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Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Buch "Ein Maler aus St. W endel in den amerikanischen Südstaaten"
Datum 2012/09/10 19:02:37
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[Regionalforum-Saar] Ottweiler Notariat 1834
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[Regionalforum-Saar] St. Wendel alt und neu
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[Regionalforum-Saar] Trotz Sonnenbrille fast wie im Mittelalter
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[Regionalforum-Saar] Buch "Ein Maler aus St. W endel in den amerikanischen Südstaaten"
Autor 2012/09/10 19:02:37
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Ottweiler Notariat 1834

[Regionalforum-Saar] Tagber: Historische Rechtssprache

Date: 2012/09/08 09:01:40
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Forschungsstelle Deutsches Rechtswörterbuch
29.02.2012-02.03.2012, Heidelberg

Bericht von:
Silke Frieling, Forschungsstelle Deutsches Rechtswörterbuch/
Heidelberger Akademie der Wissenschaften
E-Mail: <stefanie.frieling(a)... eigentlich ist historische Rechtssprache? Dieser zentralen Frage
ging die Tagung der Forschungsstelle Deutsches Rechtswörterbuch nach.
Und da das fokussierte Thema sowohl eines der Rechts- als auch der
Sprachhistoriker ist, formulierten auch Vertreter beider
Wissenschaftsdisziplinen ihre Antworten darauf. Während der dreitägigen
Veranstaltung wurden einerseits grundlegende Punkte diskutiert und
andererseits Untersuchungen zu einzelnen Aspekten der historischen
Rechtssprache - von der Antike bis zum 20. Jahrhundert  hin einen
"chronologischen Bogen" spannend - vorgestellt.

Bei ihrer Eröffnung der Tagung sprach SILKE LEOPOLD (Heidelberger
Akademie der Wissenschaften, HAW), die über hundert Jahre alte
Geschichte des Deutschen Rechtswörterbuchs (DRW) an. Die Akademie, die
sich als "Hort" der Förderung wissenschaftlicher Langzeitprojekte sehe,
würdige das Ergebnis der Bemühungen etlicher Mitarbeiter, die das DRW
über Jahrzehnte hinweg zu einem Grundlagenwerk für mehrere Disziplinen
machten.

ANDREAS DEUTSCH (Heidelberg), Tagungsorganisator und Leiter der
Forschungsstelle Deutsches Rechtswörterbuch, wies bei seiner Begrüßung
auf die Verflechtung von Rechtssprache und Allgemeinsprache hin.
Juristische Fachbegriffe, die auch allgemeinsprachlich verwendet werden,
bedürften eines sensiblen Umgangs, sowohl seitens der
Sprachwissenschaftler als auch der Juristen. Folglich diene die Tagung
mit Vertretern beider Disziplinen auch dem  fachübergreifenden Dialog
über den gemeinsamen Forschungsgegenstand "Sprache".

Die beiden ersten Vortragenden widmeten sich dem Aspekt Rechtssprache
und Bedeutung. So ging EKKEHARD FELDER (Heidelberg) der Frage nach, wie
Bedeutung im Recht entsteht, also wie juristische Funktionsträger
rechtliche Wirklichkeit über Bedeutungsermittlung und -festsetzung
herstellen. Der Germanist stellte in diesem Zusammenhang sein Modell der
bedeutungskonstituierenden Rechtspraxis vor, in deren Zentrum die These
der "unendlichen Semiose" steht. Ihr zufolge ist die Interpretation
eines sprachlichen Zeichens einem nie endenden Prozess unterworfen, die
Festlegung der Bedeutung eines Wortes im rechtlichen Kontext könne
demnach auch seitens einer Normierungsinstanz wie der eines
Richterspruches stets nur vorläufig sein, wenngleich diese Festlegung
für die betroffenen Verfahrensbeteiligten von abschließender Gültigkeit
sein kann.

In welcher Form die Bedeutungen von Wörtern im  Rahmen eines Wörterbuchs
dennoch festgelegt, also beschrieben werden können, war Thema von OSKAR
REICHMANN (Heidelberg). Am Beispiel des DRW stellte der
Sprachwissenschaftler die verschiedenen Möglichkeiten bei der Gestaltung
einer Bedeutungserklärung dar. Während die Erklärung durch Synonyme die
Gefahr berge, historische Konstanzen zu konstruieren, sei die Erklärung
mittels einer phrastischen Beschreibung hoch verdichtet. Häufig stoße
man im DRW auf die Kombination beider Optionen - auf diese Weise scheine
man der Besonderheit der komplexen historischen Rechtssprache gerecht
werden zu wollen.

Der Beitrag von INGRID LEMBERG (Heidelberg) knüpfte an die vorgestellte
Thematik der lexikographischen Praxis unmittelbar an.  Die Mitarbeiterin
der Forschungsstelle Deutsches Rechtswörterbuch erläuterte, welche
Wortschatzgruppen innerhalb der historischen Rechtssprache im DRW im
Einzelnen wie bearbeitet werden; Fachtermini, Schlüsselwörter der
Rechtskultur sowie Wörter der Allgemeinsprache mit einem rechtlichen
Bezug seien hierbei unterschiedlich zu behandeln. Welche Aspekte es
durch die Heterogenität der zu beschreibenden Lexeme bei der
Formulierung der Bedeutungserläuterung oder bei der Artikelgliederung zu
beachten gilt, konnte die Sprachwissenschaftlerin deutlich machen und
gab somit einen anschaulichen Einblick in den Alltag des DRW.

Auch der Vortrag von ANJA LOBENSTEIN-REICHMANN (Heidelberg/ Mannheim)
zur Metapher in der Rechtssprache hatte unmittelbaren Bezug zum
Deutschen Rechtswörterbuch. Im ersten Teil ihrer Ausführungen zeigte die
Sprachwissenschaftlerin auf, dass Metaphern als "Bausteine der
Rechtssemantik" zu begreifen seien: Ohne sie sei keine Fachsemantik
möglich, war der Anfang der Rechtssprache doch stark von Metaphern
geprägt. Dass auch das DRW die Entwicklung der Metapher im Recht
widerspiegelt, legte die Referentin im zweiten Teil dar: Etliche
Wörterbuchartikel illustrierten, dass diverse Bildspender, etwa der
menschliche Körper inklusive der Sinnesorgane und der Kleidung, der
Rechtssprache immanent sind.

Der Bedeutung eines einzelnen Wortes nahm sich GERHARD KÖBLER
(Innsbruck) an. Der Rechtshistoriker skizzierte den Weg von der "Sache"
zum "Sachenrecht" nach: Zwar existierten Sachen, also Gegenstände, schon
seit jeher, die Bezeichnung "Sachenrecht" kam allerdings erst Ende des
17. Jahrhunderts auf. Ursächlich hierfür könnte das Nebeneinander von
lateinisch "res" und althochdeutsch "sahha" gewesen sein, die bis 1684
beide 'Angelegenheit, Rechtsstreit' bedeuteten. In der Folgezeit lassen
sich jedoch verstärkt Quellen finden, in denen "Sache" auch auf das
körperliche Ding rekurriert, das Rechtsgegenstand ist.

Wie historische Rechtssprache mithilfe moderner Recherche-Tools
analysiert werden kann, illustrierte ALMUTH BEDENBENDER (Heidelberg).
Sie stellte die Möglichkeiten vor, die das Projekt "DRQEdit -
Deutschsprachige Rechtsquellen in digitaler Edition" (www.drqedit.de)
für die juristische Literatur des 15. und 16. Jahrhunderts bietet. Am
Beispiel des aus dem römischen Recht stammenden Kalumnieneides  konnte
veranschaulicht werden, wie sich einander ähnelnde Textstellen auffinden
lassen und dass diese häufig über Textabhängigkeiten in Beziehung
zueinander stehen.

Der "chronologische Bogen" wurde am zweiten Tag von MICHELE FINO (Aosta)
eröffnet. Er widmete sich der "Transactio", mit der im römischen Recht
die Verabredung zwischen zwei miteinander in einer Rechtssache
streitenden Parteien, ihren Streit zu beenden, gemeint ist. Während die
romanischen Sprachen zur Übersetzung auf Wörter aus dem Lateinischen
zurückgreifen, wird im Deutschen mit "Vergleich" übersetzt. Indem das
Bürgerliche Gesetzbuch von 1896 den Vergleich als einen "Vertrag, durch
den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein
Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird"
festlegt, wird der Terminus um ein Charakteristikum ergänzt und somit
ein Vergleich, bei dem die eine Partei auf alles verzichtet, unmöglich.

Der Fachsprache in frühmittelalterlichen Zeugnissen des
römisch-justinianischen Rechts wandte sich im Anschluss WOLFGANG KAISER
(Freiburg im Breisgau) zu. Er erläuterte, dass die Terminologie der
Gesetzgebung Kaiser Justinians nach dem Verfall des weströmischen
Reiches nicht mehr lange verstanden wurde: Im siebten Jahrhundert fände
man in Italien in begrenztem Maße noch einen Fortbestand spätantiker
Fachterminologie (Summa Perusina zum Codex Iustinianus, Summaria capitum
zur Epitome Iuliani). In späteren Werken sind zwar Rechtsbegriffe zu
finden, die nicht unmittelbar aus den Quellen entnommen sind, diese sind
freilich nicht spezifisch römischrechtlich, sondern auch in der
anderweitigen Rechtssprache bezeugt.

Fachsprachlichen Begriffen eines gänzlich anderen Rechtsgebietes ging
CLAUSDIETER SCHOTT (Zürich) nach, indem er verschiedene deutsche
Bezeichnungen für die 'Adoptio' vorstellte, wie sie in zentralen
Rechtstexten vom Laienspiegel bis in die Gegenwart zu finden sind. Beim
Gang durch diese Begriffsgeschichten ließ sich feststellen, dass bereits
früh das Bedürfnis bestand, deutsch zu formulieren, und dass die
Verwendung des Fremdwortes 'Adoptio(n)' möglichst vermieden wurde.
Beispiele für die fachsprachliche Vielfalt sind etwa "Anwünschung eines
Kindes", "Annahme als Kind", "Wahlkindschaft" oder "Ankindung".

Dass dem Wort in der Rechtsgeschichte häufig eine entscheidende
Unterstützung durch das Bild - in all seinen unterschiedlichen
Ausprägungen - zuteil wurde, machte der Vortrag "Wort und Bild im alten
Recht" von ADOLF LAUFS (Heidelberg) offenkundig. Er kehrte den
Stellenwert des Bildes in der mündlich geprägten Welt des Mittelalters
heraus. Dieser Umstand wird etwa bei der Betrachtung mittelalterlicher
Bilderhandschriften oder symbolträchtiger Siegel deutlich. In Bezug auf
die Gegenwart beklagte der Referent die "Bilderlosigkeit des Rechts",
mit der seiner Ansicht nach auch die Rechtsferne der heutigen
Gesellschaft zu erklären sei.

Einer besonderen historischen Rezipientengruppe widmete sich EVA
SCHUMANN (Göttingen) bei ihren Ausführungen zum Sprach- und
Rechtstransfer am Beispiel der frühneuzeitlichen Praktikerliteratur:

Diese Texte richteten sich - anders als die sogenannte "gelehrte
Literatur" - vornehmlich an die nichtstudierten Rechtsanwender, unter
anderem Anwälte und Notare. Mit rund 400 ermittelten Werken sei die
Praktikerliteratur eine Textsorte, die weit verbreitet gewesen ist, und
gerade auch hinsichtlich der historischen Rechtssprache in der Forschung
noch mehr Aufmerksamkeit verdiene, so die Referentin.

Der Tag wurde durch den Vortrag von ULRICH KRONAUER (Karlsruhe)
abgerundet, der sich den Gefühlswörtern in der Rechtssprache und im
Deutschen Rechtswörterbuch verschrieb.  Dabei ging der ehemalige
DRW-Mitarbeiter beispielsweise auf den Begriff "Verzweiflung" ein, dem
man in Rechtstexten oft im Zusammenhang mit zum Tode verurteilten
Delinquenten begegne. Die Ausführungen zum Stichwort "Zigeuner" machten
darauf aufmerksam, dass bei der lexikographischen Bearbeitung eines
Wortes ein sensibler Umgang mit dem Belegmaterial geboten ist, will man
im Wörterbuchartikel kein 'Feindbild' zeichnen.

Dass eine verständlich formulierte Rechtssprache in unmittelbarem
Zusammenhang mit der sozialen Gleichheit des Rechts steht, illustrierte
GERNOT KOCHER (Graz). Der Rechtshistoriker skizzierte die Geschichte der
Rechtsvereinheitlichung in Österreich von ihrem Beginn unter Maria
Theresia bis zu ihrem Ende unter Franz Joseph I. nach und thematisierte
dabei verschiedene Bemühungen, die Sprache des Rechts und damit das
Recht selbst möglichst vielen Bürgern mittels einer Vereinheitlichung
der Terminologie verständlich zu machen. In dem Vielvölkerstaat war
diesbezüglich auch die Übersetzung der Gesetze notwendig, wobei die
deutsche Version stets die verbindliche darstellte.

Eine literaturwissenschaftlich-linguistische Couleur verlieh der Tagung
der Beitrag von JOCHEN A. BÄR (Aachen), in dessen Zentrum der
Rechtswortschatz in der Literatur stand. Die Erzählung "Die Judenbuche"
Annette von Droste-Hülshoffs, die um das Thema Recht und Gerechtigkeit
kreist, diente dabei als Grundlage für die Untersuchung des
Rechtsbegriffes der Autorin. Mittels einer exemplarischen semantischen
Analyse des Wortfeldes 'Recht', die in einem Wortartikel 'Recht'
resultierte, stellte der Linguist seine Methode einer
sprachwissenschaftlichen Literaturinterpretation vor.

Die Betrachtung der historischen Sprache des Rechts schloss HEINZ
MOHNHAUPT (Frankfurt am Main) ab. Der Rechtshistoriker machte deutlich,
dass - will man die Fachsprache der Juristen in der Wissenschaft
verorten - auch der Blick auf die Fachsprachen anderer Disziplinen nötig
sei. Unter Rückgriff auf juristische Texte des 19. Jahrhunderts
veranschaulichte er, wie die Rechtssprache dieser Zeit von der Sprache
und der Bilderwelt der Naturwissenschaft beeinflusst worden ist, was an
(zum Teil heute noch geläufigen) Formulierungen wie "Auge des Gesetzes"
oder "Aggregatzustand der Rechtssätze" ablesbar sei.

Im Laufe des Symposiums zeigte sich deutlich, dass die historische
Sprache des Rechts mehrere Forschungsdisziplinen angeht, deren
wissenschaftlicher Austausch - etwa im Rahmen einer Zusammenkunft wie
jener in Heidelberg - gepflegt werden sollte. Die verschiedenen
angesprochenen Forschungsdesiderata machen für die Zukunft einige
einzelne Forschungsvorhaben erwartbar, von deren Ergebnissen sowohl die
Rechts- als auch die Sprachhistoriker profitieren dürften.

Konferenzübersicht:

Sektion 1: Zur Einführung

Ekkehard Felder (Heidelberg): Juristische Fachsprache - oder: Wie
entsteht Bedeutung im Recht?

Oskar Reichmann (Heidelberg): Die Bedeutungserklärung - dargestellt am
Beispiel des Deutschen Rechtswörterbuchs

Sektion 2: Zugänge zur historischen Rechtssprache

Ingrid Lemberg (Heidelberg): Einblicke in die
Rechtssprach-Lexikographie

Anja Lobenstein-Reichmann (Heidelberg/ Mannheim): Die Metapher im Recht
- ein linguistischer Versuch

Gerhard Köbler (Innsbruck): Zur Sache

Almuth Bedenbender (Heidelberg): DRQEdit - ein Hilfsmittel zur Erkundung
der Rechtssprache im 15. und 16. Jahrhundert

Sektion 3: Ein chronologischer Bogen

Michele Fino (Aosta): Das Wort "Vergleich" als Übersetzung der römischen
"Transactio"

Wolfgang Kaiser (Freiburg im Breisgau): Zur Fachsprache in
frühmittelalterlichen Zeugnissen des römisch-justinianischen Rechts

Clausdieter Schott (Zürich): Von der Affatomie zur Kindesannahme -
fränkische und deutsche Entsprechungen zur "Adoptio"

Adolf Laufs (Heidelberg): Wort und Bild im alten Recht

Eva Schumann (Göttingen): Sprach- und Rechtstransfer am Beispiel der
frühneuzeitlichen Praktikerliteratur

Ulrich Kronauer (Karlsruhe): Gefühlswörter in Rechtstexten

Gernot Kocher (Graz): Rechtsvereinheitlichung und Rechtssprache von
Maria Theresia bis Franz Joseph I.

Jochen Bär (Aachen): Rechtswortschatz in der Literatur - dargestellt am
Beispiel Annette von Droste-Hülshoffs

Heinz Mohnhaupt (Frankfurt am Main): Naturwissenschaftliche Begriffe und
Sprache in juristischen Texten im 19. Jahrhundert

Angelika Storrer (Dortmund): Nominalisierungsverbgefüge in der deutschen
Rechtssprache des 20. Jahrhunderts [entfallen]