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2014/03/17 13:20:23 Rolgeiger [Regionalforum-Saar] Werner Martin |
Datum | 2014/03/22 10:05:38 Rolgeiger [Regionalforum-Saar] als stiller Beobachter im Bundestag |
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2014/03/15 14:24:21 Hermann Scheid Re: [Regionalforum-Saar] Einladung zur Fotoausstellung am 16. März 2014 in Eitzweiler |
Betreff | 2014/03/23 19:14:09 Gerald und Sabine Linn Re: [Regionalforum-Saar] gestern abend in Alsweiler |
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2014/03/17 13:20:23 Rolgeiger [Regionalforum-Saar] Werner Martin |
Autor | 2014/03/22 10:05:38 Rolgeiger [Regionalforum-Saar] als stiller Beobachter im Bundestag |
Date: 2014/03/22 10:01:59
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...
Guten Morgen,
wissen Sie, wie das ist, wenn man
einen Vortrag hält? Sie bereiten sich vor, schreiben Ihren Text, den Sie
vorlesen wollen (sofern Sie es nicht in freier Rede tun), stellen fest, der ist
viel zu lang, also muß er gekürzt werden. Sie stellen die Folien in Powerpoint
zusammen – mit den Fotos, die Sie zeigen wollen. Wenn das Ganze dann fertig ist, dann
steht Ihr Konzept, und der Vortrag selber kann kommen. Ihre Zeit können Sie
exakt oder phi-mal-daumen abschätzen. Dann kommt der Moment der Wahrheit –
Beamer und Schlapptop sind gestöpselt, die Leitung steht, die Farben stimmen so
halbwegs, der Knöpfchendrücker am Computer ist instruiert. Sie werden
vorgestellt (oder auch nicht), und los geht’s. Jetzt heißt es: Sie und die da vor
Ihnen. Vierzig Gesichter schauen Sie an, regungslos, teilnahmslos, neutral. Sie
gegen den Rest der Welt. Kaum eine Reaktion kommt während des Vortrages. Ein
unmittelbares Feedback (sprich: „Fiedbeck) erhalten Sie nur, wenn die Leute dort
lachen, wo sie lachen sollen – falls Sie den Witz verstehen, hm, sobald sie den
Witz verstehen. Das ist kein Desinteresse, diese
Reglosigkeit. Das ist gespannte Erwartung. Die drückt sich bei jedem anders aus
– aber meistens in m ernstem Gesicht und neutraler, eher ablehnender Haltung. Im
Sitz vergraben, die Arme vor der Brust verschränkt (wo sollen sie auch sonst
hin?), mal abwarten, was da kommt. So ging es mir – mal wieder – gestern
abend in Alsweiler während der Veranstaltung, in der u.a. das neue Buch „Die
Nazis aus der Nähe“ vorgestellt wurde. Ich dachte jedenfalls, da ginge es um die
Buchvorstellung. Aber es ging um viel mehr. Das Programm begann um kurz nach 7:
=> Eine Begrüßung durch Marpingens
Bürgermeister Werner Laub => Ein Wort zur
Wendelinus-Stiftung, stark vorgetragen von Frau Eckert. Die Stiftung finanziert
die Verteilung des Buches „Die Nazis aus der Nähe“ an Schulen im Landkreis.
=> Eine Einführung zum Thema des
Abends durch Klaus Brill, erstaunlicherweise in Hochdeutsch
:-) => Dr. Inge Plettenberg aus
Saarbrücken hält einen Vortrag über Zwangsarbeiter im Allgemeinen und die im St.
Wendeler Land im Speziellen, der die meisten Zuhörer völlig überforderte. Das
lag m.E. nicht an Inge, sondern daran, daß hier ein Thema vorgesetzt wurde, über
das die meisten kaum etwas gehört hatten und das bisher fast völlig
totgeschwiegen wurde. Über Menschen, die gegen ihren Willen und ohne Erklärung
in ein fremdes Land verschleppt wurden, wo sie für ihre Entführer Sklavenarbeit
leisten mußten. In einer Zeit, die viele der Zuhörer gestern abend noch aktiv
erlebt hatten. Manche mögen sich an die Menschen erinnert haben, die bei ihnen
lebten. Und waren nicht wenig erstaunt, wie es jenen erging, denen es doch bei
ihnen sooo schlecht nicht ging. Ein verstörender Vortrag, verstörende Bilder,
verstörende Fakten. Leider war der Vortrag zu lange geraten.
=> Dem schloß sich eine
Podiumsdiskussion an, die vielen Anwesenden nichts sagte, die sie nicht erwartet
hatten, und die noch dazu völlig aus dem Ruder ging. Moderator Klaus Brill hatte
alle Mühe, die beiden Hauptkontrahenten Werner Laub und Eberhard Wagner zu
bändigen. Vor allem letzteren. Wagner sah eine Chance, die Ziele seines Vereins
„wider das Vergessen und gegen Rassismus“ vorzustellen, und nutzte diese
weidlich aus. Er wetterte, nicht gegen das neue Buch, sondern den Umstand, daß
seinem Buch vor sechs Jahren nicht diese öffentliche Aufmerksamkeit zu teil
wurde. Brills Versuche, ihn zum Thema zurückzubringen, scheiterten. Das Publikum
blieb dazu nicht sprachlos. Man kam zurück zum Thema. Das Thema war eigentlich ein Fremdarbeiter, dessen
richtigen Namen keiner kennt, der vermutlich aus der Ukraine stammte, vielleicht
aber auch Russe war. Der als Kriegsgefangener, vielleicht aber auch als
Deserteur oder gar Kolloborateur nach Alsweiler kam. Und der nach dem Krieg
hierblieb. Wagner wurde wieder das Wort erteilt, über den Hiwwel-Michel zu
berichten, da über ihn ausgiebig recherchiert hatte. Über den Mann erfuhren wir
von Wagner aber nichts, sondern über das Bemühen seines Vereins, ein Denkmal für
ihn zu errichten, und die Querelen mit den Behörden. Brill unterbrach ihn
zwischendurch und mahnte ihn, zum Thema zurückzukehren. Und so ging das eine
ganze Zeitlang weiter. Also - ich hatte so ein bißchen den Eindruck, als ob das
Schicksal des Hiwwel-Michel, so nannte man ihn in Alsweiler, nur eine
untergeordnete Rolle spielte. Bei der Diskussion ging es um Denkmäler,
Erinnerungsplaketten und –stelen, aber kaum um den Menschen, der dahinter
steckte. Laub merkte man den Politiker an, der
solche Diskussionen gewöhnt ist und weiß, daß man redet, wenn man an der Reihe
ist. Inge Plettenberg saß dazwischen und wurde - obgleich die Spezialistin
-weitgehend ignoriert. Inge Plettenberg brachte es am Schluß
auf den Punkt, in dem sie anregte, die Vita des Michel zusammenzufügen aus
diesem Wust aus Fakten, Vermutungen und Gerüchten. Was nützt eine Stele, ein
Erinnerungsstein mit einem Namen darauf, und kein Mensch weiß, wer das
war. => Gegen 21.45 Uhr zeigte ich dann
meinen Film zum Einmarsch der Amerikaner am 18. März 1945. Ich hatte eine
Präsentation zusammengestellt mit einigen Folien, um zu erklären, woher der Film
stammt, wer ihn gedreht hat und wie die jetztige Fassung zustande kam (bei der
Bernd Baßler aus Furschweiler die technische Komponente übernahm – er schnitt,
fügte ein, überblendete und machte aus meinen vagen Vorstellungen einen Film,
den man sich anschauen kann). Der Film dauert jetzt 13,5 Minuten, die
Vorstellung davor etwa 10 Minuten. Jetzt machte sich bemerkbar, daß die
Veranstaltung zeitlich völlig aus dem Ruder war. Etliche Leute hatten sich schon
während der Diskussion verabschiedet, aber das Gros war geblieben.
Ich startete meine Präsentation und
arbeitete mich durch mein Skript. Dabei stand ich – ohne Pult – vor den
Zuhörern, die im Halbdunkel vor mir saßen. Sie sahen die Leinwand und mich, ich
ihre Gesichter, ihre Mimik, ihre Gestik. Ich kannte mein Thema, wußte, was ich
zeigen wollte und warum. Und wußte, wie lange es dauern würde. Ich wußte auch,
daß es spät war und die Leute müde. Ich bemühte mich um meinen lockeren Ton, wie
gehabt. Und wurde nervös, als ich den älteren Mann in der Mitte sah, der böse zu
mir rüberschaute und bei jedem zweiten Wort heftig den Kopf schüttelte. Und kam
völlig aus dem Ruder, als die ältere Dame zwei Reihen davor zu mir rüberrief, ob
das jetzt sein müsse, es sei doch schon so spät. Und demonstrativ ihr rechtes
Handgelenk hob und auf die Uhr deutete. Richtig zu reagieren gewesen wäre
wohl, sie zu ignorieren. Konnte ich nicht. Vielleicht hätte ich mir Hilfe holen
sollen bei den Veranstaltern. Tat ich nicht. Vielleicht hätten die von sich aus
reagieren können. Taten sie nicht. Aber wie reagiere ich denn? Kürzen.
So ad hoc – konnte ich nicht, vor allem, wollte ich nicht. Da fällt das ganze
Konzept, das eh kurz ist, wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Ich versuchte zu
argumentieren, böser Fehler, das funktionierte natürlich gar nicht. Ich stand da
und wußte nicht, wie ich reagieren sollte. Ich verlor die Nerven und meinte,
gut, dann brechen wir hier ab. Da reagierte die Menge mit Protest und brachte
nebenbei die Protestierenden zur Ruhe. Und mich auch. Ich erklärte die paar
restlichen Folien, schilderte, was bei Bliesen passiert war. Und zeigte meinen
Film. Zwanzig Minuten später war die Veranstaltung zu Ende.
Wie hätten Sie reagiert? Mit
freundlichem Gruß
Roland Geiger |