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[Regionalforum-Saar] Der Patriotismus-Komplex

Date: 2011/08/31 08:26:24
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Guten Morgen,
 
heute erscheint im Saarland-Teil der Saarbrücker Zeitung ein Interview mit dem deutschen Schauspieler Moritz Bleibtreu, der in den letzten Jahren stark auf Filmrollen aus der Nazi-Zeit fixiert ist.
 
Gerade im Mittelteil des Interviews bin ich auf eine Stelle gestoßen, zu der ich einen Bezug herstellen kann, besonders wenn es darum geht, über diese Zeit zu forschen und zu schreiben. Vielleicht gehts nur mir so. Aber - nun, hier ist das Interview. Ich habe - vorsichtshalber :-) - die Stelle fett markiert.
 
Roland Geiger
 
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Der Patriotismus-Komplex

Schauspieler Moritz Bleibtreu über deutsche Vergangenheit und deutsches Kino

Moritz Bleibtreu ist einer der Schwerstarbeiter des deutschen Kinos. 2010 war er in zehn Filmen zu sehen; sehr umstritten war dabei „Jud Süß“, in dem er Joseph Goebbels gespielt hat. In „Mein liebster Feind“, der morgen startet, spielt er unter der Regie von Wolfgang Murnberger („Der Knochenmann“) einen Juden, der in einer SS-Uniform versucht, die Nazizeit zu überleben. SZ-Mitarbeiter Martin Schwickert hat mit dem 40-Jährigen gesprochen.

In „Mein bester Feind“ spielen Sie einen Juden, der in eine SS-Uniform schlüpft – ein Gegenprogramm zu Ihrer Rolle als Joseph Goebbels in „Jud Süß“?

Bleibtreu: Viele denken, dass man als Schauspieler mit der Rollenauswahl taktiert. Diesen Film habe aber ich hauptsächlich gemacht, weil ich mit Wolfgang Murnberger arbeiten wollte, und weil der Film mit Humor besonders umgeht. Ähnlich wie die Komödien etwa von Billy Wilder, die immer auch auf einem hochdramatischen Boden stehen.

Wäre eine Komödie wie „Mein bester Feind“ vor 20 Jahren in Deutschland möglich gewesen?

Bleibtreu: Aus Deutschland heraus hätte dieser Film auch heute nicht stattgefunden.

Sind die Österreicher mutiger?

Bleibtreu: Nein. Von dem, was wir in Deutschland Vergangenheitsbewältigung nennen, sind die Österreicher weit entfernt. Sie haben die Verantwortung umschifft und tun so, als wären sie damals überrannt worden. Nur deshalb hat man mehr Freiheit im humoristischen Umgang mit dem Thema.

Woher kommt Ihre Vorliebe für Filme, die in dieser Zeit spielen?

Bleibtreu: Ich bin Deutscher, lebe hier und drehe hier Filme – da bin ich täglich mit den Überbleibseln dieser Zeit und der schwierigen Identität konfrontiert. Wir kommen sehr schwer an den Kern dessen heran, was uns als Deutsche ausmacht.

Hat diese Verunsicherung der nationalen Identität nicht auch positive Effekte gehabt?

Bleibtreu: Sicher. Wir haben so gründlich wie kein anderes Volk über Patriotismus nachgedacht. Das hat uns einen intellektuellen Vorteil gebracht, aber die emotionale Ebene ist dabei auf der Strecke geblieben. Man hat meiner Generation eingebläut, alles zu hinterfragen und bescheiden zu bleiben. Verständlich – denn wenn man sagt, man sei der Größte, denkt die Welt, man sei ein Faschist.

Die eigenen Filme schlecht zu machen, ist das auch eine typisch deutsche Eigenschaft?

Bleibtreu: In Deutschland muss immer alles stimmen. Erst wenn alles stimmt, ist ein Film gut. Und das ist eine Haltung, die wir am wenigsten gebrauchen können. „Jud Süß“ ist das beste Beispiel. Das war eine einzige Aufregung, differenziert diskutiert wurde nicht. Auch das hat mit unseren Identitätskonflikten zu tun. Wenn man keine Komplexe hätte, könnte man sich das ganz ruhig anschauen. In den USA redet man über Erfolge, nicht über Flops. Bei uns ist das genau umgekehrt.

„Jud Süß“ wurde bei der Berlinale verrissen, „Mein bester Feind“ wird ein Jahr später sehr freundlich aufgenommen – woran liegt das?

Bleibtreu: Es ist einfach so: Wenn man dem Zuschauer klar definiert, was er zu empfinden hat, funktioniert es. Das Spannende an „Jud Süß“ war ja, dass er das genau nicht getan hat. Der Film hat von seinem Publikum verlangt, selbst herauszufinden, ob das nun eine Komödie oder ein Drama ist. „Mein bester Feind“ hingegen definiert sich ganz klar als Komödie, und auf einmal wird das dünne Eis, auf dem dieser Film genauso steht wie „Jud Süß“, viel begehbarer.

Glauben Sie, ein Film wie Tarantinos „Inglourious Basterds“ könnte da ein Vorbild im freieren filmischen Umgang mit der Geschichte sein?

Bleibtreu: Der Film zeigt, wie viel offener der Rest der Welt für eine völlig andere Art der Draufsicht ist. Es ist ein Grundproblem des deutschen Kinos, dass wir denken, keiner interessiert sich dafür. In den USA etwa weiß man aber genau, was hier vor sich geht. Robert Schwentke etwa macht einen Film wie „Tattoo“, der in Deutschland ein Flop war. Aber die Amis sehen, dass der Film formal gut gemacht ist, teurer aussieht als er ist und laden ihn ein. Den sind wir jetzt los – schade für das deutsche Kino.

Mein bester Feind startet in der Camera Zwo (Sb).