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Datum | 2025/02/03 20:26:53 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Helvetia und die Helvetier. Eine Spurensuche |
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2025/02/03 20:26:53 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Helvetia und die Helvetier. Eine Spurensuche |
Betreff | 2025/02/05 11:00:53 Horst Geiger via Regionalforum-Saar Re: [Regionalforum-Saar] Heute hat unser Haus gebrannt. |
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2025/02/05 11:00:53 Horst Geiger via Regionalforum-Saar Re: [Regionalforum-Saar] Heute hat unser Haus gebrannt. |
Autor | 2025/02/03 20:26:53 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Helvetia und die Helvetier. Eine Spurensuche |
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Date: 2025/02/02 17:09:49
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Heute hat unser Haus
gebrannt.
Heute vor 348 Jahren.
Am 2. Februar 1677.
Auf Maria Lichtmeß.
Damals ein Dienstag.
Die Franzosen haben die Stadt St. Wendel angezündet, und unser
Haus in
Alsfassen war auch dabei.
Um ansatzweise zu verstehen, was da los war, muß man richtig
weit ausholen. Das
Ganze war eigentlich nur ein kleiner Teil des über 240 Jahre
andauernden Habsburgisch-französischen
Gegensatz, dem von 1516 bis 1756 dauernden Konflikt zwischen dem
Haus Habsburg
und dem Königreich Frankreich um die Vorherrschaft in Europa.
Sowohl offen als
auch verdeckt ausgetragen, prägte er 240 Jahre lang die gesamte
europäische
Macht- und Bündnispolitik und mündete in zahlreiche Kriege, von
denen der
Dreißigjährige Krieg der verheerendste war.
Der Holländische Krieg, auch Niederländisch-Französischer Krieg
genannt, war
ein gesamteuropäischer militärischer Konflikt, der von 1672 bis
1678 dauerte.
Ausgelöst wurde der Krieg durch einen Angriff des französischen
Königs Ludwig
XIV. mit seinen Verbündeten (Königreich England, Schweden,
Hochstift Münster
und Hochstift Lüttich) auf die Vereinigten Niederlande. Um eine
Vorherrschaft
Frankreichs auf dem europäischen Kontinent zu verhindern,
verbündeten sich
Spanien und das Heilige Römische Reich mit den Niederlanden.
In dem ganzen Durcheinander - der eine griff dort an, der andere
schlug dort
zurück - ist es schwer, vom großen Kriegsgeschehen - sofern man
das überhaupt
sieht - auf Details runter zu kommen. Die Historiker jonglieren
lieber mit
ganzen Armeen und lassen sie hierhin und dorthin ziehen und das
und jenes
machen, da kann man schlecht falsch liegen, was gut ist für die
Reputation.
Aber wenn man en detail geht, sind Fehler viel schneller
möglich. Mich
interessieren die Details ganz unten - und ich habe Probleme
damit, die
Ereignisse zwischen ganz oben und ganz unten zu bestimmen.
Als Frankreichs Angriff nicht so richtig klappte, zogen seine
Truppen 1673 auf
Maastricht los, worauf Spanien und Österreich (sprich: Habsburg)
eingriffen,
und der Krieg plötzlich auch andere Teile Europas betraf. Der
französische
König sandte seine zwei fähigsten Feldherren, Turenne und Condé
an den
Mittelrhein und in das Elsass, um die kaiserlichen Truppen
aufzuhalten. Henri
de La Tour d’Auvergne, vicomte de Turenne überschritt 1674 bei
Philippsburg den
Rhein, schlug am 16. Juni den Herzog von Lothringen in der
Schlacht bei
Sinsheim und verwüstete die Pfalz. St. Wendel gehörte zwar nicht
zur Pfalz,
aber das hinderte ihn nicht daran, die Mauer um die Stadt
sprengen zu lassen.
Ein Jahr später fiel er bei Sasbach im heutigen Baden. Das
wissen wir. Aber wie
seine Armee dann weitergemacht hat, ist nicht so ganz klar.
In einer 1740 veröffentlichen Universalchronik namens
„Historischer
Bilder=Saal“ findet sich im Band 5 auf Seite 282 eine
Beschreibung. Dort steht
sinngemäß:
„An der Mosel hatten die Franzosen während dieser Kampagne die
Stadt
Zweibrücken eingenommen. Ein alliiertes Corps aus Truppen u.a.
aus Osnabrück
versuchte zwar, den Franzosen die Stadt wieder wegzunehmen, muß
aber
unverrichteter Dinge wieder abziehen, als ihnen die Nahrung
ausging und sie
keine Möglichkeit fanden, sich neu zu beschaffen. Um den
Alliierten in Zukunft
keine Gelegenheit mehr zu geben, sich in dieser Gegend
aufzuhalten, so haben
die Franzosen die Stadt St. Wendel und mehr dann 20 große
Dörffer und Flecken
dort herum auf den Grund abgebrannt.“
Auszug
aus einem genauen Bericht über die elende Einäscherung der Stadt
St. Wendel
durch die Franzosen am 10. Februar 1677 in halbwegs modern
angepaßter Sprache (Original liegt als T1 im Stadtarchiv Trier):
„Ich habe ihnen bereits von jenem 27. Januar berichtet, als der
Comte de Biffy
mit seiner Kavallerie und den Dragonen von St. Wendel nach Kusel
geritten ist,
so daß wir uns schon Hoffnung darauf machten, daß unsere Stadt
von dem
geplanten Niederbrennen verschont bleiben würde, besonders als
dann am 28.
Januar der Chevalier Perin mit dem Fußvolk auch noch nach
Ottweiler abgerückt
ist. Er ließ einen Leutnant und 40 Mann zurück, denen die Bürger
eine Kuh
schlachteten, ein Faß Bier und zwei Fässer Salz lieferten sowie
täglich 36
Pfund Fleisch und genauso viel Brot und viele Maß Bier.
Doch unsere Hoffnung war vergebens. Am 30. Januar kam Biffy aus
Kusel zurück,
nachdem er die Stadt und die umliegenden Dörfer eingeäschert
hatte. Er ging auf
dem Berg vor der Stadt in Stellung (Bosenberg) und ließ den
Schultheißen rufen.
Dem eröffnete er, daß er den Befehl erhalten habe, die Stadt St.
Wendel bis auf
die Grundmauern niederzubrennen und nur die Kirche, den Pfarrhof
sowie die
Häuser der Frau von Soetern und des Schultheißen zu verschonen.
Dieses unchristliche,
ja mehr als barbarische Vorhaben konnten wir nicht verstehen,
war doch unsere
Stadt unter den Schutz des französischen Königs gestellt worden
und hatte ihre
Kontributionen immer fristgerecht erfüllt, obwohl sie ständigen
Einquartierungen fast ganz ruiniert hatte. Aber alles Seufzen
und Flehen half
nichts, und unsere Rufe um Gnade und Mitleid rührten sein Herz
nicht, er
versteckte sich hinter seinem königlichen Befehl: alles muß
niedergebrannt
werden. Einem seiner Offiziere ging das Vorhaben so aufs Gemüt,
daß er laut
bekannte, er wolle ein Stück seines Leibes darum geben, daß er
zu solch einer
Aktion niemals mißbraucht werden sollte. Doch es half nichts.
Der Comte de
Biffy wartete noch ein gute Stunde auf dem Berg, bis der
Chevalier de Perin mit
dem Fußvolk aus Ottweiler eintraf, dann zogen sie gemeinsam in
die Stadt ein.
Dort blieben sie bis zum 2. Februar. An diesem Morgen ritt Biffy
mit seinen
Reitern und Dragonern schon früh morgens nach Tholey, wo man
ihnen pro Reiter
einen Sack Hafer gab. Mittags um 2 Uhr waren sie wieder in St.
Wendel und
nahmen 2000 Pfund Fleisch entgegen. Abend um 6 Uhr wurde dann
der Befehl
erlassen, daß alle Weiber und Kinder in die Kirchen sich
verfügen sollten,
"welches auch mit zum Himmel schreyenden Weheklagen und
Seufftzen
geschehen"
Das Reiter- und Fußvolk wurde von einem Engländer kommandiert,
der dafür
bekannt war, daß er sich auf das schreckliche und grausame
Mordbrennen
verstand. Nachdem alle in der Kirche waren, zog dieser Engländer
mit seinen
Soldaten in das Schloß hinein, wo er seine Soldaten aufteilte
und instruierte,
damit jede Abteilung genau wußte, wo sie das Feuer anzünden
sollte.
Um zehn Uhr des Nachts wurde die Trommel gerührt und kamen
darauff die Soldaten
in der finsteren Nacht wie die Teuffel und Höllische Furien über
die
Schloß=Brücken gelauffen, ein jeder etliche Stroh-Fackeln unter
den Armen und
eine brennende in der Hand haltent, womit sie ein ieder an
seinem assignirten
Orth also in allen Ecken der Statt Feuer einwürffen, daß bald
darauff die gantze
Statt in heller Flamme gestanden.
Verzeiht mir, daß ich diese Feuersbrunst mit meinen Worten nicht
beschreiben
kann. Dieses grausame Spektakel währte bis gegen drei Uhr
morgens, als wieder
die Trommel gerührt wurde und alle Mordbrenner sich
versammelten. Um 4 Uhr
morgens gingen sie durch eine Bresche (in der Mauer) aus der
Stadt heraus,
brannten die kleiner Kellereimühle nieder und verschwanden nach
Ottweiler.
Aber damit ließen sie es noch nicht genug sein. Am 5. Februar
kamen sie unter
Leitung eines Offiziers namens Monbrun wieder, um alles, was
außer den
genannten Häusern noch stand, endgültig zu zerstören. Sie
entfachten den Brand
neu und steckten auch das Schloß in Brand. Und drohten uns mit
Plünderung, Mord
und Verwüstung, falls wir nicht binnen zwei Tagen alles
abbrechen würden. Was
also der Feind nicht getan, das haben die armen Bürger aus
Furcht, der
unbarmherzige Feind könne die angedrohte Strafe vollziehen,
selbst gemacht,
haben das wenige, daß der Brand nicht völlig eingeäschert hat,
selbst einreißen
und dem Erdboden gleichmachen müssen.
Ein solches Weheklagen/und Mord=brennung ist nicht genugsam
zubeschreiben/ Gott
der Allerhöchste wolle sich der armen Unterthanen erbarmen/und
ferneres
Mord=brennen gnädiglich abwenden.“
Woher ich weiß, daß unser Haus damals auch brannte?
Hm, um das zu beantworten, muß ich erneut ein wenig ausholen.
Sorry.
Im Jahre 1655 kauften Johann Wilhelm von
Hame und seine Ehefrau Anna Maria von Osburg einen Hof in
Alsfassen, zu dem
unser heutiges Haus und ansehnliche Ländereien gehörten. Die
Schafherde, die
sie in der Stadt gehalten hatten, war viel zu groß geworden, und
es gab auch
schon Klagen deswegen seitens der anderen Schafhalter, weshalb
von Hame seine
Schäferei kurzerhand nach Alsfassen verlegte, dessen Einwohner
sich das
gefallen ließen. Und zwar bis 1750. Damals starb Franz Ernst von
Hame, der
letzte Große der von Hame. Seine Kinder hatten kaum noch
Interesse am Besitz
ihrer Väter. Das merkten auch die „einfachen“ Leute aus
Alsfassen, denen die
große Schafherde in ihrem Ort ein großer Dorn im Auge war. Sie
strengten einen
Gerichtsprozess an, der sich über zehn Jahre. Die Alsfasser
trieben seit 1719
jährlich eine eigene Herde von 400 bis 500 Tieren auf, was sie
ihrem Gemeinderecht
nach tun durften. Es ging jetzt um die Frage, ob die von Hame
überhaupt
berechtigt seien, in Alsfassen eine eigene Herde zu halten.
Schließlich hätten
die Alsfasser ihnen niemals ihr Recht dafür abgetreten,
jedenfalls gäbe es
dafür keinen Beweis. Die von Hame hielten dagegen, ihr Dienst
für den
Kurfürsten habe ihnen das Recht gegeben, eine Herde zu halten
(jus civicum
honorarium), weshalb sie den Hof zu Alsfassen mit Schafstall und
ca. 200 bis
260 Stück Vieh zu halten berechtigt gewesen seien. Immerhin
hätten sie schon
seit 1666 in Alsfassen einen Schafstall gehabt. Tatsächlich war
dieses Recht
den kurfürstlichen Offiziellen nur zur Deckung ihres häuslichen
Bedarfs erteilt
worden; es galt aber definitiv nicht in dem großen Maßstab, wie
es die von Hame
betrieben.
Aber da der seelige Hofrath von Hame zu Alsfassen das
Gemeinderecht gehabt und „hierdurch
gleich einem starcken GemeindtsMann eine partie [Schafe] zu
halten befugt“, so
habe man die Sache - wenn auch ohne Rechtsvorbehalt - durchgehen
lassen, auch
als er als Kellner weitere Schafe hinzugefügt hatte. Aber jetzt
sei der Herr
Hofrath tot und seine Erben hätten kein Gemeindsrecht und
deshalb auch nicht
das Recht, hier eine Schäferei zu führen. Man habe nichts
dagegen, wenn die
Herren Erben ihre Gebäude und Gärten hier vor Ort versteigern
wollte; aber das
Weiderecht könnten sie nicht versteigern, denn ein solches
hätten sie nicht.
Das wurde am 13. Februar 1775 verkündet. Es zog sich noch ein
langer Streit
hinterher, der sechs Jahre dauerte und schließlich in Pfändungen
von Schafen
mündete, bis die von Hamischen Erben 1781 auf der Weiderecht
verzichteten und ihre
Schäferei versteigern ließen.
Der Prozeß produzierte einige Dezimeter Akten, und eine davon -
Landeshauptarchiv
Koblenz, 1 C 7557 - beinhaltet u.a. diesen Satz:
„DaZumalen
hatte der selbe sein in anno 1677 abgebranntes Hoffhauß,
scheuer, stallung und
schäfferey Zu Alsfassen wieder aufgebaut“.
Roland Geiger, St. Wendel, Alsfassener Straße 17