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2015/02/09 21:08:47
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Konf: Heilige und geheiligte Dinge. Formen und Funktionen -
Datum 2015/02/11 15:09:50
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Rez. MA: R. Schmitz-Esser: Der Leichnam im Mittelalter
2015/02/18 23:21:27
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Grundsteinlegung der Wendelskapelle 1699
Betreff 2015/02/09 21:08:47
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Konf: Heilige und geheiligte Dinge. Formen und Funktionen -
2015/02/09 21:08:47
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Konf: Heilige und geheiligte Dinge. Formen und Funktionen -
Autor 2015/02/11 15:09:50
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Rez. MA: R. Schmitz-Esser: Der Leichnam im Mittelalter

[Regionalforum-Saar] Kaiser und Kalifen. Karl de r Große und die Mächte am Mittelmeer um 800

Date: 2015/02/11 15:09:15
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...

Stiftung Deutsches Historisches Museum (Hrsg.): Kaiser und Kalifen. Karl
der Große und die Mächte am Mittelmeer um 800. Darmstadt: Philipp von
Zabern Verlag 2014. ISBN 978-3-8053-4774-7; 423 S.; EUR 39,95.

Inhaltsverzeichnis:
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/media/beitraege/rezbuecher/toc_23043.pdf>

Rezensiert für H-Soz-Kult von:
Wilfried Hartmann, Historisches Seminar, Eberhard-Karls-Universität
Tübingen
E-Mail: <wilfried.hartmann(a)... dem vorliegenden Band möchte das Deutsche Historische Museum in
Berlin einen Beitrag "zur Frage der historischen und
kulturgeschichtlichen Bedeutung der Person Karls des Großen und seiner
Politik im Rahmen einer [...] vergleichenden Betrachtung mit den beiden
anderen Großmächten des Mittelmeerraums und des Vorderen Orients" (S. 9)
leisten. Da die ursprünglich über dieses Thema geplante Ausstellung im
Karlsjahr 2014 nicht zustande kam, wurden die im Februar 2013 gehaltenen
Beiträge des Workshops "Karl der Große und die Mächte um 800" hier
publiziert. Im Zentrum des Bandes steht die Frage nach Karl dem Großen
als "Akteur im Mittelmeerraum" (vgl. den einleitenden Beitrag von
Barbara Segelken und Tim Urbach auf S. 10-13).

Die 24 Beiträge sind in vier Großkapitel aufgeteilt: 1. Mächte am
Mittelmeer: Karl der Große, Byzanz, Juden, Karl und die Päpste und
Aufstieg der Araber; 2. Begegnungen der Kulturen: Kaisertum und
Priestertum, Karl, Byzanz und der Islam, Italien, Sachsen, Kriegswesen
und Handel; 3. Kulturelle Praktiken: Pfalzen Karls, islamische Stadt,
Mobilität, Grenzen, Textilhandwerk, byzantinische Kultur, Austausch in
der Architektur, Theoderich in Aachen und Bauten in Asturien und in
Aachen; sowie 4. Moderne Perspektiven: Karl als Vorbild, Karl und
Europa, Karl in modernen Medien und Aktualität Karls.

Mehrere Beiträge (vor allem von Borgolte, Drews und Scior) beziehen sich
auf die vor kurzem erschienene Untersuchung von Michael McCormick[1], in
der der Autor eine kommentierte Edition eines Zeugnisses vorlegt, das im
frühen 9. Jahrhundert entstanden ist und das eine Bestandsaufnahme der
Kirchen in Jerusalem und in Palästina enthält.

Zu 1.: Für Michael Borgolte (S. 16-23) erweist sich Karl der Große
dadurch als "global player", "dass er Mönche und Nonnen seines Reiches
in Jerusalem unterstützte oder gar selbst ansiedelte" (S. 23). Wenn dies
als "Symbiose lateinischer Christen mit Fremden" (S. 21) gedeutet wird,
so scheint mir das eine Überinterpretation. Auch möchte ich bezweifeln,
ob Borgolte (in der Erläuterung zur Abbildung 13, einer Ansicht der
Fossa Carolina) recht hat, wenn er Karls Vorhaben, einen Kanal zwischen
Main und Donau zu bauen, auf die Absicht zurückführt, "den Handel
zwischen West und Ost zu erleichtern" (S. 23). Im Beitrag von Michael
Grünbart über Byzanz (S. 24-37) irritieren widersprüchliche Aussagen
über die Macht des Oströmischen Reiches: Während es auf S. 33 heißt, "in
den folgenden Jahrhunderten operierte das Oströmische Reich als
Weltmacht", lautet der letzte Satz (auf S. 37): "Das Byzantinische Reich
wurde [...] auf den Ägaisraum mit angrenzenden Landgebieten auf der
Balkanhalbinsel und in Kleinasien konfiniert". Johannes Heil beklagt in
seinem interessanten Beitrag (S. 38-49), dass sich über die Geschichte
und die innere Verfassung der Juden in der Zeit seit der Spätantike bis
ins 9. Jahrhundert nur wenige Fakten beibringen lassen. Er glaubt nicht
an eine generelle Privilegierung der Juden für die Karolingerzeit und
hält die Behauptung von einer großen Judengemeinde in Köln für eine
unbewiesene Hypothese. Bei Matthias Becher, der über die Päpste und Karl
den Großen schreibt (S. 50-61), bleibt unklar, was die Karte (Abbildung
41) auf S. 55 illustrieren soll: Ist hier die wachsende Ausdehnung des
Kirchenstaats kartiert oder handelt es sich um eine Umsetzung der
(angeblichen) Schenkungen Pippins? Anna Akasoy gibt einen Überblick über
die politische und religiöse Geschichte des Islam (S. 62-73) unter
Betonung des Gegensatzes zwischen den Gebieten im Westen und im Osten.

Zu 2.: Jan-Markus Kötter befasst sich mit der Entstehung der
gelasianischen Zweigewaltenlehre und ihrer Nachwirkung bis ins 9.
Jahrhundert (S. 76-85). Wolfgang Drews (S. 86-99) hebt hervor, dass es
direkte Handelsbeziehungen zwischen Nordafrika und dem Karolingerreich
gegeben haben müsse, wie Münzfunde und das durch Michael McCormack
edierte Textstück belegen. Drews befasst sich auch mit den Geschenken
des Kalifen an Karl den Großen und vermutet, dass der Elefant ein
Begleitgeschenk eines Ehrengewandes sein könnte; damit hätte der Kalif
symbolisch seinen Überlegenheitsanspruch über den fernen barbarischen
Herrscher zum Ausdruck gebracht. Stefano Gasparri (S. 100-115) behandelt
die langobardischen beziehungsweise byzantinischen Teile Italiens vor
allem im 8. Jahrhundert und geht auf die wirtschaftlichen und sozialen
Verhältnisse ein. Rom wird nur sehr kurz am Ende des Beitrags, das
karolingische Italien überhaupt nicht behandelt. Der Beitrag von
Matthias Wemhoff über Sachsen (S. 116-129) befasst sich mit der
Entwicklung der sächsischen Sakrallandschaft, wobei man sich allerdings
fragt, was dieser Beitrag in dem Band zu suchen hat. Hans-Henning Kortüm
geht in seinem gehaltvollen Essay über das Kriegswesen (S. 130-143) auf
eine ganze Reihe von umstrittenen Themen ein, so auf die Bedeutung der
Freien oder der Vasallen für das karolingische Heer, auf die Größe der
Heere oder auf die Kampfesweise und die Waffen. Er wendet sich gegen den
anachronistischen "Mythos vom karolingischen Panzerreiter" (S. 137) und
scheint der Meinung zu sein, dass Karls militärische Erfolge eher mit
kleinen Heeren errungen wurden. Eine Auseinandersetzung mit den Büchern
von Bernhard S. Bachrach[2] wird leider nicht geboten. Lutz Ilisch
schreibt über die Bedeutung von arabischen Münzen und Edelmetallen
(Gold, Silber und Kupfer) für den Handel des Karolingerreichs (S.
144-154).

Zu 3.: Holger Grewe behandelt vor allem die neuen archäologischen
Erkenntnisse über die Pfalzen Ingelheim, Aachen und Paderborn (S.
158-180). Peter Feldbauer und Ilja Steffelbauer (S. 182-200) bezeichnen
die Abwertung der Bedeutung der Städte im islamischen Bereich als
ideologisches Konstrukt. Volker Scior (S. 202-212) behandelt das
Mittelmeer als wichtige Kontaktzone und geht auf Pilger (wie den
heiligen Willibald) und Gesandte (wie Amalarius von Trier) ein. Obwohl
es nicht viele Belege gibt, glaubt er sagen zu können, "dass die
Fernkommunikation im Mittelmeerraum zwischen Europa und der islamischen
Welt zwischen 750 und 900 zunahm" (S. 213). Sciors Ausführungen beruhen
vor allem auf seiner noch nicht veröffentlichten Habilitationsschrift
über "Boten im frühen Mittelalter. Studie zur zeitgenössischen Praxis
von Kommunikation und Mobilität". Stuart Airlie (S. 214-229) geht in
seinem Beitrag über äußere und innere Grenzen vom berühmten Silberdenar
mit dem Bild Karls des Großen aus und befasst sich mit dem Wandern von
Informationen über den Herrscher. Ulrike Koenen (S. 230-241) befasst
sich anhand von Objekten, die wahrscheinlich aus dem Ägypten des 7. oder
8. Jahrhunderts stammen, mit der Motivübertragung bei Textilien. Arne
Effenberger (S. 242-255) behandelt die byzantinische Kultur der Jahre
von 787 bis 815 und geht dabei auf das Wiedererwachen des Interesses an
den Wissenschaften, auf die Neuerungen im byzantinischen Kirchenbau, auf
Stiftungen von Kirchen und die Ikonenmalerei ein. Sehr schön hat Lorenz
Korn (S. 256-277) den künstlerischen Austausch im Mittelmeerraum
beschrieben: Sowohl die islamische Welt als auch das
frühmittelalterliche Europa haben Formen der spätantik-römischen
Architektur tradiert und weiterentwickelt. So kann die Pfalzkapelle
Karls des Großen auch als Kopie des im 8. Jahrhundert erbauten
Felsendoms in Jerusalem verstanden werden. Horst Bredekamp (S. 278-289)
versucht nachzuweisen, dass die aus Ravenna geholte Reiterstatue
Theoderichs des Großen in Aachen als Brunnenfigur im Bereich der Thermen
aufgestellt wurde. Stefan Trinks (S. 290-307) vergleicht die Aachener
Pfalzkapelle mit der Palasthalle und der Palastkirche, die König Ramiro
I. zwischen 842 und 850 in Oviedo errichten ließ.

Zu 4.: Nicht so recht zum Thema des Bandes passen die vier
abschließenden Beiträge im "Moderne Perspektiven" überschriebenen Teil.
Bernd Schneidmüller (S. 310-321) schreibt über die mittelalterliche
Nachwirkung Karls als einen geträumten, gefälschten und erfundenen Karl.
Rudolf Schieffer (S. 322-329) geht auf die realen Hintergründe der
Vorstellung von Karl als dem "Vater Europas" ein. Bernhard Jussen (S.
330-349) wendet die Ergebnisse seiner Studien über die "Ikonologie der
Geschichtswissenschaft"[3] auf Karl den Großen an. Johannes Fried (S.
350-359) bietet eine etwas beliebig anmutende Sammlung von Karlsbildern
aus dem 20. und dem 21. Jahrhundert.

Das Werk enthält auch (unterschiedlich ausführlich gestaltete)
Anmerkungen zu den einzelnen Beiträgen, ein Verzeichnis der erwähnten
Quellen und Literatur sowie ein Register der vorkommenden Namen.

Besonders erwähnenswert sind die zahlreichen vorzüglichen Abbildungen.
Zu den ebenfalls reichlich vorhandenen Karten muss allerdings kritisch
Stellung genommen werden: Schon auf dem vorderen Vorsatz, dann auf S. 13
(Abbildung 4), auf S. 44 (Abbildung 40) und auf Abbildung 47 (S. 64 f.)
ist die Ostgrenze des Reiches Karls des Großen falsch eingezeichnet.
Richtig sind dagegen die Karten auf S. 96 (Abbildung 67), S. 204 und S.
216: Wenn den Kartendarstellungen im Anfangsteil des Bandes neue
Erkenntnisse der Forschung zugrunde liegen sollten, dann hätte das
irgendwo gesagt werden müssen.


Anmerkungen:
[1] Michael McCormick, Charlemagne's Survey of the Holy Land. Wealth,
Personnel, and Buildings of a Mediterranean Church between Antiquity and
the Middle Ages, Washington 2011.
[2] Vgl. etwa Bernard S. Bachrach, Charlemagne's early campaigns
(768-777). A diplomatic and military analysis, Leiden 2013.
[3] Vgl. dazu Bernhard Jussen, Plädoyer für eine Ikonologie der
Geschichtswissenschaft. Beobachtungen zur bildlichen Formierung
historischen Denkens, in: Hubert Locher (Hrsg.), Reinhart Koselleck -
Politische Ikonologie. Perspektiven interdisziplinärer Bildforschung
(Tagungsakten Marburg 2010), München 2013, S. 260-279.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
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