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2021/11/10 19:58:48
hans-Jürgen Loch via Regionalforum-Saar
Re: [Regionalforum-Saar] Schwarze Katze, Freitag der 13 ., Amulette… Was ist Aberglaube?
Datum 2021/11/15 08:59:07
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Chronik Eisweiler -Pinsweiler (Gemeinde Namborn, Kreis St. Wendel) erschienen.
2021/11/20 16:06:28
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Tagungsbericht: Die Sprache des Feindes: Deutschsprachige Akten in israelischen Archiven
Betreff 2021/11/15 11:09:27
anneliese.schumacher(a)t-online.de
Re: [Regionalforum-Saar] Volkstrauertag 2021
2021/11/10 10:08:43
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Hexenvortrag jetzt online
Autor 2021/11/15 08:59:07
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Chronik Eisweiler -Pinsweiler (Gemeinde Namborn, Kreis St. Wendel) erschienen.

[Regionalforum-Saar] Volkstrauertag 2021

Date: 2021/11/14 22:36:11
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...

Guten Abend,

eben komme ich von einem Tagesausflug nach Luxemburg (1 Stunde entfernt) zurück. Heute ist Sonntag, 14. November, der diesjährige Volkstrauertag, an dem überall in Deutschland der Opfer aller Kriege und Gewaltherrschaften gedacht wird. Das findet bei uns traditionell auf den Friedhöfen in der Sektion statt, wo die Toten der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts ruhen.

Seit vielen Jahren fahre ich zusammen mit meinem Freund Hermann Scheid, der in den letzten Monaten des 2. Weltkriegs selbst noch Soldat war, nach Luxemburg. Auf dem deutschen Friedhof in Sandweiler unweit des Luxemburger Airports liegt ein Bruder seiner Schwägerin begraben. Albert Nilles wurde 1920 in Oberthal geboren und starb am 15. Februar 1945 nicht sehr weit von seinem Heimatort entfernt. Hermann Scheid fährt am Volkstrauertag immer nach Sandweiler zu diesem Grab, um für seinen Bruder zu trauern, der 1945 irgendwo in Pommern gefallen ist und dessen Grab bis heute unentdeckt geblieben ist.

Wir fahren morgens los, überqueren nahe der uralten Stadt Trier die Mosel und nehmen hinter der Grenze unser Mittagessen ein. Das ist eine gute Gelegenheit zum günstigen Tanken, denn in Luxemburg kostet das Benzin bis zu 20 Cent weniger als in Deutschland (heutiger Preis: 1.52 Euro pro Liter, zuhause kostet das Benzin fast 1.80 Euro pro Liter). Normalerweise essen wir dort in der Nähe zu Mittag, aber das ging heute nicht, weil das Restaurant abgerissen wurde und gerade neu gebaut wird. Also fuhren wir weiter und fanden im Ort Sandweiler nicht weit des Friedhofs ein italienisches Restaurant, wo wir sehr gut speisten.

Die Zeremonie hier in Luxemburg besteht aus zwei Teilen. Erst wird am amerikanischen Militarfriedhof, wo auch General George Patton jr seine letzte Ruhestände gefunden hat, durch den deutschen Botschafter, einen Vertreter der luxemburgischen Regierung und des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge ein Kranz niedergelegt. Eine halbe Stunde später beginnt dann in Sandweiler (etwa 1 Kilometer entfernt) die deutsche Veranstaltung.

Wir kamen um kurz nach 13 Uhr zum amerikanischen Friedhof. Durch das schmiedeeiserne Tor gelangt man zu einer riesigen Rotunda, in deren Mitte ein großer Turm steht, das Ehrenmal in Form einer Kapelle. Sein Eingang liegt einem großen Platz gegenüber, der von großen Quadern flankiert wird, auf deren Innenseiten die Kämpfe des letzten halben Kriegsjahres dargestellt sind, soweit sie amerikanische Einheiten betrafen. Dort bleiben wir immer stehen und betrachten die Pfeile der 10th Armored und der 80th Infantry Division, die im März 1945 unsere unmittelbare Heimat eroberten. Sie gehörten beide zum XX Corps der Third Army, die unter dem Kommando von General Patton das sogenannte Saargebiet besetzten. Auf den Außenseiten sind die Namen, die Dienstgrade und die Truppenzugehörigkeit von 371 vermissten Soldaten eingraviert.

Auf dem weiten sanften Hang dahinter stehen in neun Abteilungen die Monumente der 5076 Gefallenen. Die meisten sind Grabkreuze, aber es finden sich auch viele Davidssterne darunter. 101 Gräber wurden für nicht identifizierte Gefallene errichtet. (https://www.abmc.gov/Luxembourg). Wir kamen gerade rechtzeitig für die Zeremonie, weshalb wir auf den schon fast obligatorischen Besuch des Grabs von General Patton verzichten mußten.

Die drei genannten Männer schritten die langen Stufen zur Kapelle hinauf und nahmen vor einem riesigen Gedenkkranz Aufstellung. Die Vertreter der deutschen Bundeswehr - alle in Uniform - nahmen Haltung an und legten die Hand zum militärischen Gruß an die Schläfe. Wir nahmen die Kopfbedeckungen ab, und der Trompeter - er ist Luxemburger und spielt hier seit mehr als 27 Jahren - intonierte „taps“. Wie immer waren nicht viele Leute hier, vielleicht 20 Personen. In zehn Minuten war die Zeremonie vorbei, und wir schlenderten zum Auto zurück und fuhren nach Sandweiler.

Während der amerikanische Friedhof allein durch seinen perfekt gepflegten Rasen und die marmornen Grabmonumente ein wirklich toller Anblick ist, wirkt der deutsche Friedhof in Sandweiler im Gegensatz dazu düster und trist. Vom Parkplatz spazierten wir einen Waldweg entlang zum Haupteingang, der stets wie ein grauer Bunker wirkt. Vor der Tür wartete heute eine junge Frau, die unsere Impfpässe überprüfte, denn auf den Friedhof durfte heute nur, wer geimpft oder genesen war. Hier wurdedie 2G-Regelung genau kontrolliert. Durch das Dunkel des Eingang betraten wir den engen Innenhof, der einen Blick auf das gesamte Feld der 10913 Gräber deutscher Wehrmachtssoldaten gibt, die hier ruhen. Sandweiler war die erste Kriegsgräberstätte, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Ausland angelegt wurde.

Der amerikanische Gräberdienst bestattete dort 5599 deutsche Gefallene aus den Kämpfen des Frühjahres 1945 in mehreren Blocks zu 300 Gräbern. Entsprechend eines Abkommens zwischen Luxemburg und Deutschland bettete der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge weitere 5286 Gefallene aus 150 luxemburgischen Gemeinden ebenfalls dort hinzu, teilweise aus Massengräbern geborgen. Der amerikanische Friedhof hat für jeden einzelnen Soldaten ein einzelnes Monoment. In Sandweiler gibt es ausschließlich Kreuze aus Naturstein, die auf beiden Seiten mit bis zu sechs Namen beschriftet sind. 4829 Tote liegen in einem Gemeinschaftsgrab, von denen 4014 namentlich zugeordnet werden konnten, d.h. 815 sind unbekannt.

Erst vor kurzen wurden in einem Massengrab im Norden Luxemburgs Überreste deutscher Soldaten entdeckt, deren Identität nicht festgestellt werden konnten. Sie wurden heute während der Zeremonie bestattet. Der Botschafter sagte in seiner Ansprache sinngemäß: „Kein Name wird vermerkt, kein Angehöriger benachrichtigt. Keine Suche findet ein Ende.“

Der Besucher waren weniger geworden in den letzten Jahren. Ich kann mich an einen katholischen Geistlichen und einen jüdischen Rabbi erinnern, die hier gesprochen hatten. Den Jugendchor eines deutsch-luxemburgischen Gymnasiums, die lange Jahre von ihrem Lehrer begleitet hier sangen. An helle und dunkle Tage, trockene und regennasse. Und daran, daß wir während meiner ersten Besuche stets jenseits der Straße im Industriegebiet parken mußten, weil hier längst alle Parkplätze belegt waren. Im letzten Jahr waren wir auch hier gewesen, obwohl die offizielle Veranstaltung wegen Corona ausgefallen war.

Der Botschafter eröffnete die Veranstaltung mit einer Rede, die nicht selten weh tat. Er zählte gleich zu Beginn die Orte auf der Welt auf, in denen heute noch oder wieder gekämpft wird. Dabei sollen doch Orte wie dieser dazu ermahnen, daß das Kämpfen aufhört. Ihm folgte ein protestantischer Pfarrer, dem es gelang, in allen dem Chaos aus Blut und Tränen auch Worte der Hoffnung zu finden. Währendessen spielte der Trompeter mehrere Lieder, deren Titel mir nicht bekannt sind. Klagende Weisen.

Soldaten der deutschen Bundeswehr - darunter eine Frau (ich sah nie zuvor eine junge Frau im Grau des deutschen Heeres - als ich damals diente, bestand die Bundeswehr noch aus lauter Männern) - trugen den Kranz den langen Weg hinauf zum Ehrenmal, wo die toten Soldaten beerdigt wurden. Wir Besucher trotteten hinterdrein; der Trompeter spielte eine Version von Amazing Grace. Ich achtete auf meinen Begleiter, der mit seinen 93 Jahren einer der ältesten Teilnehmer war und schon seit über 30 Jahren immer am Volkstrauertag hierkommt. Wir blieben auf halber Strecke stehen und beobachten das Geschehen oben am Ehrenmal. Die sterblichen Überreste wurden eingebettet, der Geistliche stimmte das „Vater unser“ an. Dann spielte der Trompeter sein letztes Stück, das über 200 Jahre alte deutsche Lied „Ich hatt’ einen Kameraden“, womit die Zeremonie offiziell zu Ende war. Während die Teilnehmer zum Eingangsbereich zurückströmten, um bei Kaffee und Tee (und leckerem Kuchen) noch ein wenig zu plaudern, widmeten Hermann und ich uns der alljährlichen Suche nach Albert Nilles’ Grab. Irgendwo rechts oben oder in der Mitte. Einer von zwei Namen. Früher stand dort mal ein Baum, aber schon lange nicht mehr. Diesmal würden wir ihn sicher direkt finden. Nun - wie im letzten Jahr - kapitulierte ich vor der schier endlosen Masse an Gräbern, ging zum Eingangsbereich, wo ich in den beiden Gefallenbüchern die Position nachschaute: Sektion J, Grab 135. Dort lag er natürlich, wie schon seit über 70 Jahren. Ich überließ Hermann seinen Gedanken und Erinnerungen an die beiden Männer, den einen hier im Grab und den anderen irgendwo auf der anderen Seite der Republik, beide schon mehr als 75 Jahre tot. Er schlug ein letztes Kreuzzeichen über dem Grab, dann gesellten wir uns zu den anderen. Der Punsch war ohne Alkohol und nicht wirklich heiß, aber schmeckte richtig gut. Und der Kuchen erst.

Wir trafen unseren alten Freund Bodo Bost, der uns zu einer Tasse Kaffee einlud. Nach einigen guten Gesprächen fuhren wir über Trier wieder nachhause in Saarland. Mit der festen Absicht, nächstes Jahr wiederzukommen.

=> https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Kriegsgr%C3%A4berst%C3%A4tte_Sandweiler