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2023/12/20 14:23:52 Christa Lippold Re: [Regionalforum-Saar] ein Gedicht aus Tholey aus der Zeit der Vakanz |
Datum | 2023/12/23 13:58:43 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Gesetzkunde zur Erleichterung der Todeserklärungen der aus den Kriegen von 1805 bis 1815 nic ht zurückgekehrten Personen. |
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2023/12/03 10:00:30 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Zoom Vortrag Franklin D. Rooseve lt - Entscheidungsträger im Zweiten Weltkrieg |
Betreff | 2023/12/26 10:33:08 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] „Stadterfahrungen“: Historischer Stadtführer durch St. Ingbert |
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2023/12/20 13:07:03 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] ein Gedicht aus Tholey aus der Zeit der Vakanz |
Autor | 2023/12/23 13:58:43 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Gesetzkunde zur Erleichterung der Todeserklärungen der aus den Kriegen von 1805 bis 1815 nic ht zurückgekehrten Personen. |
Date: 2023/12/21 21:52:51
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
„Helden“ der Vergangenheit?. Zum Elend der
Traditionspflege
in der Bundeswehr
Rolf Johannesson – Paul von Hindenburg – Erwin Rommel
Herausgeber Knab, Jakob
Reihe Schriftenreihe Geschichte & Frieden
Erschienen Bremen 2023: Donat
Verlag
Anzahl Seiten 288 S.
Preis € 19,80 ISBN
978-3-949116-18-6
Rezensiert für den Arbeitskreis Historische
Friedens- und
Konfliktforschung bei H-Soz-Kult von:
Reinhold Lütgemeier-Davin, Kassel
Fünf Beiträger, kritische Militärhistoriker und Aktivisten, die
für eine
tragfähige, moralisch verantwortungsvolle, demokratische
Erinnerungspolitik
eintreten. Ihr Motiv und die Notwendigkeit ihres Engagements sind
einem Foto
auf Seite 275 zu entnehmen: In der Aula der Marineschule Mürwik,
Ausbildungsort
für Offiziersanwärter, befinden sich auf zwei Ehrensockeln links
und rechts
einer Pforte – geradezu auf Augenhöhe – zwei Büsten von
Persönlichkeiten, wie
sie in ihrer politischen Haltung unterschiedlicher kaum sein
können; Täter und
Opfer in völkisch-reaktionärer Einfalt oder geschichtspolitischem
Zynismus
vereint. Der eine, Admiral Rolf Johannesson, als willfähriges
Instrument einer
unbarmherzigen NS-Marinejustiz bis in die letzten Tage des Zweiten
Weltkrieges
tätig und für Todesurteile gegen Soldaten und Zivilisten
verantwortlich; der
andere, Korvettenkapitän Alfred Kranzfelder, als Beteiligter am
Attentat vom
20. Juli 1944 in Plötzensee gehängt.
Unter diesen widersprüchlichen Vorzeichen sollen Soldaten der
Bundeswehr mit
Traditionen vertraut gemacht werden, die einem demokratischen
Staat
entsprechen, so wie es der Traditionserlass vom März 2018
vorschreibt: „Der
verbrecherische NS-Staat kann Tradition nicht begründen. Für die
Streitkräfte
eines demokratischen Rechtsstaates ist die Wehrmacht als
Institution nicht
traditionswürdig. […] Die Bundeswehr ist freiheitlichen und
demokratischen
Zielsetzungen verpflichtet. Für sie kann nur ein soldatisches
Selbstverständnis
mit Wertebindung, das sich nicht allein auf professionelles Können
im Gefecht
reduziert, sinn- und traditionsstiftend sein.“[1]
Der Streit um die widersprüchliche Drapierung eines Ortes für die
Ausbildung
zukünftigen militärischen Führungspersonals dürfte symptomatisch
für den Streit
über Grundsätze der Erinnerungspolitik der Bundeswehr sein – ein
nicht zum Ende
gekommenes Ärgernis, ja ein Skandalon. Die Klärung der Grundsätze
einer
Erinnerungspolitik in einem demokratisch strukturierten Staat, den
politisch
und militärisch Verantwortliche nicht auflösen wollen, ist aber
zwingend geboten.
Die Autoren des hier vorzustellenden Sammelbandes setzen sich mit
wissenschaftlicher Expertise und zivilgesellschaftlichem
Engagement für die
Namensgebung von Kasernen nach Persönlichkeiten ein, die wirklich
traditionswürdig sind. Außerdem kritisieren sie Namensgebungen
nach Personen,
die nachweislich den Nationalsozialismus massiv unterstützt,
hiervon beruflich
profitiert, den Vernichtungskrieg gefördert und ihre Beteiligung
an Verbrechen
gegen die Menschlichkeit nach 1945 geleugnet, verschleiert oder
beschönigt
haben. In dem Band wird maßgeblich an drei Beispielen
nachgewiesen, dass sich
die Bundesrepublik vielfach auf Täter berief, Kasernen nach
Nazigrößen benannte
und maßgebliche Bundeswehrgeneräle ungebrochen auf in der
Tradition des
preußisch-deutschen Militarismus stehende kriegerische „Helden“
der Nazi-Zeit
setzen. Sie kämpfen mit wissenschaftlichen und
öffentlichkeitswirksamen Mitteln
gegen Beharrungskräfte in Politik und Militär an, die – vom
Schwertglauben
geprägt – die Legende von der prinzipiell sauberen Wehrmacht
perpetuieren und
einem Soldatentyp das Wort reden, der sich als willfähriger
Kämpfer
instrumentalisieren lässt. Sie bieten zugleich seriöse
Argumentationshilfe für
jene in der Bundeswehr an, die sich eine an den Grundsätzen eines
demokratischen Staates orientierte Armee wünschen.
Insbesondere der Münchner Militärhistoriker Detlef Bald weist in
zwei profunden
Aufsätzen detailliert und überzeugend nach, dass Rolf Johannesson,
ein
Bewunderer Ludendorffs, im Zweiten Weltkrieg aktiv und effektiv
die
nationalsozialistische Vernichtungspolitik unterstützt hat, beim
Einsatz von
Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen beim Bau des U-Boot-Bunkers
„Valentin“ in
Bremen-Farge sowie als willfähriges Werkzeug des
nationalsozialistischen
Vernichtungskrieges dienstbar war, als Gerichtsherr gegenüber
Menschen des
Widerstands, als militärischer Sachverständiger beim
Volksgerichtshof sowie bei
Militärgerichten unbarmherzig urteilte und handelte. Nach 1945
verdrängte
Johannesson seine Mitverantwortung im Dienst der Marine für das
Elend der
Zwangsarbeiter und der ihm untergebenen Marinesoldaten. In seinen
Memoiren
beschönigte und vernebelte er seine Taten. Selbst in der Rückschau
missbilligte
Johannesson den Widerstand gegen Hitler als unverzeihlichen
Treuebruch. Er
bezweifelte die Rechtlichkeit der Verurteilung von
Kriegsverbrechern aus den
Reihen der Wehrmacht und propagierte ein historisch überholtes
Soldatenbild,
das er aus der griechischen Antike (Sparta) und dem Preußentum
herleitete.
Gestützt von „alten Kameraden“ und seiner Taktik, sich als
„Nur-Militär“ zu
inszenieren, wurde Johannesson zwischen 1957 und 1961 Befehlshaber
der
Bundesmarine, stilisierte sich selbst zum Gegner des
Nationalsozialismus sowie
als „Mustergeneral“.
Der Herausgeber des Bandes, Jakob Knab, ist die entscheidende
Antriebskraft, um
öffentlichkeitswirksam jene in Politik, Bürokratie und Militär
unter
Rechtfertigungszwang zu setzen, die sich gegen eine demokratische
Erinnerungspolitik sperren und an der vermeintlich fortbestehenden
Traditionswürdigkeit
von Nazi-Größen festhalten wollen. Die Widerstände gegen eine
Erinnerungspolitik im demokratischen Geist machen deutlich, dass
es ohne
zivilgesellschaftliches Engagement mit Durchhaltevermögen
unmöglich bleibt, der
unsäglichen Bewahrung von antidemokratischen, der Menschenwürde
widersprechenden Vorbildern für die Bundeswehr Einhalt zu
gebieten.
Im Fall Johannesson zeigt sich freilich, dass historische
Aufklärung
bestenfalls langfristig Erfolg zeigt, dass der Widerstand von
Seiten der Militärbürokratie
und Teilen der Generalität beachtlich ist. Traditionalisten und
Reformer stehen
sich vielfach unversöhnlich gegenüber. Durch wissenschaftlich
fundierte
Expertisen liefern die Autoren des Bandes jenen in der Bundeswehr
Argumentationshilfen, die von einer demokratischen
Erinnerungskultur überzeugt
sind.
Weitere Beispiele stellen die Fälle Hindenburg und Rommel dar.
Nach Hindenburg
sind bis in unsere Tage Kasernen und Straßen benannt[2], obgleich er als General
im Ersten
Weltkrieg für eine Strategie der verbrannten Erde in
Nordfrankreich
verantwortlich zeichnete, als Vater der Dolchstoßlegende zur
Destabilisierung
der Weimarer Republik beigetragen und als Reichspräsident Adolf
Hitler zum
Reichskanzler ernannt hat. Das ficht Traditionalisten mit
rückwärtsgewandtem Heldenkult
im Militär nicht an: sie wollen sich partout von ihrem Idol nicht
distanzieren
(Beitrag von Helmut Donat).
Nicht viel anders ist das bei Hitlers Lieblingsgeneral, dem
sogenannten
„Wüstenfuchs“ Erwin Rommel – verantwortlich für extrem
verlustreiche Schlachten,
völkerrechtswidrige Befehle und einen verlustreichen Minenkrieg.
Der
renommierte Freiburger Militärhistoriker Wolfram Wette gelangt
über ihn zu
einem eindeutigen Urteil: „Mit den Werten unseres Grundgesetzes,
insbesondere
mit dem zentralen Friedensgebot, hat die Welt der ‚Kasernenhöfe
und
Schlachtfelder‘ nichts gemein. […] Die Werteorientierung unseres
Grundgesetzes
ist eine andere. Rommel liegt außerhalb unserer Zeit, ja
gegenläufig zu ihr.
Wir schulden ihm nichts, nicht innerhalb des militärischen Milieus
und schon
gar nicht außerhalb, im Bereich der Erinnerungskultur unserer
Zivilgesellschaft.“ (S. 203) Dieses Urteil gilt erst recht in der
sogenannten
„Zeitenwende“: Unser Grundgesetz verpflichtet uns, „dem Frieden
der Welt zu
dienen“, geht also von einer Pflicht zur aktiven Friedenspolitik
aus. Der
Ernstfall ist nicht der Krieg, sondern der Frieden.[3]
Jakob Knab und seine Mitstreiter mahnen an, dem aktuellen
Traditionserlass der
Bundeswehr endlich zu genügen. Nur einem meinungsstarken
Protestpotential aus
der Zivilgesellschaft ist es zu verdanken, dass es trotz aller
Widerstände zu
zahlreichen Umbenennungen von Kasernen gekommen ist. Diese
Initiativen haben
Vorschläge zur Reform eines völkisch-nationalistischen
Traditionsverständnisses
gemacht und die hartnäckige Militärbürokratie unter
Entscheidungsdruck gesetzt.
Es ist zu hoffen, dass die Argumente einer dem Friedenserhalt
verpflichteten
Wissenschaft gegen die Traditionswürdigkeit eines Rolf Johannesson
und anderen,
wie in diesem Buch und andernorts unterbreitet, endlich zu einem
positiven,
nachhaltigen Ergebnis führen.
Anmerkungen:
[1] Bundeswehr, Die Tradition der
Bundeswehr.
Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege,
in:
Bundesministerium der Verteidigung, 28.03.2018, https://www.bmvg.de/resource/blob/23234/6a93123be919584d48e16c45a5d52c10/20180328-die-tradition-der-bundeswehr-data.pdf
(05.12.2023).
[2] Zu aktuellen Debatten über
Hindenburg siehe
zum Beispiel Helmut Donat, Wider den fragwürdigen Umgang mit der
Vergangenheit.
Theodor Lessing und die Umbenennung der Hindenburgstraße in
Hannover, Bremen
2022; Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt – Stadtarchiv
(Hrsg.),
Streitsache Straßennamen. Eine Dokumentation des
Umbenennungsprozesses in
Darmstadt 2013–2022, Darmstadt 2023.
[3] Siehe hierzu auch Wolfram
Wette, Ernstfall
Frieden. Lehren aus der deutschen Geschichte seit 1914, Bremen
2017.
Zitation
Reinhold Lütgemeier-Davin, Rezension zu: Knab, Jakob (Hrsg.):
„Helden“ der
Vergangenheit?. Zum Elend der Traditionspflege in der Bundeswehr.
Bremen 2023 ,
ISBN 978-3-949116-18-6, In: H-Soz-Kult, 22.12.2023, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-137896>.