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2012/05/11 22:17:51
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Konf: Burgenbau, Rittertum und Minnesang im 13. und 14. Jahrh.
Datum 2012/05/12 17:06:12
Michaela Becker
[Regionalforum-Saar] Vortrag am 23.05.2012 bei m Wellesweiler Arbeitskreis für Geschichte, Lan deskunde und Volkskultur e.V.
2012/05/14 09:02:02
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Franz Josef Gräff verstorbe n
Betreff 2012/05/16 16:19:36
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Gerhard Mercator: Wissenschaft und Wissenstransfer
2012/05/11 22:17:51
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Konf: Burgenbau, Rittertum und Minnesang im 13. und 14. Jahrh.
Autor 2012/05/14 09:02:02
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Franz Josef Gräff verstorbe n

[Regionalforum-Saar] Gedächtnis der Nation

Date: 2012/05/11 22:18:59
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Rez. WWW: Gedächtnis der Nation
------------------------------------------------------------------------

Gedächtnis der Nation
<http://www.gedaechtnis-der-nation.de/>
Herausgeber: Das Unsere Geschichte. Gedächtnis der Nation e.V.: Mainz,
DE <http://www.gedaechtnis-der-nation.de/>, ZDF: Mainz, DE
<http://www.zdf.de/>
Weitere Informationen: <http://www.clio-online.de/Web=26737>


Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Lutz Schröder, Forschungsstelle Geschichte des Rundfunks in
Norddeutschland, Hans-Bredow-Institut
E-Mail: <Schroeder.Lutz(a)... "Gedächtnis der Nation" von ZDF und "Stern" -
Ein deutschlandweites Zeitzeugenarchiv mit Web-2.0-Charakter?

Zeitzeugen sind bereits seit vielen Jahrzehnten Teil der medialen
Aufbereitung von Geschichtsthemen. Unzählige von ihnen haben erzählt,
wie sie Bombenkrieg, Holocaust oder Flucht und Vertreibung erlebt haben,
wie es nach dem Zweiten Weltkrieg mit Wiederaufbau und Wirtschaftswunder
weiterging oder wo sie die letzten Tage der DDR verbracht haben. Museen,
Gedenkstätten und Archive nutzen sie, um die häufig auf Fakten
fokussierten Geschichtsdarstellungen durch persönliche Erlebnisse
betroffener Menschen zu veranschaulichen. An dieser Stelle setzen auch
Projekte von Medienunternehmen an, die seit einigen Jahren Webseiten
betreiben, auf denen Zeitzeugeninterviews nicht nur präsentiert werden,
sondern bei denen die Nutzer zudem die Möglichkeit erhalten, eigene
Interviews und Augenzeugenberichte zu historischen Ereignissen zu
veröffentlichen. Beispiele hierfür sind etwa die Portale einestages vom
"Spiegel" oder Von Zeit zu Zeit der Stuttgarter Zeitung. Während
einestages nach eigener Aussage "die Leser zu Partnern in einem neuen
und einmaligen Projekt" machen möchte und den "Aufbau eines kollektiven
Gedächtnisses unserer Geschichte"[1] anstrebt, könne bei Von Zeit zu
Zeit "[j]eder [...] an der Geschichte Stuttgarts mitschreiben."[2]

Auch das ZDF und der "Stern" stellten vor kurzem mit Gedächtnis der
Nation (GdN) ein Portal zur Zeitgeschichte online, auf das die Nutzer
eigene Inhalte hochladen können. Das von Guido Knopp, Leiter des
Programmbereichs Zeitgeschichte beim ZDF, und Hans-Ulrich Jörges,
Mitglied der Chefredaktion beim "Stern", initiierte Projekt soll dazu
dienen, "Erinnerungen von Zeitzeugen an die wechselvolle deutsche
Geschichte in Form von Videointerviews aufzuzeichnen und für
nachfolgende Generationen dauerhaft zu bewahren."[3] Die Betreiber sehen
das Portal als eine "interaktive Online-Datenbank" an, die zur
"historischen Aufklärung und Vermittlung eines multiperspektivischen
Geschichtsbildes"[4] beitragen soll. Angesprochen werden neben
"Geschichtsinteressierte[n], insbesondere Schulen und Universitäten."[5]
Zu diesem Zweck wurde auf der Webseite eine frei zugängliche Datenbank
mit Zeitzeugeninterviews eingerichtet, zu der auch selbst erstellte
Interviews hinzugefügt werden können, die nach redaktioneller Prüfung
online abrufbar sind. Unabhängig davon erscheint der Anspruch, ein
"Gedächtnis der Nation" schaffen zu wollen, nicht gerade als
bescheidenes Ziel, das angesichts der genannten Zielgruppen zudem einen
gewissen didaktischen Anspruch erwarten lässt.

Der Aufbau der Zeitzeugendatenbank
Der Zugang zur Zeitzeugendatenbank erfolgt über einen "Erleben"
genannten Button. Der Nutzer kann "[b]edeutende Momente der deutschen
Geschichte" über einen Zeitstrahl oder über vorgegebene "[z]entrale
Themen" abrufen. Außerdem sind Interviews mit sogenannten
"Jahrhundertzeugen" verfügbar, die sich in den beiden erstgenannten
Bereichen nicht finden. Eine Erklärung, was diese konkret von anderen
Zeugen unterscheidet, findet sich nicht. Der Zeitstrahl umfasst die
Jahre 1910 bis 2010 und kann je nach Wunsch des Nutzers Themen aus der
gesamten Zeit darstellen oder durch das Ziehen mit der Maus auf den
jeweils gewünschten Zeitraum fokussiert werden. Die Aussagen der
Zeitzeugen sind - wie auch in anderen Bereichen von GdN - nach
bestimmten Unterthemen ("Momente") gegliedert. Um diesem Aufbau Rechnung
zu tragen, sind die vorhandenen Zeitzeugeninterviews thematisch auf
kurze Clips von meist zwei bis sechs Minuten Länge geschnitten: Zu jedem
Thema sind so nur die dazu passenden Aussagen vorhanden. Dadurch finden
sich beispielsweise Aussagen von Carl Dirks, einem ehemaligen
Panzerjäger in der Wehrmacht, unter anderem bei den Themen "1923:
Weimarer Republik", "1941: Angriff auf die Sowjetunion", "1944: Wege
nach Auschwitz" und "1946: Nürnberger Prozesse."

Zugriff auf die Themen
In die einzelnen Themen führt jeweils ein speziell für GdN produzierter
Kurzfilm ein, der wichtige Aspekte nennt und die verknüpften Interviews
in einen größeren Kontext stellt.[6] Allerdings wirft die Betrachtung
einiger stichprobenartig ausgewählter Filme die Frage nach ihrem Zweck
auf: Ihre Gestaltung erinnert stark an TV-Dokumentationen im Stil von
Guido Knopp: Einspielungen von Interviewausschnitten werden mit
historischen Aufnahmen, Reenactment-Szenen oder auch Computeranimationen
vermengt, von einer Stimme aus dem Off kommentiert und zudem noch von
dezenter, aber doch wahrnehmbarer Musik untermalt. Dadurch entsteht der
Eindruck, dass diese Kurzfilme nicht nur über den historischen Kontext
informieren sollen, sondern auch eine bestimmte Lesart für die
zugeordneten Interviews vorgeben, was dem Sinn eines neutralen Archivs
für Interviews zuwiderlaufen würde. Bei den "zentralen Themen" findet
sich eine strikte Gliederung der Interviews in derzeit drei Bereiche:
"deutsch-deutsche Geschichte", "Holocaust" und "Europa". Hier kommt
ebenfalls der Zeitstrahl zum Einsatz, jedoch finden sich bei den
aufgeführten "Momenten" nur noch jene, die dem gewählten zentralen Thema
zugeordnet sind. Besonders detailliert wird die deutsch-deutsche
Geschichte behandelt, die sich in insgesamt sechs Unterthemen
gliedert.[7] Unter den sogenannten "Jahrhundertzeugen" finden sich
schließlich Gespräche mit 41 Persönlichkeiten aus den Bereichen Politik,
Kultur, Philosophie und Religion, die nicht über den Zeitstrahl abrufbar
sind. Anders als die "Zeitzeugeninterviews", die meist nur wenige
Minuten lang sind, wurden diese nicht thematisch geschnitten und dauern
im Schnitt zwischen 50 und 60 Minuten.

Verwertbarkeit des präsentierten Materials aus wissenschaftlicher Sicht
Der Anspruch von GdN liegt, wie bereits erwähnt, im Aufbau einer
Online-Datenbank für die Bewahrung von Zeitzeugenerinnerungen. Bereits
die zum Teil emotionalisierende Einleitung in die verschiedenen Themen
lässt Zweifel aufkommen, da bei der Nutzung der Webseite der Eindruck
entsteht, dass vor allem Geschichtsinteressierte angesprochen werden
sollen und eben nicht, wie zu Beginn zitiert, Schulen und Universitäten.
Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man das Portal in Beziehung zu den
wissenschaftlichen Forschungen zu Gedächtnis und Erinnerung setzt.
Hinweise auf die Standards kritischer Oral History-Forschung, wie etwa
von Dorothee Wierling und Lutz Niethammer eingefordert werden,[8] finden
sich in Ansätzen leider nur im Bereich für die Wissenschaft, sowie in
einem den Start von GdN begleitenden Artikel im "Stern" (Ausgabe
41/2011): "Es handelt sich [bei Oral History] nicht um exakte
Wissenschaft, sondern um Erinnerungen von Menschen. Und die können
trügen. [...] Das, was 'Gedächtnis der Nation' sammelt, soll deshalb
auch niemand als Wirklichkeit nehmen."[9] Diese Aussage kann man gewiss
unterstreichen, jedoch steht sie im Widerspruch zur sonstigen Aufmachung
des Projekts, das die Interviews unkommentiert als zentrale Quellen
präsentiert. Die bislang online gestellten Interviews und Informationen
zu GdN lassen keine klare Orientierung an den konzeptionellen Entwürfen
oder empirischen Forschungen zur Erinnerungs- und Geschichtskultur
erkennen, wie sie in den letzten zwei Jahrzehnten unter anderem von
Pierre Nora, Jan und Aleida Assmann, Jörn Rüsen und vielen anderen
vorgelegt worden sind. Darüber hinaus wird auch der Nationenbegriff
nicht näher bestimmt, so dass unklar bleibt inwieweit beispielsweise
veränderte Grenzziehungen oder Ein- und Auswanderbewegungen Einfluss auf
die Präsentation der Interviews haben.

Drüber hinaus bedarf die Beschränkung auf die nationale Perspektive
gerade auch angesichts des eigenen Anspruchs ein "multiperspektivisches
Geschichtsbild" zu vermitteln einer Hinterfragung. Mit wenigen Ausnahmen
werden selbst bei internationalen Themen wie Zweiter Weltkrieg,
Kuba-Krise, Tschernobyl oder 9/11 bisher nur Interviews mit deutschen
Zeugen präsentiert. Zwar ist GdN ein Projekt für den deutschen Raum,
doch lassen sich bedeutend mehr Erkenntnisse gewinnen, wenn auch
Vertreter anderer Nationen zu Wort kommen und ihre Erinnerungen denen
der deutschen Zeitzeugen gegenübergestellt werden können.

Recherchierbarkeit der Themen
Am Beispiel des Themas "Auschwitz" soll im Folgenden der thematische
Zugriff auf die Inhalte untersucht werden. Ein Blick in die
Interviewdatenbank von GdN fördert hierzu die Themen "1944: Wege nach
Auschwitz" mit 28 Videos und "1965: Der Auschwitz-Prozess" mit 13 Videos
zutage.[11] Wird jedoch auf der Webseite nach dem Begriff "Auschwitz"
gesucht, so finden sich lediglich 12 Videos inklusive der beiden
Einleitungsvideos. Dies deutet darauf hin, dass sich die Kategorisierung
der Videos, anhand derer die Suche stattfindet, von derjenigen der
Interviewdatenbank unterscheidet. Besucher der GdN-Webseite laufen somit
bei alleiniger Verwendung der Suchfunktion Gefahr, nur einen Teil der
vorhandenen Interviews zu finden. Wird darüber hinaus versucht, die
Suchtreffer von der GdN-Webseite um jene der Videoplattform YouTube zu
erweitern, bei der die GdN-Interviews gespeichert sind,[12] so scheitert
dies. Über die Suchbegriffe "Zeitzeuge" und "Auschwitz" finden sich
unter den derzeit 110 Treffern[13] zahlreiche Zeitzeugeninterviews
verschiedener Quellen, einige Dokumentationen und diverse andere, teils
auch themenfremde Beiträge. Was sich hingegen nicht findet, sind
Beiträge von _GdN. Die Gründe hierfür sind unklar, könnten jedoch darin
liegen, dass den Videos keine passenden Stichworte, sogenannte Tags,
zugeordnet sind. Auch eine fehlende aussagekräftige Beschreibung könnte
hierfür verantwortlich sein, da beides laut YouTube für das effektive
Auffinden von Videos wichtig ist.[14]

Aufbereitung der Beiträge
Mit Ausnahme der "Jahrhundertzeugen", die ungekürzt erscheinen [15],
sind alle Zeitzeugeninterviews so geschnitten worden, dass pro Clip
lediglich ein bestimmter Aspekt oder eine einzelne Frage behandelt wird.
Durch diesen journalistischen Filter wird eine sehr kompakte Sicht des
jeweiligen Zeugen auf das behandelte Thema präsentiert, bei der viele
der in Interviews ebenfalls vermittelten nonverbalen Informationen
fehlen: Zögerte ein Zeuge bei der Antwort auf bestimmte Fragen, musste
er erneut beginnen, weil er von seinen Emotionen überwältigt wurde, oder
weigerte er sich gar, auf bestimmte Fragen zu antworten - all diese und
noch weitere Aspekte sieht der Betrachter in den fertigen Werken
entweder kaum oder gar nicht. Sie sind jedoch wichtig, um die
persönliche Beziehung des Zeugen zu dessen geschilderten Erinnerungen
begreifen zu können. Aus wissenschaftlicher Sicht wäre zudem ein Zugriff
auf das ungeschnittene Rohmaterial oder die Metadaten hilfreich gewesen.
Begründungen für diese Form der Aufbereitung aus anderen medialen
Zusammenhängen, wie vorgegebene Grenzen bei Sendezeit und Seitenzahlen,
eingeschränkte Aufmerksamkeitsspannen bei den Rezipienten oder die
Auswahl möglichst "packender" Aussagen der Zeitzeugen, um die Beiträge
spannend zu gestalten, greifen bei Onlineprojekten weniger. Durch die
jederzeit mögliche Abrufbarkeit der präsentierten Videoclips kann der
Nutzer selbst entscheiden, wann er welche Interviews betrachten möchte
und ist damit nicht mehr an den etwa von Fernsehsendern angestrebten
Programm-Flow gebunden. Durch Sortierungen in Themen oder über die
Suchfunktion der Webseite kann er darüber hinaus schnell Beiträge zu den
Themen finden, die ihn interessieren.

Einbindung von Nutzern
Neben den bereits verfügbaren Zeitzeugeninterviews, die sich bislang
fast ausschließlich aus den Archiven des ZDF speisen, können Nutzer auch
selbst bei der Ergänzung der Interviewdatenbank mitwirken. Die erste
Möglichkeit dafür bietet der "Jahrhundertbus", eine Art rollendes
Aufnahmestudio, das es Zeitzeugen ermöglicht, sich von den
GdN-Mitarbeitern interviewen zu lassen. Dabei geht aus den Angaben auf
der Webseite des Projekts allerdings nicht eindeutig hervor, ob eine
Vorauswahl der Interviewten stattfindet, wie es die Presseinformationen
beschreiben[16], oder ob tatsächlich jeder Interessierte zum Bus kommen
und sich befragen lassen kann, wie es auf der Homepage suggeriert
wird.[17]

Die zweite Möglichkeit besteht in der Nutzung des YouTube-Kanals
unseregeschichte, über den es möglich ist, selbst Interviews
hochzuladen. Hierfür benötigt der Nutzer ein YouTube-Benutzerkonto sowie
die entsprechende technische Ausrüstung zur Aufzeichnung des Interviews.
Als Hilfestellung bietet das GdN eine Anleitung an: Sie gibt jenen, die
sich für diese Möglichkeit entscheiden, zahlreiche grundlegende Tipps,
was es bei der Konzeption und Aufzeichnung des Interviews zu beachten
gilt. Die Anleitung lässt jedoch den letzten Schritt aus: den Upload auf
den GdN-Kanal. Dieser ist nicht direkt möglich, sondern erfolgt in einem
ersten Schritt über das Hochladen des Videos im eigenen YouTube Konto,
bevor es dann schließlich über die hierfür beim GdN-Kanal vorhandene
Maske verknüpft werden kann. Nach einer redaktionellen Prüfung erscheint
es dann in einer "Galerie" genannten Liste. Obwohl diese Möglichkeit der
Beteiligung bereits seit Oktober 2011 besteht, sind zur Zeit nur fünf
Zeitzeugeninterviews auf dem YouTube-Kanal vorhanden.

Daneben fällt auf, dass viele Möglichkeiten des Internets und besonders
des Web 2.0 noch ungenutzt bleiben, beispielsweise regelmäßig
aktualisierte Seiten in sozialen Netzwerken, um einen Austausch mit den
Nutzern anzuregen, oder ein Diskussionsforum zu den präsentierten
Themen. Womöglich ist die personelle Ausstattung mit derzeit lediglich
fünf Mitarbeitern dazu jedoch zu gering angesetzt, um eine dauerhafte
Betreuung entsprechender Funktionen zu gewährleisten.

Fazit
Laut Guido Knopp ist "History [...]  kalt [und] analytisch" und "Memory
[...] warm [und] emotional."[18] Folglich kommt Gefühlen, sinnlichen
Wahrnehmungen und prägenden Erlebnissen bei der Erinnerung von
Ereignissen eine große Bedeutung zu. Um die quellenfokussierten Beiträge
von Historikern mit den alltäglichen Perspektiven der Menschen zu
vervollständigen, sind Zeitzeugen daher von großer Bedeutung. Als Ort,
um diese Erlebnisse zu bewahren und zugänglich zu machen, bietet sich
das Internet mit seinen vielfältigen Präsentations- und
Recherchemöglichkeiten förmlich an. Jedoch sollte dabei klar
herausgearbeitet werden, dass die von den Zeugen erlebte Zeitgeschichte
nicht nur rückblickend wiedergegeben wird, also mit dem Abstand von
mehreren Jahren oder sogar Jahrzehnten, was den Blick auf die jeweiligen
Erlebnisse nachhaltig verändert, sondern die Erzählungen auch abhängig
von der jeweiligen Situation variieren können. Dementsprechend stellen
Zeitzeugen zwar eine wichtige, jedoch keine fixe Quelle für die
Erinnerung da.

Wie deutlich geworden ist, wird GdN seinem selbst gesetzten Anspruch,
Erinnerungen professionell zu bewahren und zugänglich zu machen, bislang
nur in Teilen gerecht. So wirken die einleitenden Videos durch ihre
Gestaltung eher belehrend als erklärend und präfigurieren damit eine
bestimmte Lesart der angeschlossenen Interviews. Dieser Eindruck
verstärkt sich durch die umfangreiche journalistische Aufbereitung der
Interviews, die dazu führt, dass Aussagen vielfach aus dem Zusammenhang
des aufgezeichneten Interviews herausgetrennt wurden. Dies erschwert die
Erschließung der Erinnerungen einzelner Zeitzeugen, zu denen außerdem
biografische Angaben weitgehend fehlen. Ohne diese Angaben, ist eine
Einordnung und Bewertung der präsentierten Beiträge jedoch kaum möglich.
Dies läuft dem zuwider, was laut eigenem Anspruch geplant ist, nämlich
der Aufbau eines Archivs für Zeitzeugenerinnerungen und nicht nur eine
Plattform für die Präsentation kurzer journalistisch aufbereiteter
Videos. Gegenwärtig wirkt das Projekt daher in vieler Hinsicht wie eine
thematisch offenere Form von ZDF-History im Internet.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass noch zahlreiche Mängel bei
der Umsetzung des Ziels bestehen, ein "Gedächtnis der Nation" aufzubauen
bzw. zu formen. Bei der Bewahrung von Zeitzeugenerinnerungen bestehen
jedoch große Potenziale, die es über weitreichende Kooperationen
unterschiedlicher Akteure zu erschließen gilt und die von
Wissenschaftlern bis hin zu den einzelnen Zeitzeugen reichen. Das
Gedächtnis der Nation kann hierfür durchaus eine Basis sein, sofern es
gelingt, die geschilderten Schwächen zu beseitigen, denn zweierlei darf
nicht vergessen werden: Die technischen Voraussetzungen für die groß
angelegte Aufzeichnung und Bewahrung von Erinnerungen sind heute besser
denn je, während gleichzeitig die Zahl der Zeitzeugen zu bestimmten
Themen altersbedingt immer weiter abnimmt.

Anmerkungen:
[1] Beide Zitate in: Was ist einestages?, in: einestages,
<http://einestages.spiegel.de/page/aboutEinesTages.html> (16.03.2012).
[2] Zitat in: Wer kann mitmachen?, in: Von Zeit zu Zeit,
<http://www.von-zeit-zu-zeit.de/index.php?template=artikel&article_id=42#werKannMitmachen>
(16.03.2012).
[3] Zitat in: Was will das "Gedächtnis der Nation"?, in: Gedächtnis der
Nation, <http://www.gedaechtnis-der-nation.de/faq> (16.03.2012).
[4] Zitat in: Was ist das "Gedächtnis der Nation"?, Welche Zwecke
verfolgt der Verein?, in: ebd.
[5] Zitat in: Presseinformationen zum Projekt "Unsere Geschichte. Das
Gedächtnis der Nation", in: PR Agentur Hamburg,
<http://www.pragenturhamburg.de/opz/images/stories/gdn/pressetext_gdn.pdf>
(16.03.2012), S. 1.
[6] Vgl.: Niels Kruse / Stefan Schmitz: Webprojekt "Gedächtnis der
Nation". Unsere Geschichte - Ihre Erinnerung, in: stern.de vom 06.
Oktober 2011,
<http://www.stern.de/panorama/webprojekt-gedaechtnis-der-nation-unsere-geschichte-ihre-erinnerung-1735493.html>
(16.03.2012), S. 1.
[7] Hierbei handelt es sich um Jugend, Sport, Wirtschaft, Kultur,
soziale Bewegungen und Grenzerfahrungen.
[8] Vgl.: Wierling, Dorothee: Erzählungen im Widerspruch. Der
Nationalsozialismus und die erste Nachkriegsgeneration der DDR, in:
WerkstattGeschichte 30 (2001), S. 17-31, sowie: Niethammer, Lutz:
Gedächtnis und Geschichte. Erinnernde Historie und die Macht des
kollektiven Gedächtnisses, in: ebd., S. 32-37.
[9] Zitat in: Kruse / Schmitz: Webprojekt "Gedächtnis der Nation", S.
2.
[10] Vgl. Anm. 4.
[11] Die jeweiligen Einleitungsvideos zu den beiden Themen wurden bei
den genannten Zahlen mitgezählt.
[12] Vgl.: Presseinformationen, S. 2.
[13] Stand: 12.03.2012.
[14] Vgl.: Ein Video hochladen, in: YouTube,
<http://www.youtube.com/t/about_getting_started> (16.03.2012).
[15] Eine absolut sichere Aussage ist aufgrund des Umfangs des
bereitgestellten Materials nicht möglich, da die 41 Interviews
durchschnittlich 50-60 Minuten lang sind und daher nicht in ihrer Gänze
gesichtet werden konnten. Stichproben ergaben jedoch das genannte
Ergebnis.
[16] "In Verbindung mit Regionalzeitungen und lokalen Institutionen
werden an den jeweiligen Stationen des fahrenden Studios Zeitzeugen
ermittelt, [...].", Zitat in: Presseinformationen, S. 1.
[17] "Besuchen Sie uns, wirken Sie an unserem Projekt mit und geben Sie
künftigen Generationen die Chance, die Geschichte unseres Landes in
Ihren Erinnerungen aufleben zu lassen." Zitat in: Der Jahrhundertbus,
in: Gedächtnis der Nation,
<http://www.gedaechtnis-der-nation.de/gdn-bus> (16.03.2012).
[18] Zitat in: Kruse / Schmitz: Webprojekt "Gedächtnis der Nation", S.
1.



Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Christoph Classen <classen(a)... zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/type=rezwww&id=164>