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2010/09/26 09:01:03
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] deutsche Soldaten in amerikanischen Zeitungen
Datum 2010/09/29 09:06:30
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Vortrag über Wegekreuze in Alsweiler
2010/09/17 23:19:06
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[Regionalforum-Saar] Genealogische Ausstellung in Rohrbach Les Bitche
Betreff 2010/09/23 18:55:48
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[Regionalforum-Saar] Historischer Wanderweg Kasbruch
2010/09/26 09:01:03
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[Regionalforum-Saar] deutsche Soldaten in amerikanischen Zeitungen
Autor 2010/09/29 09:06:30
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Vortrag über Wegekreuze in Alsweiler

[Regionalforum-Saar] G. Lubich: Das Mittelalter

Date: 2010/09/29 08:56:52
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

From:    Florian Eßer <esser(a)...   29.09.2010
Subject: Rez. MA: G. Lubich: Das Mittelalter
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Lubich, Gerhard: Das Mittelalter (= UTB 3106) [ca. 40 s/w Abb.].
Paderborn: Ferdinand Schöningh Verlag 2010. ISBN 978-3-8252-3106-4;
kart.; 223 S.; EUR 17,90.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Florian Eßer, Lehrstuhl für Mittlere Geschichte, RWTH Aachen
E-Mail: <esser(a)... der Etablierung der Bachelor-/Master-Studiengänge an deutschen
Universitäten haben Einführungswerke Konjunktur, die für sich in
Anspruch nehmen, besonders auf die neue Struktur des Studiums
einzugehen. Dies gilt auch für die Reihe "Orientierung Geschichte", die
"auf überschaubarem Raum Grundlagen historischen Wissens vermitteln"
will, wie der Reihenherausgeber Achim Landwehr in einem Vorwort den
Anspruch formuliert (S. 7). Gleich zu Beginn stellt Gerhard Lubich,
Verfasser des hier zu besprechenden Bandes, fest, ihm sei es weniger um
eine Einführung in die mittelalterliche Geschichte (wie der schlichte
Titel "Das Mittelalter" zunächst vermuten lassen könnte) als vielmehr um
eine Einführung in das Studium derselben gegangen. Was diese
Unterscheidung meint, macht vor allem der Aufbau des Buches deutlich. In
insgesamt neun Kapiteln wird die Verbindung von chronologisch geordneter
geschichtlicher Darstellung mit vertiefenden methodischen und
theoretischen Exkursen und Perspektiven versucht und meist auf
überzeugende Weise gemeistert. Gemäß der Fokussierung auf das Studium
der mittelalterlichen Geschichte versucht Lubich den Leser nicht nur an
die Epoche, sondern auch und gerade an die Wissenschaft derselben
anzunähern. Zum Ausgangspunkt nimmt er dabei die provozierende wie
gleichwohl realistische These, "dass ein Studienanfänger heute praktisch
nichts über das Mittelalter weiß" (S. 9). Zugleich ist er aber
optimistisch genug, auf Seiten der Studierenden ein grundsätzliches
Interesse zu vermuten. Diese Lücke zwischen Interesse und faktischem
Kenntnisstand soll die Einführung schließen, um so die Studierenden auf
ein mittelalterliches Proseminar adäquat vorzubereiten. Ihrer Zielgruppe
entsprechend bedient sie sich dabei einer eingehenden, leicht
verständlichen Sprache, allerdings wirkt die Annäherung an einigen
Stellen ein wenig bemüht.

Den thematischen Kapiteln vorgeschaltet bietet das erste Kapitel nicht
nur die obligatorische Einführung zu Begriff und Gegenstand des
"Mittelalters", sondern auch eine erste Annäherung an die
wissenschaftliche Auseinandersetzung anhand eines Unterkapitels mit der
Überschrift "Sprechen Sie Mittelalter?". In diesem wird ein Set von
80[1] Fachbegriffen (von "Ethnogenese" über "Gottesfrieden" bis
"Reichsreform") aufgestellt, verbunden mit Verweisen auf die Seiten des
Buches, auf denen diese näher behandelt werden. Wer diese Termini
korrekt beherrsche, bedürfe in der mittelalterlichen Geschichte keiner
"Orientierung" mehr und könne selbstbewusst ein entsprechendes Studium
aufnehmen.

Kapitel 2 bis 8 verfolgen chronologisch die mittelalterliche Geschichte;
jedes dieser Kapitel gliedert sich in zwei Unterkapitel und schließt mit
kommentierten Hinweisen auf zentrale weiterführende Literatur. Dabei
bietet der erste Abschnitt jeweils einen groben Abriss der wichtigsten
Ereignisse, Strukturen und Entwicklungen des behandelten Zeitraums,
während im zweiten Ansätze, Methoden oder Hintergründe aus der
geschichtswissenschaftlichen Praxis dargestellt, anhand von Beispielen
aus jener Periode exemplifiziert und diskutiert werden.

So folgt im zweiten Kapitel "Vorboten des Mittelalters" auf ein
"selektives Panorama der spätantiken Welt" eine vertiefende Darstellung
zu "Leitvokabeln und ihre[r] Macht", in welcher den Begriffen
'Völkerwanderung', 'dark ages', 'Germanen' als Ausdruck der älteren
Forschungsperspektive mit 'Akkulturation', 'Migration', 'Ethnogenese'
die Leitvokabeln neuerer Ansätze gegenübergestellt werden.

In Kapitel 3 zum merowingischen Frankenreich wird exemplarisch an Gregor
von Tours die Frage nach Leitquellen und ihrer Problematik diskutiert;
an die Darstellung der karolingischen Herrschaft (Kapitel 4) schließt
sich eine Diskussion des personengeschichtlichen Ansatzes in der
Differenzierung zur Rezeptionsgeschichte an ("Leitfiguren und
Leitbilder"). Entsprechend wandelt Lubich für das folgende Kapitel über
das "dunkle" 10. Jahrhundert die dynastische in eine auf Europa im
ganzen orientierte Perspektive und problematisiert diese wiederum im
Anschluss, indem er "Nationen und 'Europa' als historische Größen"
(Kapitel 5.2) unter dem Stichwort "Leitfragen" kritisch beleuchtet.

Dem Hochmittelalter wird besonderes Gewicht zugemessen, denn diese "Zwei
Jahrhunderte [...] ließen eine neue Zeit anbrechen" (S. 132). In der
Konsequenz besitzt das entsprechende Kapitel 6 nicht nur
überproportionalen Umfang, sondern auch als einziges eine dritte
Gliederungsebene. Die im Anschluss behandelten "religiösen Horizonte"
konzentrieren sich auf die Geschichte christlicher Spiritualität sowie
der Institutionen der christlichen Kirche, nehmen aber auch kurz
Judentum und Islam in den Blick.

Lubich verteilt die Darstellung des Spätmittelalters auf zwei Kapitel,
wobei er die Trennlinie mit dem Aufkommen der Pest um 1350 zieht: Als
"Spätsommer des Mittelalters" (Kapitel 7) beschreibt er in Anlehnung an
Huizingas berühmte Metapher die Vorboten jener Krisenstimmung, welche
dieser für die Jahre 1350 bis 1500 diagnostizierte; angeschlossen daran
folgt eine "Betrachtung des Sozialen", die im wesentlichen ein
forschungsgeschichtliches Panorama von Verfassungs-, Kultur- und
Sozialgeschichte bietet. Ab 1350 sieht Lubich "Das Mittelalter auf dem
Weg nach Europa" (Kapitel 8), wobei er neben den Grundlinien der
politischen und geistlichen Geschichte bis 1500 vor allem die
Vereinheitlichungstendenzen betont.

Zum Abschluss der chronologischen Darstellung schließt sich eine
prinzipielle Diskussion der "theoretischen Horizonte" (Kapitel 8.2) an,
in welcher von Methodenwahl, Quellenkritik und linguistic turn bis hin
zum Status historischer Wahrheit auf instruktive Weise einige
grundlegende theoretische Aspekte und Probleme der Mediävistik skizziert
werden.

Im neunten und letzten Kapitel folgen schließlich einige
"studienpraktische Hinweise", in denen nicht nur die Bedeutung der
Hilfswissenschaften betont und die wichtigsten dieser Disziplinen
umrissen, sondern auch die relevantesten Quelleneditionen vorgestellt
und auf bibliografische Hilfsmittel wie Lexika, Handbücher, aber auch
Regesten und Rezensionen als "Verlässliche" bzw. "Unterschätzte
Freunde"(Kapitel 9.2 und 9.3) hingewiesen wird. Nicht fehlen dürfen
dabei auch hilfreiche wie gleichzeitig mahnende Hinweise zu Internet und
zur Abfassung schriftlicher Arbeiten in der Mittleren Geschichte. Mit
einem Verweis auf vertiefende Literatur, die der Lektüre der Einführung
folgen solle, schließt Lubich. Ein von Patricia Tesch bearbeitetes
Register macht das Buch über die wichtigsten Begriffe zugänglich.

Eine erschöpfende Darstellung der mittelalterlichen Geschichte ist in
einem solchen Rahmen kaum zu leisten und vom Autor auch explizit nicht
beabsichtigt. Es ist daher müßig, hier Aspekte oder Themenfelder
anzuführen, denen man eine größere Aufmerksamkeit gewünscht hätte (etwa
den Kreuzzügen). Vielmehr muss hervorgehoben werden, dass die
überblicksartigen Charakterisierungen ihrem Zweck der ersten
Orientierung in gutem Maße gerecht werden, gerade weil sie meist eher
auf zentrale Strukturen als eine additive Aufzählung von Ereignissen und
Personen abheben. Der gewählte Aufbau hat allerdings auch kleinere
Nachteile: So wird beispielsweise die in der deutschsprachigen Forschung
übliche Differenzierung in Früh-, Hoch- und Spätmittelalter nicht etwa
schon im einführenden Kapitel, sondern erst zum Hochmittelalter
thematisiert; die "religiösen Horizonte", die "eine Art grundlegender
Institutionengeschichte der Kirche" (S. 136) darstellen, wären gerade
deshalb durchaus auch an früherer Stelle im Buch sinnvoll gewesen.

Die besondere Stärke des Werks ist jedoch die meist pointierte, anhand
gut ausgewählter Beispiele nachvollziehbar gemachte Beleuchtung
verschiedener Ansätze, Grundprobleme und Methodiken der Mediävistik als
der Wissenschaft vom Mittelalter. Auf diese Weise will es deutlich
machen, "dass Geschichte als Wissenschaft eben mehr ist als das Erlernen
von Fakten" (S. 194). Soweit dies gelingt, stellt das Buch eine
gelungene erste Einführung in das Studium der mittelalterlichen
Geschichte dar.

Anmerkung:
[1] Ein Nummerierungsfehler führt jedoch dazu, dass die Auflistung bis
zur Nummer 81 reicht.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Harald Müller <mueller(a)... zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2010-3-199>

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