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Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Schellemann zum 25ten Mal erschienen
Datum 2012/12/20 22:59:19
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[Regionalforum-Saar] Jahresprogramm des Vereins f ür Landeskunde
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[Regionalforum-Saar] der verlorene sohn
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[Regionalforum-Saar] Die Mathematik im Altertum. Von Algebra bis Zinseszins.
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[Regionalforum-Saar] Schellemann zum 25ten Mal erschienen
Autor 2012/12/20 22:59:19
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[Regionalforum-Saar] Die Butzbacher Stadtrechnunge n im Spätmittelalter

Date: 2012/12/18 23:32:22
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Was ich an Butzbach interessant finde?
Weil man dort eine Wendelskapelle mit -hospital hat und ziemlich lang im "Streit" mit St. Wendel ob der in beiden Städten vorhandenen Reliquie war.
 
-----------------------
 
Bachmann, Bodo: Die Butzbacher Stadtrechnungen im Spätmittelalter.
1371-1419 (= Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 160).
Marburg: Historische Kommission für Hessen 2011. 2 Bde. ISBN
978-3-88443-315-7; Pp.; Bd. 1: XIV, 406 S.; Bd. 2: VII, 758 S.; EUR
95,00.

Inhaltsverzeichnis:
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/media/beitraege/rezbuecher/toc_18255.pdf>

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Regina Schäfer, Historisches Seminar, Johannes Gutenberg-Universität
Mainz
E-Mail: <rschaef(a)... kleine Stadt Butzbach in der Wetterau weist eine beeindruckende
Reihe von Stadtrechnungen auf, die heute noch für die Zeit vom späten
14. bis zum 20. Jahrhundert fast lückenlos vorliegen. Dieses
Quellenkorpus wurde von Eduard Otto am Ende des 19. Jahrhunderts vor
allem unter bevölkerungsstatistischen und kulturhistorischen
Fragestellungen ausgewertet[1], seitdem aber nur sehr punktuell
herangezogen. Bodo Bachmann hat im Rahmen seiner Dissertation an der
Universität Marburg nun eine Edition der ersten Rechnungen vorgelegt,
welche die Zeit von 1371 bis 1419 umfassen und somit die Zeit, in der
Butzbach zur Herrschaft der Herren und Grafen von Falkenstein gehörte,
bis zu deren Aussterben 1419. Insgesamt handelt es sich um 37 komplette
Rechnungen - meist Jahresrechnungen -, welche die mehr als 700
Druckseiten des zweiten Bandes, der die Edition enthält, komplett
ausfüllen. Der erste Band beinhaltet Register und Kommentar.

Die Butzbacher Rechnungen sind Bürgermeisterrechnungen, die vom
Stadtschreiber geführt wurden, mit teils eigenhändigen Einträgen der
Bürgermeister. Sie enthalten zudem vor der eigentlichen Rechnung stets
ein Bederegister, so dass die steuerpflichtigen Haushaltsvorstände in
der kleinen Mittelstadt vollständig erfasst werden können. Hinzu kommt
ein Register der Rodzinsen sowie zumindest für das Rechnungsjahr 1371/72
ein Verzeichnis der Einnahmen aus den Neubürgeraufnahmen. Das
Verschwinden der Neubürgerzinslisten erklärt Bachmann schlüssig mit der
Abschaffung dieser Steuer (S. 96). Die Ausgaben sind weitgehend
chronologisch gelistet, nur in Ansätzen wurden Rubriken gebildet. Die
Rechnungsführung entspricht den im Spätmittelalter üblichen Formen einer
einfachen Buchhaltung mit Netto- und Gegenrechnung. Vorrechnungen muss
es gegeben haben, diese sind aber ebenso wie Belegzettel oder gesonderte
Rezesse erst in den Rechnungen des 15. Jahrhunderts zu finden. Besonders
signifikante Beispiele gibt Bachmann zur Erläuterung der
Rechnungslegung im Kommentarband ganz oder in Auszügen wieder (S.
99-125).

Die Rechnungen sind in einer Mischung aus Frühneuhochdeutsch und
Mittellatein abgefasst. Bachmann ediert die Rechnungen zeilen- und
buchstabengetreu; er verzichtet weitgehend auf Vereinheitlichungen, um
auch Sprach- und Namensforschern eine möglichst gute Textgrundlage zu
bieten, auch die diakritischen Zeichen wurden im Schriftbild mit den
verschiedenen Varianten wiedergegeben (S. 12). Zudem sind im
Kommentarband zahlreiche Abbildungen eingefügt, die einen optischen
Eindruck von unterschiedlichen Rechnungsblättern ermöglichen (S.
203-220) bzw. Details der Schrift oder Ausschmückungen der Texte
wiedergeben (S. 61-87). Hinzu kommen detaillierte Beschreibungen der
äußeren Form der Rechnungen (S. 13-88) sowie der inneren Merkmale (S.
89-200). Darüber hinaus enthält der erste Band einen ausführlichen
Orts-, Personen- und Sachindex. Bachmann wählt dabei eine ungewöhnliche
Indizierung; er erschließt die Rechnung über die Laufzeit und die Zeile
in der Rechnung (zum Beispiel 1412 420). Damit kann zwar die Zeile exakt
benannt werden, es fragt sich aber, ob dies die Nachteile wettmacht. Zum
einen bleibt dadurch der Kommentarband im Register vollständig
unberücksichtigt, zum anderen kommt es zu teils sehr umständlichen
Verweisen (zum Beispiel 1383/1388/1389 200; die Rechnung findet sich
zwischen den Rechnungen 1386/1388 und 1389) und das Register wird stark
aufgebläht (mehr als 30 Spalten zu "Butzbach, Stadt").

Der im Titel des ersten Bandes angekündigte Kommentar beschränkt sich
weitgehend auf die Merkmalsbeschreibung der Rechnungen. Hier finden sich
manche unerwarteten Kapitel, die weiterführende Erkenntnisse bringen,
zum Beispiel eine chemische Untersuchung von Papier und Tinte, durch die
Bachmann nachweisen kann, dass das Papier aus dem Mittelmeerraum
importiert wurde (S. 22-27). An anderen Stellen hätte man kürzen können,
zum Beispiel bei der Auflistung aller Belege zu drei Personen, um die
Varianten der Personennamensschreibung zu zeigen (S. 50-56). Nur
vereinzelt unternimmt Bachmann inhaltliche Auswertungen; er macht zum
Beispiel Bemerkungen zu den Armbrust- und Büchsenschützen als Exkurs im
Kapitel über Maße und Gewichte oder zu den Handwerkern, die für die
Stadt tätig waren, im Kapitel Rechnungsführung. Diese Aussagen findet
man allerdings nur, wenn man den Band vollständig liest, die
interpretierenden Stellen werden weder aus dem Inhaltsverzeichnis
ersichtlich, noch lassen sie sich über das Register erschließen.
Zunehmend störend wird dabei im Verlauf der Lektüre der belehrende Ton
(zum Beispiel S. 195 "Deshalb soll hier explizit auf einige grundlegende
Anwendungen hingewiesen werden, um derartige Fehlinterpretationen in
Zukunft zu vermeiden.")

Das ist auch deshalb schade, weil Bachmann interessante Beobachtungen
macht, die vor allem für sozial- und wirtschaftsgeschichtliche
Fragestellungen anregend sind und zeigen, dass die Butzbacher
Stadtrechnungen mehr als nur lokale Beachtung verdienen. So schlägt er
eine Neuberechnung des Malters vor (S. 170) und bietet
Währungsumrechnungen (S. 164-168) ebenso wie Preis- und Lohnlisten (S.
176-185). Er kann zeigen, dass die Stadt Wartungsverträge mit
Handwerkern abgeschlossen hatte (S. 107) oder dass städtische
Bedienstete Vorabzahlungen auf ihren Lohn ebenso erhalten konnten wie
Kredite (S. 96). Auffällig ist die Stabilität von Löhnen, welche zudem
wohl regional galten, über einen längeren Zeitraum (S. 185).

Doch nicht nur für die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, auch für die
Technikgeschichte und ebenso für kulturhistorische Untersuchungen bieten
die Butzbacher Rechnungen dank der Genauigkeit der Angaben und der fast
lückenlosen Rechnungsreihe eine Fülle von Material. In den edierten
Rechnungen finden sich zum Beispiel die Errichtung der
Schlag-/Stundenuhr auf einer Pforte, Hinweise auf verschiedene Brände
(von Häusern, einem Verschlag, der Wehrhecke, dem Wald, auch ein Hinweis
auf Brandstiftung) oder Kuriositäten wie das Kamel, das man 1397 im Ort
bestaunte. Das Kommunikationsnetz der Stadt sowie die Sorge vor
Angriffen werden in den Weingeschenken deutlich, die sie machte, wenn
sie Warnungen erhielt; auch adeligen Besuchern wurde Wein verehrt sowie
zu Trauerfeiern und Hochzeiten städtischen Bediensteten geschenkt. Es
finden sich zahlreiche Angaben zu Viehweide oder Eichelmast. In einigen
Fällen vermerkt der Schreiber die Verwendung bestimmter Hölzer (Erle,
Eiche, Nussbaum). An großen Baumaßnamen war die Stadt in diesen Jahren
vor allem mit dem Marktbrunnen, dem Rathaus und den Befestigungsanlagen
beschäftigt, welche in zahllosen Details in den Rechnungen auftauchen,
so dass beispielsweise auch das Rohrsystem des Marktbrunnens zu
erschließen ist. Neben den Befestigungsanlagen, den Kosten für
Wachdienste und dem militärischen Aufgebot erwuchsen der Stadt zudem
Kosten durch die Besoldung von Armbruster und Büchsenmeister, die
Herstellung von Büchsenkugeln, das Gießen eines Geschützes, die
Herstellung von Pfeilen und anderem bis hin zu einer Streitaxt, welche
dem städtischen Banner beigegeben wurde und eher symbolische Funktion
hatte. In Einzelfällen begründet der Schreiber seine Ausgaben, so zum
Beispiel ein Geschenk an die städtischen Pfeiffer, welche das Aufgebot
begleiteten, mit dem tiefen Dreck, durch den sie waten mussten (1415
598).

Die der Rechnung vorangestellten Bedelisten bieten zudem Material, das
ein Jahrhundert nach der grundlegenden Untersuchung von Eduard Otto für
Fragen der Bevölkerungsentwicklung ebenso herangezogen werden könnte wie
zur Namens- und Sprachforschung, wie Bachmann zeigt. Dem Band ist
folglich eine rege Rezeption aus ganz verschiedenen Forschungsrichtungen
zu wünschen. Eine Edition auch der späteren Rechnungen wäre sehr
begrüßenswert.

Anmerkung:
[1] Eduard Otto, Die Bevölkerung der Stadt Butzbach (in der Wetterau)
während des Mittelalters, Darmstadt 1893; Ders., Aus dem Volksleben der
Stadt Butzbach im Mittelalter. Kulturgeschichtliche Quellenstudie, in:
Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde. Neue Folge 1 (1894),
S. 327-399; Ders., Die Wehrverfassung einer kleinen deutschen Stadt im
späteren Mittelalter, in: Zeitschrift für Kulturgeschichte 4 (1897), S.
54-93, 156-176; Ders., Das deutsche Handwerk in seiner
kulturgeschichtlichen Entwicklung, Leipzig 1900.


Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Harald Müller <mueller(a)...