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[Regionalforum-Saar] Trierer Geistliche aus drei Jahrhunderten auf einer CD
Datum 2011/04/14 21:53:22
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[Regionalforum-Saar] Trierer Geistliche aus drei Jahrhunderten auf einer CD
Autor 2011/04/14 21:53:22
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[Regionalforum-Saar] Ein Weltkrieg im 18. Jahrhundert

Date: 2011/04/14 18:48:01
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Füssel, Marian: Der Siebenjährige Krieg. Ein Weltkrieg im 18.
Jahrhundert. München: C.H. Beck Verlag 2010. ISBN 978-3-406-60695-3; 127
S.; EUR 8,95.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Sandro Wiggerich, Institut für Rechtsgeschichte, Westfälische
Wilhelms-Universität Münster
E-Mail: <wiggerich(a)... ist eine gespaltene Disziplin. Länger als andere
Bereiche war die Erforschung des Krieges von einer
ereignisgeschichtlichen Perspektive und dem Blick auf (militärische)
Eliten bestimmt. Erst in jüngster Zeit wendet sich eine "neue
Militärgeschichte" den strukturellen Rahmenbedingungen, den
Lebensumständen des einfachen Soldaten und den Auswirkungen des Krieges
auf den Menschen zu. Dieser Gegensatz bestimmt auch Marian Füssels
vorliegende Einführung in den Siebenjährigen Krieg. Der Göttinger
Historiker vermeidet es dabei, sich auf eine einzige methodische
Herangehensweise festzulegen. Sein Versuch, der Ereignisgeschichte
"angemessen Rechnung zu tragen, ohne dabei jedoch strukturelle
Rahmenbedingungen außer Acht zu lassen" (S. 9), gelingt insgesamt gut.
Bemerkenswert, wenngleich nicht ganz neu, ist zudem die
globalgeschichtliche Herangehensweise, die bereits im Untertitel
aufscheint. So prägte der Siebenjährige Krieg nicht nur als Dritter
Schlesischer Krieg die Machverhältnisse in Europa bis weit in das 19.
Jahrhundert, sondern stellte auch die Weichen für die weitere
Entwicklung Nordamerikas (in einem gebräuchlichen, aber geographisch
eigenwilligen Gegensatz: Nordamerikas und Kanadas, S. 20 und Kapitel IV)
und Indiens. Die gemeinsame Betrachtung der unterschiedlichen
Kriegsschauplätze erscheint daher lohnend.

Der kurze Band, der sich in zehn Kapitel gliedert, wird dem Anspruch der
Reihe gerecht, Studierenden, Schülern und einem breiteren Publikum einen
konzentrierten Überblick zu bieten. In den ersten zwei Kapiteln bereitet
Füssel dem Kriegsgeschehen die Bühne: Auf jeweils etwa ein bis zwei
Seiten stellt er die größeren und kleineren europäischen Kriegsparteien
in ihrer Situation zu Beginn des Krieges dar. Ein Blick auf die
Indianerstämme Nordamerikas und das indische Mogulreich erweitert die
klassische eurozentrische Perspektive. Die Exposition vollendet sich im
zweiten Kapitel, in dem Füssel mit Religion und Konfession,
Verwaltungswachstum und Staatsverdichtung, Wirtschaftsdoktrin und
Steuerpolitik sowie Prestigedenken und Kolonialherrschaft die
wichtigsten Strukturbedingungen des beginnenden Krieges umreißt. Deren
Analyse führt ihn dazu, den Kriegsausbruch als unkontrollierbare Folge
einer "situativen Handlungsdynamik" (S. 31) zu deuten. Dabei betont er
in Auseinandersetzung mit traditionellen Deutungsmustern die globale
Verflechtung der europäischen Mächte, spart jedoch Inder und Indianer
zunächst weitgehend aus. An späterer Stelle greift er den strukturellen
Rahmen dieser Akteure zwar knapp auf, jedoch werden gerade europäisch
geprägte Leser Details zu den Verhältnissen in Übersee vermissen.

Im Folgenden bietet Füssel dem Betrachter das Geschehen auf den
einzelnen Kriegsschauplätzen dar. Dabei ist erfreulich, dass er gerade
bei den Konflikten in Nordamerika, in Indien und auf den Ozeanen einige
Verbindungen aufzeigt. Obwohl die globale Bedeutung des Krieges damit
deutlich wird, nimmt auch unter diesen Kapiteln das europäische
Geschehen schon vom Umfang her eine herausgehobene Stellung ein. So
gewinnt der Begriff des Weltkrieges zwar deutliche Konturen, der
Siebenjährige Krieg erscheint jedoch weiter als ein sehr europäischer
Konflikt. Dass der Krieg in Europa ein "Krieg der Schlachten" (S. 32)
war, spiegelt sich dabei auch in der Darstellung wider: Armee reiht sich
an Armee, Gefecht an Gefecht und Schlacht an Schlacht. Die Verluste
rechnen nach Tausenden, so dass der Leser leicht nachvollziehen kann,
weshalb dieser Krieg zu den blutigsten Konflikten des 18. Jahrhunderts
gezählt wird. Im finalen Akt des Krieges, den Friedensschlüssen von
Paris und Hubertusburg, zeichnet Füssel nicht nur die umfangreichen
territorialen Verschiebungen zwischen den Vertragsparteien nach, sondern
geht auch auf die unterschiedlichen Rechtsvorstellungen von Europäern
und indigenen Völkern ein, die bis in die heutige Völkerrechtslehre und
die nationalen Rechte der ehemaligen Kolonien nachwirken. Zudem wird
wiederholt der Einfluss nichtstaatlicher Akteure wie der britischen
Ostindien- und anderer Handelskompanien deutlich, die auch bei den
Vertragsverhandlungen ihre Interessen zu wahren suchten - angesichts der
wachsenden Bedeutung international tätiger Nichtregierungsorganisationen
ein Phänomen von überraschender Aktualität.

Mit dem Frieden endet die Darstellung des Krieges jedoch nicht: Füssel
stellt die Frage nach der Kommunikation der Friedensschlüsse und rückt
so das Erleben der Bevölkerung in den Mittelpunkt. Zwei komplementäre
Kapitel sind der zeitgenössischen Erfahrung und Deutung des Krieges und
den Erinnerungskulturen bis in die Gegenwart gewidmet. Dass Füssel seine
Einführung nicht auf die traditionelle politische Geschichte beschränkt,
sondern auf kleinem Raum die Möglichkeiten einer kulturgeschichtlichen
Perspektive auf den Siebenjährigen Krieg vorführt, macht eine der
größten Stärken des Bandes aus. Dabei zeigt er sowohl in Deutungen des
Siebenjährigen Krieges als frühmoderner Medien- und  virtueller
Religionskrieg wie auch in Äußerungen eines aggressiven Nationalismus
konsequent globale Parallelen auf. Der Rückgriff auf Selbstzeugnisse,
die durchaus kritisch bewertet werden, bildet einen wohltuenden Kontrast
zu den nackten Zahlen der vorhergehenden Kapitel. Bei der Analyse der
Erinnerungskulturen in der öffentlichen wie auch in der privaten Sphäre
kann Füssel aus seiner Arbeit zu Schlachtendarstellungen schöpfen.
Darüber hinaus berücksichtigt er mit Historiographie und fiktionaler
Literatur, Filmen und Musik eine Vielzahl weiterer Medien.
Unverständlich bleibt dabei, dass lediglich zwei Ölgemälde das Kapitel
illustrieren, die monochrom dargestellt und fast bis zur Unkenntlichkeit
verkleinert sind. Hier hat der Verlag an der falschen Stelle gespart.

Der Epilog gibt nicht nur Ausblicke auf die nachteiligen ökonomischen
Auswirkungen des Krieges, sondern verfolgt auch die These, dass dieser
ein Motor der Globalisierung gewesen sei. Ein vorsichtiger Umgang mit
dem Globalisierungsbegriff fällt dabei positiv auf, zumal etwa die
verstärkte mediale Wahrnehmung durch die Zeitgenossen auch als eine vom
Krieg unabhängige Entwicklung gedeutet werden kann. Die weitere These,
dass der Siebenjährige Krieg in seinen vielfältigen Formen ein Labor der
Moderne gewesen sei, verdient Zustimmung, nicht zuletzt da einige seiner
Merkmale die Kriegsführung bis heute prägen. Es bleiben Details: Einige
stilistische Eigenheiten, wie Tempuswechsel oder der gelegentliche
Verzicht auf Prädikate, beeinträchtigen die Lesbarkeit kaum. Der
reihenbedingte Verzicht auf Anmerkungen wird durch eine umfangreiche
Bibliographie auf der Höhe der Zeit (der jüngste Eintrag teilt das
Erscheinungsjahr des Bandes) mehr als ausgeglichen. Karten runden den
Band nicht nur ab, sondern bieten eine wertvolle Orientierungshilfe, um
auf den oft weniger bekannten außereuropäischen Kriegsschauplätzen nicht
den Überblick zu verlieren. Schließlich muss die Konzeption des Werkes
als Einführung und die damit verbundene Beschränkung des Umfanges auch
inhaltlich Wünsche offen lassen. Füssel gelingt es jedoch durch seine
dichte Erzählung, Neugierde zu wecken und zur weiteren Lektüre anzuregen
- und erfüllt damit die wichtigsten Anforderungen, die man an eine
solche Einführung stellen kann.