„Forscher haben sich immer wieder widersprochen“
Hans Joachim Kühne referierte in der Bibliothek in St. Wendel über das
Turiner Grabtuch
In der Reihe „Uni vor Ort“ referierte Hans Joachim Kühn über das Turiner
Grabtuch. Dabei nutzte er erstmals den neuen Vortragsraum in der
Stadtbibliothek im Mia-Münster-Haus St. Wendel.
Von
SZ-Mitarbeiterin
Carolin Grell
St.Wendel. „Ich halte das Stück Textil für das echte Grabtuch
Christi“, erklärte Hans Joachim Kühn, wissenschaftlicher Mitarbeiter des
Lehrstuhls Geschichte des Mittelalters an der Universität Saarbrücken zu
Beginn seines Vortrags. „Sehen sie dies als Vorwarnung und überlegen sie, ob
sie meinen Vortrag dennoch anhören wollen“, fügte er kurz hinzu, bevor er
seine Zuhörer mitnahm auf eine spannende Reise in die umfangreiche Forschung
zwischen Antike und Mittelalter. In der Reihe „Uni vor Ort“ waren rund 100
Bürger in die Stadtbücherei ins Mia Münster Haus gekommen. Gleich mehrere
Stuhlreihen mussten nachträglich gestellt werden, worüber sich Dieter Mertes,
Leiter der Stadtbücherei sehr freute. Zeige es doch, wie groß die Nachrage
nach solchen Veranstaltungen ist. Daher sei auch die Neugestaltung des
Vortragsraumes sehr wichtig gewesen. „Wir haben den Raum erst kürzlich
technisch auf den neusten Stand gebracht. Dank Funkmikrofon, elektronischer
Leinwand und Beamer können die Referenten noch besser ihr Wissen an die
Zuhörer vermitteln“, sagte Mertes.
Mit historischem Wissen überzeugte Kühn in seinem gut strukturierten
Vortrag. Zunächst erklärte er, dass es sich keinesfalls um einen
theologischen, sondern einen Vortrag mit philologischem und
geisteswissenschaftlichem Hintergrund handele, der sich sehr vielen modernen,
durchaus kritischen Methoden bediene. Nicht nur das Grabtuch, das erst
kürzlich im Turiner Dom ausgestellt wurde, auch das Tuch von Edessa bildeten
im ersten Teil seines Vortrages die Schwerpunkte. Während die Zeugnisse über
das Turiner Grabtuch ins Jahr 1350 zurückgehen, sei das Tuch von Edessa gute
drei Jahrhunderte früher belegt, wie die Zuhörer erfuhren. Zahlreiche
historische Quellen, aber auch die Pollenanalyse zeigen, so Kühn, zum einen,
dass beide Tücher identisch sind und zum anderen beweisen sie die lange Reise
dieses Tuchs, die seit 1578 im Turiner Dom aufbewahrt wird. Mit
eindrucksvollen Bildern vermittelte Kühn zudem allen Zuhörern, die das
Original noch nicht gesehen hatten, einen Eindruck, was auf dem 4,36 mal 1,10
Meter großen Leinentuch zu sehen ist. Doch nicht nur die Geschichte des
Tuches, auch die Erforschung stellte er in den Mittelpunkt des Vortrages. Und
da verschwieg der Referent nicht, dass das Tuch 1988 von drei unabhängigen
Instituten als unecht erklärt wurde. „Doch zahlreiche Fragen sind bis heute
offen, etliche Forscher haben sich immer wieder widersprochen“, sagte Kühn.
Für ihn sind es vier Aspekte, die ihn von der Echtheit überzeugt haben. „Es
gibt durchaus Textilien, die so alt sind, ungeklärt ist auch die Frage, wie
das Bild auf das Leinen kam, zudem gibt es eingetrocknete und frische
Blutspuren und schließlich ist der Namenszug um den Kopf deutlich zu sehen.“
Nach gut 90 Minuten erhielt er viel Applaus von einem begeisterten Publikum,
das zahlreiche Fragen an den Wissenschaftler hatte.