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2004/09/11 19:07:14
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Tag der Archive am 25. September
Datum 2004/09/13 10:24:37
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Leserbrief an die SZ von heute, auch wenn sie ihn nicht bringen werden
2004/09/03 21:17:18
Stefanhist
[Regionalforum-Saar] Silvester 1944 im Bliesgau
Betreff 2004/09/11 19:07:14
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Tag der Archive am 25. September
2004/09/11 19:07:14
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Tag der Archive am 25. September
Autor 2004/09/13 10:24:37
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Leserbrief an die SZ von heute, auch wenn sie ihn nicht bringen werden

[Regionalforum-Saar] Stadtführung durch St. W endel am 4. September 2004

Date: 2004/09/12 22:53:01
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Stadtführung durch St. Wendel

Keine Reise-, sondern eine Geh-Beschreibung von Roland Geiger, St. Wendel

 

Stadtführungen sind immer so ne Sache. Viele Fragen vorne weg: wie ist das Wetter - zu warm, zu kalt, trocken oder regnet's? Kommen ein paar Leute, daß es sich auch lohnt, oder kommen so viele, daß wir aufteilen müssen? Reichen die selbstgemachten Eintrittskarten aus oder hab ich mal wieder viel zu viele? Und vor allem: wie fang ich an? Das wird sich nie ändern, ob ichs jetzt zum dritten Mal mache oder zum fünfzigsten. Nun ja, vielleicht machts deshalb auch so viel Spaß - weils immer anders ist. Immer andere Besucher, immer anderes Wetter, immer andere Zufälle, die eine Bemerkung hier veranlassen oder dort sie nicht zulassen. Der Treffpunkt bleibt momentan immer derselbe. Vor der großen Freitreppe vorm Dom. 11 Uhr. An jedem ersten Samstag im Monat.

 

"Guten Tag! Machen Sie die Führung?" Da stehe ich mit meinen beiden Plänen, einer von der Stadt, einer von der Burg. Es ist zehn vor elf, die ersten Besucher kommen an. Ein bißchen Small-talk, dann kassieren und die Karten verteilen (den Entwurf ham wir zu dritt gemacht - Herr Holzer von der Tourist-Info, Herr Martin und ich, wobei Herr Martin das Bildchen vom Wennel-im-Kreisel zur Verfügung stellte). Um elf schlagen die Glocken Sturm - fangen wir an. 21 Leute sinds, zwei aus St. Wendel, drei ausm Kreis, die anderen sind "Främe", Besucher, Touristen, Gäste aus der Kurklinik. Ich stelle mich vor, dann spreche ich über den Aufbau der Stadt. Sie liegt auf einem Rücken, der Nase im Gesicht vergleichbar. Die Stirn ist der Bosenberg, der Mund die Blies, über die linke Wange fließt der Bosenbach, über die rechte der Todbach. Das Mia-Münster-Haus sitzt auf dem Schnurres. Erster Anlaufpunkt ist die Schloßstraße, wir halten vor der Platane. Das älteste Haus in der Stadt - außer dem Dom, jedenfalls über der Erde. Es hat die große Schönheitsoperation überlebt, damals 1677, als den Franzosen die Stadt nicht gefiel und sie sie gnadenlos plattmachten, bis auf fünf Häuser ... Von der Platane direkte Überleitung auf das Rathaus 1, weil der Herr von Hame aus der Platane das Rathaus 1 1742 baute und an sich selbst als Amtmann vermietete. Cleverer Bursche. Hier gibt’s auch was zur Herzogin Luise und wie sie von ihrem Gemahl, dem Herzog Ernst, so gnadenlos aufs Kreuz gelegt wurde, vor und nach der Hochzeit. Das war vielleicht ne Type. Über den Schloßplatz geht’s in die Mott bis zum Kugelbrunnen, wo wir den Blick in den Graben genießen. Am Zwinger vorbei ("achten Sie auf den Treppenturm") geht’s in die Kelsweilerstraße zu der Stelle, wo mal die Synagoge stand. Hier lese ich den Artikel über die Einweihung von 1902 vor. "Hier links standen mal die Gerberhäuser, sehr idyllisch, sehr schlimmer Gestank!" Und dann erfahre ich - man lernt nie aus - das eines der Gerbhäuser heute noch steht, Möbel Schmidt verkauft darin Möbel. Durch das untere Tor gehen wir zum Eiscafe Lido in der Luisenstraße. Hier ist alles fest in italienischer Hand: schon vor 170 Jahren gehörte das Haus einem Einwanderer aus Italien, dem Kaufmann Carl Cazzini. Wir spazieren die Hintergasse hinauf, durch das Dreieck ("warum heißt das Dreieck Dreieck?) und zwischen den Hospitalgebäuden hindurch. "Wie alt ist das Haus da links?" "Äh, weiß ich nicht auswendig, steht aber dran!" "Ah, ja, 1882!" Was die Fragerin nicht weiß - aber ich - daß hier 1843 mal die Feuerspritze untergebracht war. Im Alten Woog (hat nix mit Weg zu tun!) lese ich den Zeitungsbericht von kurz nach 1677 über den Brand im gleichen Jahr vor. Von dort aus gehen wir hoch zur alten Stadtmauer am ehemaligen Oberen Tor. "Ein bißchen Pietät bitte, hier war früher mal der Friedhof." Hier gibt’s weitere Treppentürme und einen alten tiefen Brunnen mit unterirdischen Zugängen. Vorm Cafe Lerner wird Lenchen Demuth gedacht, der Haushälterin von Karl Marx. Beim Wendalinusbrunnen bestaunen wir die linke Hand des Stadtpatrons, die ausnahmsweise mal dran ist - bis sie wieder von irgendwelchen Deppen abgerissen wird. So ne Art Volkssport für Halbstarke. Gegenüber am Haus Nr. 19 gibt’s einer der beiden schönsten Haustüren von St. Wendel. Jetzt gibt’s Hausgeschichten. Das braune Haus mit geistlicher Vergangenheit, das Tabak-Marschall-Haus, dessen Sohn den amerikanischen Südstaaten zu ihrer Fahne verhalf, und das Rote Haus, in dem so etwas ähnliches wie Demokratie hergestellt wurde. Bevor wir in den Dom gehen ("ist das nun ein Dom oder eine Basilika?"), weise ich auf die Kugel in der Wand hin. "Die blieb von der Beschießerei 1522 von Franz von Sickingen über und steckt seit dem in der Wand!" Nicht alle glaube dieses Märchen. Hier verlassen uns die beiden jungen Frauen mit Kinderwagen ("der Kleine hat Hunger!"). Im Dom ist es wie immer schön ruhig und kühl. Die Stimmen werden automatisch gedämpft, und auch ich passe mich an, während wir - wie weiland und heute noch die Pilger - nach vorn marschieren, am Altar vorbei und über Pastor Benders Grab. Unter Wendalinus' Hochgrab ziehen wir andächtig hindurch und werden auf der anderen Seite durch die Grablegungsgruppe erinnert, daß Gott der Herr in der Kirche ist. So klingt die Stadtführung durch die St. Wendeler Altstadt nach zwei einhalb Stunden ruhig aus.

 

Die nächste offizielle Stadtführung findet am Samstag, 2. Oktober, um 11 Uhr statt; führen wird dann Herr Werner Martin. Und wenn Sie zwischendurch was brauchen, fragen Sie Herrn Holzer von der Tourist Info St. Wendel, Tel. 06851-7788. Oder mich.

 

Roland Geiger
Historische Forschung
Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel
Tel. 06851-3166
email rolgeiger(a)... Familienforschung
=> Regionalgeschichte
=> Transkriptionen (Schriftübertragung)
=> Übersetzung englisch-deutsch und deutsch-englisch
=> "gestern" - mein regionalgeschichtliches Magazin
=> Forum für Regionalgeschichte via http://list.genealogy.net/mailman/listinfo/regionalforum-saar
=> Stadtführungen in St. Wendel