Bitte eintragen!
In vier Wochen halte ich auf der Genealogica zwei Vorträge. Einer
davon handelt
vom „Prinz von Palästina“, der in den 1760ern St. Wendel besuchte.
Bei den
Recherchen, die schon etliche Jahre zurückliegen, hat mir der
Historiker Tobias
Mörike geholfen. Als ich also nachschaue, was er seitdem so getan
hat, stoße
ich auf einen Artikel, den Herr Mörike über einen ähnlichen
Reisenden namens
Schidid bin Sayf Hobaysch verfaßte, der am 7. Mai 1727 die
Herzog-Augugst-Bibliothek in Wolfenbüttel besuchte.
Erschienen ist der Beitrag als einer von 21 Essays in dem Band
„Bitte
eintragen! Die Besucherbücher der Herzog August Bibliothek
1667-2000“,
herausgegeben von Hole Rößler und Marie von Lüneburg.
ISBN 978-3-447-11664-0
Auf der Rückseite des Buches steht, daß die Bibliothek, deren
berühmtester
Leiter Gotthold Ephraim Lessing war, seit 1667 ein Besucherbuch
führt, in dem
alle Besucher sich einzutragen angehalten wurden. In den 21
kurzweiligen Essays
stellt der Band prominente, erstaunliche und bemerkenswerte
Besucher beiderlei
Geschlechts aus vier Jahrhunderten vor, den den Weg nach
Wolfenbüttel auf sich
nahmen“. Jedem Artikel ist ein Faksimile aus dem Buch mit der
Passage
vorangestellt, auf der sich dieser betreffende Besucher verewigt
hat.
Unter den Eintragenden finden sich Politiker wie Dichter wie
Künstler wie
Kaufleute beiderlei Geschlechts, und zu jedem gibt es
Interessantes zu
berichten (auch wenn ich - ich gestehe es - von
über der Hälfte nie zuvor gehört habe).
Leider konnte ich bisher nicht herausfinden, ob es eine
Aufstellung - in
graphischer oder Textform - aller Besucher gibt, u.a. weil ich
notwendig bin,
ob ich dort ggf. jemand Bekannten aus unserer Kante finde.
Ein paar mal mußte ich lachen, etwa in dem Artikel über Ludwig
Uhland, der
gekommen war, um zu studieren, aber dazu kam er nicht, weil alle
möglichen
Leute sich in seinem Glanz sonnen wollten und ihn von der Arbeit
abhielten.
Und über ein Detail aus dem Epilog und den „pikanten“ Druckfehler
in einer
Bibel aus dem Jahre 1731:
„Für die zahlreiche Klasse von Reisenden, der es in Bibliotheken
und Museen,
hauptsächlich um die Schau der sogenannten Kuriositäten zu thun
ist, liegt
beständig die hallische Bibel aufgeschlagen, worin eine
Unterlassungssünde des
Setzers einer groben Begehungssünde das Wort redet; denn das
sechste Gebot, als
hätte Satan die Lettern geordnet, oder die Korrektur besorgt,
lautet hier wie
folgt: Du sollst ehebrechen. Es ist kaum zu sagen, wie sich das
ausnimmt.“
Das Buch - erschienen 2021 - gibt’s für 19,80 Euro im Fachhandel;
ich habs aber
auch schon antiquarisch gesehen, z.B. bei booklooker für ein paar
Euro weniger.
Mir hats gut gefallen.
Roland Geiger
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