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2019/07/01 23:09:10
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Über den Wendelskuchentag
Datum 2019/07/10 22:39:31
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Weihnachtliches Theater
2019/07/22 09:51:23
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] ein handgeschriebenes Gebetbuch von 1810
Betreff 2019/07/19 21:39:07
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Fwd: Jetzt erschienen: Denkmal sanierung 2019/2020 - dürfen wie Sie beliefern?
2019/07/01 23:09:10
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Über den Wendelskuchentag
Autor 2019/07/10 22:39:31
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Weihnachtliches Theater

[Regionalforum-Saar] für morgen

Date: 2019/07/04 13:22:39
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Der Wendelskuchentag

 

         „Am 5. Juli ist der Wendelskuchentag. Für diesen Tag backen St. Wendeler Hausfrauen kleine Brote, die sie mit zur Kirche nehmen, wo sie neben dem Hochaltar hingestellt werden. Nach dem Hochamt segnet der Priester die Brote, und die Leute nehmen sie wieder mit nach Hause. Dieser fromme Brauch erinnert an die Übertragung der Gebeine des hl. Wendelinus im Jahre 1360 aus der Magdalenenkapelle in das damals fertiggestellte Chor der Pfarrkirche. Von der Zeit an ließ der Kirchenvorstand jährlich hunderte Brötchen backen und unter das Volk als „St. Wendels Kuchen“ verteilen. Als in der Franzosenzeit 1793 die Kirche viele Einkünfte verlor, konnten keine Brötchen mehr ausgeteilt werden. Aber die Leute brachten nun selbst Brote und Kuchen und ließen sie segnen, und so ist es geblieben bis auf den heutigen Tag.“

       So ähnlich beschreibt es Nikolaus Obertreis im Jahre 1927. Die Geschichte stimmt plus-minus bis auf ein Detail: der Chor der Pfarrkirche war damals noch nicht fertiggestellt.

 

       Ein Jesuit namens Christoph Brower hat in einem 1670 posthum veröffentlichten Buch geschrieben, dass Bischof Boemund von Trier und seine Nachfolger seinerzeit mit den St. Wendeler Bürgern eine neue Kirche gebaut habe und dass diese im achten Jahr von Papst Innozenz (= 1360) eingeweiht worden sei. Tatsächlich wissen wir aus modernen Untersuchungen der Eichenbalken im Gebälk der Wendelsbasilika, dass der Chor frühestens 1413 und das Schiff frühestens 1456 fertig geworden sind.

       Was aber ist 1360 geschehen? Bischof Balduin hat in den späten 1320ern einen Großteil der Stadt gekauft, aber nicht die Kirche. Sein Ziel war u.a. eine Aufwertung der Stadt. Er starb 1353, und sein Nachfolger Boemund begann mit dem Neubau der Kirche. Neubau - also stand dort früher eine andere Kirche. Die sah aus wie ein T. Der Balken oben war das Westwerk, auf dem heute die Türme stehen. Der lange Balken war das Kirchenschiff, viel schmaler als das heutige (ungefähr innerhalb des Säulengangs). Es reichte bis zum heutigen Altar, wo der Chor beginnt. Dort schloß wohl eine kleine Apsis das Schiff. Die Reliquie stand irgendwo in der Kirche.

       Die Baumaßnahmen begannen: Zuerst fiel die Apsis (die im Weg war). Damit war das Kircheninnere im Osten „offen“. Die Reliquie wurde in die Krypta der Magdalenenkapelle verlegt, denn die Wallfahrt mußte weitergehen - man brauchte Geld für den Kirchenbau. Nun begann der Bau des Chors, der um 1420 vollendet wurde. Dann fiel das alte Schiff, und das neue wurde hochgezogen, fertig um 1460.

       Die Reliquie war schon 100 Jahre zuvor wieder in die Kirche zurückgekehrt. Nach dem Fall der Apsis wurde eine Mauer hochgezogen, die die Kirche nach Osten abschloß. Die Magdalenenkapelle wurde großzügig entschädigt. Die Rückverlegung der Reliquie in die Kirche geschah am 5. Juli 1360, einem Montag (nicht an Pfingsten, denn Pfingstmontag 1360 war am 2. Juni).

       Wie der Wendelskuchentag genau entstand und wann und durch wen, läßt sich nicht nachprüfen. Aber schon die älteste noch erhaltene Kirchenrechnung von 1465 gibt an, dass die Kirche den Bäckern am Fest der Übertragung des hl. Wendelin 5 Malter Korn (= 750 kg Roggen) zur Verfügung stellt, um das Wendelsbrot zu backen. Immerhin gut 2.500 Brötchen sind daraus geworden. Diese Position findet sich in so gut wie allen Kirchenrechnungen - selbst in Notzeiten wie 1677 - bis ins Jahr 1794. Da wird aufgrund der großen Teuerung die Menge auf 2 Malter und die Größe auf die Hälfte zurückgesetzt. Ein Jahr später wird das Wendelsbrot nur noch den Armen ausgeteilt und noch ein Jahr später für immer ausgesetzt. Nun - jedenfalls für die nächsten 200 Jahre.

 

       Um so schöner ist es, dass diese uralte Tradition in leicht veränderter Form in unserer Pfarrei wieder aufbelebt wurde.

 

 

St. Wendel, 4. Juli 2019. Roland Geiger, Pfarrarchiv St. Wendel.