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2013/04/14 23:19:08
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Das Unbehagen an der Erinnerung
Datum 2013/04/16 18:31:17
Michaela Becker
[Regionalforum-Saar] Vortrag am 24.04.2013 Welleswe iler Arbeitskreis für Geschichte, Landeskunde und Volksk ultur e.V.
2013/04/22 22:13:27
anneliese.schumacher(a)t-online.de
Re: [Regionalforum-Saar] omm Schaambärsch
Betreff 2013/04/06 21:08:59
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Seminar Vertiefende Familienforschung beginnt in 14 Tagen
2013/04/14 23:19:08
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Das Unbehagen an der Erinnerung
Autor 2013/04/17 00:09:08
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Umbettung 1819

[Regionalforum-Saar] Rezi: Die Krise des 3. Jahrhunderts n. Chr. und das Gallische Sonderreich

Date: 2013/04/15 08:58:43
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Fischer, Thomas (Hrsg.): Die Krise des 3. Jahrhunderts n. Chr. und das
Gallische Sonderreich. Akten des Interdisziplinären Kolloquiums Xanten
26. bis 28. Februar 2009 (= Schriften des Lehr- und Forschungszentrums
für die antiken Kulturen des Mittelmeerraumes - Centre for Mediterranean
Cultures - ZAKMIRA 8). Wiesbaden: Reichert Verlag 2012. ISBN
978-3-89500-889-4; 430 S.; EUR 39,90.

Inhaltsverzeichnis:
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/media/beitraege/rezbuecher/toc_19764.pdf>

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Klaus-Peter Johne, Institut für Geschichtswissenschaften,
Humboldt-Universität zu Berlin
E-Mail: <petra.machon(a)... in der Forschung lange vernachlässigte 3. nachchristliche
Jahrhundert hat in neuerer Zeit viel Beachtung gefunden. Davon zeugt
auch der stattliche Band eines von der Universität Köln veranstalteten
Kolloquiums, das Altphilologen, Althistoriker und vor allem Archäologen
in Xanten zusammenführte. In 14 Beiträgen werden zentrale und spezielle
Aspekte des Gallischen Sonderreiches der Jahre 260 bis 274 vorgestellt
und diskutiert.

Auf die schwierige Situation bei der Beurteilung der literarischen
Quellen weist Bernd Manuwald hin (S. 13-27). Die lateinische Tradition
beruht auf der sogenannten "Enmannschen Kaisergeschichte", die die
Breviarienschriftsteller Aurelius Victor und Eutrop sowie das
Biographienwerk der Historia Augusta in unterschiedlicher Weise benutzt
haben. Die in den Geschichtswerken des Zosimos und des Zonaras erhalten
gebliebene griechische Tradition ist so unterschiedlich, dass man
verschiedene Überlieferungsstränge annehmen muss. Zu Recht
schlussfolgert der Autor, dass die literarischen Zeugnisse oft nur in
Kombination mit den epigraphischen und numismatischen historisch
ausgewertet werden können.

Dem Kampf zwischen Gallienus, dem Kaiser der Zentrale, und dem
gallischen Usurpator Postumus widmet sich Karlheinz Dietz (S. 29-62). Er
zeigt, dass es zwei Feldzüge des Gallienus gegen Postumus gegeben hat
und Gallienus vor allem an der Rückgewinnung der Aufmarschbasis Raetien
und der Beherrschung der Alpenpässe interessiert war. Eine Folge dieser
Auseinandersetzungen könnte die Preisgabe des rechtsrheinischen
Dekumatlandes in den 260er-Jahren gewesen sein. Auch die erst 1992
gefundene Augsburger Inschrift aus dem Jahre 260 wird von neuem
analysiert.

Eine Einführung zum Stand der Forschung im politischen Bereich bietet
Werner Eck (S. 63-83). Die Ausdehnung des Herrschaftsgebietes der
gallischen Kaiser bis nach Spanien und Britannien wird auf der Grundlage
der Inschriften bestimmt und die Existenz eines eigenen Senats für das
Sonderreich mit guten Gründen in Zweifel gezogen. In der seit langem
kontrovers diskutierten Frage, welche Stellung Postumus vor seiner
Machtübernahme bekleidete, spricht sich Eck jetzt für einen ritterlichen
Amtsträger aus (S. 77, Anm. 49) und korrigiert damit seine frühere
Ansicht, er wäre ein senatorischer Statthalter gewesen.[1] Der
instruktive Beitrag endet mit der Interpretation einer neuen
Bauinschrift aus Krefeld mit dem Hinweis auf einen Aufstandsversuch
unter Postumus und einer Neudatierung der letzten Inschrift in Raetien
nördlich der Donau erst in die Zeit nach 262.

Auf den altphilologischen und die beiden althistorischen Beiträge folgen
elf archäologische: Dietrich Boschung beschäftigt sich mit den
Porträtdarstellungen der gallischen Kaiser (S. 85-96). Er kommt zu dem
Ergebnis, dass sie sich um eine eigene Bildniskonzeption bemühten, die
sie von den zeitgenössischen Herrschern in Italien abhob. Der Stadt Köln
und ihrem Umland in der Soldatenkaiserzeit ist die Abhandlung von Bernd
Päffgen gewidmet (S. 97-150). Archäologisch lassen sich mehrere
Germaneneinfälle fassen, wobei bereits die frühesten in den 230er-Jahren
das Ende der Pax Romana für dieses Gebiet bedeuteten. Von 256 bis 272
diente die Stadt als Herrscherresidenz und zwischen 257 und 269 auch als
Münzprägestätte. In dieser Zeit wurde die Stadtmauer erneuert.

Bei der Vorstellung von Mainz im dritten Viertel des 3. Jahrhunderts
weist Alexander Heising auf die im Vergleich zu Köln ungleich
schlechtere Überlieferungslage hin (S. 151-196). Eine spektakuläre Rolle
spielte die Stadt allein im Jahre 269 mit der Ermordung des Postumus und
den Usurpationen des Laelianus und Marius. Die öfter angenommene
Existenz einer Münzprägestätte ist fraglich. Unstrittig war dagegen der
Bau einer Stadtmauer seit 253 das für die Siedlungstopographie
einschneidenste Ereignis der Zeit.

Um die Colonia Ulpia Traiana bei Xanten geht es in den Beiträgen von
Thomas Otten und Clive Bridger: Otten behandelt das Ende der Zivilstadt
zwischen 260 und 275/76 und die Jahrzehnte bis zur Errichtung der
Festungsanlage innerhalb des ehemaligen Stadtgebietes (S. 197-217);
Bridger stellt die Gräber des 3. Jahrhunderts in und um Xanten vor (S.
219-231). Die Bedeutung Triers im Gallischen Sonderreich erörtert
Jennifer Morscheiser (S. 233-247). Im Einzelnen geht es um die wenigen
Inschriften, von denen eine allerdings partiell missverstanden wird (S.
236), die Prägungen der Münzstätte und die Anlage der Stadtmauer mit der
Porta Nigra, wobei sich die Autorin für eine Datierung erst in das 3.
Jahrhundert ausspricht.

Wirtschaftsgeschichtlich orientiert ist der Beitrag von Eszter Harsányi
über den Export von Trierer Spruchbechern nach Pannonien, von denen dort
über 100 gefunden wurden (S. 249-274). Die Ursache für das Ende dieser
Exporte um 260 wird jedoch nicht in der Existenz des Gallischen
Sonderreiches, sondern in den Barbareneinfällen in den mittleren
Donauraum und dem damit zusammenhängenden Niedergang des
Wirtschaftslebens gesehen. Für den archäologisch gut erforschten Raum
Mayen-Koblenz kann Angelika Hunold keine unmittelbaren Auswirkungen des
Sonderreiches feststellen (S. 275-306). Münzschätze mit Schlussmünzen
aus diesen Jahrzehnten, Siedlungsunterbrechungen und Anzeichen einer
Stagnation stellen keine Besonderheiten für die Rheingrenze im 3.
Jahrhundert dar.

Mit dem vieldiskutierten Ende des obergermanischen Limes beschäftigt
sich Marcus Reuter (S. 307-323). Während die Zerstörung des rätischen
Limes inzwischen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das Jahr 254 datiert
werden kann, ist für die Aufgabe der obergermanischen Grenzbefestigung
ein jahrzehntelanger Prozess anzunehmen, der mit dem Germaneneinfall von
233 begann. Das Kastell Osterburken wurde wohl 254 zerstört,
Niederbieber sicher 260, und die letzten Limeskastelle dürften beim
Zusammenbruch des Gallischen Sonderreiches verlassen worden sein. Die
Behauptung, Aurelian habe bei dem Sieg über Tetricus auf den
Katalaunischen Feldern 274 ein sinnloses Blutbad angerichtet, das zu
einer immensen Schwächung der Rheinarmee führte (S. 319f.), findet in
den Quellen keine Fundierung. Der Rückblick des Panegyricus von 311
bezieht sich auf den Aufstand von Autun 269/70 und nicht auf die
Niederlage des Tetricus.[2] Die Entdeckung von fünf Gräbern aus dem
letzten Drittel des Jahrhunderts in einem Villenareal im
Rhein-Sieg-Kreis mit ungewöhnlich reichen Beigaben zeigt nach den
Ausführungen von Sonja Schmutzler, dass es auch in diesen Jahrzehnten
"Nutznießer der Krise" gegeben hat (S. 325-342).

Der letzte, umfangreichste Beitrag von Andreas Rau ist nicht auf der
Tagung in Xanten gehalten worden und greift thematisch auch weit über
die Zeit des Sonderreiches hinaus. Er behandelt die archäologisch
fassbaren Beziehungen des Römischen Reiches zum nördlichen Barbaricum,
insbesondere nach Skandinavien im gesamten 3. Jahrhundert (S. 343-430).
Unter Heranziehung ausgewählter Sachgruppen werden die verschiedenen
Möglichkeiten erörtert, wie Objekte römischer Herkunft in den Norden
gekommen sein können, wobei auch der innergermanische Austausch betont
wird.

Das Gallische Sonderreich und sein Umfeld ist in diesem Band unter sehr
verschiedenen Aspekten so eingehend vorgestellt worden, dass keine
künftige Behandlung des Themas wird daran vorbeigehen können.


Anmerkungen:
[1] Vgl. Werner Eck, Die Statthalter der germanischen Provinzen vom
1.-3. Jahrhundert, Köln 1985, S. 223f.
[2] Vgl. Ingemar König, Die gallischen Usurpatoren von Postumus bis
Tetricus, München 1981, S. 148-156; Klaus-Peter Johne u.a. (Hrsg.), Die
Zeit der Soldatenkaiser, Berlin 2008, Bd. 1, S. 305 (Udo Hartmann) und
S. 334f. u. 338 (Andreas Luther).

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Udo Hartmann <hartmannu(a)...