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2015/05/08 08:54:22
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Ein Ende wurde zum Neuanfang
Datum 2015/05/09 09:54:08
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Vortrag über Auswanderungen am Dienstag, 26.05.2015


Betreff 2015/05/05 22:07:32
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] auf dem Friedhof, aber nicht im Standesamt
2015/05/08 08:54:22
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Ein Ende wurde zum Neuanfang
Autor 2015/05/09 09:54:08
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Vortrag über Auswanderungen am Dienstag, 26.05.2015

[Regionalforum-Saar] über den Künstler Albert Weisgerber, der am Sonntag vor 100 Jahren starb

Date: 2015/05/08 08:56:19
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heute in der SZ:
 

Künstlerseele und Kriegseiferer

Paul Burgard über den Soldaten Albert Weisgerber, der am Sonntag vor 100 Jahren starb

Am Sonntag jährt sich der Tod Albert Weisgerbers zum 100. Mal. Er starb im Kugelhagel britischer Maschinengewehre an der Westfront. Damit, dass der 1878 in St. Ingbert geborene Künstler nicht nur ein großer Vertreter der Münchner Moderne war, sondern auch ein Kriegsbefürworter, der im selben Regiment wie Adolf Hitler kämpfte, tun wir uns bis heute schwer, sagt der Historiker Paul Burgard vom Saarländischen Landesarchiv. SZ-Redakteur Johannes Kloth hat mit ihm gesprochen.

Sie nähern sich Albert Weisgerber in Aufsätzen über die Umstände seines Todes. Warum?

Burgard: Weisgerber fiel im Ersten Weltkrieg an der Westfront – wie viele Soldaten, auch Künstler. Die „heroische“ Art allerdings, mit der er in den Tod ging, ist ungewöhnlich. Und sie irritiert heute viele, da sie nicht zu dem passt, was wir uns unter einer Künstlernatur vorstellen. Heute gilt – gerade unter Künstlern – der Pazifismus als selbstverständliche Grundvoraussetzung für das Leben. Weisgerber aber hat nicht nur den Krieg bejaht, er hat auch militärisch Karriere gemacht.

Man kann also kaum von Naivität sprechen, mit der die Kriegseuphorie der Künstler im Ersten Weltkrieg ja oft erklärt wird.

Burgard: Aus heutiger Sicht wird oft gefragt: Wie konnten Künstler nur so blind sein? Man sucht Erklärungen, die zur heutigen politischen Kultur passen, und landet so schnell bei Erklärungsmodellen wie Verführung oder Ähnlichem. Wir dürfen aber nicht unsere moralischen Wertmaßstäbe ansetzen, sondern müssen den historischen Kontext verstehen lernen und von dort zu einer Interpretation kommen. In dieser Zeit war eine Art „heroische Kultur“ die Normalität.

Auch im Künstler-Umfeld, in dem sich Weisgerber bewegte?

Burgard: Ja, die haben Nietzsches Vorstellung vom „Herrenmenschen“ genau gelesen. Wenn man die Schriften und Briefe von Franz Marc liest, sieht man, dass die Idee von einer „Reinigung“ der Menschheit weit verbreitet war.

Sie beschreiben, wie sich Weisgerbers Biografie mit der Adolf Hitlers kreuzt: An der Westfront waren sie im selben Regiment. Ist das nicht reiner Zufall? Warum ist das von Bedeutung?

Burgard: Ich habe mich gefragt, warum sich viele Menschen heute mit der Vorstellung schwer tun, dass diese Begegnung stattgefunden hat. Es hat wohl damit zu tun, dass der Name Hitler in den Augen mancher einen so großen Schatten auf Weisgerber wirft, dass er den Künstler in gewisser Weise desakralisiert. Was natürlich Unsinn ist. Der verschämte Umgang hindert uns daran, zu sehen, wer Weisgerber auch war. Er hindert uns daran, zu verstehen, dass zwei so unterschiedliche Figuren wie Hitler und Weisgerber letztlich in ähnlichem kulturellen Klima sozialisiert werden konnten. Und er hält die Fiktion aufrecht, der Nationalsozialismus wäre uns gewissermaßen als „Heimsuchung“ von einem anderen Stern geschickt worden. In Wirklichkeit entstand er in der Mitte der Gesellschaft.

Erstmals könnten sich die beiden 1913 in München über den Weg gelaufen sein, wo Weisgerber seit 1894 lebte.

Burgard: Ja, beide führten dort auf ihre Weise Künstlerexistenzen. Hitler zog aus dem ihm verhassten Wien nach München, wo er gerne Anerkennung als Künstler gefunden hätte, die ihm aber versagt blieb. Er schlug sich als Architekturmaler durch. Wie Weisgerber war er wohl auch viel in Cafés unterwegs, allerdings waren das nicht die Cafés der Künstlerischen Avantgarde.

1914 zogen beide in den Krieg.

Burgard: Da Weisgerber schon Wehrdienst geleistet hatte, wurde er als Reservist eingezogen, Hitler gehörte zu den Freiwilligen. Anders als Weisgerber war Hitler nur relativ kurz im Schützengraben, ab 9. November 1914 wurde er zum Meldegänger. Weisgerber wurde Zugführer, Anfang 1915 Offiziersanwärter und dann Kompaniechef. Ab März sind dann beide in der gleichen Kompanie. Die letzten Wochen seines Lebens ist Weisgerber also formal Hitlers Vorgesetzter.

Am 2. Dezember 1914 erhalten beide das Eiserne Kreuz.

Burgard: Hitler schrieb, dies sei der „größte Tag seines Lebens“. Auch Weisgerber fühlte sich sehr geehrt. Wenige Wochen später waren Weisgerber und Hitler auch dabei, als die Soldaten in den Kellerräumen eines halb zerstörten Klosters den Heiligabend feierten.

Weisgerber hörte mit dem Eintritt in den Krieg auf, zu malen. Was sagt das über ihn?

Burgard: Die Künstler, die in den Krieg zogen, haben dies unterschiedlich verarbeitet. Manche konnten nicht mehr malen, andere malten, um zu verarbeiten. Dass Weisgerber sich vornahm, nicht zu malen und es tatsächlich nicht tat, ist außergewöhnlich. Man könnte es so interpretieren, dass er für den Kampf aus Pflichtgefühl heraus seine „Künstlerexistenz“ ablegte. Oder umgekehrt: Er wusste, dass er für die Kunst eine Kraft bräuchte, die er nicht hatte. Sicher ist: Er nahm seine Rolle als Soldat sehr ernst.

Paul Burgards Aufsatz „Der Maler und das Monster“ ist erschienen in der aktuellen Ausgabe der „Saargeschichten“ (Edition Schaumberg).