Suche Sortierung nach Monatsdigest
2012/01/21 23:45:11
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Archäologiemaßnahme am Ri ngwall Otzenhausen geht zu Ende
Datum 2012/01/22 19:04:03
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Historische Sachverhalte in Karten darstellen
2012/01/06 09:13:52
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Festschrift zum 750jährigen Bestehen des Ortes Selchenbach
Betreff 2012/01/25 10:21:03
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Heiliger Rock gibt Rätsel a uf
2012/01/21 23:45:11
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Archäologiemaßnahme am Ri ngwall Otzenhausen geht zu Ende
Autor 2012/01/22 19:04:03
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Historische Sachverhalte in Karten darstellen

[Regionalforum-Saar] Geld als Medium in der Antike

Date: 2012/01/22 19:02:19
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Eckhardt, Benedikt; Martin, Katharina (Hrsg.): Geld als Medium in der
Antike. Berlin: Verlag Antike 2011. ISBN 978-3-938032-46-6; 180 S.; EUR
32,90.

Inhaltsverzeichnis:
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/media/beitraege/rezbuecher/toc_17584.pdf>

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Sven Günther, Deutsche Schule Tokyo Yokohama
E-Mail: <guenther(a)... regiert die Welt" - so scheint es uns momentan zumindest, wenn wir
auf die Wirtschafts- und Finanzkrise blicken und die täglichen
Hiobsbotschaften und Kassandrarufe vernehmen. Die "Sprache des Geldes"
ist so in der heutigen Welt anscheinend ein bestimmender Faktor unserer
Wahrnehmung und unseres Handelns geworden. Es stellt sich zurecht die
Frage, ob Geld tatsächlich nur noch als "Mittler", als Medium im
klassischen Sinne, gilt oder schon längst und darüber hinaus aktiv
Rahmenbedingungen vorzeichnet und seine Funktion(en) quasi autonom zu
bestimmen vermag. Die dahinter stehende Theoriediskussion um den
Medien-Begriff in den Sozial- und Kulturwissenschaften hat, so scheint
es, bislang die Altertumswissenschaften noch nicht recht erfasst. Denn
auch hier haben wir es mit Geld, vor allem in Form von geprägten Münzen,
als (Massen-)Medium zu tun. Insofern wird klassischerweise "Geld"
insbesondere die Funktion eines tertium comparationis bzw. Wertspeichers
im ökonomischen Bereich zugeschrieben, darüber hinaus wird im
kommunikativen Bereich auch seine Rolle bei der Verbreitung
(politischer) Botschaften in einem einfachen Sender-Empfänger-Modell vom
Herrscher zu den Beherrschten in Form von "Macht der Bilder" betont.
Dass dies jedoch unter vollständig anderen zivilisatorischen
Voraussetzungen geschah, in Gesellschaften, in denen es eben noch keine
Ausdifferenzierung der verschiedenen Systembereiche (Politik, Religion,
Wirtschaft usw.) gab oder verschiedene Formen von Massenmedien vorlagen,
blieb bislang eher unbeachtet.

Diesem Defizit entgegenzuwirken und die theoretische Durchdringung des
Medien-Begriffs in anderen Disziplinen auch für die
Altertumswissenschaften nutzbar zu machen, ist nun der schmale, aber
inhaltlich reiche Band "Geld als Medium in der Antike" angetreten.
Hervorgegangen aus einem Vortragsabend zur "Sprache des Geldes in der
Antike" im Berliner Museum für Kommunikation und theoretisch fundiert
durch die Arbeit der beiden Herausgeber im Münsteraner Exzellenzcluster
"Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne",
sind hier fünf Beiträge mit ganz unterschiedlichen Zugängen zum
Titelthema versammelt. In einer kurzen Einleitung (S. 7-13)
positionieren die beiden Herausgeber das Anliegen des Bandes im weiten
Spektrum des Medien-Diskurses und weisen auf die unterschiedlichen
Ansätze der Beiträger bei der Nutzung für und Implementierung von
methodisch-theoretischen Konzeptionen in altertumswissenschaftliche
Fragestellungen hin.

Als Paradebeispiel für eine gelungene Verbindung zwischen
systemtheoretischer Konzeption und Adaptation in die Alte Geschichte
darf gleich der erste Beitrag aus der Feder von Benedikt Eckhardt gelten
(S. 14-56). Unter dem Titel "Geld, Macht, Sinn. 'Überpekuniarisierte
Verhältnisse' im Athen des fünften und vierten Jahrhunderts v.Chr."
zeigt er Möglichkeiten und Grenzen des Luhmannschen Modells für die
Bedeutung des Geldes in der Zeit des klassischen Athens auf. Anders als
in einer funktional ausdifferenzierten Gesellschaft heutiger Prägung
seien in Athen die Grenzen zwischen Politik, Recht, Wirtschaft, Religion
noch nicht so starr vorhanden gewesen. Daher habe hier Geld als Medium
nicht nur auf den Wirtschaftssektor - wie im Modell Luhmanns -
eingewirkt, sondern auch politische, religiöse und personale Wahrnehmung
wie Kommunikation neu strukturieren können. Insofern sei tatsächlich von
"überpekuniarisierten" Verhältnissen zu sprechen, da diese
gesellschaftlichen Strukturen zumindest zum Teil von der Sprache des
Geldes mitgeformt und überformt gewesen seien. Zu ergänzen wäre hier
noch, dass aus Sicht des Rezensenten diese strukturschaffende und
-verändernde Funktion des Geldes nicht erst mit der klassischen Zeit der
athenischen Demokratie, wie Eckhardt meint, bzw. mit dem Ausprägen von
Münzen zum Ende des 6. Jahrhunderts v.Chr. in der Peisistratidenzeit
einsetzt, sondern mit den timokratischen Reformen Solons in Verbindung
zu bringen ist.

Mithilfe des Luhmannschen Kommunikationsmodells gelingt es anschließend
Gunnar Dumke (S. 57-90), eine einleuchtende alternative Deutung der
Goldprägungen mit der Legende nbw nfr des Pharaos Nektabenos II.
(360-343 v.Chr.) vorzustellen. Entgegen der communis opinio der
Forschung, die eine Prägung dieser Goldstücke für griechische Söldner
annimmt, zeigt Dumke, dass das Bildinformationsprogramm sowie die
Mitteilungsform dem Sinnhorizont des sozialen Systems der griechischen
Söldner nicht vollständig entspricht: Zwar wären die Goldstücke von den
Söldnern durchaus als Münzen verstanden worden, auch wäre die Abbildung
des Pferdes unter der Bedeutung "Agon" noch von ihnen nachzuvollziehen
gewesen; hingegen wären ihnen die Hieroglyphen auf dem Revers schlicht
unverständlich geblieben, auch wäre in diesem Fall eine Gold- statt
einer Silberausprägung ungewöhnlich gewesen. Demgegenüber hätten
gebildete ägyptische Schichten das Bildprogramm vollständig entziffern
können, nämlich als "gutes Gold" mit dem Prägeherrn "Pharao",
symbolisiert durch das Pferd auf dem Avers. Lediglich die
Mitteilungsform "Münze" sei im ägyptischen Kontext neu bzw. noch
gewöhnungsbedürftig geblieben. Plausibel versteht Dumke diese Goldstücke
nicht in der Funktion als Geld/Münze, sondern als Ehrenabzeichen an
verdiente Personen; mithin habe dies die Brücke zwischen beiden sozialen
Gruppen, den gebildeten Ägyptern und den griechischen Söldnern,
geschlagen.

Katharina Martin widmet sich hernach der Sprache der Bilder auf antiken
Münzen (S. 91-138). Im und durch den Vergleich mit der modernen
Medienikonographie kann sie dabei an verschiedenen Beispielen (so der
Paarrepräsentation oder dem Kindersegen) aufzeigen, wie Bildsprache in
der Antike funktionierte und wie, trotz unterschiedlicher
Rahmenbedingungen und gruppenspezifischer Ansprache, bestimmte Gesten
und Symbole auch heute noch "verstanden" werden. Da sich leider die
Effizienz der antiken Bildersprache kaum in der literarischen Reflexion
nachweisen lässt[1], sind der Erforschung dieses Phänomens natürliche
Grenzen gesetzt, wobei archäologische Auswertungen, etwa über die
Verteilung bestimmter Bildmotive oder Nominale in bestimmten Regionen,
hier (noch) weiterführen können.

Literaturwissenschaftlich nähert sich darauf Meike Kimmel dem Medium
Geld (S. 139-154). In den plautinischen Komödien kann sie dabei eine
doppelte Funktion von "Geld" nachweisen: Einerseits diente es als
effizientes Mittel, um das in den Komödien gespiegelte Alltagsleben zu
bestimmen sowie die Handlung voranzubringen, so etwa im Poenulus mit der
Einführung des Komödiengeldes; andererseits konnte es auch die Rolle als
effiziertes Objekt einer Handlung einnehmen, so beispielsweise im
Pseudolus, in dem ein Sklave Geld für seinen verliebten Herrn beschaffen
muss. Dass er dabei zum "Er-finden" des Geldes schreitet und dies
explizit mit der Tätigkeit des Dichters vergleicht, erweist zudem die
hohe Selbstreflexivität des Komödienschaffers Plautus.

Der abschließende Beitrag von Fabian Wittreck (S. 155-171) widmet sich
dem antiken Gerechtigkeitsdiskurs um Geld, vornehmlich in der späteren
Rezeption durch Averroes und Thomas von Aquin. Dabei geht er von der
aristotelischen Geldtheorie aus und führt an den beiden Faktoren
"Münzveränderung bzw. -manipulation" und "Wucher" vor, wie das antike
Verständnis in der islamischen wie christlichen Kultur des Mittelalters,
jeweils unterschiedlich wegen des verschiedenen kulturellen-religiösen
Kontextes, nachwirkte. Gerade bei der Beschreibung der aristotelischen
Geldtheorie fehlt jedoch das Aufzeigen der Gesamtzusammenhänge, in die
Aristoteles seine Überlegungen einbettet. Hier hat Birger P. Priddat auf
der Tagung "Ordnungsrahmen antiker Ökonomien" an der Universität Mainz
im September 2010 sehr deutlich den konservativen Ansatz des Aristoteles
herausgearbeitet, der in Kreditgeld und Zinsstreben eine Gefährdung der
wohlgeordneten Polis erblickt habe.[2]

Der mit einem Stellenindex sowie einem Stichwortregister versehene Band
zeichnet sich, insgesamt gesehen, durch einen erfrischenden Blick auf
das nur anscheinend alte Thema "Geld als Medium in der Antike" aus.
Insbesondere die Vernetzung zwischen theoretischen Konzepten und den
"harten" altertumswissenschaftlichen Disziplinen ist hier mit der
gelungenen Abwägung zwischen Übertragbarkeit und Modifizierung solcher
Modelle auf antike Verhältnisse als äußerst gelungen zu bezeichnen. Die
Aufsatzsammlung sei daher der Lektüre anempfohlen.


Anmerkungen:
[1] Es gibt jedoch einige, wenn auch wenige Hinweise. Vgl. dazu
beispielsweise die Sammlung von Stellen für die römische Kaiserzeit bei
Reinhard Wolters, Nummi signati. Untersuchungen zur römischen
Münzprägung und Geldwirtschaft, München 1999, S. 308-320.
[2] Birger P. Priddat, Aristoteles über Markt und Geld, in: Sven Günther
(Hrsg.), Ordnungsrahmen antiker Ökonomien. Ordnungskonzepte und
Steuerungsmechanismen antiker Wirtschaftssysteme im Vergleich, Wiesbaden
2012, S. 5-21 (erscheint voraussichtlich April 2012).

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Udo Hartmann <hartmannu(a)... zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-1-045>