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Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] St. Wendel damals und heute
Datum 2011/09/27 22:29:29
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[Regionalforum-Saar] St. Wendel damals und heute
Autor 2011/09/27 22:29:29
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[Regionalforum-Saar] Elmars Gedicht der Woche kann ich Euch nicht vorenthalten - warum auch

[Regionalforum-Saar] Fragwürdige Ehrungen!? St raßennamen

Date: 2011/09/27 21:44:46
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Tagber: Fragwürdige Ehrungen!? Straßennamen als Instrument
         von Geschichtspolitik und Erinnerungskultur
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Matthias Frese / Katharina Stütz, LWL-Institut für westfälische
Regionalgeschichte; LWL-Literaturkommission für Westfalen; Westfälischer
Heimatbund
12.07.2011, Münster

Bericht von:
Katharina Stütz, LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte
E-Mail: <katharina.stuetz(a)... oder nicht ehren? Erinnern oder vom Straßenschild entfernen? Diese
Fragen scheinen derzeit in vielen Städten und Gemeinden
Nordrhein-Westfalens zentraler Bestandteil der Debatten um die
Umbenennung von Straßen zu sein, die den Namen von "belasteten"
historischen Akteuren tragen. Es geht um Personen, deren Leben und
Wirken - nach aktuellem Stand der historischen Forschung -
diskussionswürdige Schnittmengen mit der Ideologie und Politik des
Nationalsozialismus aufweisen.

Die öffentliche Tagung "Fragwürdige Ehrungen!? - Straßennamen als
Instrument von Geschichtspolitik und Erinnerungskultur", die am 12. Juli
2011 in Münster stattfand, wurde von Matthias Frese und Katharina Stütz
(beide LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte) konzipiert und
organisiert und vom LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte
gemeinsam mit der LWL-Literaturkommission für Westfalen sowie dem
Westfälischen Heimatbund ausgerichtet.

Im ersten Teil der Tagung ging es darum, die Benennungspraxis von
Straßen in Westfalen und Lippe seit dem 19. Jahrhundert nachzuvollziehen
und speziell Umbenennungen während der NS-Zeit und nach 1945 zu
thematisieren; im zweiten Teil wurden ausgewählte 'Grenzfälle' zur
Diskussion gestellt, also die Biografie von Namensgebern, deren Leben
und Wirken heute kontrovers beurteilt wird. Die Tagung zielte primär
darauf ab, die bisweilen sehr emotional geführte Debatte um die
Umbenennung von Straßen zu versachlichen. Auf Grundlage der Vermittlung
von historischem Faktenwissen sollte zudem eine größere Sensibilität im
Umgang mit den einzelnen Personennamen für zukünftig zu erwartende
Debatten geweckt werden.

Die erste Sektion der Tagung wurde von RAINER PÖPPINGHEGE (Paderborn)
eröffnet, der seinen Ausführungen die Grundannahme voranstellte, dass
Straßenbenennungen immer auf den Zeitpunkt ihrer Entstehung schließen
und mehrere Etappen in der Erinnerungskultur einer Gesellschaft sichtbar
werden ließen. Er arbeitete heraus, dass Straßennamen in der Frühen
Neuzeit vorrangig eine Orientierungsfunktion besaßen, die dann seit dem
späten 18. bzw. frühen 19. Jahrhundert von einer Erinnerungs- und
Repräsentativfunktion überlagert wurde, die im Wesentlichen der
Legitimation politischer Systeme diente. Zudem machte Pöppinghege darauf
aufmerksam, dass Straßenbenennungen Ehrungen darstellten und keine
Mahnmale seien. Und schließlich vertrat er den Standpunkt, dass
Straßennamen kein Spiegel der Geschichte seien, da sie selektiv seien
und von denjenigen Bevölkerungsgruppen ausgewählt würden, die für einen
bestimmten Zeitraum das Deutungs- und Meinungsmonopol besitzen.
Abschließend arbeitete er zwölf "Benennungskonjunkturen" heraus: So
waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter anderem
dynastische Namen überdurchschnittlich präsent, wohingegen in den
1950er-Jahren NS-Opfer und Heimatdichter und in den 1980er-Jahren lokale
Frauenpersönlichkeiten vermehrt durch Straßenbenennungen geehrt wurden.

In seinen Ausführungen zu Straßenumbenennungen in Westfalen und Lippe im
Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit stützte sich MARCUS
WEIDNER (Münster) unter anderem auf Ergebnisse einer schriftlichen
Umfrage, die er im Vorfeld der Tagung bei allen Gemeinde- und
Stadtarchiven in Westfalen durchgeführt hatte und deren Ergebnisse in
ein Datenbankprojekt zu "NS-Straßennamen" einfließen sollen. Er hob
hervor, dass während der NS-Zeit eine Politisierung des
Straßenbenennungsverfahrens erfolgt sei. Bezugnahmen auf den
Nationalsozialismus wurden im Straßenraum präsenter, wohingegen man
gleichzeitig bemüht war, alles das zu verbannen, was regimekritisch war
oder an die Weimarer Republik erinnerte bzw. anknüpfte ("negative
Benennungspraxis"). Diese Praxis sollte unmittelbar nach 1933 dazu
dienen, kollektive Identität zu stiften, und gleichzeitig eine
Abgrenzung bzw. einen Bruch mit vergangenen Ehrungsbezeugungen und -
damit einhergehend - Erinnerungskulturen herbeiführen. Erste Tendenzen,
die sich auf Grundlage der neu gewonnenen Daten für die Benennungspraxis
im Nationalsozialismus abzeichnen, sind demnach die Benennungen 1) nach
Führungspersonen des NS-Regimes, 2) nach militärischen Führungskräften
sowie 3) nach Gebieten, zu denen vor allem jene gehörten, die
Deutschland infolge des Versailler Vertrages abtreten musste. Für die
Zeit nach 1945 stellte Weidner zwei Phasen der Straßenbenennungspraxis
fest: zum einen das unmittelbare Kriegsende 1945, zum anderen die
Konsolidierung zwischen 1946 und 1949. Weidner konstatierte, dass die
Straßenumbenennungen auf kommunaler Ebene im Rahmen demokratischer
Verfahren verhandelt wurden und dass die Entscheidung, wer auf das
Straßenschild durfte und wer nicht, letztlich von den politischen
Mehrheitsverhältnissen abhängig war. Schließlich plädierte Weidner für
eine umfassendere Untersuchung der jeweiligen lokalen Hintergründe von
Straßen(um)benennungen, da auf dieser Ebene bisher wenige Studien
vorlägen.

In der zweiten Sektion der Tagung wurden verstärkt Akteure aus dem
Bereich der westfälischen Literatur und der westfälischen Heimatbewegung
vorgestellt, deren Leben und Wirken aufgrund der aktuellen Forschungen
kontrovers beurteilt werden. Sowohl WALTER GÖDDEN (Münster/Paderborn)
als auch KARL DITT (Münster) machten deutlich, wie eng die Bereiche
westfälische Literatur, Heimatbewegung und NS-Ideologie miteinander
verknüpft waren und sich gegenseitig bedingten.

Gödden stellte seinem Vortrag einige Kennzahlen voran, die er im Rahmen
einer im Vorfeld der Tagung durchgeführten quantifizierenden Analyse
belasteter Straßennamen bereits gewonnen hatte. Auf dieser Grundlage
ließ sich feststellen, dass sich unter den über 2.100 westfälischen
Autor/innen, die in dem von ihm herausgegeben Westfälischen
Autorenlexikon erfasst sind, rund 60 Schriftsteller/innen befinden, die
sich in den Dienst des Nationalsozialismus gestellt haben. Ein Drittel
dieser Autoren/innen wiederum sind auch heute noch in Westfalen und
vereinzelt überregional auf Straßenschildern vertreten. Aus der
inhaltlichen Analyse seiner statistischen Befunde in Bezug auf die
Häufigkeit von Namensnennungen auf Straßenschildern leitete Gödden
insgesamt zehn Kategorien ab. Hieraus geht hervor, dass 'Autor/innen der
Heimatbewegung' eindeutig im Vordergrund der Benennungen von Straßen,
Plätzen, Schulen etc. stehen.

Trotz der von ihm vorgenommenen Kategorienbildung plädierte Gödden
dafür, alle genannten Schriftsteller/innen für sich allein zu betrachten
und zu bewerten. Hinsichtlich der weiteren Diskussion um die von ihm
vorgestellten westfälischen Schriftsteller regte Gödden die Erstellung
eines "objektivierbaren Kriterienkatalogs" an. Dieser könne sich
beispielsweise an der Mitgliedschaft und leitenden Funktionen in
NS-Organisationen und/oder Schriftstellerverbänden, der aktiven
Verbreitung von NS-Gedankengut und der Parteimitgliedschaft vor oder
nach 1933 orientieren; diese Kriterien eigneten sich dann zukünftig als
Grundlage für Diskussionen über die Umbenennung von Straßen.

Karl Ditt (Münster) stellte daran anschließend den wohl prominentesten
Repräsentanten aus dem Kreis der westfälischen Heimatbewegung vor. Er
thematisierte das Denken und Wirken von Karl Wagenfeld in der
Interaktion zwischen Heimatdichtung/-bewegung und
nationalsozialistischer Ideologie und warf die Frage auf, ob man
Wagenfeld aus historischer Perspektive als Wegbereiter und Propagandist
des Nationalsozialismus bezeichnen könne. Bereits während des
Kaiserreichs und der Weimarer Republik propagierte Wagenfeld eine
(westfälische) Volkskultur auf religiöser Grundlage, schlug eine
Siedlungsbewegung gen Osten (Stichwort: "Schollenverbundenheit") vor und
plädierte für die Einhaltung eugenischer Regeln zum Schutz des "Stammes-
und Blutserbes der Väter" gegenüber "Fremdrassigen". Dass Wagenfelds
völkisch-konservatives Weltbild schließlich hohe Anschlussfähigkeit an
die NS-Ideologie in sich barg, zeigte sich nach Ditt darin, dass
Wagenfeld im April 1933 in die NSDAP eintrat und sich selbst als
Vorläufer der Nationalsozialisten verstand. Überdies bemühte sich
Wagenfeld um ein partnerschaftliches Bündnis zwischen der Heimatbewegung
und dem Nationalsozialismus, was sich beispielsweise deutlich am Motto
"Heimat und Reich" des Westfalentages von 1933 ablesen lasse. In seiner
abschließenden Beurteilung der Person Wagenfeld hob Ditt hervor, dass
dessen Weltanschauung mehr Anknüpfungspunkte als Unterschiede zur
NS-Ideologie aufweise. Trotzdem sprach sich Ditt dafür aus, Wagenfeld
auch weiterhin auf den Straßenschildern zu belassen und diese lediglich
durch einen Index zu ergänzen. In der anschließenden Diskussion wurden
aber eindeutigere Kriterien zur Klärung der Frage gefordert, wann eine
Umbenennung unumgänglich sei.

Im Anschluss stellte STEFFEN STADTHAUS (Münster) mit Agnes Miegel und
Friedrich Castelle zwei Schriftsteller und deren Wirken während des
Nationalsozialismus vor und beleuchtete den vergangenheitspolitischen
Umgang mit diesen beiden westfälischen Heimatautoren nach 1945.
Stadthaus machte gleich zu Beginn seines Vortrages deutlich, dass
Miegels Engagement im "Dritten Reich" unumstritten sei und sie heute
innerhalb der Literaturwissenschaft als nationalsozialistisch-belastete
Autorin angesehen werde. Vor diesem Hintergrund führte er aus, dass ihre
literarischen Werke während des Nationalsozialismus eine zunehmende
Nationalisierung erfahren hätten und die inhaltliche Ausgestaltung ihrer
Hauptmotive Heimat, Krieg, Gemeinschaft und Opferbereitschaft zunehmend
Überschneidungen mit der NS-Ideologie aufwiesen. Bereits 1933 legte
Miegel zusammen mit anderen deutschen Schriftstellern ein "Gelöbnis
treuester Gefolgschaft" für Adolf Hitler ab. Umgekehrt wurde sie von den
Nationalsozialisten 1944 als "gottbegnadete Dichterin" hochverehrt.
Stadthaus wies darauf hin, dass es in den 1950er-Jahren keine
öffentliche Auseinandersetzung mit der Rolle Miegels im
Nationalsozialismus gegeben habe. Er erklärte diese unkritische Haltung
mit der Vergangenheitspolitik der noch jungen Bundesrepublik, die im
Wesentlichen durch Schuldverdrängung gekennzeichnet gewesen sei.

Demgegenüber ging die Haltung des vor allem im Münsterland bekannten
Friedrich Castelle (1879-1954) zum Nationalsozialismus über die bloße
Verehrung der Person Adolf Hitlers und schriftstellerische Verbreitung
der NS-Ideologie eindeutig hinaus, da Castelle als Obmann der
NS-Kulturgemeinde des Kreises Burgsteinfurt oder in seiner Funktion als
führender Mitarbeiter der Reichsschrifttumskammer die NS-Kulturpolitik
aktiv mitgestaltet habe. Bereits in den späten 1920er-Jahren war
Castelle Herausgeber der Monatsschrift "Der Türmer", die
nationalistisch-völkisches Gedankengut propagierte. Gemeinsam mit Karl
Wagenfeld gab er zudem die Westfälische Landeszeitung "Rote Erde"
heraus, die sich thematisch im Dunstkreis der zeitgenössischen Diskurse
um Eugenik, Rassismus und Modernisierungsängste bewegte. Eindeutiger
noch als im Fall von Agnes Miegel plädierte Stadthaus gegen eine weitere
Ehrung Friedrich Castelles auf Straßenschildern und stellte abschließend
heraus, dass es würdigere Vertreter der Literatur gebe als die beiden
vorgestellten westfälischen Schriftsteller, die sich vom NS-Regime
vereinnahmen ließen, sich aktiv im kulturpolitischen Bereich engagierten
und sich vor allem nach 1945 nicht von ihrer NS-Haltung distanzierten.
Im Anschluss an den Vortrag wurde angemerkt, dass Castelle im "Dritten
Reich" zum Leiter eines Senders aufgestiegen sei und sich damit zur
Förderung seiner Karriere ganz bewusst in den Dienst der NS-Propaganda
gestellt habe.

Im letzten Vortrag der Tagung referierte HANS-ULRICH THAMER (Münster)
über die neueren historischen Erkenntnisse zur politischen Biographie
Paul von Hindenburgs und ging der Frage nach, welche Stationen und
Motive die Ehrung seiner Person im Hinblick auf Straßenbenennungen seit
fast hundert Jahren bestimmt haben. Thamer betonte, dass die Geschichte
von Ehrungen, aber auch Aberkennungen von Namen auf Straßenschildern,
die Brüche und Ambivalenzen im Zeitalter der Extreme und der
Nachkriegszeit widerspiegelten. Die Widersprüche und Kontroversen um
Hindenburg seien Ausdruck des öffentlichen Umgangs der
Nachkriegsgesellschaft mit Zeugnissen und Symbolen von Militarismus und
Diktatur. Zudem machte Thamer in Anlehnung an die vorangegangene
Diskussion deutlich, dass er die Grundlage für die Beurteilung eines
historischen Akteurs in der Untersuchung der politischen Praxis und
weniger in der Analyse programmatischer Äußerungen dieser Person sehe.
Bezogen auf Hindenburg stand für ihn außer Frage, dass die
Machtübertragung an Adolf Hitler Zeugnis eines zielgerichteten
politischen Handelns war, das maßgeblich zur Etablierung und
Stabilisierung des NS-Regimes beitrug. Spätestens nach 1929/30 wirkte
Hindenburg aktiv an der autoritären Verformung der
parlamentarisch-demokratischen Verfassungsordnung zum Zweck der
Errichtung einer 'Nationalen Einheit' bzw. 'Volksgemeinschaft' mit. Als
sich herausstellte, dass dieses Ziel nicht mehr ohne die Unterstützung
der nationalsozialistischen Kräfte realisierbar war, sah er seit Ende
1932 die letzte Chance in der Kanzlerschaft Hitlers.

Im zweiten Teil seines Vortrags, der sich auf die Person Hindenburgs in
der Erinnerungpolitik der Bundesrepublik konzentrierte, wies Thamer
darauf hin, dass der 1934 verstorbene Reichspräsident Hindenburg noch
mit ca. 400 Namensgebungen im öffentlichen Raum präsent sei. Eine erste
Welle von Umbenennungen habe es in der unmittelbaren Nachkriegszeit
gegeben. Eine zweite Welle von Forderungen nach Umbenennung erfolgte als
Echo auf die 'unruhigen' 1960er-Jahre - jedoch ohne nennenswerte
Erfolge. Am Beispiel der Stadt Münster machte Thamer deutlich, dass seit
Ende der 1980er-Jahre die Debatte um die Umbenennung des
Hindenburgplatzes "alle Jahre wieder" auf die politische Agenda gesetzt
werde. Er wertete dies sowohl als Zeugnis einer demokratischen
Diskussionskultur als auch als sichtbaren Prozess einer permanenten
Neuverhandlung der offiziellen Erinnerungskultur. Thamer hob zudem
hervor, dass im Rahmen einer öffentlichen Diskussion um Straßennamen
transparent gemacht werden sollte, welche Motive für die Benennung und
Umbenennung maßgeblich waren. Abschließend gab er zu bedenken, dass
Hindenburg selbst jeder Form des politischen Pluralismus ablehnend
gegenübergestanden bzw. diesem aktiv entgegen gewirkt habe. Argumente
für ein Festhalten an Hindenburg als Namenspatron gebe es nicht.

Insgesamt hat die Tagung eine offene, sachlich-argumentative Diskussion
über die fragwürdigen Ehrungen einiger westfälischer "Protagonisten"
ermöglicht, die 'vor Ort' fortgesetzt werden sollte. Der Fokus hätte
noch stärker auf der Herausarbeitung von Kriterien für die Bewertung von
und im Umgang mit sogenannten 'Grenzfällen' liegen können. Die zentrale
Frage, ob man - vor dem Hintergrund des aktuellen Forschungsstandes zu
den genannten Personen - deren Ehrung gegenwärtig noch
erinnerungspolitisch legitimieren kann, sollte in diesem Kontext
ebenfalls weiter in den Vordergrund gerückt werden. Man hätte zudem die
Grenze zwischen historischer Forschung und politischer Entscheidung
klarer ziehen müssen. In diesem Sinne kann und darf es nicht als primäre
Aufgabe der Historiker angesehen werden, eine 'schwarze Liste' mit den
Namen derjenigen Personen zusammenzustellen, die nicht mehr auf
Straßenschildern vertreten sein dürfen. Gleichwohl ist auch deutlich
geworden, dass sich die Historiker im Spannungsfeld von Forschung und
aktuellen, geschichtspolitischen Debatten einer eigenen Einschätzung
nicht entziehen dürfen.

Konferenzübersicht:

Wolfgang Kirsch, Bernd Walter (Münster): Begrüßung und Eröffnung

Rainer Pöppinghege (Paderborn): Politik per Stadtplan. Zur
Erinnerungsfunktion von Straßennamen

Marcus Weidner (Münster): "Wir beantragen...unverzüglich umzubenennen."
Straßenumbenennungen in Westfalen und Lippe im Nationalsozialismus und
der Nachkriegszeit

Walter Gödden (Münster/Paderborn): Belastete westfälische Autorinnen und
Autoren auf Straßenschildern. Eine quantifizierende Analyse

Karl Ditt (Münster): Karl Wagenfeld - Heimatdichter, Heimatfunktionär,
Nationalsozialist?

Steffen Stadthaus (Münster): Agnes Miegel und Friedrich Castelle.
Schriftsteller als Beispiel regionaler Vergangenheitspolitik

Hans-Ulrich Thamer (Münster): Hindenburg und die Stadt Münster

Rainer Pöppinghege, Marcus Weidner, Walter Gödden, Karl Ditt, Steffen
Stadthaus, Hans-Ulrich Thamer: Abschlussdiskussion