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Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Dokumentation über Johannes Hoffmann im SR-TV
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[Regionalforum-Saar] gescheiterte vergangenheitsbe wältigung
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Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Dokumentation über Johannes Hoffmann im SR-TV
Autor 2013/05/21 08:57:54
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] wow, 23 Seiten für die Na zis.

[Regionalforum-Saar] Es gibt am Ende dieses Krieges nur Besiegte

Date: 2013/05/18 09:10:00
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

heute in der SZ:
 
 

Von der „friedenssüchtigen Schwäche der Welt“

In Texten der „Saar- und Blies-Zeitung“ wurde schon bald nach der Machtergreifung Hitlers die Bedrohung durch die Nazis deutlich

Von SZ-Mitarbeiter

Albert H. V. Kraus

Am Abend des 30. Januar 1933 feierten Tausende Nationalsozialisten mit einem Fackelzug in der Hauptstadt Berlin die Ernennung ihres „Führers“ Adolf Hitler (1889-1945) zum Reichskanzler. Vier Wochen später brannte der Reichstag. Es war der Auftakt zu einer rabiaten Verfolgungsjagd, die im ganzen Reich zehntausende von Hitlergegnern traf: Linkspolitiker, bürgerliche Demokraten, dazu Schriftsteller und Publizisten. Zugleich hob eine Notverordnung des Reichspräsidenten „bis auf weiteres“ die verfassungsmäßigen Grundrechte auf. Sie blieb übrigens bis Kriegsende 1945 in Kraft.

Zehn Jahre nach dem Reichstagsbrand protestierten in München Studenten der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ gegen die braune Diktatur. „Hitler ist ein Massenmörder“ und „Nieder mit Hitler!“ pinselten sie an Häuserwände. Die Geschwister Hans und Sophie Scholl (1918 und 1921 geboren) wurden beide 1943 hingerichtet, und ihre Mitverschworenen, darunter der Medizinstudent Willi Graf (1918-1942) aus Saarbrücken, bezahlten ihren Protest auch mit dem Leben.

Die Weimarer Republik (1919-1933) wurde nur 14 Jahre alt. Der sogenannte „Straffrieden“ von Versailles (1919) hatte die Deutschen verbittert, die Beziehungen zu den Nachbarn vergiftet und den Republikfeinden von links wie rechts als Ausgangspunkt ihrer antidemokratischen Agitation gedient. Hinzu kam, dass die meisten Deutschen dem Kaiserreich nachtrauerten und der Republik reserviert gegenüber standen. Die Massenarbeitslosigkeit infolge der Weltwirtschaftskrise von 1929 trieb dann den Extremisten die Wähler in Scharen zu.

Seit Juli 1932 verfügten Nationalsozialisten (230 Sitze) und Kommunisten (89 Sitze) im Berliner Reichstag über die absolute Mehrheit der Sitze (608). Die Wähler hatten die Republik bereits abgewählt, bevor sie der greise Reichspräsident Hindenburg (1847-1934) ihrem Todfeind Hitler auslieferte. Unter Anwendung von Terror und Gewalt beseitigte dieser den Rechtsstaat. Mit seiner auf Eroberung angelegten Außenpolitik stürzte Hitler Europa schließlich in den Zweiten Weltkrieg (1939-1945).

Wie erlebten nun die Leser der in der Region Neunkirchen/St. Wendel weit verbreiteten „Saar- und Blies-Zeitung“ (SBZ) die Anfänge der nationalsozialistischen Herrschaft vor 80 Jahren? Zwar war das Saargebiet seit 1920 von Deutschland abgetrennt und für 15 Jahre einer Regierung unter dem Mandat des Völkerbundes unterstellt worden, doch man beobachtete die Vorgänge „im Reich“ mit wachen Augen.

Der Berliner Fackelzug am Abend des 30. Januar 1933 ließ den SBZ-Kommentator „eine starke Verwurzelung“ der Hitler-Regierung im Volke vermuten. Im „Presse-Echo“ des Blattes wurden noch in aller Fairness unterschiedliche Urteile zur Kanzlerschaft Hitlers zitiert. So schrieb die „Deutsche Allgemeine Zeitung“ skeptisch von einer „gewagten Entscheidung“, die keinen „verantwortungsbewussten Politiker“ jubeln lasse. Die sozialdemokratische Zeitung „Vorwärts“ verwies auf die offenkundige Verfassungsfeindlichkeit der neuen Regierung.

Regime verbarg sein Gesicht

Dass mit dem Regierungswechsel zu Hitler ein Systemwechsel eingesetzt hatte, war für den Zeitungsleser nicht zu erkennen. Das Regime verbarg noch sein wahres Gesicht. Der aus dem pfälzischen Alsenz stammende neue Innenminister Dr. Frick (1877-1946, hingerichtet) etwa verabreichte bei einer Pressekonferenz laut SBZ vom 1. Februar 1933 „Beruhigungspillen“: Die neue Regierung lege Wert auf die freie Meinungsäußerung und beabsichtige nicht, Parteien zu verbieten. Drei Tage später meldete die SBZ bereits das Verbot des sozialdemokratischen „Vorwärts“ (für drei Tage) und einer SPD-Kundgebung in Berlin. In der gleichen Nummer gab sich Hitler gegenüber angloamerikanischen Pressevertretern wiederum mäßigend: Er habe „niemals eine Brandrede“ gegen fremde Staaten gehalten. Im Übrigen liebe „niemand mehr Friede und Ruhe“ als er. Sein einziges Ziel sei die deutsche Gleichberechtigung mit anderen Nationen.

Was von den Bekenntnissen führender Nazis zur Meinungsfreiheit zu halten war, demonstrierte ein SBZ-Bericht vom 6. Februar 1933 aus Dessau. Dort hatte der Polizeidezernent, ein NSDAP-Mitglied, missliebige Literatur aus der Stadtbücherei entfernen lassen. Darunter befanden sich auch Anti-Kriegs-Schriften wie der 1929 erschienene Bestseller-Roman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque (1898-1970). Das war bereits ein Vorgeschmack auf die Bücherverbrennungen vom 10. Mai 1933. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Zum Schluss brannte ganz Europa. Und der Rassenwahn der Nazis kostete im Zuge der gnadenlos durchgeführten „Endlösung“ allein sechs Millionen europäische Juden das Leben.

Heute wissen wir: Weder die Kanzlerschaft Hitlers noch der Zweite Weltkrieg kamen letztlich „schicksalhaft“ über Deutschland und die Welt. Der Weg dahin war gesäumt von gravierenden Fehleinschätzungen, politischen Fehlern und Verbrechen. Unser Blick wendet sich deshalb noch einmal zurück in die dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als die entscheidenden Weichenstellungen erfolgten.

Vor der für die Zukunft des Saargebiets entscheidenden Volksabstimmung vom 13. Januar 1935 soll Adolf Hitler geneigt gewesen sein, die Agitation in der Region etwas milder zu stimmen, um das Verhalten der Großmächte abzutasten. Doch hätten ihm die Gauleiter widersprochen: Es brauche keine außenpolitische Rücksicht genommen zu werden, schildern Zeitzeugen. „Der Punkt, bis zu dem sich die friedenssüchtige Schwäche der Welt treiben lasse, sei noch lange nicht erreicht.“ Dies überliefert der aus Saarlouis stammende Geschäftsführers des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, Bruno Weil (1883-1961), in seinen Erinnerungen. Als dann die „Saar-Abstimmungsschlacht“ geschlagen und für die Hitlergegner verloren war, machten sich unter den Verlierern düstere Vorahnungen breit.

Der kommunistische Publizist Hermann Budzislawski (1901-1978) etwa warnte in der „Neuen Weltbühne“ vor der Illusion, die Expansionslust des Dritten Reiches sei „gerade nun“ geringer geworden: „Da die Politik des Drucks, der Erpressung, der Gewalt eben erfolgreich gewesen ist, wird sie trotz aller schönen Worte fortgesetzt werden.“ Auch der bürgerliche Publizist Leopold Schwarzschild (1891-1950) ging mit den „Machthabern der Welt“ hart ins Gericht: „Jeder weiß, dass sie nichts wollen als die Ruhe und den Frieden. Und wer es nicht weiß oder bestreitet, ist ein Esel.“ Empört geißelte er den naiven Pazifismus der westlichen Demokratien: „Sie wollen Frieden, Frieden, nur Frieden – sie wollen ihn sogar, das ist ihr Fehler, ohne Umweg, sie wollen ihn direkt.“ Willi Schlamm (1904-1978) prophezeite ganz in diesem Sinne der „gewissensfaulen, freiheitsmüden Umwelt“ in Deutschland und Europa schlimme Konsequenzen: „Vom Saar-Erfolg besoffen“, werde das NS-Regime nun über neue Grenzen greifen: „Vielleicht kommt sofort Österreich an die Reihe, vielleicht wird eine Pause mit Friedenslüge und Großmachtdiplomatie ausgefüllt sein.“ Er lag nicht falsch. Das Machtspiel begann schon bald. Hitler zeigte die Muskeln. Am 9. März 1935 gab Berlin offiziell die Aufstellung einer deutschen Luftwaffe, am 16. März 1935 die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht bekannt. Dies waren keine geheimen, es waren offene Verstöße gegen den Versailler Friedensvertrag, auf dem der Völkerbund fußte.

Und wie reagierten die westlichen Demokratien? Frankreich verlängerte die Dienstzeit seiner Soldaten von einem auf zwei Jahre. Keine leichte Aufgabe für Regierungschef Pierre Laval (1883-1945), dem der britische Premier Ramsay Mac Donald (1866-1937) von der Labour-Party noch ein Jahr zuvor dringend nahe gelegt hatte, seine Armee zu verringern. Kommunisten und Sozialisten stimmten gegen Lavals Vorlage. Die Regierungen in Paris, London und Rom fühlten sich immerhin verpflichtet, dem Vertragsbruch Hitlers entgegenzutreten. Man traf sich im malerischen Stresa am Lago Maggiore und einigte sich am 14. April 1935 auf eine gemeinsame Erklärung. Diese verurteilte die deutsche Aufrüstung, betonte die Unabhängigkeit Österreichs und warnte Hitler vor weiteren Schritten zur Revision von Versailles. Die Gegenspieler des NS-Regimes hatten protestiert. Taten? Fehlanzeige!

Englands späterer Kriegspremier Winston Churchill (1874-1965) hielt Stresa für ein vergebliches Unterfangen. Weil die Mächte nicht bereit waren, „die Anwendung von Gewalt, wenn auch nur als letztes Mittel, in Erwägung zu ziehen“. Wie wenig Stresa wert war, entlarvte kurz darauf das deutsch-britische Flottenabkommen vom 18. Juni 1935. Kernbestimmung war, dass die völkerrechtswidrig gebaute deutsche Flotte nicht über ein Drittel der britischen Flotte hinaus vergrößert werden durfte. „Ein Schlag für den Völkerbund“, empörte sich Churchill.

Politik der Beschwichtigung

Für Professor Michael Salewski (Kiel) fügte es sich dann ganz logisch in die irrationale Politik der westlichen Beschwichtigung gegenüber dem skrupellosen deutschen Diktator, dass London und Paris am 7. März 1936 auch die illegale Besetzung des Rheinlandes durch Wehrmachtstruppen tatenlos hinnahmen. Weitere Vertragsbrüche Hitlerdeutschlands folgten mit dem Anschluss Österreichs und des Sudetenlandes im Jahr 1938. „Null Toleranz“, so meint Salewski, hätte vielleicht das Leid des Zweiten Weltkrieges abwenden können.

1945 lagen schließlich Deutschland und Europa in Schutt und Asche. Millionen Menschenleben waren zu beklagen, Trauer und Leid erfüllten die Herzen. Der Schriftsteller Alfred Kantorowicz (1899-1979), der sich 1934/35 am Saarkampf beteiligt hatte, notierte damals im New Yorker Exil: „Das also liegt hinter uns. (…) Zwölf Jahre, die die Verbrechen von tausend Jahren aufgehäuft haben. (…) Von irgendwoher wird Beethovens Fünfte gesendet. Die Hymne des Sieges? Es gibt keinen Sieg. Es gibt am Ende dieses Krieges nur Besiegte.“