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2012/06/05 10:09:31
anneliese.schumacher(a)t-online.de
[Regionalforum-Saar] Französische Revolution auch an der Saar
Datum 2012/06/12 10:38:46
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Jahrestagung der Alemannia Judaica am 13./14. Oktober 2012 in Kirchheim unter Te
2012/06/16 09:58:22
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] much ado
Betreff 2012/06/16 21:59:12
Michaela Becker
[Regionalforum-Saar] Vortrag am 20.06.2012 bei m Wellesweiler Arbeitskreis für Geschichte, Lan deskunde und Volkskultur e.V.
2012/06/16 21:59:12
Michaela Becker
[Regionalforum-Saar] Vortrag am 20.06.2012 bei m Wellesweiler Arbeitskreis für Geschichte, Lan deskunde und Volkskultur e.V.
Autor 2012/06/12 10:38:46
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Jahrestagung der Alemannia Judaica am 13./14. Oktober 2012 in Kirchheim unter Te

[Regionalforum-Saar] Tonpfeifen

Date: 2012/06/08 16:20:13
From: Roland Geiger <rolgeiger(a)...

Mehler, Natascha: Tonpfeifen in Bayern (ca. 1600-1745) (= Zeitschrift
für Archäologie des Mittelalters 22). Bonn: Dr. Rudolf Habelt GmbH
Verlag  2010. ISBN 978-3-7749-3586-0; 425 S.; EUR 119,00.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Michael Schmaedecke, Archäologie Baselland
E-Mail: < weiter, da sich das Material, abgesehen von einigen niederländischen
Stücken, stark von dem zu behandelnden Fundstücken unterschied.
Inzwischen sieht die Situation anders aus. Deutschland ist - in Bezug
auf die Tonpfeifen - keine terra inkognita mehr. Es gibt regional
unterschiedlich weit fortgeschrittene Ansätze, in denen Herstellungsorte
und deren Produktion erforscht werden. Auch hat die Tonpfeifenforschung
inzwischen Akzeptanz als archäologische Teildisziplin erreicht.

Die 2007 an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation
eingereichte Arbeit von Natascha Mehler ist in zwölf Kapitel und eine
Zusammenfassung gegliedert; hierauf folgen Schriftquellen, eine nach
Fundstellen gegliederte Fundliste, ein nach Pfeifentypen gegliederter
Fundkatalog sowie ein Literaturverzeichnis.

Im ersten Kapitel stellt die Autorin das Thema, die Terminologie, das
Fundmaterial sowie Fragen und Ziele der Arbeit vor. Wichtig ist ihr die
Einbettung des Aussagepotentials von Tonpfeifenfunden in den
kulturhistorischen Kontext. Sie betont dabei die Einheit schriftlicher
und archäologischer Quellen. Erst die Zusammenschau aller Quellen
("Historische Archäologie") ermögliche es, Funden von Tonpfeifen eine
Schlüsselrolle (was sicher etwas hochgegriffen ist) für die Erforschung
von Menschen und Handwerkern zukommen zu lassen.

Bei der Untersuchung von 7.120 Tonpfeifenfragmenten beschränkt sich die
Autorin auf Fersenpfeifen; Gesteck- oder Rundbodenpfeifen werden nicht
behandelt. Der Betrachtungszeitraum von etwa 1600 bis 1745 ergibt sich
durch das erste Auftreten von Tonpfeifen in Bayern bis zum Ende des
kurfürstlichen Tabak- und Pfeifenmonopols. Eine wichtige Zäsur markiert
die Einführung der Tabaksteuer 1669. Bis dahin konnten Tonpfeifen
überall produziert werden und der Handel unterlag keinen Auflagen.
Danach waren Produktion und Handel reglementiert.

Nach der Darlegung des wirtschaftsgeschichtlichen Hintergrundes anhand
der Schriftquellen im zweiten Kapitel wird im dritten Kapitel die
Verwendung von Fersenpfeifen behandelt. Neben der eigentlichen
Verwendung als Rauchgerät konnten Tabakspfeifen oder auch nur der Kopf
beziehungsweise der Stiel auch als Rauchklistiere, Schmelztiegel,
Lockenwickler oder Schiessbudenröhrchen verwendet werden.

Es folgen die Beschreibung der Herstellung von Tonpfeifen im vierten
Kapitel, was eigentlich hinlänglich bekannt, im Kontext der Arbeit
jedoch sinnvoll ist, referiert zu werden, und im fünften Kapitel die
Betrachtung der Tone, Waren und Glasuren. Das untersuchte Material
konnte in fünf oxydierend gebrannte Warenarten unterteilt werden, die
sich in der Scherbenhärte unterscheiden. Mit Hilfe haptischer und
optischer Methoden sowie der Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA) von 53
Fundstücken wurde versucht, die Provenienz der Funde festzustellen. Die
Analyse ergab vier Tongruppen mit mehreren Untergruppen, die
Fundkomplexen aus verschiedenen Orten entsprachen. Durch die
Übereinstimmung dieser Tone mit jenen von andernorts gefundenen Pfeifen
konnten diese Stücke bestimmten Herstellungsorten zugewiesen werden.
Diese bereits durch die formenkundliche Einordnung wahrscheinliche
Zuordnung konnte damit archäometrisch belegt werden. Einige Stücke
konnten durch die RFA als Importstücke identifiziert werden, wobei ihre
Herstellungsorte wegen fehlender Referenzdaten jedoch nicht zu bestimmt
sind.

Das sechste Kapitel ist mit "Typografie der Fersenpfeifen"
überschrieben, wobei man zunächst über den Begriff "Typografie", den man
sonst aus dem Bereich der Gestaltung, insbesondere von Schriften, kennt,
stolpert. Die Autorin verweist auf die Problematik des hier eher zu
erwartenden Begriffs "Typologie". Dieser impliziere eine lineare
Entwicklung, was bei dem Untersuchungsmaterial jedoch nicht gegeben sei.
Deshalb werde der von Ewald Sangmeister vorgeschlagene Begriff
"Typografie" verwendet, im Sinne einer Beschreibung ohne Implikation
einer chronischen Entwicklung. Ob dies nun sinnvoll ist, und man nicht
weiterhin mit dem eingeführten Begriff "Typologie" leben kann, sei
dahingestellt.

Für das bayrische Fundmaterial erwies sich das bislang übliche
niederländische Klassifizierungssystem anhand von Kopfformen als
unbrauchbar, so dass die Autorin ein eigenes System entwickelt, bei dem
es möglich sein soll, Stielfragmente zu erfassen, die keine Aussagen zur
Form des zugehörigen Kopfes zulassen. So stellt die Autorin für die
modelgeformten Fersenpfeifen ein System mit drei Klassen vor, wobei eine
Klasse sechs Untergruppen besitzt. Das Ziel, alle Stielfragmente
einordnen zu können, wird aber nicht erreicht, wenn die Stücke
beispielsweise aus einem unverzierten Abschnitt stammen. Dies ist keine
spezielle Schwäche dieses Systems. Diese Problematik ist durch das
Fundmaterial bedingt und wird auch bei anderen Systemen auftreten.

Im siebten Kapitel werden die seitlich an den Köpfen angebrachten
Modelmarken behandelt. Dabei handelt es sich um Marken der Pächter des
Tabak- und Pfeifenvertriebs oder der kurfürstlichen
Tabakaufsichtsbehörden, die belegen, dass die Pfeifen rechtmäßig unter
der kurfürstlichen Tabakaufsicht hergestellt wurden.

Bei 96 Fundstücken sind Fersenmarken vorhanden, die im achten Kapitel
betrachtet werden. Von den 52 verschiedenen Marken stammen lediglich
zwei sicher aus dem Untersuchungsgebiet. Während zwei weitere
Fersenmarken vielleicht auch aus Bayern kommen, sind die restlichen
Pfeifen mit Fersenmarken Import.

Im neunten Kapitel unternimmt Natascha Mehler fünf Schritte, um eine
Chronologie des Materials zu erhalten: Zunächst stellt sie die Funde aus
stratigrafischen Zusammenhängen in relative Chronologiereihen, wobei sie
hier auf lediglich drei Fundkomplexe zurückgreifen kann. Ergiebiger sind
die anschließenden Datierungen auf Grund stilistischer Merkmale, die
anhand von datierten Vergleichsfunden und Bilddarstellungen erfolgen.
Zwei geschlossene Fundkomplexe, zwei münzdatierte Fundkomplexe sowie
markendatierte Fersenpfeifen stützen das Datierungsgerüst. Schließlich
wird anhand von datierbaren Model- und Fersenmarken, stratigrafischen
und stilistischen Anhaltspunkten sowie der Deponierungszeiträume
geschlossener Fundkomplexe eine absolut chronologische Abfolge der
Fersenpfeifen für den behandelten Zeitraum vorgelegt. Abschließend
stellt die Autorin fest, dass die durchgeführten fünf Schritte zwar
methodisch sinnvoll und richtig waren, letztendlich aber die
stilistischen Einordnungen einschließlich der Bestimmung der Marken
anhand der Schriftquellen die Aufstellung der absoluten Chronologie
ermöglichte.

Das zehnte Kapitel behandelt die Fundorte und deren "Rauchkultur" sowie
die dort gefundenen Pfeifen und das elfte die Herstellungsorte und
Tonpfeifenmacher.

Wirtschaftspolitischen Fragen, konkret nach der Umsetzung und der
Kontrolle des Tabaksmonopols, wird im zwölften Kapitel nachgegangen,
dabei eröffnet die Autorin mit der "Archäologie des Schmuggels" ein
neues Feld archäologischer Forschung.

Im Katalog sind die behandelten Pfeifen nach Klassen und Typen geordnet.
Die Pfeifen werden nach den üblichen Regeln abgebildet, aus Gründen des
Layouts jedoch im Maßstab 3:4, was den direkten Vergleich mit Funden in
anderen Publikationen erschwert. Einzelne Stücke sind im Text im Maßstab
1:2 dargestellt, was einen direkten Vergleich etwas leichter macht.
Allerdings bietet die Autorin auf Nachfrage eine CD der Zeichnungen im
Maßstab 1:1 an.

Natascha Mehler hat mit ihrer Arbeit die deutsche Tonpfeifenforschung
einen großen Schritt nach vorne gebracht. Sie ist einerseits ein
weiterer wichtiger Markstein in der Emanzipation der Tonpfeifenforschung
im Rahmen der Archäologie und erschließt andererseits den Bestand an
Fersenpfeifen (Rundbodenpfeifen und Gesteckpfeifen werden nicht
behandelt, was man sich von der Autorin noch wünschen würde) in Bayern
von etwa 1600 bis 1745. Der wenn auch nicht ganz so neue Ansatz, wie
dies in der Arbeit mehrfach vorgegeben wird, die Neuzeitarchäologie als
"historische Archäologie" zu betreiben, bei der alle Quellengattungen,
wenn nicht gleichgewichtend, so doch in der Gewichtung der jeweiligen
Fragestellung angepasst, jedenfalls prinzipiell gleichberechtigt zum
Zuge kommen, hat hier gute Erfolge erbracht. Es ist der Autorin für
diese Arbeit zu danken, ebenso aber auch den Herausgebern der
Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters, die sie als Beiheft dieser
Reihe aufgenommen haben.