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2010/02/01 11:55:40
Robert Groß
[Regionalforum-Saar] neue eMail-Adresse
Datum 2010/02/10 22:45:24
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Richtstättenarchäologie
2010/02/21 21:49:59
Rolgeiger
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Betreff 2010/02/22 20:34:30
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Luftkrieg. Erinnerungen in Deutschland und Europa
2010/02/01 11:55:40
Robert Groß
[Regionalforum-Saar] neue eMail-Adresse
Autor 2010/02/10 22:45:24
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Richtstättenarchäologie

[Regionalforum-Saar] J. Auler (Hrsg.): Richtstaettenarchaeologie

Date: 2010/02/10 18:38:40
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Auler, Jost (Hrsg.): Richtst=E4ttenarch=E4ologie.  Dormagen:
archaeotopos-Verlag 2008. ISBN 978-3-938473-07-8; 563 S.; EUR  89,00.
=20
Rezensiert f=FCr H-Soz-u-Kult von:
Kathrin Misterek, Institut f=FCr Ur- und  Fr=FChgeschichte, Universit=E4t=
 Wien
E-Mail: <_kathrin.misterek(a)...
(mailto:kathrin.misterek(a)... >
=20
Richtst=E4ttenarch=E4ologie - der Herausgeber des vorliegenden Sammelbande=
s, =20
Jost Auler, definiert sie in seinem Vorwort als jenen "Teil der =20
Rechtsarch=E4ologie", der sich "mit den dinglichen Hinterlassenschaften de=
r =20
Strafrechtspflege" (S. 8) befasst. Genauer: den "auf uns gekommenen Spuren=
 der =20
eigentlichen Richtst=E4ttenanlage [...] und ihrer Funktionen als Ort des=
 =20
Hinrichtungsvollzuges [...], als Sonderfriedhof [...] und gegebenenfalls=
 als =20
Abdeckerplatz" (ebd.). Ihm zufolge werden hierbei au=DFer Baubefunden wie=
 etwa =20
Galgengrundrissen auch "isoliert auftretende Ph=E4nomene" erfasst - neben=
  "Moorleichen=20
oder gepf=E4hlte[n] Humansch=E4del[n], auch Befunde, die aus der  Durchf=
=FChrung=20
von Leibesstrafen resultieren [...] sowie Relikte medizinischer  Aktivit=
=E4ten=20
der Nachrichter [...] oder auch Hinweise auf Volksmedizin und  Aberglaube"=
=20
(ebd.).=20
=20
Der von der Richtst=E4ttenarch=E4ologie erforschte Zeitraum beginnt nach=
 Aulers=20
 Definition somit erst "mit der regelm=E4=DFigen Etablierung von Richtpl=
=E4tzen=20
als  ortsfeste Institutionen etwa im 13. Jahrhundert" und "endet mit der=
=20
endenden  Aufkl=E4rung um 1800" (ebd.). Hier ist allerdings anzumerken, da=
ss=20
einige der in  seinem Sammelband enthaltenen Beitr=E4ge (etwa Dietrich Als=
dorf,=20
Marita Genesis,  Andreas Motschi und Christian Muntwyler) hinsichtlich ihr=
er=20
behandelten  Zeitr=E4ume durchaus in das weitere 19. Jahrhundert streuen.=
 Das=20
Spektrum an  vorgestellten Befunden bzw. Fundpl=E4tzen sowie Boden- und=20
Baudenkmalen umfasst  dabei Beispiele aus weiten Bereichen Mitteleuropas:=
 Vertreten=20
sind D=E4nemark,  Deutschland, =D6sterreich, Polen, die Schweiz und Tschec=
hien.
=20
Das Sammelwerk "Richtst=E4ttenarch=E4ologie" versteht sich als ein "Buch,=
 das =20
sich sowohl an die Fachwelt  als auch an interessierte Laien richtet" =20
(Klappentext, =E4hnlich auch im Vorwort) und in dem "vielerlei Aspekte des=
 gro=DFen =20
Themas angerissen werden" sollen (S. 8).
=20
Entsprechend dieser Zielsetzung ist der thematische Bogen weit gespannt.=
 Er=20
 beginnt mit einer ausf=FChrlichen Vorstellung =E4lterer wie neuerer=20
arch=E4ologischer  Beobachtungen an Richtst=E4tten. Darunter finden sich=
 sowohl fr=FChe=20
Fundmeldungen  beispielsweise des 19. Jahrhunderts als auch die Resultate=
=20
j=FCngerer  "Altgrabungen" und aktueller Projekte (Abteilungen I bis III).=
=20
Anschlie=DFend  werden weitergehende Bereiche des Themas in teils umfassen=
dem Ma=DFe=20
behandelt.  Hier finden sich: "Regionale Betrachtungen zu Richtst=E4tten"=
=20
(Abteilung IV),  "Richtst=E4tten und [physische] Anthropologie" (Abteilung=
 V) sowie=20
"Historische  Aspekte zu Richtst=E4tten" (Abteilung VI).=20
=20
Diese sechs Abschnitte bieten einen bemerkenswert tiefen Ein- und breiten=
 =20
=DCberblick in bzw. =FCber die Richtst=E4ttenarch=E4ologie, die in einer=
 derartigen =20
Konzentration und in einem solchen Umfang bislang einmalig sind. Dass die=
 =20
Beitr=E4ge der ersten beiden Abteilungen haupts=E4chlich aus bereits ander=
norts =20
publizierten Resultaten bestritten werden, mag als Doppelung gesehen=20
werden.  Ohne Zweifel n=FCtzt diese Vorgehensweise jedoch dem Ziel einer=
=20
Zusammenfassung  m=F6glichst vieler der bislang im gew=E4hlten zeitlichen=
 und r=E4umlichen=20
Rahmen  erfolgten Untersuchungen zum Thema in einer Publikation. Ein=20
lobenswerter  Ansatz, der Interessierten, sowohl Fachwissenschaftler/innen=
 wie auch=20
Laien, den  Zugang zur Richtst=E4ttenarch=E4ologie deutlich erleichtert -=
 wurden=20
entsprechende  Arbeiten bisher doch h=E4ufig genug in sehr verstreuten und=
 oft=20
auch schwer  aufzusp=FCrenden Kontexten publiziert.
=20
Unter den enthaltenen Beitr=E4gen finden sich dabei nicht nur Vorstellunge=
n =20
einzelner arch=E4ologisch untersuchter Richtst=E4tten und deren regionaler=
, =20
topographischer sowie rechtlichen Verortung. Auch Untersuchungen einiger=
 aus =20
Schriftquellen bekannter Rechtsf=E4lle, die teils mit arch=E4ologischen Be=
funden=20
in  Zusammenhang gebracht werden konnten, sind vertreten (so Alsdorf zum=
 =20
Himmelpforter Blutgericht). Hier zeigt sich eine St=E4rke der historischen=
=20
Methode  der Richtst=E4ttenarch=E4ologie, die exemplarisch auch andere Geb=
iete der =20
Historischen Arch=E4ologie zur Spezifizierung ihrer Erkenntnism=F6glichkei=
ten =20
heranziehen kann.=20
=20
Mehrere Beitr=E4ge er=F6rtern arch=E4ologisch wie auch historisch rechtlic=
he =20
Hintergr=FCnde des mittelalterlichen und fr=FChneuzeitlichen Strafvollzuge=
s sowie =20
seine Zusammenh=E4nge mit dem Abdeckereiwesen (Marita Genesis, Gisela=20
Wilbertz).  Auch Positionierungen hinsichtlich der M=F6glichkeiten einer=
 erg=E4nzenden=20
Nutzung  der Methoden verschiedener Natur- und Geisteswissenschaften finde=
n=20
sich in  mehreren Arbeiten. So er=F6rtern Thomas Becker und Ursula Ullrich=
-Wick=20
Potentiale  von airborne laser scanning, w=E4hrend Motschi und Muntwyler=
=20
Resultate  arch=E4ologischer, anthropologischer und arch=E4ozoologischer=
=20
Untersuchungen  vorstellen. Dagegen behandelt Evers in seinem Beitrag allg=
emein=20
Darstellungen  von Richtst=E4tten in zeitgen=F6ssischen Bildquellen, wobei=
 er die=20
M=F6glichkeiten  entsprechender Forschungen aufzeigt. Ebenfalls auf histor=
ischen=20
Quellen fu=DFen  weiterhin auch die Untersuchungen von Daniel Wojtucki zum=
=20
Breslauer Rabenstein  und Robert Zagolla zur Rechtspraxis der Folter.
=20
Der Herausgeber Auler benennt es als "Ziel der Arch=E4ologie [in der =20
Erforschung von Richtst=E4tten], mit den modernsten wissenschaftlichen Met=
hoden  des=20
Faches und in interdisziplin=E4rer Zusammenarbeit mit anderen geistes- und=
 =20
naturwissenschaftlichen Disziplinen die historischen Quellen zu =FCberpr=
=FCfen und=20
 erg=E4nzen" (S. 8). Allerdings ist hier kritisch anzumerken, dass die=20
Arch=E4ologie  hier in die Rolle einer Hilfswissenschaft gedr=E4ngt wird,=
 die die=20
Schriftquellen  zwar korrigieren k=F6nne, jedoch kaum ohne sie denkbar ers=
cheint. =20
Selbstverst=E4ndlich ist eine historische Arch=E4ologie ohne die Nutzung=
 von =20
erhaltenen Schriftquellen wenig sinnvoll, dennoch ist entgegenzuhalten, da=
ss =20
sich die Arch=E4ologie mit ihren Methoden auch und gerade jener Befunde=20
annehmen  kann und muss, deren Urspr=FCnge eben nicht durch Schriftquellen=
=20
=FCberliefert oder  erkl=E4rbar sind. Die Arbeit mit historischen Schrift-=
 und=20
Bildquellen im Kontext  arch=E4ologischer Untersuchungen von Richtst=E4tte=
n (wie allen=20
anderen Befunden  auch) sollte vielmehr die arch=E4ologische Methode an si=
ch=20
optimieren helfen, um  mit zunehmenden interpretativen Potenzialen auch au=
s=20
historisch schlechter  dokumentierten =DCberresten entsprechender Funde un=
d=20
Befunde weitergehende  Schl=FCsse ziehen zu k=F6nnen.=20
=20
Indes nutzen die enthaltenen Beitr=E4ge die Arch=E4ologie und ihre =20
Nachbarwissenschaften in der Regel gleichberechtigt und auch in (gleicher)=
 =20
angemessener Weise kritisch - und dies nicht nur in jenen beiden Abteilung=
en, in  denen=20
dies zu vermuten w=E4re (Abteilung V und VI zu anthropologischen und =20
historischen Aspekten). Dass ein solches Vorgehen sowie die teils erfreuli=
ch =20
deutlich formulierte Verortung der Arch=E4ologie als ein Teil der =20
Geschichtswissenschaften (so z.B. Wilbertz S. 523) eine klar definierte un=
d  reflektierte=20
eigene Methodik verlangt, versteht sich von selbst und findet sich  auch=
 in=20
den einzelnen Beitr=E4gen wieder (so unter anderem Thies Evers; Gisela =20
Wilbertz). Denn sonst best=FCnde schlie=DFlich die Gefahr, dass unser Gesc=
hichtsbild =20
durch Zirkelschl=FCsse konstruiert w=FCrde, die auf Grundlage unreflektier=
ter =20
gegenseitiger =DCbernahmen der jeweils opportun erscheinenden Ergebnisse=
 von =20
Nachbarwissenschaften fu=DFen.
=20
Die 34 Beitr=E4ge pr=E4sentieren in der Gesamtschau die Resultate und =20
M=F6glichkeiten einer in methodischer Hinsicht interdisziplin=E4r agierend=
en =20
Geschichtswissenschaft, die jedoch technologisch wie auch in Bezug auf die=
 rein =20
arch=E4ologischen Methoden der Grabung und Prospektion bislang eher konser=
vativ =20
arbeitet. Dies ist sicher nicht zuletzt auf die angespannte finanzielle =
=20
Situation zur=FCckzuf=FChren, innerhalb derer der hier aktiven Arch=E4olog=
/innen =20
gezwungenerma=DFen agieren m=FCssen. So war eben leider nicht immer beispi=
elsweise =20
eine Prospektion des jeweiligen Untersuchungsgel=E4ndes mittels airborne=
 laser =20
scanning m=F6glich - wie gl=FCcklicherweise der Fall bei dem von Becker un=
d =20
Ullrich-Wick beschriebenen Projekt.
=20
Kritisch anzumerken sind einige redaktionelle Schw=E4chen. So ist etwa die=
 =20
inhaltliche Untergliederung in Themenbereiche grunds=E4tzlich gut und sinn=
voll,=20
 die Zuordnung einzelner Beitr=E4ge kann jedoch nur m=FChsam nachvollzogen=
=20
werden.  Beispielsweise w=E4re Wojtuckis praktisch vollst=E4ndig auf Schri=
ft- und=20
Bildquellen  fu=DFender Beitrag zum "Breslauer Rabenstein und Hochgericht"=
 aus=20
Abteilung IV  (Regionale Betrachtungen zu Richtst=E4tten) in Abteilung VI=
=20
(Historische Aspekte  zu Richtst=E4tten) vermutlich besser aufgehoben. Fer=
ner=20
scheint der  Publikationsstand von Grabungsergebnissen, sprich: eine entwe=
der=20
bereits  erfolgte oder aber noch nicht erfolgte Ver=F6ffentlichung, den=20
definitorischen  Unterschied zwischen Abteilung II (Altgrabungen an Richts=
t=E4tten) und=20
III  (Aktuelle Untersuchungen an Richtst=E4tten) zu begr=FCnden. Dar=FCber=
 hinaus=20
sind die  Abbildungen h=E4ufig zu klein geraten und/oder von zu schlechter=
=20
Qualit=E4t.  Letzteres gilt insbesondere f=FCr die zahlreichen enthaltenen=
=20
Tabellen, deren  Lesbarkeit darunter teils deutlich leidet. Schlie=DFlich=
 finden sich=20
auch immer  wieder Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler.
=20
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das betrachtete Werk dem vom =20
Herausgeber gew=E4hlten Anspruch, eine inhaltlich ebenso informative wie=
  umfassende=20
und zudem gut lesbare Darstellung zur Richtst=E4ttenarch=E4ologie zu  biet=
en,=20
vollauf gerecht wird. Die genannten formalen M=E4ngel sind dabei  keinesfa=
lls=20
zu hoch zu bewerten, sollten sie doch im Rahmen einer Neuauflage =20
zweifelsohne problemlos zu bereinigen sein. In einem solchen Kontext w=E4r=
e  schlie=DFlich=20
eine Erweiterung im Sinne einer auch methodologisch umfassenden  Betrachtu=
ng=20
w=FCnschenswert. Dies k=F6nnte beispielsweise in Form eines einleitenden=
 =20
Kapitels erfolgen, das die im Vorwort angef=FChrten und in den einzelnen=
 Beitr=E4gen =20
durchaus angewandten methodischen Grundlagen moderner Arch=E4ologie auf =
=20
Richtst=E4tten zusammenfassend darlegt und erl=E4utert. Ein solches w=FCrd=
e den =20
insgesamt schon sehr guten Eindruck, den der vorliegende Sammelband hinter=
l=E4sst, =20
zweifelsohne abrunden.
=20

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Claudia Theune  <_claudia.theune(a)...
(mailto:claudia.theune(a)... >
=20
URL zur Zitation dieses Beitrages
<_http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2010-1-104_=20
(http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2010-1-104) >
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right holders. For  permission please contact _H-SOZ-U-KULT(a)...
=20
(mailto:H-SOZ-U-KULT(a)... .
=20

Falls Sie Fragen oder Anmerkungen zu Rezensionen haben, dann  schreiben
Sie bitte an die Redaktion von H-Soz-u-Kult:
<_hsk.redaktion(a)...
(mailto:hsk.redaktion(a)... >
=20
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_H-SOZ-U-KULT(a)... (mailto:H-SOZ-U-KULT(a)...
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From:    Kathrin Misterek <kathrin.misterek(a)...
Date:    11.02.2010
Subject: Rez. UFG: J. Auler (Hrsg.): Richtstättenarchäologie
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Auler, Jost (Hrsg.): Richtstättenarchäologie. Dormagen:
archaeotopos-Verlag 2008. ISBN 978-3-938473-07-8; 563 S.; EUR 89,00.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Kathrin Misterek, Institut für Ur- und Frühgeschichte, Universität Wien
E-Mail: <kathrin.misterek(a)...

Richtstättenarchäologie - der Herausgeber des vorliegenden Sammelbandes,
Jost Auler, definiert sie in seinem Vorwort als jenen "Teil der
Rechtsarchäologie", der sich "mit den dinglichen Hinterlassenschaften
der Strafrechtspflege" (S. 8) befasst. Genauer: den "auf uns gekommenen
Spuren der eigentlichen Richtstättenanlage [...] und ihrer Funktionen
als Ort des Hinrichtungsvollzuges [...], als Sonderfriedhof [...] und
gegebenenfalls als Abdeckerplatz" (ebd.). Ihm zufolge werden hierbei
außer Baubefunden wie etwa Galgengrundrissen auch "isoliert auftretende
Phänomene" erfasst - neben "Moorleichen oder gepfählte[n]
Humanschädel[n], auch Befunde, die aus der Durchführung von
Leibesstrafen resultieren [...] sowie Relikte medizinischer Aktivitäten
der Nachrichter [...] oder auch Hinweise auf Volksmedizin und
Aberglaube" (ebd.). 

Der von der Richtstättenarchäologie erforschte Zeitraum beginnt nach
Aulers Definition somit erst "mit der regelmäßigen Etablierung von
Richtplätzen als ortsfeste Institutionen etwa im 13. Jahrhundert" und
"endet mit der endenden Aufklärung um 1800" (ebd.). Hier ist allerdings
anzumerken, dass einige der in seinem Sammelband enthaltenen Beiträge
(etwa Dietrich Alsdorf, Marita Genesis, Andreas Motschi und Christian
Muntwyler) hinsichtlich ihrer behandelten Zeiträume durchaus in das
weitere 19. Jahrhundert streuen. Das Spektrum an vorgestellten Befunden
bzw. Fundplätzen sowie Boden- und Baudenkmalen umfasst dabei Beispiele
aus weiten Bereichen Mitteleuropas: Vertreten sind Dänemark,
Deutschland, Österreich, Polen, die Schweiz und Tschechien.

Das Sammelwerk "Richtstättenarchäologie" versteht sich als ein "Buch,
das sich sowohl an die Fachwelt  als auch an interessierte Laien
richtet" (Klappentext, ähnlich auch im Vorwort) und in dem "vielerlei
Aspekte des großen Themas angerissen werden" sollen (S. 8).

Entsprechend dieser Zielsetzung ist der thematische Bogen weit gespannt.
Er beginnt mit einer ausführlichen Vorstellung älterer wie neuerer
archäologischer Beobachtungen an Richtstätten. Darunter finden sich
sowohl frühe Fundmeldungen beispielsweise des 19. Jahrhunderts als auch
die Resultate jüngerer "Altgrabungen" und aktueller Projekte
(Abteilungen I bis III). Anschließend werden weitergehende Bereiche des
Themas in teils umfassendem Maße behandelt. Hier finden sich: "Regionale
Betrachtungen zu Richtstätten" (Abteilung IV), "Richtstätten und
[physische] Anthropologie" (Abteilung V) sowie "Historische Aspekte zu
Richtstätten" (Abteilung VI). 

Diese sechs Abschnitte bieten einen bemerkenswert tiefen Ein- und
breiten Überblick in bzw. über die Richtstättenarchäologie, die in einer
derartigen Konzentration und in einem solchen Umfang bislang einmalig
sind. Dass die Beiträge der ersten beiden Abteilungen hauptsächlich aus
bereits andernorts publizierten Resultaten bestritten werden, mag als
Doppelung gesehen werden. Ohne Zweifel nützt diese Vorgehensweise jedoch
dem Ziel einer Zusammenfassung möglichst vieler der bislang im gewählten
zeitlichen und räumlichen Rahmen erfolgten Untersuchungen zum Thema in
einer Publikation. Ein lobenswerter Ansatz, der Interessierten, sowohl
Fachwissenschaftler/innen wie auch Laien, den Zugang zur
Richtstättenarchäologie deutlich erleichtert - wurden entsprechende
Arbeiten bisher doch häufig genug in sehr verstreuten und oft auch
schwer aufzuspürenden Kontexten publiziert.

Unter den enthaltenen Beiträgen finden sich dabei nicht nur
Vorstellungen einzelner archäologisch untersuchter Richtstätten und
deren regionaler, topographischer sowie rechtlichen Verortung. Auch
Untersuchungen einiger aus Schriftquellen bekannter Rechtsfälle, die
teils mit archäologischen Befunden in Zusammenhang gebracht werden
konnten, sind vertreten (so Alsdorf zum Himmelpforter Blutgericht). Hier
zeigt sich eine Stärke der historischen Methode der
Richtstättenarchäologie, die exemplarisch auch andere Gebiete der
Historischen Archäologie zur Spezifizierung ihrer
Erkenntnismöglichkeiten heranziehen kann. 

Mehrere Beiträge erörtern archäologisch wie auch historisch rechtliche
Hintergründe des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Strafvollzuges
sowie seine Zusammenhänge mit dem Abdeckereiwesen (Marita Genesis,
Gisela Wilbertz). Auch Positionierungen hinsichtlich der Möglichkeiten
einer ergänzenden Nutzung der Methoden verschiedener Natur- und
Geisteswissenschaften finden sich in mehreren Arbeiten. So erörtern
Thomas Becker und Ursula Ullrich-Wick Potentiale von airborne laser
scanning, während Motschi und Muntwyler Resultate archäologischer,
anthropologischer und archäozoologischer Untersuchungen vorstellen.
Dagegen behandelt Evers in seinem Beitrag allgemein Darstellungen von
Richtstätten in zeitgenössischen Bildquellen, wobei er die Möglichkeiten
entsprechender Forschungen aufzeigt. Ebenfalls auf historischen Quellen
fußen weiterhin auch die Untersuchungen von Daniel Wojtucki zum
Breslauer Rabenstein und Robert Zagolla zur Rechtspraxis der Folter.

Der Herausgeber Auler benennt es als "Ziel der Archäologie [in der
Erforschung von Richtstätten], mit den modernsten wissenschaftlichen
Methoden des Faches und in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit anderen
geistes- und naturwissenschaftlichen Disziplinen die historischen
Quellen zu überprüfen und ergänzen" (S. 8). Allerdings ist hier kritisch
anzumerken, dass die Archäologie hier in die Rolle einer
Hilfswissenschaft gedrängt wird, die die Schriftquellen zwar korrigieren
könne, jedoch kaum ohne sie denkbar erscheint. Selbstverständlich ist
eine historische Archäologie ohne die Nutzung von erhaltenen
Schriftquellen wenig sinnvoll, dennoch ist entgegenzuhalten, dass sich
die Archäologie mit ihren Methoden auch und gerade jener Befunde
annehmen kann und muss, deren Ursprünge eben nicht durch Schriftquellen
überliefert oder erklärbar sind. Die Arbeit mit historischen Schrift-
und Bildquellen im Kontext archäologischer Untersuchungen von
Richtstätten (wie allen anderen Befunden auch) sollte vielmehr die
archäologische Methode an sich optimieren helfen, um mit zunehmenden
interpretativen Potenzialen auch aus historisch schlechter
dokumentierten Überresten entsprechender Funde und Befunde weitergehende
Schlüsse ziehen zu können. 

Indes nutzen die enthaltenen Beiträge die Archäologie und ihre
Nachbarwissenschaften in der Regel gleichberechtigt und auch in
(gleicher) angemessener Weise kritisch - und dies nicht nur in jenen
beiden Abteilungen, in denen dies zu vermuten wäre (Abteilung V und VI
zu anthropologischen und historischen Aspekten). Dass ein solches
Vorgehen sowie die teils erfreulich deutlich formulierte Verortung der
Archäologie als ein Teil der Geschichtswissenschaften (so z.B. Wilbertz
S. 523) eine klar definierte und reflektierte eigene Methodik verlangt,
versteht sich von selbst und findet sich auch in den einzelnen Beiträgen
wieder (so unter anderem Thies Evers; Gisela Wilbertz). Denn sonst
bestünde schließlich die Gefahr, dass unser Geschichtsbild durch
Zirkelschlüsse konstruiert würde, die auf Grundlage unreflektierter
gegenseitiger Übernahmen der jeweils opportun erscheinenden Ergebnisse
von Nachbarwissenschaften fußen.

Die 34 Beiträge präsentieren in der Gesamtschau die Resultate und
Möglichkeiten einer in methodischer Hinsicht interdisziplinär agierenden
Geschichtswissenschaft, die jedoch technologisch wie auch in Bezug auf
die rein archäologischen Methoden der Grabung und Prospektion bislang
eher konservativ arbeitet. Dies ist sicher nicht zuletzt auf die
angespannte finanzielle Situation zurückzuführen, innerhalb derer der
hier aktiven Archäolog/innen gezwungenermaßen agieren müssen. So war
eben leider nicht immer beispielsweise eine Prospektion des jeweiligen
Untersuchungsgeländes mittels airborne laser scanning möglich - wie
glücklicherweise der Fall bei dem von Becker und Ullrich-Wick
beschriebenen Projekt.

Kritisch anzumerken sind einige redaktionelle Schwächen. So ist etwa die
inhaltliche Untergliederung in Themenbereiche grundsätzlich gut und
sinnvoll, die Zuordnung einzelner Beiträge kann jedoch nur mühsam
nachvollzogen werden. Beispielsweise wäre Wojtuckis praktisch
vollständig auf Schrift- und Bildquellen fußender Beitrag zum "Breslauer
Rabenstein und Hochgericht" aus Abteilung IV (Regionale Betrachtungen zu
Richtstätten) in Abteilung VI (Historische Aspekte zu Richtstätten)
vermutlich besser aufgehoben. Ferner scheint der Publikationsstand von
Grabungsergebnissen, sprich: eine entweder bereits erfolgte oder aber
noch nicht erfolgte Veröffentlichung, den definitorischen Unterschied
zwischen Abteilung II (Altgrabungen an Richtstätten) und III (Aktuelle
Untersuchungen an Richtstätten) zu begründen. Darüber hinaus sind die
Abbildungen häufig zu klein geraten und/oder von zu schlechter Qualität.
Letzteres gilt insbesondere für die zahlreichen enthaltenen Tabellen,
deren Lesbarkeit darunter teils deutlich leidet. Schließlich finden sich
auch immer wieder Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das betrachtete Werk dem vom
Herausgeber gewählten Anspruch, eine inhaltlich ebenso informative wie
umfassende und zudem gut lesbare Darstellung zur Richtstättenarchäologie
zu bieten, vollauf gerecht wird. Die genannten formalen Mängel sind
dabei keinesfalls zu hoch zu bewerten, sollten sie doch im Rahmen einer
Neuauflage zweifelsohne problemlos zu bereinigen sein. In einem solchen
Kontext wäre schließlich eine Erweiterung im Sinne einer auch
methodologisch umfassenden Betrachtung wünschenswert. Dies könnte
beispielsweise in Form eines einleitenden Kapitels erfolgen, das die im
Vorwort angeführten und in den einzelnen Beiträgen durchaus angewandten
methodischen Grundlagen moderner Archäologie auf Richtstätten
zusammenfassend darlegt und erläutert. Ein solches würde den insgesamt
schon sehr guten Eindruck, den der vorliegende Sammelband hinterlässt,
zweifelsohne abrunden.


Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Claudia Theune <claudia.theune(a)...

URL zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2010-1-104>

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