Guten Morgen,
ich schicke Ihnen schnell noch diesen Artikel heut morgen aus der
EssZett. Beim
Herunterladen gabs ein paar Probleme, weil verschiedene Wörter
nicht erkannt
wurden. Ich habs schnell korrigiert und hoffe, daß ich nichts
Wichtiges
übersehen habe. Das betrifft natürlich die Wörter, nicht deren
Inhalt. Dafür
übernehme ich keine Garantie.
Ergebenst
Roland Geiger
Eine Herzogin mit Herz für die Armen
Am alten Rathaus auf dem Schlossplatz steht die Luise-Statue. Im
Gebäude, in
dem die Herzogin einst wohnte, ist ein Luise-Zimmer eingerichtet.
Vieles hat Luise in ihrem Leben ertragen: Verbannt aus der Heimat,
getrennt von
den geliebten Kindern. Am 30. August jährt sich ihr Todestag zum
190. Mal. Im
SZ-Gespräch wirft historischer Josef Dreesen einen besonderen
Blick auf die
Herzogin.
Von Evelyn Schneider
ST. WENDEL | In Bronze gegossen steht das Abbild der Herzogin
Luise heute auf
den Stufen ihres einstigen Zuhauses, dem Alten Rathaus. Es war
eine Heimat, die
sie sich nicht selbst ausgesucht hatte. Sie war ihr auferlegt
worden. Wie so
vieles mehr. So einsam wie die Statue heute auf den Schlossplatz
blickt, mag
sich Luise oftmals in ihrem Leben gefühlt haben.
„Sie ist eine sehr tragische Figur“, sagt Josef Dreesen. Der
promovierte
Historiker, der bis Ende März freiberuflich für das St. Wendeler
Stadtarchiv
tätig war, hat sich intensiv mit der Adligen und ihrem Schicksal
beschäftigt.
Gerade erst verfasste er einen Aufsatz zu dem „Vermächtnis der
Herzogin Luise
zu Sachsen“ für die nächste Ausgabe des Heimatbuchs des
Landkreises St. Wendel.
Von 1824 bis 1831 lebte die 1800 als Prinzessin von
Sachsen-Gotha-Altenburg
geborene Luise in der Kreisstadt. Den Menschen dort blieb sie auch
wegen ihrer
Wohltätigkeit in Erinnerung. So überwies sie unter anderem
jährlich hohe
Geldsummen an die Armenkasse der Stadt und unterstützte Kinder aus
sozialschwachen Familien. „Letzteres wohl auch, weil sie ihre
eigenen Söhne so
sehr vermisste“, merkt Dreesen an.
Am 30. August jährt sich zum 190.
Mal der Todestag von Herzogin Luise, die auch als
Stammmutter der
Windsors gilt. Nicht zuletzt ein Grund, weshalb sie für Historiker
interessant
war und ist. Nach der Veröffentlichung des Werks „The lost
Duchess“ 1958 wurde
es etwas still um die Luise-Forschung. Bis 1997. In Vorbereitung
auf eine
Ausstellung über das Fürstentum Lichtenberg stießen der inzwischen
verstorbene
Archivar Gerhard Schnur und Historiker Dreesen auf Luise. „Unser
Interesse war
geweckt, und wir begannen, gefördert von der Stadt, zu forschen –
mit erstaunlichen
Ergebnissen“, blickt der 68-Jährige zurück. So kam es 2006 zu
einer Ausstellung
über die Herzogin. „Die war ein Riesenerfolg“, wertet Dreesen.
Ab 2010 sei das St. Wendeler Stadtarchiv zum Dreh- und Angelpunkt
in der
Luise-Forschung geworden. Auch im Prinz-Albert-Jahr 2019 gab es in
der
Kreisstadt neue Publikationen zur Stammmutter der Windsors (wir
berichteten).
Im 19. und 20.
Jahrhundert
seien die Historiker stets bemüht gewesen, Luise distanziert zu
betrachten.
„Bei Führungen in Windsor Castle äußerte man sich eher abfällig
der Herzogin
gegenüber“, weiß Dreesen. Erst mit der neuen Forschung sei ein
neues Bild
entstanden. „Auch mir ist es wichtig, Luise als Mensch und als
Frau zu sehen.“
Im Alter von 16 Jahren heiratete Luise den etwa doppelt so alten
Herzog Ernst
III. von Sachsen-Coburg-Saalfeld, der sich ab 1826 Ernst I. von
Sachsen-Coburg
und Gotha nannte. Bereits 1818 wurde ihr erster Sohn, benannt nach
dem Vater,
geboren. Ein Jahr später kam Albert, der spätere Gatte der
britischen Königin
Victoria, auf die Welt. Kurz darauf zeigte Ernst nur noch wenig
Interesse an
seiner Frau. Luise aber habe regelrecht um dessen Liebe gebettelt.
Wie Dreesen
berichtet, ist in einem ihrer Briefe zu lesen: „Ich möchte, dass
Du mich nicht
wie ein Kind behandelst, sondern wie eine Frau.“ Später schrieb
sie: „Dich
liebte ich herzlich.“ Doch Ernst ließ sich nicht erweichen. Er zog
sich weiter
zurück.
„Zu diesem Zeitpunkt war Luise eine junge Frau von 20 Jahren. Sie
war
lebenslustig, sollte sich aber der strengen höfischen Etikette
unterwerfen“,
beschreibt Dreesen. Das fiel der Herzogin umso schwerer, da sie
sehr liberal
erzogen worden war. Ihr Gatte sorgte dafür, dass sie von jungen
Höflingen
umgeben war. Mit einem Kammerjunker, Gottfried von Bülow, wurde
Luise eine
Affäre unterstellt. „,Leichtsinnig sei sie gewesen‘ gesteht Luise
später in
einem Brief“. Sie habe ihren Mann mit dem jungen Höfling
provozieren, einen
Liebesbeweis Ernsts erzwingen wollen. Dabei habe sie wohl über die
Stränge
geschlagen. „Aber daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass sie
eine Hure
war, das verbitte ich mir“, betont Historiker Dreesen. Das sei mit
keiner Quelle
zu belegen. Ganz im Gegenteil. Baron Xavier Zack, ein enger Freund
Luises, habe
nach ihrem Tod an deren Hofdame Amalie von Uttenhoven geschrieben,
dass Luise
nie ein böses Wort zu den Drangsalen und der Ehe mit Ernst
verloren habe.
Die Trennung des Paares im Jahr 1824 wirkte inszeniert – und zwar
von Ernst.
Offiziell stand Luises Affäre im Raum. Als das Ehe-Aus in der
Bevölkerung
bekannt wurde, kam es zum so genannten Coburger Aufstand. Darüber
berichtete
der englische Diplomat Charles Townshend Barnard, der von 1824 bis
1874 am Hof
lebte, an George Canning. Dabei äußerte er sich auch über die
Trennung.
„Zwischen den Zeilen ist zu lesen, dass er das Handeln Ernsts als
nicht richtig
empfindet.“ Für Herzogin Luise hatte das Beziehungsende
schwerwiegende Konsequenzen.
Ihr Gatte behielt auch jenes Vermögen, auf das sie Anspruch hatte,
und speiste
sie mit 13 000 Gulden jährlich ab. Was die junge Frau aber noch
schlimmer traf:
Sie sollte weg von ihren Kindern.
Ihr Exil hieß St. Wendel. Im November 1824 kam sie in der
Kreisstadt an. Wenig
später trat dort ein neuer Mann in Luises Leben: Maximilian von
Hanstein.
Fatalerweise war dieser von Ernst nach St. Wendel geschickt worden
und das,
obwohl er in Briefen an seinen Bruder Ferdinand den Verdacht
geäußert hatte,
dass eben jener Hanstein eine Liaison mit Luise hätte. „Hofdame
Amalie sollte
den Herzog unterrichten, wie sich Luise verhält“. In einem ihrer
Berichte
versicherte sie, dass Hanstein das Vertrauen des Herzogs verdiene
und er einen
guten Einfluss auf Luise habe. Dennoch ließ Ernst verlautbaren,
dass die
„Anwesenheit Hansteins mit der Ehre eines Mannes nicht zu
vereinbaren“ sei. So
wurde Hanstein zum Scheidungsgrund. Die endgültige Trennung wurde
1826
vollzogen. Noch im gleichen Jahr heirateten Luise und Maximilian,
der zuvor zum
Grafen von Pölzig und Baiersdorf ernannt worden war.
Eine Liebesheirat? In einem Schreiben an ihre Stiefmutter,
Herzogin Caroline
Amalie von Sachsen-Gotha-Altenburg, beschreibt Luise Hanstein als
einen
Vertrauten. „Sie hat ihn sehr gemocht“, sagt Dreesen. „Aber ob die
Ehe
vollzogen wurde, bezweifele ich.“ Luise habe schon damals über
Schmerzen
geklagt. 1831 diagnostizierten Ärzte in Paris Gebärmutterhalskrebs
in
fortgeschrittenem Stadium. Es gibt Aufzeichnungen von Hanstein, in
denen er
beteuert, während der Ehe nie etwas getan zu haben, was die Ehre
des Herzogs
und dessen Söhne Ernst und Albert befleckt hätte.
Dennoch, Luise und Maximilian verlebten wohl eine, wenn auch nur
kurze,
glückliche Zeit in St. Wendel. Ehe die Herzogin von der Krankheit
gezeichnet im
Januar 1831 jene schicksalhafte Reise nach Paris antrat, von der
sie nicht
zurückkehrte. „Hanstein hat sie zwischenzeitlich gepflegt, als
keine
Krankenschwester verfügbar war“. Wenige Wochen vor ihrem Tod am
30. August 1831
verfügte Luise in ihrem Testament, dass ihr „sehr geliebter Gatte“
auf
Lebenszeit jährlich 3000 sächsische Taler erhalten soll, die Ernst
sich nach
der Scheidung verpflichtet hatte, an sie zu zahlen, sowie den
Besitz aus dem
Erbe ihres Onkels Friedrich IV. von Sachsen-Gotha-Altenburg. Im
Zusammenhang
mit jenem Erbe ist Dreesen auf ein Kuriosum gestoßen, das zeigt,
dass es Ernst
stets darauf anlegte, Luise in ein schlechtes Licht zu rücken, um
seine
Vorteile daraus zu ziehen. Möglicherweise tat er dies auch noch
nach deren Tod.
Dreesen stieß auf ein Treuegelöbnis, datiert auf den 9. Juni 1824,
in dem Luise
sich zu Hanstein bekannt haben soll. „Doch wurde hier von fremder
Hand datiert
und unterzeichnet“, sagt der Histeriker. Luise hat angeblich mit
vollem Titel unterschrieben,
als geborene Herzogin. Doch war sie eine geborene Prinzessin.
Außerdem verfügte
sie darin über ein Erbe, das ihr erst im Dezember 1824 via
Testament
zugesprochen wurde. Dr. D. vermutet, dass das Schriftstück ohne
Unterschrift
erst im Oktober 1826 im Zusammenhang mit Luises Ehevertrag mit
Maximilian in
St. Wendel entstanden war.
Als Frau im 19. Jahrhundert einem Mann die Stirn zu bieten, war
nicht leicht,
vor allem, wenn dieser auch noch ein regierender Herzog war. So
muss es als
mutig und modern verstanden werden, als Luise es 1828 wagte, ein
Gutachten bei
der juristischen Fakultät in Heidelberg bezüglich des Erbes ihres
Onkels in
Auftrag zu geben. Das Gutachten bestätigte ihren Anspruch auf das
Vermächtnis.
Doch als Souverän weigerte sich Ernst dennoch, ihr dieses
auszuzahlen.
Zeitlebens schien die Herzogin auf der Suche nach Liebe und
Respekt gewesen zu
sein. Wertschätzung wurde ihr nach ihrem Tod zuteil. Denn ehe sie
schließlich
in Pfeffelbach begraben wurde, war ihr Sarg in St. Wendel
aufgebahrt. Dort
wurde er Tag und Nacht von den Bürgern bewacht, aus Angst, die
herzogliche
Regierung könnte ihn beschlagnahmen. Die Menschen waren dankbar
für die
Wohltaten der Herzogin. Sie erinnerten sich daran. Und tun es noch
heute.
--------------------
Historiker und Stadtchef treten für Luises Ansehen ein
ST. WENDEL
Einen Tee im Café Luise am Fruchtmarkt genießen oder durch die
Luisenstraße
schlendern. Der Name der Herzogin taucht immer wieder in der
Kreisstadt auf.
Aber damit nicht genug. „Wir haben eine Erinnerungskultur
aufgebaut“, sagt St.
Wendels Bürgermeister Peter Klär (CDU). Dazu gehört auch die 2019
gegründete
Stiftung, die den Namen Herzogin-Luise-Stiftung trägt. „Es ist ein
Zeichen der
Wertschätzung“, sagt der Bürgermeister. Außerdem führe die Stadt
damit fort,
was die Stammmutter der Windsors während ihrer Zeit in St. Wendel
von 1824 bis
1831 begonnen hatte: soziale Zwecke zu unterstützen. Quellen
belegen, dass
Luise ein hohes Ansehen in der Kreisstadt genossen habe.
Umso bestürzter blickt der Rathauschef auf eine Zeitungsseite, die
vor ihm auf
dem Tisch liegt. In einer regionalen Tageszeitung außerhalb des
Saarlandes ist
ein Artikel über St. Wendel und die Herzogin erschienen. „Luise
wird darin
etwas angedichtet, was der Person abträglich ist“, sagt Klär
bedauernd. Er
meint damit eine Passage, in der Luises Erkrankung an
Gebärmutterhalskrebs, die
schließlich zu ihrem Tode führte, in den Zusammenhang mit einer
Geschlechtskrankheit gerückt wird.
Darüber ist auch Luise-Kenner und Historiker Josef Dressen
verärgert. Ungern
zitiere er Luises Gatten Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha.
Aber in diesem
Falle mache er eine Ausnahme. „,Ich glaub’ mir bleibt der Verstand
stille
stehen’ hat Ernst I. 1824 an seinen Bruder Ferdinand geschrieben.
So ging es
mir jetzt.“ Es sei unseriös zu behaupten, Luise sei
geschlechtskrank gewesen.
Zwar könne Gebärmutterhalskrebs durch Viren entstehen, die beim
Geschlechtsverkehr
übertragen werden. Aber deshalb könne bei Luise nicht von einer
Geschlechtskrankheit gesprochen werden. „Auch ist dies kein Beweis
für eine
Affäre“, so Drehsen. Oder Affären. Die sind der Herzogin gleich
mehrfach von
ihrem Gatten Ernst I., der selbst kein Kind von Traurigkeit war,
unterstellt
worden. Schon ab 1818/19, habe Luise wiederholt über
Unterleibsschmerzen
geklagt.
Es gibt noch weitere Stellen in dem Artikel, mit denen sowohl der
Historiker
als auch der St. Wendeler Bürgermeister unglücklich sind. Aber in
der
Hauptsache ging es beiden um Herzogin Luise. „Wir wollen ihren
guten Ruf
verteidigen und lassen es nicht zu, dass sie in ein schlechtes
Licht gerückt
wird.“