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2010/10/29 17:53:48
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Ausstellung „Kampf dem Hak enkreuz“
Datum 2010/10/30 20:54:53
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Ausstellung „500 Jahre Saa r-Lor-Lux“.
2010/10/05 21:33:23
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] J. Oberste: Der Schatz der Nibelungen
Betreff 2010/10/09 12:22:59
hansakirsch(a)t-online.de
Re: [Regionalforum-Saar] SZ: 666 Jahre urkundliche Erstnennung des Ortes "Hoof"
2010/10/29 17:53:48
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Ausstellung „Kampf dem Hak enkreuz“
Autor 2010/10/30 20:54:53
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Ausstellung „500 Jahre Saa r-Lor-Lux“.

[Regionalforum-Saar] Römer und Franken am Rhein

Date: 2010/10/29 18:55:37
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

From:    Andreas Popescu <apopescu(a)...   30.10.2010
Subject: Tagber: Römer und Franken am Rhein
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Abteilung für Rheinische Landesgeschichte, Institut für
Geschichtswissenschaft, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn;
in Verbindung mit dem Verein für geschichtliche Landeskunde der
Rheinlande
20.09.2010-21.09.2010, Bonn

Bericht von:
Andreas Popescu, Institut für Geschichtswissenschaft, Rheinische
Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
E-Mail: <apopescu(a)... und Franken am Rhein" - unter diesem Titel kamen die Teilnehmer
der jährlichen Herbsttagung der Abteilung für Rheinische
Landesgeschichte des Instituts für Geschichtswissenschaft in Bonn
zusammen. Die wieder in Zusammenarbeit mit dem Verein für geschichtliche
Landeskunde der Rheinlande ausgerichtete Tagung gliederte sich in zehn
Vorträge. Entsprechend den Fachbereichen Mediävistik, Alte Geschichte,
Sprachwissenschaft und Archäologie wurde die Tagung in Sektionen
unterteilt. Die interdisziplinäre Zusammensetzung der Tagung verfolgte
das Ziel, einen direkten Austausch der einzelnen Fachbereiche zum
Themenkomplex "Völkerwanderungszeit im Rheinland" zu ermöglichen und ein
Diskussionsforum für aktuelle Forschungstendenzen herzustellen.

Zur Einführung skizzierte der Tagungsleiter MANFRED GROTEN (Bonn) die
Entwicklungslinien der älteren Forschung zum Thema "Römer und Franken am
Rhein". Auf landesgeschichtlicher Ebene sei man von älteren Positionen,
wie der "Fränkischen Landnahme" (Droege/Petri),[1] also einem
plötzlichen Umbruch, weitgehend abgekommen. Die jüngere historische
Forschung hebe den prozessualen Charakter der Zeit von Spätantike zu
Frühmittelalter hervor. In Bezug auf die Leitfrage nach Bruch oder
Kontinuität zwischen antiker und mittelalterlicher Welt betone sie
aktuell eher eine Kontinuität - Römer und Franken am Rhein seien keine
fremden Völker gewesen, die sich hauptsächlich feindlich
gegenübergestanden hätten. Eine "große Lösung" jener Frage sei aber
nicht in Sicht, was auch der Konstanzer Arbeitskreis als Ergebnis seiner
Frühjahrstagung 2007 festgestellt habe: Kleinräumige Betrachtungen der
jeweiligen lokalen Verhältnisse zwischen Imperium und angrenzenden
Völkern müssten stärker hervortreten. Der auf schriftliche Quellen
fixierte Historiker sei hier auf eine interdisziplinäre Herangehensweise
unter besonderer Berücksichtigung der Archäologie angewiesen.

ULRICH NONN (Bonn) referierte im ersten Vortrag der Tagung über
"Franken, Salfranken, Rheinfranken - Fragen, Antworten, Hypothesen" und
begann damit den Einstieg in die Sektion "Mediävistik". Für Nonn stand
in seinen Ausführungen über die beiden "Teilstämme" von Rhein- und
Salfranken eine kritische Auseinandersetzung mit der aktuellen Forschung
und den dazugehörigen Quellen im Vordergrund. Besonders durch Matthias
Springer sei zuletzt das traditionelle Bild der "Salier" dekonstruiert
worden: Einen Stamm der "Salier" oder "Salfranken" habe es nie gegeben.
Man habe es hier mit einer römischen Verwechslung zu tun: das
germanische Begriffswort "saljon" (althochdeutsch: gisellio "Gefährte",
"Genosse") sei fälschlicherweise als Stammesname in die Quellen
eingegangen. Nonn wandte sich gegen Springers These, da besonders dem
gebildeten und selbstkritischen Ammianus Marcellinus ein solches
Missverständnis sehr wahrscheinlich nicht unterlaufen sei. Wie Nonn
anschloss, sei weder die ältere noch die jüngere Forschung bei der
Betrachtung der "Rheinfranken" oder "Ripuarier" zu einem abschließenden
Ergebnis gelangt. Die Quellen würden erst im 7. Jahrhundert oder später
eindeutig von "Ripuarii" im Zusammenhang mit einem fränkischen "Volk"
sprechen (etwa in der Lex Ripuaria). Ob es einen fränkischen "Teilstamm"
der "Ribuarier", in Abgrenzung zu den "Saliern", bereits in der
Umbruchzeit des 5./6. Jahrhunderts gegeben habe, bleibe umstritten.

Im Anschluss stellte MATTHIAS BECHER (Bonn) in seinem Vortrag "Chlodwig
und die Gründung des fränkischen Großreiches" vor. Zunächst befasste er
sich mit der zentralen Quelle zur frühen fränkischen Geschichte, den
Schriften des Bischof Gregor von Tours aus dem 6. Jahrhundert. Wie
Becher betonte, seien in der älteren Forschung Gregors Schilderungen der
Ereignisse um Chlodwig und die Franken recht kritiklos übernommen
worden, auch mangels anderer Quellen - in jüngerer Zeit werde aber
gerade die Chronologie der Ereignisse in Gregors Erzählung kritischer
betrachtet. Als Beispiel könne hierfür die Unschärfe mancher Angaben
Gregors gelten, etwa dass Chlodwig im 40. Jahr seiner Herrschaft
verstorben sei - aber an anderer Stelle sein Todesalter mit 35 Jahren
angegeben wird. Der Referent kam anschließend auf den Werdegang
Chlodwigs zu sprechen. Demnach sei Chlodwigs Ausgangslage auf Basis der
Errungenschaften seines Vaters Childerich bereits sehr gut gewesen, um
seine späteren Erfolge zu erreichen. Mit den siegreichen Kämpfen gegen
lokale gallo-römische Machthaber, Alemannen und Westgoten sei Chlodwig
zur führenden Persönlichkeit Galliens aufgestiegen. In dieser Rolle
mischte er sich aktiv in die Belange angrenzender Mächte ein, wie etwa
in den Bruderkrieg bei den Burgundern. Chlodwigs für die europäische
Geschichte bedeutsame Konversion zum katholischen Christentum war nach
der Überlieferung Gregors auf das Engagement von Chlodwigs burgundischer
Frau Chrodechilde zurückzuführen.

Mit dem Vortrag "Franken und Alemannen" von DIETER GEUENICH
(Duisburg-Essen) wurde die Sektion "Mediävistik" abgeschlossen. Die
Ausgangslage der im späten 3. Jahrhundert in den Quellen auftauchenden
Franken und Alemannen sei gleich gewesen, habe dann jedoch eine
unterschiedliche Entwicklung genommen. Ihr Verhältnis zum Imperium sei
dabei als wegweisend zu betrachten. Mit beiden schlossen die Römer
vertragliche Kontakte und suchten geschlossene Gruppen in ihr Reich zu
integrieren. Die Franken schafften es im Norden Galliens über den
Niederrhein in frei stehende Gebiete vorzudringen (Toxandrien), die
ihnen der Kaiser Julian zuwies - die Alemannen jedoch blieben, abgesehen
von feindlichen Vorstößen, jenseits des Oberrheins. Hier sah der
Referent einen entscheidenden Vorteil der Franken gegenüber ihren
südlichen Nachbarn: sie konnten sich auf Gebiet niederlassen, in dem
römische Infrastruktur vorhanden war. In der Folgezeit, Ende des 4.
Jahrhunderts, verdrängten die fränkischen Eliten zunehmend die Alemannen
aus den römischen Ämterlaufbahnen. Entsprechend verschwanden die
Alemannen aus dem Blick römischer Quellen. Der Trend einer
gegensätzlichen Entwicklung habe sich bis in die Zeit Chlodwigs
fortgesetzt: Während die Franken in den oberen Hierarchien des Imperiums
mitwirkten, Kontakte zur gallorömischen Lokalelite (in Person der
Bischöfe) entstanden, lebten die Alemannen auf Höhenburgen jenseits des
Rheins, zersplittert in viele lokale Herrschaften. Wie der Referent
abschließend ausführte, hätten die Alemannen überhaupt keinen Anteil am
Geschehen in Mitteleuropa gehabt, wie die Nichteinbeziehung der
Alemannen in die Heirats- und Bündnispolitik der Königssippen des 5.
Jahrhunderts deutlich mache.

Mit dem Vortrag von CLAUDIA WICH-REIF (Bonn) über "Frühe fränkische
Sprachzeugnisse" wurde in die Sektion "Sprachwissenschaft und Alte
Geschichte" übergeleitet. Über die sprachliche Ebene einen Eindruck des
Zusammenlebens von Romanen und Germanen zu gewinnen, gestalte sich
schwierig, da die einzige Schriftsprache das Lateinische war. Die
Forschung würde erst für die Zeit um 750 vom Beginn einer
"althochdeutschen" Sprache sprechen, während aus vorheriger Zeit nur
Fragmente und Einzelworte germanischen Sprachgutes überliefert seien.
Die Referentin hob hierbei die Rechtstexte des Frühmittelalters hervor
(Lex Salica), in denen bisweilen germanische Begriffe oder Formeln
auftauchten. Auch Ritzungen auf Alltagsgegenständen in Runenschrift
bilden ein eigenes Quellenkorpus von geringem Umfang. Einen relativ
hohen gegenseitigen Einfluss zwischen lokaler germanischer und
lateinischer Sprache an der Rheingrenze habe der "Appellative
Wortschatz" gehabt: Die Namen von Gewässern, Wäldern oder auch
Flurnamen[2], die vom Germanischen ins Lateinische übernommen wurden -
während ins Germanische verschiedene lateinische Lehnwörter für Städte
oder die weiter gepflegte mediterrane Alltagskultur aufgenommen wurden.
Hier sei besonders auf den an Rhein und Mosel auch unter fränkischer
Herrschaft weitergeführten Weinanbau mit dessen Fachvokabular
verwiesen.

WERNER LÜTKENHAUS (Marl) betrachtete in seinem Vortrag das Thema "Die
Verwaltung der beiden gallischen Diözesen zu Beginn des 5. Jahrhunderts
- Militarisierung der Zivilbevölkerung oder Zivilisierung des Militärs?"
In seinen Ausführungen stellte der Referent die administrative Makoebene
Galliens dar, die Diözesanverwaltung, die als Bindeglied in der
"mittleren" Hierarchie des Reiches den Kaiser mit seinen Reichsteilen
verband. Wie aus mehreren Quellen (Zosimos, Rutilius) ersichtlich sei,
könne eine gegensätzliche Entwicklung der nördlichen gegenüber der
südlichen Diözese festgemacht werden. Der Norden Galliens sei seit jeher
durch seine gefährdete Rheingrenze und die Präsenz römischer Truppen in
höherem Maße militärisch geprägt gewesen als der Süden. Mit zunehmender
Gefährdungslage im Norden, im Laufe des 5. Jahrhunderts, habe sich die
administrative Durchdringung der Provinzen verändert. Bedingt durch das
Misstrauen der kaiserlichen Zentrale gegenüber der lokalen Oberschicht
und ihrer Rolle beim Aufstieg von Gegenkaisern aus der Region habe man
die zivilen Kompetenzen kaiserlichen Militärs übertragen. Lütkenhaus
betonte jedoch ausdrücklich, dass man mit dem Wegfall der gängigen
Zivilverwaltung nicht von einem Abfall des Nordens vom Reich sprechen
könne - die Klammer, die den Norden weiter mit dem Rest des Reiches
verbunden hätte, sei nun das Militär als staatstragende Kraft gewesen.
Dennoch lasse sich ersehen, dass so im Norden Galliens ein besonders
günstiges Umfeld für erfolgreiche und charismatische Militärführer aus
der Region entstanden sei, in dem fränkische Anführer, wie Childerich,
die Chancen zum Aufstieg genutzt hätten.

Den Abendvortrag der Tagung bestritt SEBASTIAN RISTOW (Köln) und
referierte über die "Frühgeschichte des Christentums im Rheinland mit
besonderer Berücksichtigung des Beispiel Köln". Zunächst machte der
Referent deutlich, dass man kritisch mit als "christlich"
interpretierten archäologischen Funden umgehen müsse und schon gar nicht
davon ausgehen könne, dass jeder Träger von Gegenständen mit
christlicher Symbolik auch Christ gewesen sei. Vielmehr müsse man durch
den Fundkontext versuchen, zu entscheiden, ob etwa ein Christogramm mit
Absicht auf einem Gegenstand angebracht wurde, um als religiöses Symbol
zu dienen, oder ob man es mit christlicher Ornamentik als "Mode" zu tun
habe - denn eine solche habe es gegeben. Das Christogramm war ab dem 4.
Jahrhundert mit Constantin I. auch "Staatssymbolik" geworden, diente
etwa als Symbol auf Schutzschilden oder anderen profanen Gegenständen.
Ähnlich schwierig sei auch die frühe "christliche" Architektur
einzuordnen. Von archäologischer Seite stehe fest, dass spätere Kirchen
aus mehr oder minder profanen Bauten hervorgegangen seien, besonders so
genannte "cellae", kleine Andachtsgebäuden auf Friedhöfen. Eine
eindeutig "christliche" Architektur in diesen Vorgängerkirchen ließe
sich erst für das 7. Jahrhundert festmachen, als diese mit der Liturgie
dienenden Strukturen versehen wurden. Vorher habe es keine
überregionalen architektonischen Anforderungen an Kirchen gegeben. Nur
für wenige Bauten lasse sich verhältnismäßig früh eine eindeutige
christliche Nutzung archäologisch festmachen. Dazu gehöre der
Vorgängerbau des Kölner Doms, in dem schon ab dem 5. Jahrhundert eine
Apsis nachzuweisen sei.

Am zweiten Tag der Tagung leitete der Vortrag von CHRISTOPH REICHMANN
(Krefeld) "Zur Übernahme des römischen Kastellortes Gelduba durch die
Franken" die archäologische Sektion ein, der der ganze zweite Tagungstag
gewidmet war. In Reichmanns Vortrag wurde die schrittweise Niederlassung
der Franken im Rheinland an einem konkreten Beispiel dargelegt. Das
nicht überbaute und daher besonders intensiv erforschte Gräberfeld von
Gelduba (Krefeld-Gellep) sei für eine dichte Beschreibung des Übergangs
von römischer zu fränkischer Zeit in besonderem Maße geeignet. Gelduba
diente im 4. Jahrhundert als Stützpunkt römischer Eliteverbände, deren
gute Besoldung sich im Fundmaterial des Kastells und der angrenzenden
Zivilsiedlung widerspiegelte. Im 5. Jahrhundert fand, wohl unter Duldung
des römischen Staates, eine Ansiedlung von Franken nahe am Kastell
statt. Mit ihrem Eintreffen verlor das Kastell seine Festungsfunktion
und wurde Teil einer Siedlung, in der fränkische "Föderaten" mit
einheimischer Bevölkerung zusammenlebten. Erst im 6. Jahrhundert
erfolgte ein grundlegender Wandel mit dem Eintreffen des "Fürsten von
Gellep", dessen reich ausgestattetes Grab ihn als mächtigen Gefolgsmann
Chlodwigs ausweise. Sowohl das Kastell als auch die Zivilsiedlung wurden
unter seiner Herrschaft weiter bewohnt. Erst zu Beginn des 7.
Jahrhunderts verlor Gelduba seine vorteilhafte Stützpunktfunktion durch
die Verlandung seines Rheinhafens.

"Merowingerzeitliche Siedlungstopographie im nördlichen Rheinland"
lautete der Titel des Vortrages von ELKE NIEVELER (Moers), die in ihren
Ausführungen den Informationswert von Kartenwerken als flächendeckender
Betrachtungsmöglichkeit hervorhob. Bei der Übertragung archäologischer
Befunde auf eine Landkarte könnten sowohl aus der geographischen
Verteilung von Fundplätzen strukturelle Erkenntnisse gezogen werden, als
auch bei vorliegender Datierung Entwicklungslinien aufgezeigt werden.
Mit Hilfe der siedlungstopographischen Betrachtung konnte nachgewiesen
werden, wie sich die Siedlungsentwicklung nach Rückzug der römischen
Verwaltung am Rhein gestaltete. An Hand der Verteilung fränkischer
Reihengräberfunde des 5. Jahrhunderts sei deutlich zu sehen, dass sich
die Franken im Rheinland bei ihrer Ansiedlung zuerst an den römischen
Strukturen orientierten (Beispiel Xanten). Erst im 6. Jahrhundert sei
ein Ausgreifen in die Fläche festzustellen. Im Gesamtbild könne
festgehalten werden, dass ein Drittel der Besiedlung auf römischer
Struktur weitergeführt wurde (Köln, Jülich), ein Drittel neue Siedlungen
an fast gleicher Stelle entstanden (Xanten, Bonn) und ein Drittel
gänzlich neue Siedlungen angelegt wurden.

Nach der Mittagspause wurde der letzte Teil der Tagung eingeleitet,
beginnend mit dem Vortrag von NIKLOT KROHN (Freiburg): "Sarkophag und
Fürstengrab - Elitengräber im Rheinland von der Spätantike bis zum
frühen Mittelalter". Die vom Referenten vorgestellten Elitengräber waren
allesamt keine Neufunde, sondern der historischen Forschung insgesamt
bekannt, wie etwa das Childerichgrab. Die neuere archäologische und
historische Forschung sei aber in jüngster Zeit zu neuen
Interpretationen gekommen. Die vom 5. bis zum 7. Jahrhundert bekannten
Elitengräber mit "germanischen" Waffenbeigaben und "römischen"
Prunkbeigaben (Glas) oder Herrschaftsinsignien (Siegelringen) wurden
bisher stets als Indiz für die in spätrömischer Zeit erfolgte
"Barbarisierung" des römischen Heeres herangezogen. Die neuere
Interpretation gehe nunmehr dahin, dass die in Nordgallien und auch im
Rheinland anzutreffenden Elitengräber Indikatoren einer
gesellschaftlichen Umforumg seien. Der anzutreffende Prunk und die
Waffenbeigaben waren Machtdemonstration einer nunmehr vornehmlich lokal
wirkenden Elite. Die Waffengräber an sich könnten als Indiz für die
schwindende Präsenz des römischen Militärs gelten - an Orten, wo es sich
länger hielt, etwa bei Trier, traten Waffengräber auch später auf. Die
in spätantiker Zeit aufkeimende und in merowingische Zeit fortgeführte
Bestallungskultur dürfte man nicht versuchen mit "römisch" oder
"germanisch" in die eine oder andere Richtung zu ziehen, sondern müsse
sie als eigene, lokale Kulturform anerkennen.

Mit dem Vortrag von MICHAEL SCHMAUDER (Bonn) "Transformation oder Bruch?
Überlegungen zum Übergang von der Spätantike zum Frühen Mittelalter im
Rheinland" wurde die Reihe der Vorträge der diesjährigen Herbsttagung
abgeschlossen. Der Referent zog eine Bilanz der bisherigen Erkenntnisse
der archäologischen Forschung und formulierte den übergreifenden
Umstrukturierungsprozess in Nordgallien, in dem das Rheinland
wiederzufinden sei. Bei Betrachtung der nordgallischen Führungsschicht
sei der "habitus barbarus" als Phänomen anzuerkennen, der als ein Indiz
für die zunehmende Segmentierung verschiedener Machtsphären zu werten
sei, in denen lokale Eliten die Führung übernahmen. Durch die Prunk- und
Waffeninsignien sei das "Gefährdetsein" als Lebensgefühl in Nordgallien
zu greifen, in der Mentalitätsgeschichte als "agonale Lebenshaltung"[3]
bezeichnet. Die lokale Elite füllte die Lücken, die das Militär
hinterlassen hatte. Die Militarisierung Nordgalliens lasse sich als
Resultat des Wegfallens der "pax romana" begreifen. Die fassbare Elite
sei zwar zu einem guten Teil aus dem Rechtsrheinischen zugewandert,
hätte sich aber spontan akkulturiert. Die Franken als Träger einer
bereits im 3. Jahrhundert stark militarisierten Rhein-Weser Kultur
hätten bei ihrem Hereinkommen ins Imperium die römische Kultur ihren
Bedürfnissen entsprechend aufgenommen. Daraus formten sie eine eigene
"merowingische" Kultur - man könne also von einer Transformation der
römischen Kultur im Rheinland sprechen.

Die gelungene Tagung bot einen interessanten und sehr detailreichen
Einblick in die aktuellen Forschungstendenzen der historischen
Disziplinen. In der Schlussdiskussion bündelte Manfred Groten die in den
Vorträgen aufgeworfenen Fragen zum Übergang von Spätantike zu
Frühmittelalter im Rheinland. Ob man nun die politische oder kulturelle
Ebene betrachte, sei doch bei allen Überlegungen noch Begriffsklärung zu
leisten: Was war das "Fränkische"? Was war in jener Zeit das "Römische"?
Sind für diese Übergangszeit überhaupt klare Identitäten auszumachen?
Welche Rolle spielte der Rhein als Kontakt- bzw. Grenzzone? War er
Kulturgrenze oder verband er Grenzkulturen? Auch sei noch das Verhältnis
von archäologischen und sprachlichen Befunden auszuloten, die materielle
gegenüber der sprachlichen Hinterlassenschaft, mit der Identitäten
genauer konturiert werden könnten. Von Seiten der historischen Forschung
verspreche für die Zukunft eine stärkere Hinwendung zur
kulturgeschichtlichen Analyse der Völkerwanderungszeit fruchtbare
Ergebnisse.

Konferenzübersicht:

Ulrich Nonn (Bonn):
Franken, Salfranken, Rheinfranken - Fragen, Antworten, Hypothesen

Matthias Becher (Bonn):
Chlodwig und die Gründung des fränkischen Großreiches

Dieter Geuenich (Duisburg-Essen)
Franken und Alemannen

Claudia Wich-Reif (Bonn)
Frühe fränkische Sprachzeugnisse

Werner Lütkenhaus (Marl)
Die Verwaltung der beiden gallischen Diözesen zu Beginn des 5.
Jahrhunderts - Militarisierung der Zivilbevölkerung oder Zivilisierung
des Militärs?

Sebastian Ristow (Köln)
Frühgeschichte des Christentums im Rheinland mit besonderer
Berücksichtigung des Beispiel Köln

Christoph Reichmann (Krefeld)
Zur Übernahme des römischen Kastellortes Gelduba durch die Franken

Elke Nieveler (Moers)
Merowingerzeitliche Siedlungstopographie im nördlichen Rheinland

Niklot Krohn (Freiburg)
Sarkophag und Fürstengrab - Elitengräber im Rheinland von der Spätantike
bis zum frühen Mittelalter

Michael Schmauder (Bonn)
Transformation oder Bruch? Überlegungen zum Übergang von der Spätantike
zum Frühen Mittelalter im Rheinland

Anmerkungen:
[1] Franz Petri, Germanisches Volkserbe in Wallonien und Nordfrankreich.
Die fränkische Landnahme in Frankreich und den Niederlanden und die
Bildung der westlichen Sprachgrenze, Bonn 1942.
[2] Tobias Vogelfänger, Nordrheinische Flurnamen und digitale
Sprachgeographie. Sprachliche Vielfalt in räumlicher Verbreitung
(Rheinisches Archiv 155), Köln 2010.
[3] Georg Scheibelreiter, Die barbarische Gesellschaft.
Mentalitätsgeschichte der europäischen Achsenzeit. 5.-8. Jahrhundert,
Darmstadt 1999.

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