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2004/09/13 10:24:37
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Leserbrief an die SZ von heute, auch wenn sie ihn nicht bringen werden
Datum 2004/09/22 13:16:58
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Krankenbuchlager


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Stefanhist
[Regionalforum-Saar] Silvester 1944 im Bliesgau
Autor


[Regionalforum-Saar] Dieter Gr äbner: "Über uns Feuer und Verde rben"

Date: 2004/09/17 15:47:24
From: Stefanhist <Stefanhist(a)...

Salü!

Ich habe das Buch von Dieter Gräbner gerade zu Ende gelesen und muß gestehen, daß ich ziemlich enttäuscht bin – auch und gerade wegen des Preis-/Leistungsverhältnisses.

Meines Erachtens ist das Buch nichts weiter als eine Sammlung von unsortierten Erinnerungen an eine schlimme Zeit, die einem Interessierten aber so gut wie keine Fakten liefert, von Hintergrundinformationen ganz zu schweigen.

Mein Vorwurf geht definitiv nicht an die Zeitzeugen, die haben sicher alles nach bester Erinnerung zu Protokoll gegeben. Und nach 60 Jahren ist die Erinnerung halt nicht mehr so genau, wie sie einmal war, und wenn man nach den Ereignissen nie über die Zusammenhänge und Hintergründe aufgeklärt wurde, wie soll man da wissen, was wahr sein kann und was nicht (vgl. die Jabo-Angriffe auf Dresden!) – insofern ist Erinnerung halt sehr subjektiv.

Ich bin der Meinung, daß der Interviewer/Autor hier lenkend eingreifen sollte, was Dieter Gräbner aber bewußt nicht getan hat – und eine redaktionelle Bearbeitung wollte er schon gar nicht (so jedenfalls äußert er sich auf den Seiten 15 f). Wenn er aber schon nicht lenkend während der Interviews eingegriffen hat, wäre es wünschenswert, wenn er in den abgedruckten Zeitzeugenberichten dann wenigstens mit Fußnoten arbeiten und gewisse Angaben erläutern bzw. richtigstellen würde – das tut er aber auch nicht!

Ein Beispiel: Auf der Seite 54 schreibt ein Zeitzeuge über den Umgang mit Brandbomben-Blindgängern: "Wir Burschen nahmen uns Bohnenstangen aus den Schrebergärten und drückten auf einen seitlich aus den Bomben herausragenden Stift. Dann zündeten sie." Das wage ich aber zu bezweifeln, denn der seitlich aus der Brandbombe herausragende Stift war ein Sicherungsstift, der – gerade wenn er IN den Bombenkörper gedrückt wurde – genau das Gegenteil bewirkt hat, nämlich das Zünden der Bombe zu verhindern! Solche Ungereimtheiten muß ein qualifizierter Interviewer/Autor erkennen und entweder durch Nachfragen gemeinsam mit dem Zeitzeugen aus der Welt schaffen oder aber seine Zweifel in einer Fußnote äußern, damit der Leser informiert ist und sich selbst ein Bild machen kann.

Doch immerhin weist er auf Seite 16 auf die 2 ½-monatige Recherche fürs Buch hin!! Wahnsinn, 2 ½ Monate!! Das ist ja eine Mords-Zeitvorgabe für so ein Buch! Da kann natürlich jemand, der offenbar von der Materie eigentlich kaum (oder vielmehr: keine) Ahnung hat, nichts Weltbewegendes zusammentragen.

Gut, 2 ½ Monate sind für einen Journalisten natürlich eine Menge Zeit, die er im Beruf für seine Berichterstattung in aller Regel nicht hat – das sei Dieter Gräbner zu Gute gehalten.

In meinen Augen richtig ärgerlich aber ist die Tatsache, daß die Gegenseite im Grunde genommen gar nicht zu Wort kommt, was Gräbner wie folgt auf Seite 15 begründet: "Für das zweite Kapitel ,Die Angreifer' ... konnte ich nicht auf authentische Zeitzeugenberichte zurückgreifen." Und warum nicht? Fehlendes Interesse oder fehlende Quellen? Im letztgenannten Fall hätte ich helfen können – und nicht nur ich. Die Anzahl derjenigen Saarländer, die sich ernsthaft und intensiv mit dem Luftkrieg in ihrer Heimat befassen ist überschaubar, ihre Namen sind bekannt. Wer einen kennt, kommt über ihn in Kontakt mit den anderen. Nun, Werner Eckel ist einer dieser Saarländer und Dieter Gräbner kennt ihn und sein Buch "Saarbrücken im Luftkrieg". Wo also lag das Problem?

Ein weiterer dicker Minuspunkt: Die Quellenangaben, so man diese überhaupt als solche bezeichnen kann. Bei vielen Fotos ist nicht nur nicht angegeben, wo sie denn gemacht wurden (ich gehe davon aus, daß wenn die Ortsangabe fehlt, stammt das Foto nicht aus Saarbrücken), es fehlen auch die Angaben zur Quelle, aus der das betreffende Foto stammt – eine "Sammel-Quellenangabe" am Ende des Buches spricht nicht gerade für ein halbwegs wissenschaftliches Arbeiten. Gleiches gilt auch für das so bezeichnete "Quellenverzeichnis", das eigentlich nur ein Literaturverzeichnis ist und das man sich hätte sparen können, weil es definitiv nicht viel bringt und allenfalls Vorschlagscharakter im Sinne von "kleine Literaturauswahl zum Thema" hat.

Erschwerend kommt dann noch falsches Zitieren hinzu, wenn ein in diesem "Quellenverzeichnis" erwähnter Autor bemüht wird. Beispiel gefällig? Auf den Seiten 88 und 98 nimmt Gräbner Bezug auf die Aussagen des Historikers Jörg BRAND! Ich kenne nur einen Autoren namens Jörg FRIEDRICH, der ein Buch mit dem Titel "Der BRAND" veröffentlicht hat – und so ist es auch: Die Aussage von Seite 88 findet sich wieder auf Seite 57 des Buches "Der Brand" von Jörg Friedrich! Was die zweite oben erwähnte Fundstelle angeht, habe ich mir erst gar nicht die Mühe gemacht, danach zu suchen, bin mir aber ziemlich sicher, die Passage in Jörg Friedrichs Buch "Der Brand" oder "Brandstätten" zu finden.

Kurz und gut: Der Sachverhalt zeigt, daß Journalisten vielleicht die falschen selbsternannten Bewahrer erlebter Geschichte sind, weil sie in der Kürze der ihnen gewährten Zeit nicht tief genug in die Materie eindringen können und wenn dann auch noch schlampig gearbeitet wird ...

Darüber hinaus ist es sehr schade, daß die (vielleicht letzten) Zeitzeugenaussagen über den Untergang des alten Saarbrücken in diesem unsäglichen Zweiten Weltkrieg so unkommentiert und informationsfrei an die Nachkriegsgeneration weitergegeben werden. Denn leider wird diese Generation mit Dieter Gräbners Buch nicht wirklich etwas anfangen können, es sei denn, es finden sich Leser, die sich bereits mit der Materie befaßt haben und die Zeitzeugenaussagen daher einordnen und nachvollziehen können.

Ich jedenfalls freue mich schon auf das Buch "Luftkrieg über der Saar" von Dr. Horst Wilhelm, das Ende dieses Monats auf den Markt kommt, da weiß man nämlich, was man hat: vor allem sachlich fundierte Informationen!

Gruß,

Stefan Reuter