Mittelalterliche
Geschichte - Eine Digitale Einführung in das Studium.
Hrsg.
v. Kluge, Mathias URL
http://www.mittelalterliche-geschichte.de/
Rezensiert
für H-Soz-Kult von Silke Schwandt, Universität Bielefeld
Die hier vorgestellte digitale Einführung in das Studium der
mittelalterlichen
Geschichte wird durch Mathias Kluge von der Universität Augsburg
bereitgestellt
und wendet sich nicht allein an Studierende, sondern an alle,
die an der
geschichtswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem
Mittelalter
interessiert sind.
Das Projekt wird von verschiedenen nationalen wie
internationalen Institutionen
[1] unterstützt und widmet
sich verschiedenen
Themen, in den Kategorien „Einführung“, „Historische
Hilfswissenschaften“ und
„Quellen und Quelleneditionen“. Die Artikel wurden von mehreren
Expert/innen in
den jeweiligen Feldern geschrieben und werden fortlaufend
ergänzt. Daher
erweitert sich der Inhalt der Seite kontinuierlich, sodass die
Leser auch die
Entwicklung der Mediävistik und ihrer Fachvertreter/innen
verfolgen können. Der
neuste Beitrag von Daniela Kah zu Reiseberichten als Quelle ist,
noch während
diese Rezension entstand, 2020 erschienen. Insgesamt sind 22
solcher Kapitel
online.
Auf der Startseite wird der Zweck der Seite erläutert. Zudem
wird eine
Publikation beschrieben, die vom Autor der Seite herausgegeben
wurde –
„Handschriften des Mittelalters. Grundwissen Kodikologie und
Paläographie“,
erschienen 2019 in der dritten Auflage. Zu dieser Publikation
gehört eine DVD
mit kurzen Lehrfilmen, die auch auf der Webseite eingepflegt
wurden und dort
abrufbar sind.
Die einzelnen Kapitel sind über das „Inhaltsverzeichnis“
ansteuerbar, das sich
im Menü am oberen Ende der Seite befindet. Die
Nutzer/innen-Führung ist
intuitiv und einfach. Das Inhaltsverzeichnis ist erneut in
verschiedene Abschnitte
gegliedert. Die Themen der bisherigen Einträge haben einen
deutlichen
Schwerpunkt auf Fragen der Historischen Hilfswissenschaften und
der
Quelleneditionen – hier sind auch die Videos eingebunden. Ein
zweiter
Schwerpunkt firmiert unter der Überschrift „Einführung“ und
widmet sich
verschiedenen Forschungsperspektiven, die Einblick in die
mittelalterliche
Geschichte und deren spezifischen Fragestellungen geben sollen.
Mit ihrer
Ausrichtung auf Fragen der Handschriften- und Quellenkritik und
der Einbindung
von Expert/innen-Interviews füllt die Webseite insbesondere für
die Lehre eine
Lücke. Die Videos können leicht in Lehrveranstaltungen
eingebunden werden und
liefern eine gut verständliche Einführung.
Die Darstellung im Bereich „Einführung“ mit einem Artikel zur
Frage der
Epochengrenzen und sechs Einträgen zu verschiedenen
Forschungsansätzen ist
darum bemüht, auf wenig Raum möglichst konzise Informationen
bereitzustellen
und forschungsrelevante Fragen zu skizzieren. Die Struktur der
Artikel ist
einheitlich und übersichtlich. Die dem Format geschuldete,
notwendige Reduktion
führt an manchen Stellen zu einer etwas holzschnittartigen
Darstellung der
mitunter komplexen Themen. Aus der Perspektive von Studierenden
und
interessierten Leser/innen vermittelt der Stil der Darstellung
aber gesichertes
Wissen und Anregungen zum Weiterdenken. Dies gilt insbesondere
für die
Einführungen in Forschungsansätze, die von verschiedenen, im
Fach auch
bekannten Kolleg/innen geschrieben wurden. Hierzu zählen etwa: Epochengrenzen
(Johannes Burkhardt), Vergleichende Geschichte (Martin
Kaufhold), Mentalitätsgeschichte
(Knut Görich), Papst- und Kirchengeschichte (Claudia
Zey), Landesgeschichte
(Susanne Ullmann), Frauen- und Geschlechtergeschichte
(Martina Hartmann)
und Kulturgeschichte (Andrew Gow). Es werden
grundlegende Annahmen und
Fragerichtungen vermittelt, die in der Auseinandersetzung mit
mittelalterlicher
Geschichte eine Rolle spielen. In allen Artikeln dieser Art
werden die
Forschungsansätze als allgemeine Ansätze der
Geschichtswissenschaft vorgestellt
und dann anhand von Beispielen auf ihre Leistungsfähigkeit für
die Erforschung
der mittelalterlichen Geschichte geprüft. Diese Verbindung ist
besonders
gelungen und macht deutlich, wie Fragestellungen, die zur
Erforschung der Geschichte
ab der Moderne entwickelt wurden, für die Analyse vormoderner
Geschichtsepochen
genutzt werden können, aber auch adaptiert werden müssen.
Die Beiträge zum Abschnitt „Historische Hilfswissenschaften“
beinhalten fast
alle kurze Lehrvideos, die aus dem Kontext der eingangs
beschriebenen
Publikation zur Einführung in Kodikologie und Paläographie
stammen. Ausnahmen
sind die Beiträge zu „Orientierung im Text“ und „Illustrierung“,
die beide zur
Einführung in die Kodikologie gehören. Die Zusammenstellung der
Themen ist
sicher nicht abschließend, fehlen doch andere Bereiche der
Historischen
Hilfswissenschaften – wie etwa Diplomatie oder Sphragistik – als
eigene Texte.
Urkunden und Siegel spielen in den vorhandenen Beiträgen aber
durchaus eine
wichtige Rolle. Im Sinne der dynamischen Entwicklung der
Webseite ist dies aber
nicht als Defizit, sondern eher als Wunsch zu verstehen, dass
dieses Format
dazu genutzt wird, fortlaufend neue Beiträge zu anderen
Unterthemen zu
publizieren. Das gilt auch für die anderen beiden
Hauptabschnitte der Webseite.
Die Videos selbst sind aufwendig und professionell produziert.
Sie eignen sich
gut für einen ersten Einblick in die präsentierten Techniken und
die damit
verbundenen Fragestellungen. Auch hier wird deutlich, dass die
Verantwortlichen
sehr daran interessiert sind, stets den Bezug zur Forschung
herzustellen und
nicht allein Fakten über das Mittelalter und sein Schriftgut zu
vermitteln.
Gerade hier zeigt sich, wie die Möglichkeiten digitaler
Vermittlung gut genutzt
werden können. Alle Videos werden von Texten begleitet, die von
Expert/innen
verfasst wurden, welche auch selbst in den Videos erscheinen.
Die Texte sind
zum Teil Transkriptionen der audiovisuellen Beiträge, gehen aber
stets darüber
hinaus. Erneut sind die Verantwortlichen sehr darauf bedacht,
unterschiedliche
Medien entsprechend ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit zu
nutzen. Auf diese
Weise entsteht eine gelungene multimediale Plattform.
Beide Bereiche, „Kodikologie“ und „Paläographie“, fokussieren
auf mittelalterliches
Schriftgut und erklären am Beispiel, wie man mittelalterliche
Urkunden liest,
auf welche Layout-Aspekte man achten sollte, wie Tinte und
Beschreibstoffe
gewonnen werden und welche historischen Entwicklungen
berücksichtigt werden
müssen. Auch hier kommen wieder Expert/innen aus der
Wissenschaft zu Wort, die
in ihren Beiträgen auch auf den Forschungsstand zu ihren Themen
eingehen.
Besonders interessant und unerwartet ist der Beitrag zur
Farbgewinnung, der
spannende Informationen für die interessierte Leserin bereithält
und über das
hinausgeht, was man aus anderen Einführungen digitaler oder
gedruckter Art
gewöhnt ist. Die Beiträge sind gut aufeinander abgestimmt und
Redundanzen
werden weitestgehend vermieden.
Der dritte Teil der Seite „Quellen und Quelleneditionen“
konzentriert sich bis
auf einen einzelnen Beitrag ausschließlich auf die Monumenta
Germaniae
Historica (MGH). Es gibt Videos und Texte zur Geschichte
der MGH (mit
Rudolf Schieffer), zur Arbeitsweise der Institution und ihren
Publikationen
(Quelleneditionen, Urkundeneditionen, Schriftenreihen). Hier
wird den
Nutzer/innen ein guter Einblick in eine der wichtigsten
Institutionen für die
Erforschung der mittelalterlichen Geschichte in Deutschland
gegeben.
Gleichzeitig lernt man aber auch etwas über die Art und Weise,
wie Urkunden und
andere Schriften im Mittelalter genutzt und sogar gefälscht
wurden.
Zuletzt zur Webseite hinzugefügt wurde der Beitrag zur
Quellengattung der
Reiseberichte. Hier sieht man, dass die Seite durchaus so
angelegt ist, die
Sammlung von Beiträgen kontinuierlich zu erweitern. Hier liegt
der Fokus auf
den Texten einerseits und auf deren Nutzen im Rahmen der
Forschung sowie der
Quellenkritik andererseits.
Die Webseite überzeugt insgesamt sehr. Das gilt insbesondere für
Einsatzszenarien in der Lehre. Die Seite richtet sich explizit
an Studierende
und andere Interessierte, liefert daher wenig bis keine eigenen
Forschungsbeiträge. Das liegt aber auch außerhalb der
Intentionen der
Autor/innen und Verantwortlichen. Die einzelnen Seiten haben
immer eine
Botschaft, eine Kernaussage, die durch die gut strukturierten
Informationen gut
vermittelt wird. Für eine Webseite zur Einführung ins Studium
hätte man
eventuell noch Linksammlungen oder weiterführende
Literaturangaben einfügen
können, damit sich die Nutzer/innen selbst noch weiter mit den
Themen
beschäftigen könnten, ähnlich wie es etwa auf den Seiten der
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf [2] geschieht – dort fehlt
allerdings die
umfangreiche Darstellung.
Hervorzuheben ist der dynamische Charakter der Webseite
„Mittelalterliche
Geschichte“, der besonders durch fortlaufende Ergänzungen der
Beiträge zum
Ausdruck kommt. Für Studierende, die am Anfang ihrer
Auseinandersetzung mit der
mittelalterlichen Geschichte stehen, ist eine Lektüre besonders
zu empfehlen.
Anmerkung:
[1] Genannt werden die DFG, die
Fördergesellschaft der Universität Augsburg, die
Kurt-Bösch-Stiftung sowie das
German Historical Institute in Washington, D.C., und die
University of Alberta
in Edmonton.
[2] Vgl.: https://www.geschichte.hhu.de/abteilungen/mittelalterliche-geschichte/studium-lehre-sommerakademien/faecherspezifische-materialien/links-fuer-mediaevistinnen-und-mediaevisten.html
(letzter Zugriff: 30.07.2020)
Zitation
Silke
Schwandt: Rezension zu: Mittelalterliche Geschichte - Eine
Digitale Einführung
in das Studium, in: H-Soz-Kult, 31.10.2020, <www.hsozkult.de/webreview/id/rezwww-202>.