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2009/11/04 16:11:55
anneliese.schumacher(a)t-online.de
Re: [Regionalforum-Saar] morgen, Donnerstag, 5. Nov: Vortrag über Wendalinus
Datum 2009/11/07 00:44:55
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] gestern abend in Nohfelden
2009/11/02 08:49:16
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Schleidens Saarbrücken-Buch wird heute vorgestellt
Betreff 2009/11/27 00:56:37
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Symposium: Jüdische Deuts che im Saarland am 4. Dezember
2009/11/04 08:37:00
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Schleidens Saarbrücken-Buch wurde vorgestellt
Autor 2009/11/07 00:44:55
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] gestern abend in Nohfelden

[Regionalforum-Saar] stammt die Wendalinuslade aus dem 16ten Jahrhundert?

Date: 2009/11/06 09:23:14
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Guten Morgen,

 

gestern abend gab Johannes Naumann im Mia-Münster-Haus anläßlich der derzeitigen Wendalinus-Ausstellung eine Einführung zum Gegenstand der Ausstellung, dem heiligen Wendalinus (wahlweise mit "e" oder "a").

 

Für mich neu war ein Aspekt, den er quasi im Nachhinein angesprochen wurde. Nämlich die Frage, ob die schon seit vielen Jahren im Mia-Münster-Haus ausgestellte Lade identisch ist mit der, die 1506 im Auftrag des damaligen Trierer Bischofs neu angefertigt wurde. In den entsprechenden Quellen heißt es, 1506 seien die Gebeine "erhoben" worden, d.h. der Sarg wurde geöffnet, und die Reliquie den Augen der Öffentlichkeit preisgegeben – mal ne andere Frage: Warum muß sie eigentlich geöffnet werden? Eigentlich widerspricht doch diese Notwendigkeit des Augenscheinbeweises unserer gesamten Glaubenslehre. Denn meines Erachtens bedeutet "Glauben", etwas ohne Beweis zu akzeptieren. Was erfahre ich durch den Anblick der Reliquie, was ich vorher nicht schon wußte? Nämlich, daß hier die Überreste eines einst lebendigen Menschen liegen. Den Satz habe ich gestern abend auch gehört, als jemand von "Störung der Totenruhe" sprach und zwar immer dann, wenn der Sarg geöffnet wird. Gerade heutzutage, wo der Leichnam x-mal schon fotografiert wurde. Aber irgendwie zieht der offene Sarg an und birgt eine eigenartige Faszination, egal, ob man daran glaubt oder nicht. Aber das nur am Rande.

 

Naumann sprach gestern abend einen Zweifel an, der ihm während der Vorbereitungen zum Artikel gekommen war. 1506 ging es u.a. darum, die Reliquie auf eine angemessene Art zu präsentieren. Dazu gehört aber wesentlich mehr, als diese simple "Bretterkiste", die nicht aus Eiche, sondern aus einem Nadelholz – Tanne oder Fichte – angefertigt wurde. Wissenschaftlich datieren läßt sie sich aber nicht mehr. C-14 ist viel zu ungenau, die mögliche Bandbreite würde uns nicht viel sagen, weil wir vermutlich nichts weiter als das Jahrhundert herausbekämen und das noch plus-minus. Dendrochronologie (Zählen der Jahresringe) ist auch nicht möglich, dafür ist dieses Holz nicht geeignet.

 

Bleiben noch die Schließvorrichtungen. Die Lade resp. deren Deckel enthält vier Schlösser und ihre inliegenden Mechanismen. Es gab vier Parteien, die Rechte an der Reliquie hatten. Da war zum einen der Bischof in Trier, das Hospital in Bernkastel-Kues als Rechtsnachfolger des Nikolaus von Cues, die Pfarrei in St. Wendel und die hiesige Bürgerschaft. Jede Partei hatte einen eigenen Schlüssel, damit keiner der anderen an die Reliquie herankam und ggf. ein Stück entnehmen konnte. Von diesen vier Schlüsseln existiert nur noch ein einziger, der überdies die einzige exakte Datierung für die Lade zuläßt. An seinem Bart hängt nämlich ein kleines Dokument, worauf steht, daß 1752 im Auftrag von Maria Theresia ein Partikel entnommen und nach Ungarn geschickt wurde. Der Schlüssel wurde kurz vor Abriß der alten Kaplanei im Vorgarten des heutigen Parrhauses in St. Wendel von einem jungen Pfadfinder namens Werner Hans aus Bliesen "sichergestellt". Am Tag vor dem Abriß gab es im Haus eine Art "Tag der offenen Tür", jeder durfte sich dort mitnehmen, was er wollte. Hans entschied sich – gottseidank – für den Schlüssel. Dabei handelt es sich um Schlüssel Nummer drei, der zu dem entsprechenden Schloß in der Lade paßt und – wie wir vor gut zehn Jahren, als während einer Wendalinusausstellung in der Kreissparkasse St. Wendel die Lade renoviert wurde, erfahren haben – noch funktioniert. D.h. das Schloß läßt sich heute noch damit auf- und zusperren.

 

Johannes Naumann hat Fotos von den innenliegenden Schließmechanismen gemacht und sie per Email an ein Museum in Luxemburg gesandt, wo Schlösser aus vielen Jahrhunderten ausgestellt werden. Dort haben sich Fachleute die Sache angeschaut und festgestellt, daß es sich um Schlösser des 17ten, keinesfalls des 16ten Jahrhunderts handelt. Das muß nun nichts mit dem Alter der Lade zu tun haben, schließlich können die Schlösser auch nach 1600 ersetzt worden sein.

 

Naumanns Hauptargumentation war aber die Art der Präsentation. Der St. Wendeler Kirchenschatz, dessen schönste Teile im Jahre 1716 beim sog. "großen Kirchenraub" gestohlen wurden, enthielt im 16ten und 17ten Jahrhundert einige sehr wertvolle Reliquiare (einfach gesagt, Behälter, in denen Reliquien aufbewahrt wurden) – somit ist die Lade auch ein Reliquiar. Aber im Vergleich zu den anderen überlieferten, die meist in schwerem Silber ausgeführt wurden, ein relativ S.V. primitives.

 

In einer Diskussion später in der Ausstellung kam der Gedanke auf, daß es vielleicht zwei Laden gegeben habe, eine zum Präsentieren in der Kirche und eine zum Transport nach außen (die Holzlade war sicherlich viel leichter als eine mit Metall verkleidete), aber dafür gibt es nun mal keine überlieferten Anhaltspunkte.

 

Und wird es wohl auch nie geben, solange nicht Dokumente auftauchen, die einen Hinweis darauf liefern. Oder solange die Lade an sich undatierbar bleibt.

 

Übrigens: die Ausstellung wurde mittlerweile aktualisiert, vor allem auch um den Aspekt der Verbreitung außerhalb von St. Wendel.

 

Wenn Sie sie sich anschauen wollen, dies sind die Öffnungszeiten:

Di-Fr 10-13 und 14-16.30 Uhr

Do 10-13 und 14-18 Uhr

Sa 14-16.30 Uhr

So/Fe 14-18 Uhr

Mo immer geschlossen

 

Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen

 

Roland Geiger, St. Wendel