout), in
denen nichteuropäische Menschen exotisiert werden. Insbesondere
die Frage,
inwiefern dies als kolonialer Gegendiskurs gedeutet werden kann,
wurde
anschließend rege diskutiert.
Zahlreiche Quellen zur Thematik der Sommerschule gibt es in der
Forschungsbibliothek
Gotha. MONIKA MÜLLER (Stiftung Schloss Friedenstein) gab den
Teilnehmenden in
einer Führung einen Einblick in die umfangreichen Bestände der
Einrichtung, die
neben seltenen Drucken auch verschiedene Handschriften, unter
anderem Reiseberichte,
seit dem Mittelalter beherbergt. Die historischen Räumlichkeiten
der
Bibliothek, die sich im Schloss Friedenstein befinden, gaben
gleichzeitig einen
Einblick in die höfische Repräsentation der Frühen Neuzeit.
Während der
gesamten Woche bestand die Möglichkeit, die hier verfügbaren
Quellen für
Recherchen zum Thema der Summerschool oder für eigene
Forschungsprojekte zu
nutzen.
MESSAN TOSSA (Lomé) wandte sich in seinem Vortrag dem
philosophischen Diskurs
in der Frühen Neuzeit zu, indem er in seinem Vortrag europäische
Vorstellungen
von Afrika und Afrikaner:innen im Zeitalter der Aufklärung in den
Blick nahm.
Seiner Meinung nach tendiert die moderne Historiographie dazu, die
Existenz
multiethnischer Akteur:innen zu übersehen, weshalb die Schriften
der Philosophen
noch einmal neu gelesen werden sollten, um die zeitgenössischen
Vorstellungen
nachzuvollziehen. Sein Vortrag regte die Teilnehmenden zu einer
Debatte an, die
vor allem mit Blick auf Kant geführt wird: Wie geht man mit
Personen um, die
als bedeutende Gestalten der Aufklärung kanonisiert sind, aber
mitunter auch
rassistische Texte veröffentlicht haben?
KERSTIN VOLKER-SAAD (Berlin) leistete gleich zwei Beiträge zur
Sommerschule.
Zum einen weitete sie in ihrem Impulsvortrag den Blick auf die
afrikanischen
Herkunftsregionen der Versklavten an deutschen Höfen aus, indem
sie eine
Sklavenroute durch Äthiopien, den Sudan und Ägypten vorstellte.
Anschließend
ermöglichte sie den Teilnehmenden in ihrer Rolle als Ethnologin,
die an der
exemplarischen Erschließung der Bestände der Sammlung Schloss
Friedenstein
arbeitet, die Auseinandersetzung mit konkreten Objekten im Gothaer
Perthes-Forum. So konnten unter anderem zwei Gemälde betrachtet
werden, auf
denen „Hofmohren“ abgebildet sind.
ADRIAN MASTERS (Tübingen) stellte in seinem Vortrag die Frage, ob
es im
frühneuzeitlichen Madrid trotz der Expansion des spanischen
Kolonialreiches
wirklich so wenige kulturelle Konflikte gab wie die bisherige
Historiographie
nahelegt. Stattdessen stellte er die These auf, dass die Stadt
eine stark
multiethnisch geprägte Kontaktzone war. So sprechen die Quellen
dafür, dass bis
zu zehn Prozent der Einwohner schwarz waren, wobei es sich
keineswegs
ausschließlich um Unfreie handelte. Vielmehr habe es einen
„Afro-Kosmopolitismus“ gegeben, also eine Schicht weltläufiger,
zumindest
teilweise freier Afrikaner:innen oder deren Nachkommen, die sich
unter anderem
auf rechtlichen Wegen gegen Diskriminierung zur Wehr setzten.
Damit hätten sie
Einfluss auf die Entwicklung der Stadt genommen und einen Beitrag
zu deren
tatsächlich multikultureller Prägung geleistet.
CORINNA DZIUDZIA (Erfurt/Gotha) griff die bereits zu Beginn der
Summerschool
aufgekommene Problematik des Begriffs „Mohr“ auf, indem sie
verschiedene
(Online-)Wörterbücher und Datenbanken vorstellte. Sie machte sich
für eine
digitale Begriffsgeschichte anhand von digitalen Textkorpora und
Sammlungen
stark. Diese erweitern einerseits die Möglichkeiten qualitativer
Untersuchungen, indem Quellenbelege beispielsweise über Tools wie
die Suchmaschine
Wörterbuchnetz auffindbar und vergleichbar gemacht werden.
Andererseits können
auch quantitative Untersuchungen profitieren, indem zum Beispiel
die
Entwicklung der Häufigkeit von Begriffsverwendungen nachvollzogen
werden kann.
Dass es auch in Gotha in der Frühen Neuzeit Menschen schwarzer
Hautfarbe
gegeben hat und inwiefern diese interkulturellen Begegnungen nicht
immer von
eindeutigen Hierarchien bestimmt waren, zeigte MARTIN MULSOW in
seinem Vortrag
über Abba Gorgoryos. Dieser war ein abessinischer Reisender und
Theologe, der
in Rom Bekanntschaft mit dem Gothaer Gelehrten Hiob Ludolf gemacht
hatte und
diesen später in Thüringen besuchte, um ihn bei der Erstellung
eines Buches
über die äthiopische Sprache und Kultur zu unterstützen. Als
Diskussionsgrundlage
diente ein transkribierter Brief, der einen Einblick in die
Organisation und
Vorgeschichte der Ankunft von Gorgoryos in Gotha gibt. Hiob Ludolf
ist noch
heute als Begründer der Äthiopistik bekannt. Die Ausführungen
haben gezeigt,
dass Gorgoryos ebenfalls stark an diesem Projekt beteiligt war und
es zu kurz
greift, ihn lediglich als „Informanten“ zu bezeichnen.
MARKUS MEUMANN (Erfurt/Gotha) stellte den Bezug zu den Debatten
der Gegenwart
her, indem er versuchte, die Geschichte und Herkunft einer
„Mohrenfigur“ zu
rekonstruieren, die bis zu dessen Abriss am Gothaer Gasthof „Zum
Mohren“
angebracht war und seit dem Frühjahr 2020 im Forschungszentrum
aufgestellt ist.
Während es in der lokalen Presse und im Internet unterschiedliche
Theorien zur
Herkunft der Figur sowie einer Verbindung nach Äthiopien gibt,
machte der
Vortrag deutlich, dass weder die Provenienz noch die Hinzufügung
des meist als
koptisches Kreuz gedeuteten Symbols in der Hand der Statuette
bislang
abschließend geklärt werden konnten. Es ist wahrscheinlich, dass
sie nicht in
ihrem ursprünglichen Zustand erhalten ist, sondern nachträglich
modifiziert
wurde.
REBEKKA VON MALLINCKRODT (Bremen) gelang es anhand ihres
Abschlussvortrages
über Schwarze am Dresdner Hof, die während der Woche aufgekommenen
Fragen und
Diskussionen zu bündeln und anhand ihrer Forschung zu untermauern.
Während
Deutschland lange Zeit als „slavery hinterland“ dargestellt wurde,
konnte von
Mallinckrodt in ihrer Forschung zeigen, dass diese Sichtweise zu
kurz greift. Auch
im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gab es Menschen in
Sklaverei sowie
erhebliche Verbindungen zum Sklavenhandel – beispielsweise am Hof
Augusts des
Starken.
Am letzten Tag hatten die Teilnehmenden zudem die Möglichkeit,
ihre aktuellen
Forschungsprojekte oder Recherchen, die sie während ihres
Aufenthaltes in den
Archiven von Gotha durchgeführt hatten, vorzustellen. Außerdem war
im Verlauf
der Sommerschule die Idee entstanden, gesammelte Informationen
über „Hofmohren“
zusammenzutragen und online frei zur Verfügung zu stellen. Als
technisches Tool
kann hierbei die offene Datenbank „FactGrid. A database for
historians“
fungieren, eine Wikibase-Instanz, die von Olaf Simons
(Erfurt/Gotha) am
Forschungszentrum Gotha betreut wird. Während der Sommerschule
wurden bereits
einige Einträge zu der Thematik erstellt und die Plattform steht
allen
Interessierten zur Verfügung, die sich entsprechend einbringen
möchten. Somit
entsteht über die Sommerschule hinaus ein nützliches Tool, welches
in Zukunft
nicht nur die interdisziplinäre Zusammenarbeit, sondern auch ganz
allgemein die
Forschung zu der Thematik stärkt und vereinfacht.
Konferenzübersicht:
Martin Mulsow (Erfurt/Gotha): Einführung
Olaf Simons (Erfurt/Gotha): Präsentation der Datenbank „FactGrid.
A database
for historians“
Anne Kuhlmann-Smirnov (Berlin): Inklusion exklusiv? Freiräume und
Grenzen
selbstbestimmten Handelns schwarzer Bediensteter an deutschen
Adelshöfen
Peter Burschel (Göttingen/Wolfenbüttel): Hautfarbe in der Frühen
Neuzeit
Monika Müller (Erfurt/Gotha): Führung durch die
Forschungsbibliothek Gotha
Messan Tossa (Lomé): Deutsche Vorstellungen von Afrika und
Afrikanern im
Zeitalter der Aufklärung
Präsentation entstehender Arbeiten von Teilnehmern/-innen
Kerstin Volker-Saad (Berlin): Die afrikanische Heimat:
Sklavenrouten in
Äthiopien, dem Sudan und Ägypten
Kerstin Volker-Saad (Berlin): Objekte aus der Fremde von den
Anfängen der
Kunstkammer bis 1822. Außereuropäische Artefakte als Botschafter
außereuropäischer Kulturen
Adrian Masters (Tübingen): Afro-Cosmopolitan Madrid, 1561–1600:
Slavery,
Sovereignity, and Subjecthood in the Spanish Court of Habsburgs
Corinna Dziudzia (Erfurt/Gotha): (Digitale) Begriffsgeschichte am
Beispiel des
„Hofmohren“
Martin Mulsow (Erfurt/Gotha): Der Äthiopier Abba Gorgoryos in
Gotha – eine
Begegnung auf Augenhöhe
Markus Meumann (Erfurt/Gotha): Der „Mohr“ im Forschungszentrum
Präsentation und Diskussion von Ergebnissen
Rebekka von Mallinckrodt (Bremen): Sklaven und „Mohren“ am
Dresdener Hof
Anmerkung:
[1] André Thieme / Matthias
Donath (Hrsg.),
Augusts Afrika. Afrika in Sachsen, Sachsen in Afrika im 18.
Jahrhundert,
Königsbrück 2022.
Zitation
Tagungsbericht: „Hofmohren“. Repräsentation und soziale Realität
von Afrikanern
in deutschen Residenzen 1600–1800, In: H-Soz-Kult, 25.01.2023, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-133337>.