Date: 2010/02/01 11:55:40
From: Robert Groß <rbrtgross(a)aol.com>
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Date: 2010/02/10 18:38:40
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Auler, Jost (Hrsg.): Richtst=E4ttenarch=E4ologie. Dormagen: archaeotopos-Verlag 2008. ISBN 978-3-938473-07-8; 563 S.; EUR 89,00. =20 Rezensiert f=FCr H-Soz-u-Kult von: Kathrin Misterek, Institut f=FCr Ur- und Fr=FChgeschichte, Universit=E4t= Wien E-Mail: <_kathrin.misterek(a)univie.ac.at_=20 (mailto:kathrin.misterek(a)univie.ac.at) > =20 Richtst=E4ttenarch=E4ologie - der Herausgeber des vorliegenden Sammelbande= s, =20 Jost Auler, definiert sie in seinem Vorwort als jenen "Teil der =20 Rechtsarch=E4ologie", der sich "mit den dinglichen Hinterlassenschaften de= r =20 Strafrechtspflege" (S. 8) befasst. Genauer: den "auf uns gekommenen Spuren= der =20 eigentlichen Richtst=E4ttenanlage [...] und ihrer Funktionen als Ort des= =20 Hinrichtungsvollzuges [...], als Sonderfriedhof [...] und gegebenenfalls= als =20 Abdeckerplatz" (ebd.). Ihm zufolge werden hierbei au=DFer Baubefunden wie= etwa =20 Galgengrundrissen auch "isoliert auftretende Ph=E4nomene" erfasst - neben= "Moorleichen=20 oder gepf=E4hlte[n] Humansch=E4del[n], auch Befunde, die aus der Durchf= =FChrung=20 von Leibesstrafen resultieren [...] sowie Relikte medizinischer Aktivit= =E4ten=20 der Nachrichter [...] oder auch Hinweise auf Volksmedizin und Aberglaube"= =20 (ebd.).=20 =20 Der von der Richtst=E4ttenarch=E4ologie erforschte Zeitraum beginnt nach= Aulers=20 Definition somit erst "mit der regelm=E4=DFigen Etablierung von Richtpl= =E4tzen=20 als ortsfeste Institutionen etwa im 13. Jahrhundert" und "endet mit der= =20 endenden Aufkl=E4rung um 1800" (ebd.). Hier ist allerdings anzumerken, da= ss=20 einige der in seinem Sammelband enthaltenen Beitr=E4ge (etwa Dietrich Als= dorf,=20 Marita Genesis, Andreas Motschi und Christian Muntwyler) hinsichtlich ihr= er=20 behandelten Zeitr=E4ume durchaus in das weitere 19. Jahrhundert streuen.= Das=20 Spektrum an vorgestellten Befunden bzw. Fundpl=E4tzen sowie Boden- und=20 Baudenkmalen umfasst dabei Beispiele aus weiten Bereichen Mitteleuropas:= Vertreten=20 sind D=E4nemark, Deutschland, =D6sterreich, Polen, die Schweiz und Tschec= hien. =20 Das Sammelwerk "Richtst=E4ttenarch=E4ologie" versteht sich als ein "Buch,= das =20 sich sowohl an die Fachwelt als auch an interessierte Laien richtet" =20 (Klappentext, =E4hnlich auch im Vorwort) und in dem "vielerlei Aspekte des= gro=DFen =20 Themas angerissen werden" sollen (S. 8). =20 Entsprechend dieser Zielsetzung ist der thematische Bogen weit gespannt.= Er=20 beginnt mit einer ausf=FChrlichen Vorstellung =E4lterer wie neuerer=20 arch=E4ologischer Beobachtungen an Richtst=E4tten. Darunter finden sich= sowohl fr=FChe=20 Fundmeldungen beispielsweise des 19. Jahrhunderts als auch die Resultate= =20 j=FCngerer "Altgrabungen" und aktueller Projekte (Abteilungen I bis III).= =20 Anschlie=DFend werden weitergehende Bereiche des Themas in teils umfassen= dem Ma=DFe=20 behandelt. Hier finden sich: "Regionale Betrachtungen zu Richtst=E4tten"= =20 (Abteilung IV), "Richtst=E4tten und [physische] Anthropologie" (Abteilung= V) sowie=20 "Historische Aspekte zu Richtst=E4tten" (Abteilung VI).=20 =20 Diese sechs Abschnitte bieten einen bemerkenswert tiefen Ein- und breiten= =20 =DCberblick in bzw. =FCber die Richtst=E4ttenarch=E4ologie, die in einer= derartigen =20 Konzentration und in einem solchen Umfang bislang einmalig sind. Dass die= =20 Beitr=E4ge der ersten beiden Abteilungen haupts=E4chlich aus bereits ander= norts =20 publizierten Resultaten bestritten werden, mag als Doppelung gesehen=20 werden. Ohne Zweifel n=FCtzt diese Vorgehensweise jedoch dem Ziel einer= =20 Zusammenfassung m=F6glichst vieler der bislang im gew=E4hlten zeitlichen= und r=E4umlichen=20 Rahmen erfolgten Untersuchungen zum Thema in einer Publikation. Ein=20 lobenswerter Ansatz, der Interessierten, sowohl Fachwissenschaftler/innen= wie auch=20 Laien, den Zugang zur Richtst=E4ttenarch=E4ologie deutlich erleichtert -= wurden=20 entsprechende Arbeiten bisher doch h=E4ufig genug in sehr verstreuten und= oft=20 auch schwer aufzusp=FCrenden Kontexten publiziert. =20 Unter den enthaltenen Beitr=E4gen finden sich dabei nicht nur Vorstellunge= n =20 einzelner arch=E4ologisch untersuchter Richtst=E4tten und deren regionaler= , =20 topographischer sowie rechtlichen Verortung. Auch Untersuchungen einiger= aus =20 Schriftquellen bekannter Rechtsf=E4lle, die teils mit arch=E4ologischen Be= funden=20 in Zusammenhang gebracht werden konnten, sind vertreten (so Alsdorf zum= =20 Himmelpforter Blutgericht). Hier zeigt sich eine St=E4rke der historischen= =20 Methode der Richtst=E4ttenarch=E4ologie, die exemplarisch auch andere Geb= iete der =20 Historischen Arch=E4ologie zur Spezifizierung ihrer Erkenntnism=F6glichkei= ten =20 heranziehen kann.=20 =20 Mehrere Beitr=E4ge er=F6rtern arch=E4ologisch wie auch historisch rechtlic= he =20 Hintergr=FCnde des mittelalterlichen und fr=FChneuzeitlichen Strafvollzuge= s sowie =20 seine Zusammenh=E4nge mit dem Abdeckereiwesen (Marita Genesis, Gisela=20 Wilbertz). Auch Positionierungen hinsichtlich der M=F6glichkeiten einer= erg=E4nzenden=20 Nutzung der Methoden verschiedener Natur- und Geisteswissenschaften finde= n=20 sich in mehreren Arbeiten. So er=F6rtern Thomas Becker und Ursula Ullrich= -Wick=20 Potentiale von airborne laser scanning, w=E4hrend Motschi und Muntwyler= =20 Resultate arch=E4ologischer, anthropologischer und arch=E4ozoologischer= =20 Untersuchungen vorstellen. Dagegen behandelt Evers in seinem Beitrag allg= emein=20 Darstellungen von Richtst=E4tten in zeitgen=F6ssischen Bildquellen, wobei= er die=20 M=F6glichkeiten entsprechender Forschungen aufzeigt. Ebenfalls auf histor= ischen=20 Quellen fu=DFen weiterhin auch die Untersuchungen von Daniel Wojtucki zum= =20 Breslauer Rabenstein und Robert Zagolla zur Rechtspraxis der Folter. =20 Der Herausgeber Auler benennt es als "Ziel der Arch=E4ologie [in der =20 Erforschung von Richtst=E4tten], mit den modernsten wissenschaftlichen Met= hoden des=20 Faches und in interdisziplin=E4rer Zusammenarbeit mit anderen geistes- und= =20 naturwissenschaftlichen Disziplinen die historischen Quellen zu =FCberpr= =FCfen und=20 erg=E4nzen" (S. 8). Allerdings ist hier kritisch anzumerken, dass die=20 Arch=E4ologie hier in die Rolle einer Hilfswissenschaft gedr=E4ngt wird,= die die=20 Schriftquellen zwar korrigieren k=F6nne, jedoch kaum ohne sie denkbar ers= cheint. =20 Selbstverst=E4ndlich ist eine historische Arch=E4ologie ohne die Nutzung= von =20 erhaltenen Schriftquellen wenig sinnvoll, dennoch ist entgegenzuhalten, da= ss =20 sich die Arch=E4ologie mit ihren Methoden auch und gerade jener Befunde=20 annehmen kann und muss, deren Urspr=FCnge eben nicht durch Schriftquellen= =20 =FCberliefert oder erkl=E4rbar sind. Die Arbeit mit historischen Schrift-= und=20 Bildquellen im Kontext arch=E4ologischer Untersuchungen von Richtst=E4tte= n (wie allen=20 anderen Befunden auch) sollte vielmehr die arch=E4ologische Methode an si= ch=20 optimieren helfen, um mit zunehmenden interpretativen Potenzialen auch au= s=20 historisch schlechter dokumentierten =DCberresten entsprechender Funde un= d=20 Befunde weitergehende Schl=FCsse ziehen zu k=F6nnen.=20 =20 Indes nutzen die enthaltenen Beitr=E4ge die Arch=E4ologie und ihre =20 Nachbarwissenschaften in der Regel gleichberechtigt und auch in (gleicher)= =20 angemessener Weise kritisch - und dies nicht nur in jenen beiden Abteilung= en, in denen=20 dies zu vermuten w=E4re (Abteilung V und VI zu anthropologischen und =20 historischen Aspekten). Dass ein solches Vorgehen sowie die teils erfreuli= ch =20 deutlich formulierte Verortung der Arch=E4ologie als ein Teil der =20 Geschichtswissenschaften (so z.B. Wilbertz S. 523) eine klar definierte un= d reflektierte=20 eigene Methodik verlangt, versteht sich von selbst und findet sich auch= in=20 den einzelnen Beitr=E4gen wieder (so unter anderem Thies Evers; Gisela =20 Wilbertz). Denn sonst best=FCnde schlie=DFlich die Gefahr, dass unser Gesc= hichtsbild =20 durch Zirkelschl=FCsse konstruiert w=FCrde, die auf Grundlage unreflektier= ter =20 gegenseitiger =DCbernahmen der jeweils opportun erscheinenden Ergebnisse= von =20 Nachbarwissenschaften fu=DFen. =20 Die 34 Beitr=E4ge pr=E4sentieren in der Gesamtschau die Resultate und =20 M=F6glichkeiten einer in methodischer Hinsicht interdisziplin=E4r agierend= en =20 Geschichtswissenschaft, die jedoch technologisch wie auch in Bezug auf die= rein =20 arch=E4ologischen Methoden der Grabung und Prospektion bislang eher konser= vativ =20 arbeitet. Dies ist sicher nicht zuletzt auf die angespannte finanzielle = =20 Situation zur=FCckzuf=FChren, innerhalb derer der hier aktiven Arch=E4olog= /innen =20 gezwungenerma=DFen agieren m=FCssen. So war eben leider nicht immer beispi= elsweise =20 eine Prospektion des jeweiligen Untersuchungsgel=E4ndes mittels airborne= laser =20 scanning m=F6glich - wie gl=FCcklicherweise der Fall bei dem von Becker un= d =20 Ullrich-Wick beschriebenen Projekt. =20 Kritisch anzumerken sind einige redaktionelle Schw=E4chen. So ist etwa die= =20 inhaltliche Untergliederung in Themenbereiche grunds=E4tzlich gut und sinn= voll,=20 die Zuordnung einzelner Beitr=E4ge kann jedoch nur m=FChsam nachvollzogen= =20 werden. Beispielsweise w=E4re Wojtuckis praktisch vollst=E4ndig auf Schri= ft- und=20 Bildquellen fu=DFender Beitrag zum "Breslauer Rabenstein und Hochgericht"= aus=20 Abteilung IV (Regionale Betrachtungen zu Richtst=E4tten) in Abteilung VI= =20 (Historische Aspekte zu Richtst=E4tten) vermutlich besser aufgehoben. Fer= ner=20 scheint der Publikationsstand von Grabungsergebnissen, sprich: eine entwe= der=20 bereits erfolgte oder aber noch nicht erfolgte Ver=F6ffentlichung, den=20 definitorischen Unterschied zwischen Abteilung II (Altgrabungen an Richts= t=E4tten) und=20 III (Aktuelle Untersuchungen an Richtst=E4tten) zu begr=FCnden. Dar=FCber= hinaus=20 sind die Abbildungen h=E4ufig zu klein geraten und/oder von zu schlechter= =20 Qualit=E4t. Letzteres gilt insbesondere f=FCr die zahlreichen enthaltenen= =20 Tabellen, deren Lesbarkeit darunter teils deutlich leidet. Schlie=DFlich= finden sich=20 auch immer wieder Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler. =20 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das betrachtete Werk dem vom =20 Herausgeber gew=E4hlten Anspruch, eine inhaltlich ebenso informative wie= umfassende=20 und zudem gut lesbare Darstellung zur Richtst=E4ttenarch=E4ologie zu biet= en,=20 vollauf gerecht wird. Die genannten formalen M=E4ngel sind dabei keinesfa= lls=20 zu hoch zu bewerten, sollten sie doch im Rahmen einer Neuauflage =20 zweifelsohne problemlos zu bereinigen sein. In einem solchen Kontext w=E4r= e schlie=DFlich=20 eine Erweiterung im Sinne einer auch methodologisch umfassenden Betrachtu= ng=20 w=FCnschenswert. Dies k=F6nnte beispielsweise in Form eines einleitenden= =20 Kapitels erfolgen, das die im Vorwort angef=FChrten und in den einzelnen= Beitr=E4gen =20 durchaus angewandten methodischen Grundlagen moderner Arch=E4ologie auf = =20 Richtst=E4tten zusammenfassend darlegt und erl=E4utert. Ein solches w=FCrd= e den =20 insgesamt schon sehr guten Eindruck, den der vorliegende Sammelband hinter= l=E4sst, =20 zweifelsohne abrunden. =20 Diese Rezension wurde redaktionell betreut von: Claudia Theune <_claudia.theune(a)univie.ac.at_=20 (mailto:claudia.theune(a)univie.ac.at) > =20 URL zur Zitation dieses Beitrages <_http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2010-1-104_=20 (http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2010-1-104) > =20 ------------------------------------------------------------------------ Copyright (c) 2010 by H-Net, Clio-online, and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact _H-SOZ-U-KULT(a)H-NET.MSU.EDU_= =20 (mailto:H-SOZ-U-KULT(a)H-NET.MSU.EDU) . =20 Falls Sie Fragen oder Anmerkungen zu Rezensionen haben, dann schreiben Sie bitte an die Redaktion von H-Soz-u-Kult: <_hsk.redaktion(a)geschichte.hu-berlin.de_=20 (mailto:hsk.redaktion(a)geschichte.hu-berlin.de) > =20 _________________________________________________ HUMANITIES - SOZIAL- UND KULTURGESCHICHTE _H-SOZ-U-KULT(a)H-NET.MSU.EDU_ (mailto:H-SOZ-U-KULT(a)H-NET.MSU.EDU)=20 Redaktion: E-Mail: _hsk.redaktion(a)geschichte.hu-berlin.de_=20 (mailto:hsk.redaktion(a)geschichte.hu-berlin.de)=20 WWW: _http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de_=20 (http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de)=20 _________________________________________________
--- Begin Message ---From: Kathrin Misterek <kathrin.misterek(a)univie.ac.at> Date: 11.02.2010 Subject: Rez. UFG: J. Auler (Hrsg.): Richtstättenarchäologie ------------------------------------------------------------------------ Auler, Jost (Hrsg.): Richtstättenarchäologie. Dormagen: archaeotopos-Verlag 2008. ISBN 978-3-938473-07-8; 563 S.; EUR 89,00. Rezensiert für H-Soz-u-Kult von: Kathrin Misterek, Institut für Ur- und Frühgeschichte, Universität Wien E-Mail: <kathrin.misterek(a)univie.ac.at> Richtstättenarchäologie - der Herausgeber des vorliegenden Sammelbandes, Jost Auler, definiert sie in seinem Vorwort als jenen "Teil der Rechtsarchäologie", der sich "mit den dinglichen Hinterlassenschaften der Strafrechtspflege" (S. 8) befasst. Genauer: den "auf uns gekommenen Spuren der eigentlichen Richtstättenanlage [...] und ihrer Funktionen als Ort des Hinrichtungsvollzuges [...], als Sonderfriedhof [...] und gegebenenfalls als Abdeckerplatz" (ebd.). Ihm zufolge werden hierbei auÃer Baubefunden wie etwa Galgengrundrissen auch "isoliert auftretende Phänomene" erfasst - neben "Moorleichen oder gepfählte[n] Humanschädel[n], auch Befunde, die aus der Durchführung von Leibesstrafen resultieren [...] sowie Relikte medizinischer Aktivitäten der Nachrichter [...] oder auch Hinweise auf Volksmedizin und Aberglaube" (ebd.). Der von der Richtstättenarchäologie erforschte Zeitraum beginnt nach Aulers Definition somit erst "mit der regelmäÃigen Etablierung von Richtplätzen als ortsfeste Institutionen etwa im 13. Jahrhundert" und "endet mit der endenden Aufklärung um 1800" (ebd.). Hier ist allerdings anzumerken, dass einige der in seinem Sammelband enthaltenen Beiträge (etwa Dietrich Alsdorf, Marita Genesis, Andreas Motschi und Christian Muntwyler) hinsichtlich ihrer behandelten Zeiträume durchaus in das weitere 19. Jahrhundert streuen. Das Spektrum an vorgestellten Befunden bzw. Fundplätzen sowie Boden- und Baudenkmalen umfasst dabei Beispiele aus weiten Bereichen Mitteleuropas: Vertreten sind Dänemark, Deutschland, Ãsterreich, Polen, die Schweiz und Tschechien. Das Sammelwerk "Richtstättenarchäologie" versteht sich als ein "Buch, das sich sowohl an die Fachwelt als auch an interessierte Laien richtet" (Klappentext, ähnlich auch im Vorwort) und in dem "vielerlei Aspekte des groÃen Themas angerissen werden" sollen (S. 8). Entsprechend dieser Zielsetzung ist der thematische Bogen weit gespannt. Er beginnt mit einer ausführlichen Vorstellung älterer wie neuerer archäologischer Beobachtungen an Richtstätten. Darunter finden sich sowohl frühe Fundmeldungen beispielsweise des 19. Jahrhunderts als auch die Resultate jüngerer "Altgrabungen" und aktueller Projekte (Abteilungen I bis III). AnschlieÃend werden weitergehende Bereiche des Themas in teils umfassendem MaÃe behandelt. Hier finden sich: "Regionale Betrachtungen zu Richtstätten" (Abteilung IV), "Richtstätten und [physische] Anthropologie" (Abteilung V) sowie "Historische Aspekte zu Richtstätten" (Abteilung VI). Diese sechs Abschnitte bieten einen bemerkenswert tiefen Ein- und breiten Ãberblick in bzw. über die Richtstättenarchäologie, die in einer derartigen Konzentration und in einem solchen Umfang bislang einmalig sind. Dass die Beiträge der ersten beiden Abteilungen hauptsächlich aus bereits andernorts publizierten Resultaten bestritten werden, mag als Doppelung gesehen werden. Ohne Zweifel nützt diese Vorgehensweise jedoch dem Ziel einer Zusammenfassung möglichst vieler der bislang im gewählten zeitlichen und räumlichen Rahmen erfolgten Untersuchungen zum Thema in einer Publikation. Ein lobenswerter Ansatz, der Interessierten, sowohl Fachwissenschaftler/innen wie auch Laien, den Zugang zur Richtstättenarchäologie deutlich erleichtert - wurden entsprechende Arbeiten bisher doch häufig genug in sehr verstreuten und oft auch schwer aufzuspürenden Kontexten publiziert. Unter den enthaltenen Beiträgen finden sich dabei nicht nur Vorstellungen einzelner archäologisch untersuchter Richtstätten und deren regionaler, topographischer sowie rechtlichen Verortung. Auch Untersuchungen einiger aus Schriftquellen bekannter Rechtsfälle, die teils mit archäologischen Befunden in Zusammenhang gebracht werden konnten, sind vertreten (so Alsdorf zum Himmelpforter Blutgericht). Hier zeigt sich eine Stärke der historischen Methode der Richtstättenarchäologie, die exemplarisch auch andere Gebiete der Historischen Archäologie zur Spezifizierung ihrer Erkenntnismöglichkeiten heranziehen kann. Mehrere Beiträge erörtern archäologisch wie auch historisch rechtliche Hintergründe des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Strafvollzuges sowie seine Zusammenhänge mit dem Abdeckereiwesen (Marita Genesis, Gisela Wilbertz). Auch Positionierungen hinsichtlich der Möglichkeiten einer ergänzenden Nutzung der Methoden verschiedener Natur- und Geisteswissenschaften finden sich in mehreren Arbeiten. So erörtern Thomas Becker und Ursula Ullrich-Wick Potentiale von airborne laser scanning, während Motschi und Muntwyler Resultate archäologischer, anthropologischer und archäozoologischer Untersuchungen vorstellen. Dagegen behandelt Evers in seinem Beitrag allgemein Darstellungen von Richtstätten in zeitgenössischen Bildquellen, wobei er die Möglichkeiten entsprechender Forschungen aufzeigt. Ebenfalls auf historischen Quellen fuÃen weiterhin auch die Untersuchungen von Daniel Wojtucki zum Breslauer Rabenstein und Robert Zagolla zur Rechtspraxis der Folter. Der Herausgeber Auler benennt es als "Ziel der Archäologie [in der Erforschung von Richtstätten], mit den modernsten wissenschaftlichen Methoden des Faches und in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit anderen geistes- und naturwissenschaftlichen Disziplinen die historischen Quellen zu überprüfen und ergänzen" (S. 8). Allerdings ist hier kritisch anzumerken, dass die Archäologie hier in die Rolle einer Hilfswissenschaft gedrängt wird, die die Schriftquellen zwar korrigieren könne, jedoch kaum ohne sie denkbar erscheint. Selbstverständlich ist eine historische Archäologie ohne die Nutzung von erhaltenen Schriftquellen wenig sinnvoll, dennoch ist entgegenzuhalten, dass sich die Archäologie mit ihren Methoden auch und gerade jener Befunde annehmen kann und muss, deren Ursprünge eben nicht durch Schriftquellen überliefert oder erklärbar sind. Die Arbeit mit historischen Schrift- und Bildquellen im Kontext archäologischer Untersuchungen von Richtstätten (wie allen anderen Befunden auch) sollte vielmehr die archäologische Methode an sich optimieren helfen, um mit zunehmenden interpretativen Potenzialen auch aus historisch schlechter dokumentierten Ãberresten entsprechender Funde und Befunde weitergehende Schlüsse ziehen zu können. Indes nutzen die enthaltenen Beiträge die Archäologie und ihre Nachbarwissenschaften in der Regel gleichberechtigt und auch in (gleicher) angemessener Weise kritisch - und dies nicht nur in jenen beiden Abteilungen, in denen dies zu vermuten wäre (Abteilung V und VI zu anthropologischen und historischen Aspekten). Dass ein solches Vorgehen sowie die teils erfreulich deutlich formulierte Verortung der Archäologie als ein Teil der Geschichtswissenschaften (so z.B. Wilbertz S. 523) eine klar definierte und reflektierte eigene Methodik verlangt, versteht sich von selbst und findet sich auch in den einzelnen Beiträgen wieder (so unter anderem Thies Evers; Gisela Wilbertz). Denn sonst bestünde schlieÃlich die Gefahr, dass unser Geschichtsbild durch Zirkelschlüsse konstruiert würde, die auf Grundlage unreflektierter gegenseitiger Ãbernahmen der jeweils opportun erscheinenden Ergebnisse von Nachbarwissenschaften fuÃen. Die 34 Beiträge präsentieren in der Gesamtschau die Resultate und Möglichkeiten einer in methodischer Hinsicht interdisziplinär agierenden Geschichtswissenschaft, die jedoch technologisch wie auch in Bezug auf die rein archäologischen Methoden der Grabung und Prospektion bislang eher konservativ arbeitet. Dies ist sicher nicht zuletzt auf die angespannte finanzielle Situation zurückzuführen, innerhalb derer der hier aktiven Archäolog/innen gezwungenermaÃen agieren müssen. So war eben leider nicht immer beispielsweise eine Prospektion des jeweiligen Untersuchungsgeländes mittels airborne laser scanning möglich - wie glücklicherweise der Fall bei dem von Becker und Ullrich-Wick beschriebenen Projekt. Kritisch anzumerken sind einige redaktionelle Schwächen. So ist etwa die inhaltliche Untergliederung in Themenbereiche grundsätzlich gut und sinnvoll, die Zuordnung einzelner Beiträge kann jedoch nur mühsam nachvollzogen werden. Beispielsweise wäre Wojtuckis praktisch vollständig auf Schrift- und Bildquellen fuÃender Beitrag zum "Breslauer Rabenstein und Hochgericht" aus Abteilung IV (Regionale Betrachtungen zu Richtstätten) in Abteilung VI (Historische Aspekte zu Richtstätten) vermutlich besser aufgehoben. Ferner scheint der Publikationsstand von Grabungsergebnissen, sprich: eine entweder bereits erfolgte oder aber noch nicht erfolgte Veröffentlichung, den definitorischen Unterschied zwischen Abteilung II (Altgrabungen an Richtstätten) und III (Aktuelle Untersuchungen an Richtstätten) zu begründen. Darüber hinaus sind die Abbildungen häufig zu klein geraten und/oder von zu schlechter Qualität. Letzteres gilt insbesondere für die zahlreichen enthaltenen Tabellen, deren Lesbarkeit darunter teils deutlich leidet. SchlieÃlich finden sich auch immer wieder Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das betrachtete Werk dem vom Herausgeber gewählten Anspruch, eine inhaltlich ebenso informative wie umfassende und zudem gut lesbare Darstellung zur Richtstättenarchäologie zu bieten, vollauf gerecht wird. Die genannten formalen Mängel sind dabei keinesfalls zu hoch zu bewerten, sollten sie doch im Rahmen einer Neuauflage zweifelsohne problemlos zu bereinigen sein. In einem solchen Kontext wäre schlieÃlich eine Erweiterung im Sinne einer auch methodologisch umfassenden Betrachtung wünschenswert. Dies könnte beispielsweise in Form eines einleitenden Kapitels erfolgen, das die im Vorwort angeführten und in den einzelnen Beiträgen durchaus angewandten methodischen Grundlagen moderner Archäologie auf Richtstätten zusammenfassend darlegt und erläutert. Ein solches würde den insgesamt schon sehr guten Eindruck, den der vorliegende Sammelband hinterlässt, zweifelsohne abrunden. Diese Rezension wurde redaktionell betreut von: Claudia Theune <claudia.theune(a)univie.ac.at> URL zur Zitation dieses Beitrages <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2010-1-104> ------------------------------------------------------------------------ Copyright (c) 2010 by H-Net, Clio-online, and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact H-SOZ-U-KULT(a)H-NET.MSU.EDU. Falls Sie Fragen oder Anmerkungen zu Rezensionen haben, dann schreiben Sie bitte an die Redaktion von H-Soz-u-Kult: <hsk.redaktion(a)geschichte.hu-berlin.de> _________________________________________________ HUMANITIES - SOZIAL- UND KULTURGESCHICHTE H-SOZ-U-KULT(a)H-NET.MSU.EDU Redaktion: E-Mail: hsk.redaktion(a)geschichte.hu-berlin.de WWW: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de _________________________________________________
--- End Message ---
Date: 2010/02/10 22:45:24
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Salü,
tut mir leid, beim ersten Versenden muß etwas schiefgelaufen sein.
Roland Geiger
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Auler, Jost (Hrsg.):
Richtstättenarchäologie. Dormagen: Rezensiert für H-Soz-u-Kult
von: Richtstättenarchäologie - der
Herausgeber des vorliegenden Sammelbandes, Jost Auler, definiert sie in seinem
Vorwort als jenen "Teil der Rechtsarchäologie", der sich "mit den dinglichen
Hinterlassenschaften der Strafrechtspflege" (S. 8) befasst. Genauer: den "auf
uns gekommenen Spuren der eigentlichen Richtstättenanlage [...] und ihrer
Funktionen als Ort des Hinrichtungsvollzuges [...], als Sonderfriedhof [...] und
gegebenenfalls als Abdeckerplatz" (ebd.). Ihm zufolge werden hierbei außer
Baubefunden wie etwa Galgengrundrissen auch "isoliert auftretende Phänomene"
erfasst - neben "Moorleichen oder gepfählte[n] Humanschädel[n], auch Befunde,
die aus der Durchführung von Leibesstrafen resultieren [...] sowie Relikte
medizinischer Aktivitäten der Nachrichter [...] oder auch Hinweise auf
Volksmedizin und Aberglaube" (ebd.). Der von der Richtstättenarchäologie
erforschte Zeitraum beginnt nach Aulers Definition somit erst "mit der
regelmäßigen Etablierung von Richtplätzen als ortsfeste Institutionen etwa im
13. Jahrhundert" und "endet mit der endenden Aufklärung um 1800" (ebd.). Hier
ist allerdings anzumerken, dass einige der in seinem Sammelband enthaltenen
Beiträge (etwa Dietrich Alsdorf, Marita Genesis, Andreas Motschi und Christian
Muntwyler) hinsichtlich ihrer behandelten Zeiträume durchaus in das weitere 19.
Jahrhundert streuen. Das Spektrum an vorgestellten Befunden bzw. Fundplätzen
sowie Boden- und Baudenkmalen umfasst dabei Beispiele aus weiten Bereichen
Mitteleuropas: Vertreten sind Dänemark, Deutschland, Österreich, Polen, die
Schweiz und Tschechien. Das Sammelwerk
"Richtstättenarchäologie" versteht sich als ein "Buch, das sich sowohl an die
Fachwelt als auch an interessierte Laien richtet" (Klappentext, ähnlich
auch im Vorwort) und in dem "vielerlei Aspekte des großen Themas angerissen
werden" sollen (S. 8). Entsprechend dieser Zielsetzung ist der
thematische Bogen weit gespannt. Er beginnt mit einer ausführlichen Vorstellung
älterer wie neuerer archäologischer Beobachtungen an Richtstätten. Darunter
finden sich sowohl frühe Fundmeldungen beispielsweise des 19. Jahrhunderts als
auch die Resultate jüngerer "Altgrabungen" und aktueller Projekte (Abteilungen I
bis III). Anschließend werden weitergehende Bereiche des Themas in teils
umfassendem Maße behandelt. Hier finden sich: "Regionale Betrachtungen zu
Richtstätten" (Abteilung IV), "Richtstätten und [physische] Anthropologie"
(Abteilung V) sowie "Historische Aspekte zu Richtstätten" (Abteilung VI).
Diese sechs Abschnitte bieten einen
bemerkenswert tiefen Ein- und breiten Überblick in bzw. über die
Richtstättenarchäologie, die in einer derartigen Konzentration und in einem
solchen Umfang bislang einmalig sind. Dass die Beiträge der ersten beiden
Abteilungen hauptsächlich aus bereits andernorts publizierten Resultaten
bestritten werden, mag als Doppelung gesehen werden. Ohne Zweifel nützt diese
Vorgehensweise jedoch dem Ziel einer Zusammenfassung möglichst vieler der
bislang im gewählten zeitlichen und räumlichen Rahmen erfolgten Untersuchungen
zum Thema in einer Publikation. Ein lobenswerter Ansatz, der Interessierten,
sowohl Fachwissenschaftler/innen wie auch Laien, den Zugang zur
Richtstättenarchäologie deutlich erleichtert - wurden entsprechende Arbeiten
bisher doch häufig genug in sehr verstreuten und oft auch schwer aufzuspürenden
Kontexten publiziert. Unter den enthaltenen Beiträgen finden
sich dabei nicht nur Vorstellungen einzelner archäologisch untersuchter
Richtstätten und deren regionaler, topographischer sowie rechtlichen Verortung.
Auch Untersuchungen einiger aus Schriftquellen bekannter Rechtsfälle, die teils
mit archäologischen Befunden in Zusammenhang gebracht werden konnten, sind
vertreten (so Alsdorf zum Himmelpforter Blutgericht). Hier zeigt sich eine
Stärke der historischen Methode der Richtstättenarchäologie, die exemplarisch
auch andere Gebiete der Historischen Archäologie zur Spezifizierung ihrer
Erkenntnismöglichkeiten heranziehen kann. Mehrere Beiträge erörtern archäologisch
wie auch historisch rechtliche Hintergründe des mittelalterlichen und
frühneuzeitlichen Strafvollzuges sowie seine Zusammenhänge mit dem
Abdeckereiwesen (Marita Genesis, Gisela Wilbertz). Auch Positionierungen
hinsichtlich der Möglichkeiten einer ergänzenden Nutzung der Methoden
verschiedener Natur- und Geisteswissenschaften finden sich in mehreren Arbeiten.
So erörtern Thomas Becker und Ursula Ullrich-Wick Potentiale von airborne laser
scanning, während Motschi und Muntwyler Resultate archäologischer,
anthropologischer und archäozoologischer Untersuchungen vorstellen. Dagegen
behandelt Evers in seinem Beitrag allgemein Darstellungen von Richtstätten in
zeitgenössischen Bildquellen, wobei er die Möglichkeiten entsprechender
Forschungen aufzeigt. Ebenfalls auf historischen Quellen fußen weiterhin auch
die Untersuchungen von Daniel Wojtucki zum Breslauer Rabenstein und Robert
Zagolla zur Rechtspraxis der Folter. Der Herausgeber Auler benennt es als
"Ziel der Archäologie [in der Erforschung von Richtstätten], mit den modernsten
wissenschaftlichen Methoden des Faches und in interdisziplinärer Zusammenarbeit
mit anderen geistes- und naturwissenschaftlichen Disziplinen die historischen
Quellen zu überprüfen und ergänzen" (S. 8). Allerdings ist hier kritisch
anzumerken, dass die Archäologie hier in die Rolle einer Hilfswissenschaft
gedrängt wird, die die Schriftquellen zwar korrigieren könne, jedoch kaum ohne
sie denkbar erscheint. Selbstverständlich ist eine historische Archäologie ohne
die Nutzung von erhaltenen Schriftquellen wenig sinnvoll, dennoch ist
entgegenzuhalten, dass sich die Archäologie mit ihren Methoden auch und gerade
jener Befunde annehmen kann und muss, deren Ursprünge eben nicht durch
Schriftquellen überliefert oder erklärbar sind. Die Arbeit mit historischen
Schrift- und Bildquellen im Kontext archäologischer Untersuchungen von
Richtstätten (wie allen anderen Befunden auch) sollte vielmehr die
archäologische Methode an sich optimieren helfen, um mit zunehmenden
interpretativen Potenzialen auch aus historisch schlechter dokumentierten
Überresten entsprechender Funde und Befunde weitergehende Schlüsse ziehen zu
können. Indes nutzen die enthaltenen Beiträge
die Archäologie und ihre Nachbarwissenschaften in der Regel gleichberechtigt und
auch in (gleicher) angemessener Weise kritisch - und dies nicht nur in jenen
beiden Abteilungen, in denen dies zu vermuten wäre (Abteilung V und VI zu
anthropologischen und historischen Aspekten). Dass ein solches Vorgehen sowie
die teils erfreulich deutlich formulierte Verortung der Archäologie als ein Teil
der Geschichtswissenschaften (so z.B. Wilbertz S. 523) eine klar definierte und
reflektierte eigene Methodik verlangt, versteht sich von selbst und findet sich
auch in den einzelnen Beiträgen wieder (so unter anderem Thies Evers; Gisela
Wilbertz). Denn sonst bestünde schließlich die Gefahr, dass unser Geschichtsbild
durch Zirkelschlüsse konstruiert würde, die auf Grundlage unreflektierter
gegenseitiger Übernahmen der jeweils opportun erscheinenden Ergebnisse von
Nachbarwissenschaften fußen. Die 34 Beiträge präsentieren in der
Gesamtschau die Resultate und Möglichkeiten einer in methodischer Hinsicht
interdisziplinär agierenden Geschichtswissenschaft, die jedoch technologisch wie
auch in Bezug auf die rein archäologischen Methoden der Grabung und Prospektion
bislang eher konservativ arbeitet. Dies ist sicher nicht zuletzt auf die
angespannte finanzielle Situation zurückzuführen, innerhalb derer der hier
aktiven Archäolog/innen gezwungenermaßen agieren müssen. So war eben leider
nicht immer beispielsweise eine Prospektion des jeweiligen Untersuchungsgeländes
mittels airborne laser scanning möglich - wie glücklicherweise der Fall bei dem
von Becker und Ullrich-Wick beschriebenen Projekt. Kritisch anzumerken sind einige
redaktionelle Schwächen. So ist etwa die inhaltliche Untergliederung in
Themenbereiche grundsätzlich gut und sinnvoll, die Zuordnung einzelner Beiträge
kann jedoch nur mühsam nachvollzogen werden. Beispielsweise wäre Wojtuckis
praktisch vollständig auf Schrift- und Bildquellen fußender Beitrag zum
"Breslauer Rabenstein und Hochgericht" aus Abteilung IV (Regionale Betrachtungen
zu Richtstätten) in Abteilung VI (Historische Aspekte zu Richtstätten)
vermutlich besser aufgehoben. Ferner scheint der Publikationsstand von
Grabungsergebnissen, sprich: eine entweder bereits erfolgte oder aber noch nicht
erfolgte Veröffentlichung, den definitorischen Unterschied zwischen Abteilung II
(Altgrabungen an Richtstätten) und III (Aktuelle Untersuchungen an Richtstätten)
zu begründen. Darüber hinaus sind die Abbildungen häufig zu klein geraten
und/oder von zu schlechter Qualität. Letzteres gilt insbesondere für die
zahlreichen enthaltenen Tabellen, deren Lesbarkeit darunter teils deutlich
leidet. Schließlich finden sich auch immer wieder Rechtschreib- und
Zeichensetzungsfehler. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass
das betrachtete Werk dem vom Herausgeber gewählten Anspruch, eine inhaltlich
ebenso informative wie umfassende und zudem gut lesbare Darstellung zur
Richtstättenarchäologie zu bieten, vollauf gerecht wird. Die genannten formalen
Mängel sind dabei keinesfalls zu hoch zu bewerten, sollten sie doch im Rahmen
einer Neuauflage zweifelsohne problemlos zu bereinigen sein. In einem solchen
Kontext wäre schließlich eine Erweiterung im Sinne einer auch methodologisch
umfassenden Betrachtung wünschenswert. Dies könnte beispielsweise in Form eines
einleitenden Kapitels erfolgen, das die im Vorwort angeführten und in den
einzelnen Beiträgen durchaus angewandten methodischen Grundlagen moderner
Archäologie auf Richtstätten zusammenfassend darlegt und erläutert. Ein solches
würde den insgesamt schon sehr guten Eindruck, den der vorliegende Sammelband
hinterlässt, zweifelsohne abrunden.
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Beitrages |
Date: 2010/02/12 21:47:52
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Salü, das Programm für die das diesjährige Seminar "Vertiefende Familienforschung" auf Schloß Dhaun am Wochende des 17. auf 18. April 2010 steht fest. Der amerikanische Familienforscher John T. Humphrey kommt aus den USA nach Schloß Dhaun, um uns zu zeigen, wie die Amerikaner Familienforschung betreiben. Dazu paßt ideal ein Vortrag, den der amerikanische Historiker Philipp Otterness im vergangenen Sommer in Kaiserslautern über die erste Massenauswanderung gehalten hat; unser Seminarleiter Roland Geiger hat den Vortrag übersetzt und wird ihn exklusiv auf Schloß Dhaun vorlesen. Helmut Schmahl ergänzt das Thema mit einer Untersuchung des Auwandererthemas auf Mythos und Realität. Auch der Vortrag von Sylvie Tritz aus Saarbrücken hat es in sich: sie spricht über Generationenbewußtsein und -konflikte im Mittelalter. Zum Thema "alternative Quellen" gibt es gleich zwei Vorträge. Johannes Naumann spricht über die freiwillige Gerichtsbarkeit im 17. und 18. Jahrhundert im Bereich des Klosters Tholey im Saarland, Hans-Joachim Kühns Vortrag über spätmittelalterliche Rechnungen aus dem Westrich und vom Hunsrück geht noch ein bißchen weiter zurück. Günther Paulus beschäftigt sich mit einem genealogischen Lokalmathador, Oskar Penningroth, aus Kirn. Bereits im vergangenen Jahr gut bewährt haben sich die Übungen im Lesen alter Urkunden, denen wir dieses Jahr auch wieder eine Doppelstunde widmen. --------------------------- Das Programm: Samstag, 17. April 2010 09.15 Uhr Begrüßung und Vorstellung 10.00 Uhr "Um Deutsche zu werden". Über die Massenauswanderung von 1709. Philipp Otterness (vorgetragen von Roland Geiger) 11.00 Uhr Die deutsche Auswanderung in die USA: Mythen und Realität Helmut Schmahl 12.00 Uhr Mittagspause 13.30 Uhr Paläographische Übungen Hans-Joachim Kühn 15.30 Uhr Kaffeepause 16.00 Uhr Familienforschung aus amerikanischer Sicht John T. Humphrey 17.00 Uhr Die freiwillige Gerichtsbarkeit als Quelle der Familienkunde für das 17. und 18. Jahrhundert im Raum Tholey Johannes Naumann 18.00 Uhr Abendessen anschließend gemütliches Beisammensein Sonntag, 18. April 2010 10.00 Der Kirner Familienforscher Oskar Penningroth und seine Arbeit Günter Paulus 11.00 Uhr Generationenbewußtsein und -konflikte im Mittelalter Sylvie Tritz 11.00 Uhr Spätmittelalterliche Rechnungen aus dem Westrich und vom Hunsrück als familienkundliche Quelle Hans-Joachim Kühn 12.00 Uhr Mittagessen Ende des Seminars ------------------------------- Teilnehmerbeitrag: € 115,00 (für Übernachtung von Samstag auf Sonntag inkl. Mittagessen, Nachmittagskaffee, Abendessen, Frühstück am Sonntag ohne kalte Getränke inkl. Teilnahmegebühren am Seminar) Bei Anreise am Freitag zusätzlich € 40,00 (für Übernachtung mit Frühstück) Ohne Übernachtung: € 85,00 ------------------------- Anmeldungen bitte direkt an Frau Miehlitz Schlossakademie Schloß Dhaun 55606 Hochstetten-Dhaun Tel. 06752/93840, Fax 06752/3837, Email info(a)schlossdhaun.de oder an mich: rolgeiger(a)aol.com. Mit freundlichen Grüßen Roland Geiger, St. Wendel |
Date: 2010/02/13 18:56:07
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Hallo,
heute habe ich wieder eine Einladung seitens des Kommandos 2.
Luftwaffendivision aus Birkenfeld erhalten. Im Rahmen des schon einige Jahre
währenden "Zeitgenössischen Forums" wird am Mittwoch, 3. März 2010, um 19 Uhr in
der Birkenfelder Luftwaffenkaserne der deutsche General Egon Ramms, Befehlshaber
des Allied Joint Force Command in Brunssum/NIederlande zum Thema "Die
ISAF-Mission in Afghanistan - Bilanz und Herausforderungen" sprechen.
Die Vorträge bei der Bundeswehr in Birkenfeld sind immer gut besucht und
meist - mit ganz wenigen Ausnahmen - mit hochkarätigen Rednern besetzt.
Die Veranstaltung findet wie immer im Club der Unteroffiziere und Offiziere
in der Heinrich-Hertz-Kaserne in Birkenfeld statt.
Um in die Kaserne mit dem Auto reinzukommen, sollten Sie sich bis 24.
Februar schriftlich anmelden:
Kommando 2. Luftwaffendivision
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Postfach 12 41 A
55760 Birkenfeld
Ich kann die Vorträge wirklich empfehlen - obwohl ich weiß, daß einige
Leute aus Prinzip niemals eine Kaserne betreten werden. :-)
Mit freundlichen Grüßen
Roland Geiger, St. Wendel
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Date: 2010/02/17 09:01:38
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Lebach. Der Buchhandlung Queißer ist es gelungen, zusammen mit der Levo-Bank und der Volkshochschule Lebach Klaus Brill aus Prag zu einem Abend nach Lebach zu gewinnen.
Sein Buch "Deutsche Eiche made in China" hat nach den vier Monaten des Erscheinens ein Fülle von Rezensionen und Diskussionen ausgelöst. Kaum einer kann das Saarland, seine Dörfer, seine Natur, seine Menschen, den Handel und Wandel so gut beschreiben und erklären wie Klaus Brill. Er stammt aus Alsweiler und ist als Reporter durch viele Dörfer und Städte gekommen.
So schreibt er nicht als Fremder, sondern mit dem Blick des Weitgereisten auf, was Globalisierung im Kleinen bedeutet. Das Buch des langjährigen Auslandskorrespondenten der "Süddeutschen Zeitung" macht nachdenklich und neugierig zugleich.
Die
Lesung findet am Donnerstag, 25. Februar, um 19.30 Uhr bei der Levo-Bank in der
Poststraße 1 in Lebach statt. Der Eintritt ist frei. red/kü
Anmeldung
unter der Telefonnummer (0 68 81) 25 73.
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Date: 2010/02/18 14:35:50
From: anneliese.schumacher(a)t-online.de <anneliese.schumacher(a)t-online.de>
Saarbrücker Zeitung Do, 18.02.2010
Gedenken an den Namensgeber
Cusanus-Tag am St. Wendeler Gymnasium
St. Wendel. Am Mittwoch, 24. Februar, findet am Cusanus-Gymnasium der erste Cusanus-Tag statt. Dieser Tag soll von nun an jedes Jahr begangen werden und an den Namensgeber Nikolaus Cusanus erinnern sowie an die von ihm übernommenen Wertvorstellungen, die den Alltag der Schulgemeinschaft prägen sollen. Dazu wurde ein Leitbild formuliert, das Bernhard Planz erläutern und zusammen mit dem Schirmherrn der Veranstaltung, Landtagspräsident Hans Ley, feierlich enthüllen wird. Als festrednerin spricht Sylvie Tritz zum Thema "Cusanus und St. Wendel".
Im Rahmen der Feierstunde werden Schüler mit dem Cusanus-Preis geehrt, die sich besonders für das schulische Miteinander engagiert haben. Thomas Loch trägt die Laudatio vor. Zudem werden die Jahrgangsbesten und Schüler, die bei den verschiedensten Schüler-Wettbewerben gewonnen haben, mit der Cusanus-Medaille ausgezeichnet. Den musikalischen Rahmen gestaltet die Big Band Urknällchen des Cusanus-Gymnasiums unter der Leitung von Ernst Urmetzer.
Die Veranstaltung ist öffentlich: Schulleiter Peter Reichert lädt Schüler, Eltern und Kollegen, Interessenten und Freunde der Schule herzlich ein.
Die Veranstaltung beginnt am Mittwoch, 24. Februar, um 19 Uhr in der Aula des Cusanus-Gymnasiums; Eintritt frei.
Date: 2010/02/21 21:49:59
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Salü,
heute bin ich auf der Suche nach der Übersetzung eines kurzen Textes vom
Englischen ins Deutsche auf das Sprachmodul von Google gestoßen, dessen Link ich
oben im Betreff angegeben habe.
Im Vergleich zu dem bisherigen Programm, das ich benutzt habe (Babelfish),
hat mich der Google-Übersetzer positiv überrascht. Klar, nacharbeiten muß man
immer, aber google bringt viele Wörter sogar richtig dekliniert oder konjugiert.
Und bisweilen kann ich ganze Sätze ohne große Korrekturen übernehmen.
Finde ich stark.
Roland Geiger
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Date: 2010/02/22 20:34:30
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
From: Georg Wagner-Kyora
<wagner-kyora(a)hist.uni-hannover.de> Schon allein die Vermittlung von
Basisinformationen, die der Sammelband für eine europäische Kriegserinnerung
bereit stellt, ist nützlich. So berichten Connelly/Goebel von der frühen, auf
eine dezidiert deutsch-britische Versöhnung ausgerichteten Konsensstrategie der
Domprobste aus Coventry, die erst in den 1970er-Jahren ihre international viel
beachtete Dimension einbüßte. Sie setzte bereits 1940, noch im Jahr der
Zerstörung, ein und sie konterkarierte weniger konsensfähige
Erinnerungsstrategien, wie etwa jene, dem viel geschmähten "Bomber-Harris" mit
einem Denkmal und einer großen Feier im Jahre 1992 doch noch zu verspätetem
Nachkriegsruhm zu verhelfen, was allerdings kläglich scheiterte.
In der Darlegung dieser weit
auseinanderliegenden erinnerungspolitischen Strategien zeigt sich die Breite des
Sammelbandes. Seine paradigmatische Leistung besteht darin, die lokale
Erinnerung an den Bombenkrieg einerseits im Umfeld der jeweiligen
zeitgenössischen Öffentlichkeiten genau zu lokalisieren, sie andererseits aber
auch im nationalgeschichtlichen Rahmen vergleichbar zu verankern. Beide Pole
belegen ein europäisches Gedenken an diese einschneidenden Kriegserfahrungen in
Permanenz. Sie können Gemeinsamkeiten aufzeigen, die unter vergleichbaren
identitätspolitischen Erwartungen entstanden. Aber sie betonen auch die sehr
unterschiedlichen Narrative und selbstverständlich auch die Unterschiede in der
militärischen und vor allem der politischen Situation während des Zweiten
Weltkrieges, die zu sehr unterschiedlichen erinnerungskulturellen Strategien der
Verarbeitung von Geschichte führen mussten. Die Beiträger des Sammelbandes grenzen
sich entschieden und souverän von Schuld- und Aufrechnungsgeschichten ab, wie
sie als publikumsträchtiges Störfeuer die öffentliche Erinnerungskultur an den
Bombenkrieg allerdings immer wieder stören. Sie markieren diese Überformung der
Erinnerungspolitik als ein kontinuierlich wirkendes politisches Hindernis in der
transnationalen Aufarbeitung der Kriegserfahrung als einen Gegenstand der
leidvollen lokalen, nationalen und auch der Europageschichte. Dies zeigt in
besonderem Maße der Beitrag über Frankreich. Michael Schmiedel analysiert die in
mehrfacher Weise politisch beanspruchte französische Erinnerungskultur zwischen
Resistance- und Vichy-Geschichte. Darin hatten die verstreuten Spuren einer
lokalen Erinnerung an den Bombenkrieg einen für die Bewohner zentralen
Kontrapunkt in einer ansonsten ausgeblendeten Gedächtniskultur gesetzt. Als
Pioniere der transnationalen Erinnerungspolitik traten schon 1960 die beiden
kriegszerstörten Städte Caen und Würzburg auf. Sie vereinbarten eine jetzt fünf
Jahrzehnte währende Städtepartnerschaft. Intentionale Grundlage wurde das
gemeinsame Erinnern an die Grauen der Zerstörung des Luftkrieges in den beiden
Städten. Es ermöglichte ein kontinuierliches Gedenken an die Toten. Erst diese
gemeinsame Erfahrung in der Bewältigung eines kollektiven Traumas erleichterte
den Zeitgenossen den vorurteilslosen Umgang mit den Vergleichsparametern der
Zerstörung und der Bevölkerungsverluste auf der lokalen Ebene. Er führte zu
einer früh antizipierten transnationalen und europäischen Erinnerungslandschaft
dieser Städte, die sich quer zu nationalgeschichtlichen Stereotypisierungen
entfaltete. Sie blieb allerdings nur auf ihre mental map beschränkt und strahlte
nicht oder doch erst mit einem großen Zeitüberhang in die jeweiligen
nationalgeschichtlichen Kontexte aus. Beispielhaft dafür ist der Aufsatz
Christioph Strupps über die Rotterdamer Erinnerungslandschaft. Er zeigt die
"Aktualisierung, Personalisierung und Europäisierung des Gedenkens" (S. 39) seit
den 1980er-Jahren auf und damit jene Orientierung auf über-nationale
Sinnstiftungen in der lokalen Kriegserinnerungskultur, welche die europäische
Erinnerungslandschaft heute mehr als früher prägt, ohne in eine gemeinsame
Identifikationssuche einzumünden. So wurden die Städte, gerade jene, welche im
Zweiten Weltkrieg besonders zerstört worden waren, zu den Zentren einer
interlokalen Versöhnungswelle - das ist ein zunächst widersprüchlich
erscheinender, aber durch die Aufarbeitung der lokalen Erinnerungskulturen jener
kriegszerstörten Städte doch erfreulich weit verbreiteter Befund des
Sammelbandes. Er drängt nicht die Tatsache an die Seite, dass die Verursacher
des Kriegsgeschehens allein auf deutscher Seite zu finden
sind. Schlägt man den Bogen, so wie es die
Herausgeber mit ihrer durchaus mutigen Vergleichsperspektive in die beiden
deutschen Teil-Identitäten tun, in das Herz einer zerklüfteten nationalen
Erinnerungskultur, entdecken wir als Leser die noch immer kriegsverschütteten
Bereiche lokalen Eigensinnes. Sie liegen leider auch und immer wieder in der
Bewahrung eines arkanen Erbes von Schuld- und Sühne-Rechthaberei, das in der
Negativ-Stereotypisierung wurzelt, die von alten nationalistischen Feindbildern
ausgeht. Kennzeichen dieser ideologischen Überformung war seit den 1950er-Jahren
der Versuch, spezifische nationalgeschichtliche Überhänge an moralischer
Persistenz des Heldenhaften zu schaffen. Solche Fehlleitungen sind aber allesamt
im Laufe der Jahrzehnte aus dem Rampenlicht verschwunden, zunächst in
Deutschland, aber auch in Frankreich und in Großbritannien (S. 63), in Italien
und in den Niederlanden ohnehin. Empirisch lässt sich das etwa an der
Institution der Hagener "Heldengedenkbücher" fassen. Darin sollten Bombenopfer
geehrt werden, um probate Aufrechnungen von Gewalt zu legitimieren (Ralf Blank).
Aber diese Engführung blieb in Westdeutschland ausschließlich auf die 1950er-
und 1960er-Jahre beschränkt und sie war schon damals nicht mehrheitsfähig.
Variantenreich war und ist der
eloquente britische "understatement" als ein Trivialisierungsimpuls (Mark
Connelly/ Stefan Goebel, S. 52), der sich zunächst in cineastischen und dann
auch haptischen Repräsentationen der Erinnerungskultur manifestiert hat.
Beispielsweise unternahm eine irische Brauerei im Jahr 2005 mit einer "Bottle of
Britain" einen Versuch, den Strang des kontinuierlichen Heldengedenkens der
"Few" (gemeint waren die erfolgreichen britischen Jagdflieger des Jahres 1940)
als eine identifikatorische Beigabe zum konsumerischen Genuss zu trivialisieren.
Letztlich scheiterte er aber an wütenden öffentlichen Protesten. Vorausgegangen
war allerdings bereits 2004 die symbolische Verschmelzung des Londoner
U-Bahn-Logos mit dem Farbenkranz der Royal Air Force (RAF) zu PR-Zwecken. Die
Autoren analysieren diese Propagandastrategie als einen sehr geglückten Versuch,
um in der Metropole einen breitenwirksamen, im historischen Bedrohungsgedächtnis
verankerten identitätspolitischen Konsens gegen die alltägliche al-Qaeida-
Terrorgefahr zu stiften. In Dresden (Thomas Fache) kulminierte
das Gedächtnis zum 60. Jahrestag in einer beinharten Konfrontation mit den dort
besonders virulent agierenden Neonazis um die diskursive Verfügung über den
öffentlichen Raum über das Medium gezielter geschichtspolitischer Provokationen.
Sie überschatteten im Übrigen selbst noch die Ausschreibung eines entsprechenden
Panels auf dem letzten Historikertag 2008, sollten also nicht ohne weiteres auf
die leichte Schulter genommen werden. Besonders an diesen Beispielen wird
ersichtlich, wie stark die Geschichtswissenschaft mit ihrer Grundlagenarbeit die
jeweiligen nationalgeschichtlichen Erinnerungspolitiken fundamental prägen kann
- und prägen muss. Noch immer agiert die deutsche Geschichtswissenschaft, das
zeigen die Beiträge über West- und Ostdeutschland, viel zu defensiv und zudem
auf der Basis unterschiedlicher erinnerungskultureller
Strömungen. Die Beiträge des Sammelbandes folgen
dem Programm, "Erinnerungen als Standort, Symbol- und Identitätspolitik" (S. 11)
aufzuspüren und damit einer methodisch vielversprechenden Neuausrichtung von
Kultur- und Raumgeschichte des Lokalen in ihrer diskursiven Erweiterung auf
Sinndeutungen und Erinnerungspolitik. In der Darstellung überwiegen allerdings
die eher konventionellen Methoden der narrativen Diskursgeschichte, mit deren
Hilfe die "Konjunkturen der Geschichtspolitik" in einer langfristigen
Erinnerungskultur dargestellt werden. Auch die Nachzeichnung transkommunaler
Erinnerungsnetzwerke bleibt in ihrem Ertrag eher begrenzt - wie der Sammelband
nahe legt einfach deshalb, weil es zu wenige davon gegeben habe.
Immer schon wurde die lokale von einer
nationalgeschichtlichen Kriegserinnerung überlagert. Zu klären bliebe also noch,
ob gerade in Westdeutschland mit seiner gering ausgeprägten Nationalperspektive
ein Überlappen der Lokalität in der Kriegserinnerung neue geschichtspolitische
Perspektiven eröffnet hat, während das in der DDR ja eigentlich nicht der Fall
gewesen sein konnte. Dann aber betont Klaus Neumann für Halberstadt, dass dort
schon 1980 der tonangebende Pfarrer die jüdischen Frauen, die am Morgen des 10.
November 1938 den Schutt der SA beräumten, als die "ersten Trümmerfrauen"
bezeichnet hat. Damit waren in der Tat sämtliche gewollten Bezüge der
Staatsgeschichtspropaganda über das heroische Opfergedenken der Zivilisten in
der DDR-Geschichtspolitik auf den Kopf gestellt worden, indem jüdische Opfer
rehabilitiert und in wünschenswerter Weise auch heroisiert wurden. Auf diese
Weise trägt der Sammelband dazu bei, die im Vergleich zu den Nachbarländern doch
immer noch besonders stark geschichtspolitisch überformte deutsche
Erinnerungslandschaft an den Zweiten Weltkrieg und das Bombenkriegstrauma
angemessen zu historisieren. Auch für Nürnberg berichtet Neil Gregor
von einem höchst verstörenden, aber auch nicht ganz einfach erklärlichen Befund,
nämlich davon, dass für das zentrale Bombenopfermahnmal für die 6.621 Nürnberger
Bombentoten Mitte der 1950er-Jahre die Steine der zerstörten Synagoge am Hans
Sachs-Platz verwendet wurden. Gregor kann letztlich nicht ganz genau erklären,
welche Motivationen sich hier überlagerten, beim "Vergraben der Verbrechen der
Vergangenheit" (S. 137) durch das Opfergedenken an die Bombentoten. In welcher
Weise disparate Intentionen der Memorialkultur, verquere Interessenlagen und
sogar gut gemeinte, aber auch dezidiert post-rassistische und neofaschistische
Überlagerungen eine Rolle spielten, kann wohl nur durch autobiographische und
oral history-Quellen zureichend erforscht werden. Auch dieses Themenfeld trägt
zunächst einmal Spuren des Unerklärlichen und des Fragmentarischen, welche in
der jeweiligen lokalen Erinnerungskultur auch bestehen bleiben müssen, solange
sie nicht durch die soziale Praxis verändert oder auch zum Gegenstand der
geschichtswissenschaftlichen Analyse wird. Malte Thiessen zeigt abschließend den
"engen Zusammenhang zwischen der Weitergabe des Luftkrieges und familiärer
Identität" (S. 302) auf, ein in der gegenwärtigen erinnerungspolitischen Debatte
besonders weiterführender Impuls der Quellenrecherche. Ihm und den anderen Beiträgerinnen und
Beiträgern dieses hervorragenden, konzeptionell und empirisch in überzeugender
Weise vergleichend angelegten Sammelbandes gelingt der Spagat, die Lokalität der
Erinnerungskultur mittels einer sensiblen Hermeneutik in ihrer Epoche machenden,
identitätsprägenden Bedeutung innerhalb ihrer jeweiligen nationalgeschichtlichen
Kontexte präzise in europäischer Perspektive zu verorten. |
Date: 2010/02/22 21:10:51
From: Stefan Reuter <stefan.reuter62(a)googlemail.com>
Date: 2010/02/23 11:43:38
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Über das Thema "Die pfälzische Gestapo" spricht Hans Kirsch aus Selchenbach
am Mittwoch, dem 3. März 2010, 19.30 Uhr, im Institut für pfälzische Geschichte
und Volkskunde in Kaiserslautern, Benzinoring 6. Der Eintritt ist
frei.
Zunächst werden die verschiedenen Schritte der Zentralisierung und Herauslösung der Politischen Polizei aus der allgemeinen Verwaltung beschrieben. 1937 errichtete dann der Reichsführer-SS, Himmler, eine zentrale Gestapo-Stelle für die Pfalz in Neustadt an der Weinstraße. Führungspersonal, Personalstärke und innere Gliederung werden dargestellt, anschließend die Entwicklung von der klassischen Politischen Polizei über das Repressionsinstrument eines diktatorischen Staates bis hin zur Weltanschauungsexekutive eines rassistischen Regimes. Auch die pfälzische Gestapo verhängte Schutzhaft, wies in Arbeitserziehungs- und Konzentrationslager ein, erpresste Aussagen durch Folter und ermordete Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene durch so genannte "Sonderbehandlung". Unterstützt wurde ihre Tätigkeit durch ein weit verbreitetes Denunziantentum. Hans Kirsch hat in den letzten Jahren zahlreiche Beiträge zur westpfälzischen und saarländischen Regionalgeschichte veröffentlicht, darunter 2007 das Buch "Sicherheit und Ordnung betreffend. Geschichte der Polizei in Kaiserslautern und in der Pfalz 1276 - 2006". |
Date: 2010/02/24 11:59:10
From: Heimatblaetter <Heimatblaetter(a)aol.com>
Vorstellung des neuen Merchweiler Heimatblatt Ausgabe 28 Am Dienstag 30.03.2010 im Nebenraum der Gaststätte der Allenfeldhalle in der Allenfeldstr. 66589 Merchweiler Die Präsentation beginnt um 19Uhr – ab 18Uhr hat unsere kleine Ausstellung mit alten Fotos, Karten und vieles mehr geöffnet. Berichte der neuen Ausgabe sind unter anderem: - Grenzen und Grenzzeichen - Die Christliche Arbeiterjugend - Gastarbeiter - Wo unsere Vorfahren Anfang des 19. Jahrhundert wohnten Und vieles mehr… Der kauf von alten Ausgaben ist an diesem Abend möglich Wir suchen für unser Archiv alte Fotos, Postkarten, Urkunden, Dokumente und ähnliches die direkt mit Merchweiler, der näheren Umgebung und seinen Bürgern zu tun haben - gerne auch als Kopie! Auf Ihr kommen freut sich der Arbeitskreis Merchweiler Heimatblätter Für Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung i. A. Susanne Backes |
Date: 2010/02/25 09:27:20
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Die Stiftung Demokratie lädt Sie ein zum Seminar! (Noch
freie Plätze) Einstieg in die Kommunalpolitik am 13.3.2010 (9.00 bis 16.30 Uhr) im Hofgut Imsbach, Theley Referent: Theo Staub, Bürgermeister der Gemeinde
Namborn Schriftliche Anmeldung erforderlich! (Teilnahme
kostenlos!) In diesem Seminar soll ein Bewusstsein für die Verantwortung,
aber auch für die Gestaltungsmöglichkeiten geschaffen werden, die jeder
übernimmt, der in ein kommunales Gremium gewählt wird und das Mandat annimmt.
Über dieses Grundseminar in Kommunal- und Haushaltsrecht, das sich mit lokaler
Demokratie als Grundpfeiler unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung
beschäftigt, werden die Seminarteilnehmer mit der Grundstruktur des
Kommunalselbstverwaltungsgesetzes (KSVG) und der Kommunalhaushaltsverordnung
(KommHVO) bekannt gemacht. Ferner lernen die Seminarteilnehmer, was sie als
Ratsmitglied müssen, dürfen und können, und welche Chancen und Risiken sich aus
der Funktion als in eine Fraktion eingebundenes Ratsmitglied ergeben und wie Sie
die Finanzsituation ihrer Gemeinde ohne großen Zeitaufwand erkennen können. Der
Abschluss eines jeden Blockes bildet ein kleines Planspiel, in dem die
Seminarteilnehmer das Erlernte praxisbezogen umsetzen können. Inhalte:
Anmeldung an: Stiftung Demokratie Saarland, Karoline Bommersbach,
Bismarckstr. 99, 66121 Saarbrücken, Tel: 0681/90626-19, Fax 0681/90626-25 E-mail: k.bommersbach(a)stiftung-demokratie-saarland.de Web: www.stiftung-demokratie-saarland.de |