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[Regionalforum-Saar] Ein Portrait des St. Wendeler Landes

Date: 2010/10/16 23:11:48
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Das druckfrische Werk von Dr. Manfred Peter über die zweite Heimat des hl. Wendelin

 

ein paar längere Bemerkungen

von Roland Geiger, St. Wendel

 

Im Bericht über die Aktivitäten in der St. Wendeler Kulturlandschaft, der vergangene Woche in der Saarbrücker Zeitung stand,  ist im letzten Satz über die druckfrische Arbeit von Dr. Peter hingewiesen worden. In der Buchhandlung Klein in St. Wendel konnte ich mir dieses Opus für 4,50 Euro zulegen.

 

Der etwas schwerfällige Titel lautet „St. Wendelins (St. Wendalinus – St. Findalans) zweite Heimat – Ein Portrait des St. Wendeler Landes“.

 

Das Heft (Büchlein) mißt 28 Seiten in relativ großer Schrift, wobei zehn Seiten auf Farbfotos entfallen und die Rückseite bis auf die ISBN 978-3-9813149-2-2 leer bleibt. Bleiben abzüglich Deckblatt und erster und letzter Umschlagsseite 14 Seiten für den Text.

 

Bevor ich zum eigentlichen Inhalt komme, stelle ich das Nachwort (aus dem Heft) voran, das von Werner Feldkamp, dem Vorsitzenden der Kultur- und Landschaftsinitiative St. Wendeler Land (Kulani), verfaßt wurde:

 

„Die Kultur- und Landschaftsinitiative St. Wendeler Land (KuLanI) begrüßt die vorliegende Veröffentlichung. Sie ist in hervorragender Weise geeignet, das Bewußtsein für Geschichte und Kultur der Region zu fördern und unterstützt damit die Bemühungen der KuLanI im Rahmen des Leader Programms »St. Wendeler Land steinreich: auf den Spuren einer 2.500-jährigen europäischen Kulturentwicklung«.“

 

So fängt Peters Text an:

 

„Die Leserinnen und Leser des vorliegenden Büchleins werden bemerken, dass im Text mehrfach auf Irland verwiesen wird.

 

Dies hat einen einfachen Grund:

In den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte der irische Kardinal Ö Fiaich, ein international anerkannter Historiker und Sprachwissenschaftler, die Vermutung geäußert, dass der heilige Wendelin aus einem in Delvin (irisch Dealbhna) ansässigen Königsgeschlecht stammen könnte.

 

Von dieser Zeit an hat sich die Aufmerksamkeit aller an der historischen Gestalt des Heiligen Interessierten verstärkt auf Irland gerichtet.“

 

Und damit ist dann auch schon wieder fast alles gesagt. Denn ebenso wie der irische Kardinal eine Vermutung äußerte, ist das, was Peter auf den folgenden Seiten wiedergibt, immer dann, wenn es sich um den heiligen Wendalinus handelt, Vermutung. Beweisen kann er nämlich nichts.

 

Das gibt er – an anderer Stelle, hier nicht – auch offen zu, aber schon nach dieser üblichen Einleitung – als wenn er in medias res geht –wechselt er den Schreibstil von „es könnte“ in „es ist“.

 

Seine Quelle für die Geschichtlichkeit des Heiligen ist „die Legende“. Gemeint ist vermutlich die Heiligenlegende von Wendalinus, nur   d i e   Legende gibt es eben nicht. Tatsächlich gibt es mehrere Legenden, angefangen mit einer in Latein, die um das Jahr 1300 entstanden ist und sich bezüglich Herkunft und Leben des Heiligen vor St. Wendel relativ bedeckt hält, bis zur Kellerschen Legende um das Jahr 1700, der ersten gedruckten Legende in Deutsch. In diesen wiederum 400 Jahren zwischen 1300 und 1700 wurde der Inhalt um etliche Details ergänzt, die im Laufe der Zeit hinzukommen, wie z.B. das Todesjahr, die Romfahrt, die Namen der Eltern usw.

 

Und das ist der Punkt, wo Peter unglaubwürdig wird und sich von jeder Wissenschaftlichkeit entfernt und nie wieder zurückfindet. Denn gerade die Wissenschaftlichkeit braucht er, wenn er von der „der historischen Gestalt des Heiligen“ schreibt. Mit dem Wort „historisch“ verläßt er den Bereich des Glaubens, der keine Beweise braucht, und wechselt in den Bereich des Wissens, das empirische Beweise fordert.

 

Die erste uns bekannte Legende wurde um das Jahr 1300 verfaßt, also rund 700 Jahre nach dem mutmaßlichen Tod des historischen Wendalinus, aus dessen Leichnam dann die Reliquie wurde (sofern es einen historischen Wendalinus gab, was ebenfalls nicht bewiesen ist, sondern nur gemutmaßt werden kann, aber das ist eine andere Geschichte). Die Legende hat den Zweck, über die Reliquie zu informieren. Wer war im natürlichen Leben, was hat er gemacht, daß aus ihm ein Heiliger wurde, wie kann er helfen.

 

In wikipedia finden wir unter dem Stichwort „Heiliger“ diesen Text:

„Die Deklaration und Verehrung von Heiligen erfüllt ein urreligiöses Bedürfnis der Menschen nach Vorbildern in ihrem Glauben und gleichzeitige Bestätigung desselben. Die als vorbildlich anerkannten Mitglieder der Glaubensgemeinschaft verlassen zwar die diesseitige – menschliche – Gemeinschaft. Sie bieten jedoch die Möglichkeit, den Kontakt zwischen Diesseits und Jenseits zu halten, denn obwohl sie in die jeweilige göttliche Herrlichkeit aufgenommen worden sind, bleiben sie über ihr Grab, ihre Reliquien und ihre Verehrung im Diesseits präsent und bilden so eine Verbindung zu der von den noch lebenden Gläubigen selbst angestrebten Erlösung. Über die ihnen während oder nach ihrem Leben zugeschriebenen Wundertaten geben sie den Gläubigen eine positive Antwort auf die Frage nach der Sinn- und Wahrhaftigkeit der jeweiligen Religion.“

 

Über die Wahrheit in der Legende läßt sich nicht viel sagen, weil wir außer der Legende selbst nichts haben. Nun können einzelne Legenden mithin einen Kern von Wahrheit enthalten, auch wenn die jeweils erzählte Geschichte quellenmäßig nicht verbürgt ist. Das gilt vor allem, dann, wenn – wie in unserem Fall -  die Legende zentral auf die Verkündigung einer Glaubenswahrheit abzielt, die für sie wesentlicher ist als die vordergründige historische Wahrheit. D.h. es ging den Erschaffern der Legende in erster Linie nicht darum, eine reelle Geschichte wiederzugeben (die sie abgesehen davon aufgrund der großen Zeitspanne gar nicht mehr kennen können), sondern sie wollten erklären, warum Wendalinus für die Leute wichtig ist und warum und wie er ihnen helfen kann.

 

Diese Legende, die im 15. Jahrhundert einen völligen Wandel erfuhr – aus dem Priester wurde ein Schafhirte -, oder eine spätere Version nimmt Peter allerdings ohne Vorbehalt oder Bedenken für bare Münze und versucht, sie historisch zu belegen. Dazu hat er allerdings auch nichts weiter als Hörensagen (die Aussage des irischen Kardinals) und Vermutungen, etwa dann, wenn er für Wendalinus einen Geburtsort in Irland kreiert und auf Basis dieser Vermutung weitermacht: Es soll sich bei Wendelin um einen Königssohn gehandelt haben. Die Herren der Region von Delvin galten wegen der Größe und Bedeutung ihres Machtbereichs nach der Struktur der irischen Gesellschaft als Könige.“

 

Spätestens da wirds „gefährlich“. Peter ist ein überzeugender Redner und kann sehr gut erzählen, aber nicht berichten. Seine Geschichten sind ein buntes Gemenge an Fakten und Fiktionen, und er gibt sich keine Mühe, Historisches und Vermutungen auseinanderzuhalten. Der „normale“, d.h. nicht historisch „vorbelastete“ Leser hat da fast keine Chance, zwischen Fiktion und Fakt zu unterscheiden. Im Textbeispiel ist der erste Satz eine bloße Vermutung, die aus einer der Legendenversionen stammt. Der zweite Satz klingt zumindest historisch, wenn der Autor auch keine Quelle angibt, sondern behauptet.

 

Sein Portrait des St. Wendeler Landes wird zu einem historischen Abriß, eingeteilt in fünf Perioden.

 

Die erste ist die keltische von 800 bis 25 vor Christus mit der Hauptperson Indutiomarus, „von dem angenommen wird, dass er der Herr des Ringwalls Otzenhausen war“. Die angegebene Quelle ist sein eigenes Buch „Indutiomarus, Der Herr des Ringwalls“. Das bedeutet: die Quelle dieser Annahme, also dieser Vermutung ist der Autor selbst, Manfred Peter. Geschickt.

 

Weiter geht’s in die römische Epoche (ca. 25 vor bis 496 nach Christus).

 

Hier kommt seine nächste Vermutung, die er allerdings als Wahrheit hinstellt:

Der Name der sich allmählich entwickelnden Besiedlung an der Schnittstelle der beiden Römerstraßen war Wareswald“. Der heutige Name der Parzelle, in der die archäologischen Ausgrabungen stattfinden, ist „Wareswald“, aber kein Mensch weiß, wie die römische Siedlung war, die einst hier lag. Diese Behauptung, ihr Name sei Wareswald gewesen, ist absolute Spekulation; es gibt nicht einen einzigen Hinweis darauf. Aber Peter benötigt den Namen für seinen (versteckten) Hinweis auf Rixius Varus, der in verschiedenen örtlichen Sagen eine Rolle spielt. Und da ja alle Sagen – wie die Legenden – einen wahren Kern haben …

 

Johannes Schönwald vom Staatlichen Konservatoramt wird herangezogen; danach war die Bevölkerung in der Siedlung „zum großen Teil keltischen Ursprungs“.

 

Nummer drei ist „das frühe Mittelalter oder die fränkische Epoche“ (496 bis 862 nach Christus). Hier wird der heilige Wendalinus, der im Vorwort und in der Einleitung schon beschrieben wurden, in Szene gesetzt. Wieder einmal belegt Peter die irische Herkunft des Heiligen „allem Anschein nach“. Er setzt dann noch einen drauf, als er durch Vergleich mit den Lebensdaten des Bischofs Magnerich das Kloster Tholey auf vor 596 nach Christus datiert.

 

Nummer vier führt uns ins „hohe und späte Mittalter“ (962 bis etwa 1500)

 

Hier kommt ein Satz, der dem Thema des Buches geschuldet ist: „Die Struktur der Region, wie wir sie heute kennen, mit der Stadt St. Wendel, mit ihren Burgen (in Nohfelden und Namborn) und ihren zahlreichen Dörfern, ist in dieser Zeit entstanden.“

 

Diese Behauptung ist einfach nur Unfug. Die Struktur der Region, wie wir sie heute kennen, entstand erst im 20. Jahrhundert, als der heutige Kreis St. Wendel entstand. St. Wendel hatte mit den Burgen in Nohfelden und bei Hofeld (nicht Namborn) überhaupt nichts zu tun. Die Stadt bildete mit einigen anderen Orten ein Amt, das dem Kurstift Trier unterstellt war und das erst im Zuge der Französischen Revolution aufgelöst wurde. Auch danach gehörte zumindest Nohfelden noch lange nicht zu St. Wendel und gehört es auch heute nicht – außer über den Landkreis.

 

Daß es für die Weihe des Chors der Wendelsbasilika 1360 und die Überführung der Wendelslade in diesen Chor am 5. Juli 1360 keinerlei Belege gibt (wobei die Historie des Trierer Geistlichen Brower aus dem 17. Jahrhundert nur bedingt als Quelle herangezogen werden kann, da sie ein Ereignisse benennt, die auch schon wieder über 200 Jahre her waren), das kann Peter fast nicht wissen.

 

Peters Leitfigur in Periode 4 ist Nikolaus von Cues. Von ihm weiß er sicher, daß er aus der Stadt ein Unterbistum von Trier mit Bischofssitz machen wollte. Eine Quelle braucht er dazu allerdings nicht.

 

Periode fünf führt uns in die „Neuzeit oder die Epoche Europas“ (ca. 1500 bis Ende des 20. Jahrh.). Für diese Zeit hat er keine eigentliche Leitperson, aber dafür wieder etlichen Unfug parat.

 

 So spricht er von einem Wunder, das im Zweiten Weltkrieg große Teile der Stadt St. Wendel bei Bombenangriffen zerstört wurden, die Basilika aber unbeschadet blieb. Der Teil mit der Basilika stimmt, der Teil mit den Zerstörungen nicht.

 

St. Wendel hatte das zweifelhafte Glück, von den Amerikanern, nicht den Engländern bombardiert zu werden. Die amerikanischen Bomber kamen bei Tag und konnten ihre Ziele anvisieren, weshalb sich die Kollateralschäden auf die Nahbereiche um das Eisenbahninstandsetzungswerk und den St. Wendeler Bahnhof beschränkten. In der Innenstadt fiel nicht eine einzige Bombe. Dazu kam, daß auf dem Dach der Basilika ein großes weißes Kreuz aufgemalt war, daß Bombern zeigen sollte, daß es sich um ein geschütztes Gebäude handelte. Gleiche Markierungen fanden sich auf den Kasernengebäuden, da dort ein Lazarett untergebracht war. St. Anna in Alsfassen besaß das Kreuzzeichen nicht, sie wurde völlig zerstört.

 

Vier schöne Fotos ergänzen den langen Satz über die Wendelskapelle; hier vermißte ich die Information, daß sie als Privatkapelle der Familie von Hame errichtet wurde. Unausgegoren ist dann auch der letzte Satz, daß wegen der Wertschätzung der Reliquie eine Rippe der Kaiserin Maria Theresia zum Geschenk gemacht wurde; an sich stimmt das schon, aber sie erhielt ihn, um eine Kirche im Banat damit auszustatten, wohin Leute aus St. Wendel ausgewandert waren.

 

Im Anhang findet sich eine Liste mit Museen und sonstigen Sehenswürdigkeiten. Hier ist mir die chaotische Zusammenstellung aufgefallen, deren Reihenfolge m.E. jeglicher Logik entbehrt.

 

Im Nachhinein habe ich festgestellt, daß dieses Heft den gleichen Inhalt hat wie der überlange Vortrag im vergangenen Jahr (2009) bei der Buchvorstellung von Helmut Weiler über den Holzhauserhof.

 

Am Schluß finde ich wieder das Empfehlungswort von Herrn Feldkamp von der Kulani:

 

„Die Kultur- und Landschaftsinitiative St. Wendeler Land (KuLanI) begrüßt die vorliegende Veröffentlichung. Sie ist in hervorragender Weise geeignet, das Bewußtsein für Geschichte und Kultur der Region zu fördern und unterstützt damit die Bemühungen der KuLanI im Rahmen des Leader Programms »St. Wendeler Land steinreich: auf den Spuren einer 2.500-jährigen europäischen Kulturentwicklung«.“

 

Ich befürchte, er weiß nicht, was er da so lobt; denn dieses Heft ist in keiner Weise dazu geeignet, das Bewußtsein und die Kultur der Region zu fördern, denn es hat keine Basis. Es fußt auf nichts; es ist ein wackeliges Gerüst, gefüllt mit Vermutungen und zum Teil naiven Schlußfolgerungen, und es ist schon lange eingestürzt. Aber das hat von den Verantwortlichen bisher keiner bemerkt.

 

Ich persönlich finde es verantwortungslos, dieses Sammelsurium auf unsere Besucher loszulassen. Denn die können nicht wissen, was Fakt und Fiktion ist, und vertrauen darauf, daß sie verantwortungsbewußt behandelt werden. Sie bezahlen dafür; und auch wenn sie es nicht bemerken sollten, die Wahrheit hat man ihnen mit diesem Opus nicht gesagt.

 

16. Oktober 2010

Roland Geiger, St. Wendel