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2012/11/02 12:58:59
Hans-Joachim Hoffmann
[Regionalforum-Saar] Einladung Stadtgeschichtliches Museum Ottweiler
Datum 2012/11/05 15:34:38
Michaela Becker
[Regionalforum-Saar] Vortrag am 14.11.2012 bei m Wellesweiler Arbeitskreis für Geschichte, Lan deskunde und Volkskultur e.V.
2012/11/08 11:27:19
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] kleckern, nicht klotzen ä h umgekehrt.
Betreff 2012/11/11 18:54:34
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Russlandheimkehrer
2012/11/02 12:58:59
Hans-Joachim Hoffmann
[Regionalforum-Saar] Einladung Stadtgeschichtliches Museum Ottweiler
Autor 2012/11/27 18:24:13
Hans-Joachim Hoffmann
[Regionalforum-Saar] Veranstaltungshinweis Sonntag, 02.12.2012

[Regionalforum-Saar] Pressetext zur Ausstellung "Gebrochene Säule" im Stadtgeschichtlichen Museum O ttweiler (ohne Bild)

Date: 2012/11/03 10:21:09
From: Hans-Joachim Hoffmann <hans-joachim-hoffmann(a)...

Gebrochene Säule – Von der Integration zur Deportation“

Bericht zur Ausstellung im Stadtgeschichtlichen Museum Ottweiler

 

Holger Schäfer, der Bürgermeister der Stadt Ottweiler, hebt am Ende seines Grußwortes in der Broschüre „Gebrochene Säule – Von der Integration zur Deportation“ hervor: „Es bleiben: Deportation – Ghetto – Vernichtungslager – Holocaust. Schlagwörter, die uns an einen einzigartigen Völkermord und die grausamste Zeit deutscher Geschichte erinnern.

Es bleiben aber auch: „Haskala“ – „Mazewa“ – und „Haus der Ewigkeit“ – und dies mitten unter uns, in unserer Stadt, auf unserem jüdischen Friedhof.“

„Haskala“ – die jüdische Aufklärung zwischen 1770 und 1880, maßgeblich geprägt durch Moses Mendelssohn -  beeinflusste auch zwei Bürger jüdischen Glaubens aus Ottweiler: die Brüder Bonnevit/Bernhard und Felix Coblenz, deren Vater seine letzte Ruhestätte auf dem jüdischen Friedhof Ottweiler gefunden hat. Insbesondere der Rabbiner Dr. Felix Coblenz setzte sich für eine Abkehr vom orthodoxen Judentum und für eine Hinwendung zum Reformjudentum ein. Nach der Ausbildung an der Marks-Haindorf-Stiftung in Münster/-Westfalen (gemeinsam mit seinem Bruder Bernhard) und einer vorübergehenden Anstellung in Siegen übernahm Felix Coblenz 1889 die Bielefelder Reformgemeinde und verwirklichte dort –  wie auch in Siegen – den Neubau einer Synagoge: Im äußeren Erscheinungsbild der Synagoge verdeutlichte die Bielefelder Reformgemeinde ihre Abkehr vom orthodoxen Judentum. Die 1905 eingeweihte Syna-goge, deren Entstehung maßgeblich von Dr. Coblenz beeinflusst sei, da sie derjenigen in Siegen gleiche, bei deren Einweihung 1904 Dr. Coblenz die Einweihungspredigt gehalten habe, spiegele wider, dass die „Bielefelder jüdische Gemeinde (...) sich um 1905 so weitgehend in ihre christliche Umwelt integriert fühlt, daß sie genügend Selbstbewusst-sein aufbringt, historisches Erbe der Heimat, die sog. Weserrenaissance, auch für die Juden zu reklamieren. Diese Synagoge ist mit keiner Kirche zu verwechseln -... – man wagt es, den höchsten Turm der Stadt zu haben und ihn mit einem man wagt es, den höchsten Turm der Stadt zu haben und ihn mit einem Davidstern zu krönen.“  

In seiner Predigt zur Einweihung der Bielefelder Synagoge hob Felix Coblenz hervor,  entscheidend für die Wahrhaftigkeit der religiösen Grundüberzeugung sei ihre Umsetzung im alltäglichen Leben. Dieser Gedanke veranlasste selbst die Sozialdemokratie in „Die Volks-wacht, 22. September 1905“ auf diese Predigt einzugehen: „... Wir müssen hier die Erklärung dafür geben, wie wir dazu kommen, über die Einweihung einer Synagoge zu berichten, während wir über die Einweihung neuer Kirchen keine Berichte bringen... Mit der Reaktion, wie sie heute in den christlichen Kirchen herrscht, verbindet uns kein geistiges Band... Aber wir waren doch überrascht, als wir die Einweihungspredigt des Herrn Rabbiner Dr. Coblenz hörten und sie vom Geiste edelster Menschlichkeit einerseits, modernster Wissenschaft andererseits, erfüllt fanden... Aber auch die Religion als Gesinnung allein ist ungenügend, es gehört die Tat dazu, Religion ist Leben, Leben ist Religion. Und bestätigt werden soll die Religion nach den beiden herrlichsten Sprüchen der Thora (Lehre): Gott schuf den Menschen sich zum Bilde, und, Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Menschenwürde und Nächstenliebe, das soll die Richtschnur unseres Handelns sein... Wahrlich, wie anders, als die kirchlich-christliche Ermahnung zur Bedürfnislosigkeit. Durch diese Ermahnung zur Achtung der Menschenwürde und Betätigung der Menschenliebe wird auch jeder Sozialdemokrat wahrhaft erbaut...“

Diese Haltung der „Haskala“ – die Forderung nach Integration des Judentums in die deutsche Gesellschaft – brachte Dr. Felix Coblenz auch als Rabbiner der Jüdischen Reform-gemeinde Berlin (seit 1917) gegenüber dem aus Osteuropa nach Berlin strömenden orthodoxen Judentum deutlich zum Ausdruck. In seinen Beitrag „Ueber die Ostjudenfrage in Deutschland“ sprach Coblenz deutlich an, dass die Ostjuden sowohl in ihrer Religion, als auch in ihrer Kultur den Deutschen, also auch den deutschen Juden völlig fremd sind, denn: „Es muß einmal ausgesprochen werden, daß unsere Kultur eine andere ist als die ihrige, und daß zwischen unseren und ihren religiösen Anschauungen eine tiefe Kluft gähnt. Die Kultur und die Religion der in Deutschland lebenden Ostjuden sind heute noch Kultur und Religion des Gettos... und ich glaube, darin werden die meisten deutschen Juden mir zustimmen: die Ostjuden von heute sind uns innerlich vollkommen fremd, in den Aeußerungen, in jedem Hauch fremd; sie haben eine andere Kultur, und ich füge hinzu, ein anderes religiöses Erleben.“ Trotzdem dürfe man dieser Bevölkerungsgruppe die Unterstützung nicht verwei-gern, zumal die Juden durch ihr in den vergangenen Jahrhunderten erlittenes Schicksal sich mit den Ostjuden verbunden fühlen müssen. Es dürfe jedoch keineswegs so weit kommen, dass die zugewanderten Ostjuden gemeinsam mit den Zionisten das Leben der deutschen Juden bestimmten, statt dessen sollte es Ziel sein, „daß die Ostjuden allmählich zur Einfügung in das Leben der deutschen Juden erzogen werden. Die Zionisten und Orthodoxen wollen uns in das Getto der Ostjuden zurückwerfen; wir wollen die Ostjuden aus der Gettowelt ihrer Heimat allmählich in die Kultur des deutschen Juden hineinführen...; wir möchten die Ostjuden dahin bringen, daß sie, die heute noch als Gäste im deutschen Volke leben, sich durch ihr Eingehen in das Wesen des deutschen Volkes allmählich das Heimatrecht bei uns erwerben... Unser Blick muß auf die Jugend gerichtet sein. Wir müssen die ostjüdischen Kinder durch treue Arbeit in der Schule zu deutschen Kindern erziehen, indem wir sie mit deutschem Geiste durchtränken und deutsche Wesensart ihnen nahebringen... Die Ostjuden leben heute als Gäste in Deutschland. Als Gäste müssen sie sich in die Sitten derer eingewöhnen, bei denen sie zu Gaste sind. Erst ihre rückhaltlose Hingabe an deutsche Kultur und Geistesart gibt ihnen bei uns das Heimatrecht, das sie zu willkommenen Mitarbeitern an dem Kulturleben unseres Volkes macht.“

Das Lebensmotto von Dr. Felix Coblenz lautete: „Religion ist Leben, Leben ist Religion.“ Erinnerten wir uns heute dieses Lebensmottos von Dr. Felix Coblenz bei der Frage der Integration andersgläubiger Zu- und Einwanderer, so erfüllten wir sein Vermächtnis.

Die Ausstellung würdigt also auch die Leistung des in Ottweiler geborenen Felix Coblenz und macht deutlich, dass die „Haskala“ in Deutschland von einem Ottweiler Bürger entscheidend mitgeprägt wurde. Näheres über Leben und Werk von Felix Coblenz kann nachgelesen werden in folgenden Publikationen (zu beziehen beim Stadtgeschichtlichen Museum Ottweiler oder Hans-Joachim Hoffmann 06824-7990):

„Gebrochene Säule – Von der Integration zur Deportation“, Schriftenreihe des Stadtmuseums Ottweiler Band 16, Ottweiler 2012, € 7,80

Landkreis Neunkirchen (Hg.), Lebenswege jüdischer Mitbürger, Neunkirchen 2009, € 19.80