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2009/11/06 09:23:14
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] stammt die Wendalinuslade aus dem 16ten Jahrhundert?
Datum 2009/11/07 11:45:01
anneliese.schumacher(a)t-online.de
Re: [Regionalforum-Saar] gestern abend in Nohfelden
2009/11/26 11:53:51
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Geschichtskultur. Die Anwesenheit von Vergangenheit in der Gegenwart
Betreff 2009/11/07 11:45:01
anneliese.schumacher(a)t-online.de
Re: [Regionalforum-Saar] gestern abend in Nohfelden
2009/11/06 09:23:14
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] stammt die Wendalinuslade aus dem 16ten Jahrhundert?
Autor 2009/11/07 14:10:55
Rolgeiger
Re: [Regionalforum-Saar] gestern abend in Nohfelden

[Regionalforum-Saar] gestern abend in Nohfelden

Date: 2009/11/07 00:44:55
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

ein paar Gedanken und Meinungen, vorgetragen zur ausschließlichen Verwendung im Regionalforum Saar.

 

 

Guten Morgen,

 

gestern abend war ich in Nohfelden zum 6. Nohfelder Geschichtsabend. Auf dem Programm standen zwei Themen: zunächst ein Vortrag von Dr. Manfred Peter aus Luxemburg über 2500 Jahre Geschichte in unserer Region und dann die Vorstellung des Buches "Geschichte des Holzhauserhofes", verfaßt von Helmut Weiler, vorgestellt von Edgar Schwer, dem Vorsitzenden des Vereins für Heimatkunde Nonnweiler. Über das Buch kann ich selber nichts sagen, da hab ich noch gar nicht reingeschaut.

 

Aber der Vortrag, der hat es mir angetan. Und zwar ganz schlimm. Der richtige Titel lautet "Das St. Wendeler Land vor dem Hintergrund der Epochen einer 2500-jährigen Geschichte".

 

Eins vorweg. Erzählen kann Dr. Peter wirklich gut; man kann ihm richtig gut zuhören – allerdings nur, wenn man keine Ahnung davon hat, was er erzählt. Leider war das im vorletzten und letzten Teil seiner Ausführungen bei mir nicht so.

 

Er hatte seinen Vortrag, der auf eine Stunde ausgelegt war, in fünf Teile gegliedert und zwar passend zum angegebenen Zeitraum im Titel in fünf mal fünfhundert Jahre. Schlußendlich wurden nur vier mal fünfhundert Jahre draus, weil er sich zeiteinteilungsmäßig so vergaloppierte, daß er trotz 20 Minuten Zulage nur bis zum Jahre 1500 kam.

 

Für die ersten fünfhundert Jahre – die Zeit der Kelten, die er mit der Latenezeit um 500 v.Chr. anfangen ließ – brauchte er alleine schon über eine halbe Stunde. Tut mir leid, aber ich kriege nicht mehr alles zusammen, was er vortrug. Irgendwann faßte er zusammen, daß mittlerweile anerkannte Wissenschaftler das Zentrum der keltischen Kultur hier bei uns in unserer Region sehen. Beweise für ihn waren u.a., daß die heutigen Iren als Nachfahren der Originalkelten in ihren Mythen von rollenden Hügeln erfahren und bei Reisen in unsere Region diese rollenden Hügel bei uns vorfinden (ich gehe mal davon aus, daß damit nicht die sekundären Geschlechtsmerkmale unserer hiesigen Damenwelt gemeint ist, sondern die Hügel und Täler, die unsere Landschaft mitgestalten). Ein weiteres wichtiges Merkmal ist unser Dialekt, von dem sich viele Worte fast im Original im Altirischen wiederfinden. Der Grund liegt darin, daß diese Sprache durch keltische Siedler hierher zu uns übertragen wurde.

 

Besonderes Augenmerk legte er auch auf die vier oder fünf Fliehburgen, die auf Hügeln und Bergen der näheren und weiteren Umgebung angelegt wurden. Eine davon ist der Hunnenring. Der muß von einem mächtigen, autoritären Stammesfürsten ausgeführt worden sein. Und Peter kennt auch seinen Namen. Eigentlich können es nur zwei gewesen sein – und die Namen hat er auch genannt. Denn die Geschichte der Aufgabe des Hunnenrings steht verschlüsselt in Cäsars Gallischem Krieg. Eine Wallanlage wurde damals aufgegeben (der Hunnenring), eine andere erst aufgemacht (der Titelberg bei Luxemburg?). Ein Herrscher wurde kaltgemacht oder –gestellt, ein anderer übernahm seine Stelle in der neuen Anlage. Also war der Kaltegemachte, übrigens ein Verwandter des zweiten, auf dem Hunnenring ansässig, und folglich hat er ihn auch anfertigen lassen. Über ihn – Idomarus? – wird demnächst übrigens eine Biographie erscheinen, den Autor kennt Dr. Peter sehr gut.

 

Ich hoffe, ich habe nicht zu viel durcheinandergebracht.

 

Die ersten fünfhundert Jahre endeten 25 vor Christus. Die zweiten folgten auf dem Fuße. Das war die römische Periode. Deren wichtigster Vertreter hier in unserer Kante war Rixius Varus, der natürlich nichts mit dem bekannten Varus zu tun hat, den der gute Hermann geschlagen hatte (auch das wurde von Dr. Peter kurz genannt), sondern römischer Statthalter in Trier gewesen war. Dr. Peter erzählte – und das kann er wirklich sehr gut: Geschichten erzählen – die Sage vom Teufelspflaster (hab ich gerade auf dieser Site gefunden: http://home.arcor.de/ac.hahn/primstal/sagen/sagen1.htm) und hätte auch noch gerne andere solcher Geschichten erzählt, wenn ihm die Zeit nicht am Davongaloppieren gewesen wäre. Aber – jede Sage hat einen wahren Kern, das war seine Basis für die dritten fünfhundert Jahre – daraus kann man schließen, daß auf die historische Figur eines christenfeindlichen Mannes der Volksmund den Teufel aufpfropfte.

 

Dann stellte er die Frage, die uns alle beschäftigte: wo hat dieser Varus gewohnt? Nun, auf dem saarländischen Hausberg, dem Schaumberg, natürlich, auf dem früher schon eine Fliehburg gestanden war. Unten lag im Vareswald die kleine Siedlung, aber die großen Bäder standen dort, wo heute die Abtei steht. Und die Bäder sind natürlich die Reste eines großen Palastes, und im Palast wohnte der Herr Varus. Oder stand der Palast oben auf dem Schaumberg und nur die Bäder waren unten? Hat jemand noch den genauen Wortlaut, wie sich der Dr. Peter da ausdrückte?

 

Das waren die zweiten fünfhundert Jahre, jetzt folgt die schlimmste Periode – des Vortrags. Denn der Hauptmeckes von Dr. Peters dritten halben Millenium war der heilige Wendalinus. Seine Weisheiten schöpft der Erzähler aus   d e r   Wendalinuslegende (und läßt schon mal gleich weg, welche er überhaupt meint, die erste, die zweite, die dritte, die vierte …; nein, ist doch klar, er meinte nur die eine, eben   d i e   Wendalinuslegende). Überhaupt gibt es heute drei Denkrichtungen, die sich auf Wendalinus beziehen. Es gibt die Leute, die sagen, es hätte ihn nie gegeben, und die Legenden seien nur erfunden worden, um den Pilgern eine schöne Geschichte zu erzählen. Und es gibt die anderen, die sagen, es habe ihn gegeben – und hier unterscheidet Dr. Peter auch nochmal – aber wie, das krieg ich jetzt nicht mehr hin. Egal.

 

Natürlich war Wendelin ein Ire. Und zwar … und dann legte Peter los und brachte eine Kurzfassung seiner Wendalinusbiografie, die vor ein paar Jahren erschien. Oh, verdammt, ich hab keinen Bock, diesen ganzen Mist hier zu wiederholen. Am besten war noch, als er meinte, sein verstorbener Bischof in Irland sei ein anerkannter Wissenschaftler gewesen, und alles, was der gesagt habe, müsse man für bare Münze nehmen.

 

Es war schlimm, diesem ganzen Schwachsinn zuzuhören und ruhig sitzen bleiben zu müssen, während er dem ahnungslosen Publikum einen Furz nach dem anderen erzählte. Was er sich da alles zusammenfabuliert hatte. Von Wendalinus' Eltern, die ihren Sohn gern in ein Kloster gesteckt hätten, damit er dort Abt würde. Und wie er – Peter – mit anderen schließlich dieses Kloster vor Ort lokalisiert hätten und daß nächstes Jahr dort archäologisch untersucht würde. Und so weiter und so fort.

 

Irgendwann erwähnte er dann noch einen irischen Philosophen des 8ten oder 9ten Jahrhunderts, dessen Name das Wort "Scoti" enthielt, und der den Helden von Dr. Peters viertem Fünfjahrhundert – Nikolaus von Cues – entscheidend beinflußte. Ich hoffe, er meinte nicht Michele Scoto, denn der lebte im 12ten Jahrhundert und stammte aus Schottland. Aber wenn ich mir dann dessen Biografie anschaue (siehe http://www.summagallicana.it/lessico/s/Scoto%20Michele.htm; bitte ganz durchblättern, unten kommt eine deutsche Übersetzung), dann könnte er es doch gewesen sein. Aber Dr. Peter sagte doch, er habe in der dritten Peterschen Periode gelebt – vielleicht wars doch ein anderer; ich glaube, Peter sprach von Scotinus, aber über den finde ich nichts.

 

Das vierte Fünftjahrhundert ging dann auch schnell vorbei, denn auch Wendalinus war wieder etwas episch geworden, und die Zeit war dem Vortragenden davongelaufen. Was blieb uns da nicht alles erspart. Obwohl, ich hätte schon gern gewußt, wer seine Hauptfigur im fünften Teil geworden wäre. Vielleicht Napoleon oder Sebastian Riefer oder gar Will Smith?

 

Bleibt noch ein kurzes Fazit: Vertane Zeit.

Und der bisherigen Qualität der Nohfelder Geschichtsabende absolut abträglich.

Schlimm für die Zuhörer, die die meisten Themen nicht kennen dürften und die jetzt mit diesem Geschichtsbild nach hause gehen.

 

Schade, daß einem solchen Murks eine solche Plattform geboten wurde.

 

Erzählen kann Dr. Peter, keine Frage, und würde er einen Fantasy-Roman schreiben, der würde sicher groß rauskommen. Aber auf diesem Parkett sollte er seine Tanzversuche schleunigst einstellen.

Wird er aber nicht tun. Leider.

 

Roland Geiger in Alsfassen am 7. November 2009