Einf??hrung in die Public History.
Autor(en) L??cke, Martin; Z??ndorf, Irmgard
Erschienen G??ttingen 2018: Vandenhoeck
& Ruprecht
Anzahl Seiten 207 S.
Preis ??? 17,99
ISBN 978-3-8252-4909-0
??
Rezensiert f??r H-Soz-Kult von Falko Bell,
Gymnasium
Nieder-Olm
Wie kann Geschichte akkurat und gleichzeitig spannend erz??hlt
werden? Diese
Frage treibt sicherlich jede Historikerin und jeden Historiker um,
wenn es zum
Beispiel um die Lehre oder das Pr??sentieren von eigenen
Forschungsergebnissen
geht. Im noch jungen Teilgebiet der Public History, der
???Geschichte in der
??ffentlichkeit und f??r die ??ffentlichkeit??? (S. 9, Hervorhebung im
Original), ist
dies nicht anders. Vielmehr durchdringt der Anspruch, Geschichte
???gleichzeitig
seri??s und kurzweilig??? (S. 10) zu vermitteln, die erw??hnte
Subdisziplin und die
dazugeh??rige ???Einf??hrung in die Public History???, die Martin L??cke
und Irmgard
Z??ndorf vorgelegt haben.
Im bereits 2018 erschienenen, rund 200-seitigen Studienbuch
stellen die beiden
die Public History und deren theoretische, methodische und mediale
Zug??nge in
Beruf und Lehre vor. F??r den deutschsprachigen Raum ist eine solch
breit und
gleichzeitig kurz verfasste Einleitung bisher nicht zu finden.[1] Im ersten Kapitel werden
zun??chst
Entstehung und ???Grundsatzprogramm??? erkl??rt. Danach umfasse Public
History
sowohl jedwede Form ??ffentlicher Geschichtsdarstellungen als auch
die
Untersuchung derselben im Sinne einer historischen Teildisziplin.
Marko
Demantowsky umschreibt Public History als ???Schirm??? (S. 23), der
auch
konkurrierende Konzepte der Erinnerungs- und Geschichtskultur zu
umschlie??en
vermag.[2] Sie hat ihre Wurzeln
einerseits in den
USA und der Interessenverschiebung der Geschichtsschreibung der
1970er-Jahre
weg von der (Politik-)Geschichte ???gro??er M??nner??? und andererseits
an einer
wachsenden Nachfrage der ??ffentlichkeit an Geschichte und
entsprechenden
Formaten. Begleitet wurde diese Nachfrage durch stetig steigende
Zahlen von
Geschichtsstudierenden, die inzwischen auch in dezidierten
Studieng??ngen zur
Public History ausgebildet werden.
In den beiden Folgekapiteln werden die Werkzeuge der Public
History
vorgestellt. Dabei handelt es sich grunds??tzlich nicht um
fundamental Neues,
obgleich die Schwerpunkte erwartungsgem???? etwas anders gelegt
werden. Dazu
geh??ren erstens didaktische Konzepte und Prinzipien wie
Narrativit??t,
Multiperspektivit??t und auch historische Imagination (???Aneignung
von bildhaften
Vorstellungen ??ber Geschichte???, S. 39). Das besondere Erfordernis
in der Public
History, sich dabei immer wieder mit aktuellen gesellschaftlichen
Diskussionen
auseinanderzusetzen, wird an den Beispielen ???Diversit??t??? und
???Inklusion???
erl??utert. Zweitens sind dies die methodischen ??berlegungen beim
Umgang mit
Sach-, Bild- und Tonquellen sowie Zeitzeugen. N??her ausgef??hrt
wird dar??ber
hinaus das problembehaftete Gebiet der Living History
(???gelebte???/???lebendige???
Geschichte).
Im vierten Kapitel wird der vielschichtige Umgang der Public
History mit (Massen-)Medien
und der hier konstruierten Geschichte thematisiert. Der Begriff
der
???Authentizit??t??? steht dabei im Mittelpunkt, mit dem der Anspruch
auf
authentische Geschichten im ???Spannungsverh??ltnis zwischen einer
empirischen
Triftigkeit der Narrationen und der ??sthetischen S??ttigung der auf
diese Weise
geschaffenen Imaginationsangebote??? (S. 92) formuliert wird.
Dar??ber hinaus
werden entsprechende Geschichtsprodukte vorgestellt, darunter
historische
Romane, Comics, Fernsehdokumentationen und Computerspiele. Im
f??nften Kapitel
geht es schlie??lich um ein Kerngesch??ft der Public History:
Geschichte in
Museen und Gedenkst??tten. Die Bedeutung wird an der Gesamtzahl f??r
Museen in
Deutschland deutlich. Das Institut f??r Museumsforschung z??hlt
dabei ??ber 6.700
Einrichtungen (Stand: 2018).[3] Neben einer systematischen
Beschreibung
werden grundlegende Forschungsans??tze pr??sentiert, darunter die
Ausstellungsanalyse. Im Sinne der Zielgruppe des Buches wird eine
praktische
???Anleitung??? zur Entwicklung einer Ausstellung angeboten.
Passend dazu ist das Abschlusskapitel. Neben Fragen rund ums
Studium (Aufbau,
Inhalt, Finanzierung, Themen f??r Abschlussarbeiten) werden
zuk??nftige
Berufsfelder vorgestellt, die die vorherigen Kapitel inhaltlich
aufgreifen. Als
Appell an die Studierenden ??? und an die noch junge Disziplin ???
wird betont,
dass trotz aller fachwissenschaftlichen Reduktion und medialen
Aufbereitung
eine fachliche und ethische Verantwortung zu wahren sei.
Martin L??cke und Irmgard Z??ndorf bieten in ihrem Buch trotz des
knappen Umfangs
einen guten Blick auf das, was Public History ausmacht. Besondere
St??rken des
Werks lassen sich vor allem dort finden, wo griffige
Beschreibungen zentraler
Inhalte, selbstkritische ??u??erungen und eigene Berufserfahrungen
dargeboten
werden. Dazu geh??ren etwa der ???Aneignungsbegriff??? (S. 38) bei
Geschichte und
das aufschlussreiche Museumskapitel. M??hsamer zu lesen sind
einzelne Passagen,
die stark von der Anreihung von Zitaten gepr??gt sind oder ihren
Ursprung in
fr??heren Publikationen mit anderer Zielstellung haben, etwa der
Abschnitt zur
Visual History beziehungsweise Teile des zweiten Kapitels.
Neben angehenden Public Historians und Studieninteressierten
bietet das Buch
auch f??r in der Geschichtsvermittlung T??tige Anregungen, etwa um
Konsumverhalten oder Geschichtsdarstellungen jenseits rein
akademischer Texte
zu reflektieren. Anlass bieten die verschiedenen Funktionen von
Zeitzeug/innen
in Dokumentationen, der Effekt geschichtlicher Darstellungen auf
Rezipient/innen und ihre Erwartungshaltung sowie die kritische
Reflexion des
eigenen Museumsbesuchs. An der einen oder anderen Stelle w??ren bei
aller K??rze
etwas mehr Details w??nschenswert. Dazu geh??ren Formen der
Einflussnahme von
Auftraggebern auf Geschichtsprodukte und der Abschnitt zu
digitalen Medien, der
in der heutigen Zeit und f??r die Leserschaft zuk??nftiger Public
Historians
sicherlich umfangreicher ausfallen und st??rker auf die
Gegebenheiten von Social
Media, Hypertextstrukturen und Formaten wie YouTube-Videos
eingehen k??nnte.
Jenseits des blo??en Textinhalts wurde das Buch sinnvoll gestaltet.
Fett
markierte Fachbegriffe erleichtern die Orientierung, Definitionen
werden
hervorgehoben und Abbildungen sowie Tabellen f??rdern das
Verst??ndnis.
Literaturhinweise und weiterf??hrende Angebote erm??glichen eine
Vertiefung einzelner
Themen. Das Umschlagsbild ??? die auf einem Foto von 1945 basierende
Skulptur
???Embracing Peace??? vor einem franz??sischen Museum, die ??ffentlich
kontrovers
diskutiert wurde ??? ist passend gew??hlt. Schade ist vielleicht,
dass die
Online-Version der Linklisten auf der Verlagsseite, die in der
Einleitung
versprochen wird, vom Rezensenten nicht aufgefunden werden konnte.
Insgesamt wird das Buch seinen Anspr??chen gerecht: Die kurz
gefassten
allgemeinen Ausf??hrungen und die konkreten Verweise zum Studium
und zu sp??teren
Berufsfeldern der Public History liefern einen gut lesbaren
??berblick. Dieser
l??st das Spannungsverh??ltnis zwischen historischer Sorgfalt und
anregender
Darstellung nicht auf, sondern zeigt vielmehr, dass dessen
kontinuierliches
Aushalten zum Beruf dazugeh??rt.
Anmerkungen:
[1] Neben einzelnen ??lteren
Sammelwerken steigt
die Zahl an Buchver??ffentlichungen zur Public History weiter an,
siehe etwa die
Verlagsreihen ???Public History ??? Geschichte in der Praxis??? (utb)
und ???Public
History ??? Angewandte Geschichte??? (transcipt); Christine Gundermann
/ Wolfgang
Hasberg / Holger Th??nemann (Hrsg.), Geschichte in der
??ffentlichkeit. Konzepte
??? Analysen ??? Dialoge, Berlin 2019; Frauke Geyken / Michael Sauer
(Hrsg.),
Zug??nge zur Public History. Formate ??? Orte ??? Inszenierungsformen,
Frankfurt am
Main 2019.
[2] Dazu geh??rt Marko
Demantowsky, ???Public
History??? ??? Aufhebung einer deutschsprachigen Debatte?, in: Public
History
Weekly 3/2 (2015), http://dx.doi.org/10.1515/phw-2015-3292
(22.07.2020).
[3] Staatliche Museen zu Berlin ???
Preu??ischer
Kulturbesitz. Institut f??r Museumsforschung (Hrsg.), Statistische
Gesamterhebung an den Museen der Bundesrepublik Deutschland f??r
das Jahr 2018,
Berlin 2019, S. 7, https://www.smb.museum/fileadmin/website/Institute/Institut_fuer_Museumsforschung/Publikationen/Materialien/mat73_print.pdf
(22.07.2020); im Buch werden ??ltere Angaben verwendet.
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