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2022/11/01 10:28:14
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Re: [Regionalforum-Saar] 500 Jahre Belagerung der Stadt St. Wendel durch Franz von Sickingen
Datum 2022/11/04 10:07:56
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] tja
2022/11/01 10:10:51
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] 500 Jahre Belagerung der Stadt St. Wendel durch Franz von Sickingen
Betreff 2022/11/04 10:10:59
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] „Es hat mich so gereizt, dass ich bedenkenlos Ja gesagt habe"
2022/11/01 10:10:51
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] 500 Jahre Belagerung der Stadt St. Wendel durch Franz von Sickingen
Autor 2022/11/04 10:07:56
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] tja

[Regionalforum-Saar] „Alle Farben haben eine Fu nktion“

Date: 2022/11/04 10:06:54
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Gestern in der Saarbrücker Zeitung:

Kerstin Küster, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Gerhard-Richter-Archiv, berichtete in ihrem Vortrag in der Tholeyer Abteikirche, wie die Entwürfe des Künstlers zu den drei Chorfenstern entstanden sind.

Von Marion Schmidt

Eine bedächtige Stille breitete sich in der Tholeyer Abteikirche aus, als Kerstin Küster vergangenen Freitag mit ihrem Vortrag begann. Kein Räuspern oder Husten war mehr zu hören. Die Besucher hingen vom ersten bis zum letzten Satz an den Lippen der Referentin. Der Kirchenraum war voll besetzt. Ein Beweis für das Interesse der Menschen an den Kirchenfenstern des berühmten Gerhard Richter. Die Kunsthistorikerin aus Dresden zeigte sich beeindruckt: „Ich bin heute in zweifacher Weise überwältigt. Zum einen, dass sie alle so zahlreich zu meinem Vortrag gekommen sind. Aber auch, weil ich die Richter-Fenster zum ersten Mal sehen darf.“ Dabei ist Küster eine ausgewiesene Expertin, wenn es um den Künstler Gerhard Richter geht. An den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im 2006 gegründeten Gerhard-Richter-Archiv und Ansprechpartnerin für alle Fragen rund um den Künstler.

Der Vortrag der Kunsthistorikerin ging dem Bildfindungsprozess für die Chorfenster in der Abteikirche nach. Dabei wob Küster einen roten Faden durch die verschiedenen Schaffensphasen des Künstlers, gab biografische wie kunsthistorische Erläuterungen. Gerhard Richter, 1932 in Dresden geboren, begann sein Kunstschaffen 1952 mit der Aufnahmeprüfung der Akademie der Bildenden Künste in Dresden. 1961 aus der DDR in den Westen gezogen, setzte er sein Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf fort. Ein im Juli 2000 in der FAZ erschienener Artikel über den „Ersten Blick in das Innere eines Atoms“ mit einem Rasterkraftmikroskop habe ihn derart fasziniert, dass er die mit dem Rasterkraftmikroskop erzeugten Bilder in druckgrafischen Gestaltungen umwandelte.

Der Maler Gerhard Richter sei stets bemüht, sich der Wirklichkeit künstlerisch anzunähern. Er wolle der eingeschränkten Wahrnehmung der Wirklichkeit auf den Grund gehen und diese hinterfragen. „Meine Bilder sind klüger als ich, und die Kunst ist die höchste Form der Hoffnung“, habe Richter einmal gesagt. 1972 bei der Biennale in Venedig war er der erste deutsche Künstler, der allein einen Pavillon mit seinem Werk bespielen durfte. 1973 nahm Gerhard Richter eine Postkarte von Tizians „Verkündigung an Maria“ (entstanden um 1540 in Venedig) als Vorlage für die Schaffung einer Serie von fünf Gemälden. Wesentliches Element der Bilder sei die Unschärfe. Die Unschärfe als Ausdruck der Erkenntnisunabhängigkeit, jenseits der menschlichen Erfahrung. „Als Bildquelle für seine Arbeiten haben ihn stets Massenmedien und Familienalben interessiert“, so die Kunsthistorikerin. So malte er neben den großformatigen abstrakten Gemälden auch Bilder nach fotografischen Vorlagen. „Gerhard Richter malt kein Abbild eines vorhandenen Bildes. Er will kein Foto imitieren, sondern ein Foto machen mit anderen Mitteln“, erläuterte die Kunsthistorikerin.

Küster stellte auch Richters Bildkompositionen in Grau vor. Für den Künstler sei dies das einzig mögliche Bildnis von Gott, die Darstellung als graues monotones Bild, denn er wäre nie fähig gewesen, ein Bild von Gott zu malen. In Richters Bildern male der Zufall mit. Den Aspekt, dass etwas zufällig passiere und der Künstler es wieder strukturiert, fände sich auch in den Tholeyer Kirchenfenstern.

Seit der Gestaltung der Fenster für den Kölner Dom 2005 ist Gerhard Richter nicht mehr aus der internationalen Kunstszene wegzudenken. Die Neugier und Affinität zur Gestaltung von Räumen motivierten ihn, die Fenster für die Abteikirche in Tholey zu schaffen. Freie Hand habe man ihm für sein Schaffen gelassen. Zunächst habe er in seinem Atelier experimentiert.

Küster skizzierte in ihrem Vortrag ausführlich und anschaulich den Werkprozess, der den Kirchenfenstern zugrunde liegt. „Der Darstellung der Kunsthistorikerin zur Entstehung der Fenster konnte ich sehr gut folgen. Jetzt sehe ich die Fenster mit neuen Augen und verstehe das Prinzip dieser beeindruckenden Arbeit“, lobte Bernd Schäfer aus Saarbrücken den Vortrag.

Gerhard Richters Künstlerbuch „Patterns“ sei Ursprung der Chorfenster. Als Vorlage diente ihm das Motiv mit der Nummer 724-4. Dieses abstrakte Bild zerlegte er mehrfach am Computer. Teilte, spiegelte, wiederholte. Für jedes der drei Fenster seien so fünf spiegelbildliche Motive entstanden. Die Farben seien mit Digital- und Siebdruck auf das Glas gebracht worden. „Alle Farben haben eine Funktion. So steht zum Beispiel Rot für das Leiden Christi. Es ist keine Deutung in nur eine Richtung möglich. Die Fenster weisen hoffnungsvoll in die Zukunft“, beendete Küster ihren Vortrag. Das Publikum bedankte sich mit lange anhaltendem, anerkennenden Applaus. Der eine oder andere Besucher nutzte anschließend die Gelegenheit, sich mit der Kunsthistorikerin auszutauschen.

Am nächsten Tag stand Kerstin Küster in den Räumen der Tourismuszentrale den Gästeführern der Gemeinde Tholey Rede und Antwort. Sie teilte mit dem wissbegierigen Team viele kunsthistorische und private Details aus dem Leben Gerhard Richters. Für die Gästeführer war diese immerhin dreistündige Vorlesung in kleiner Runde eine gute Gelegenheit, weitere Informationen über den Künstler zu sammeln, die dann in die touristischen Führungen einfließen können. Die Gästeführer berichteten, oft würden sie mit der Frage konfrontiert, was der Künstler mit dieser abstrakten Fenstergestaltung sagen will? Ganz einfach die Antwort der Kunsthistorikerin: „Fragen sie nach der generellen Einstellung zum Abstrakten. Fragen sie, was die Besucher in den Bildern sehen.“ Gästeführer Hans-Josef Recktenwald wurde auch gleich am nächsten Tag in seiner Führung mit dieser Frage konfrontiert: „Als ich dem Besucher die Frage stellte, was er denn sähe, sprudelte es plötzlich aus ihm heraus, und er entdeckte viele Figuren und Formen.“ Ihn hatte in dem Vortrag besonders die Aussage der Expertin beeindruckt, dass Richter selbst von sich sagte, er hätte ohne Glauben an ein höheres gestaltendes Wesen sein Werk nicht schaffen können. Der gelenkte Zufall habe ihm immer geholfen. „Eine bemerkenswerte Aussage von einem Künstler, vor allem vor dem Hintergrund, dass Richter zu DDR-Zeiten aus der Kirche ausgetreten war, weil er sich nicht in ein religiöses System einordnen lassen wollte.“

https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/st-wendel/tholey/vortrag-ueber-die-richter-fenster-in-der-abteikirche-in-tholey_aid-79307071