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2024/12/05 23:20:13 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Einladung zum Jubiläum der 75 . Wiederbesiedlung der Abtei Tholey |
Datum | 2024/12/12 20:28:28 Dominik Wachs via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Erntedank 1947 |
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2024/12/23 12:19:24 Robert Groß via Regionalforum-Saar Re: [Regionalforum-Saar] Neuerscheinung „1 8 4 2. Neuigkeiten aus einer vergangenen Zeit“ |
Betreff | 2024/12/03 19:10:41 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Vorstellung National Archives And Records Administration (Nara) und die Online-Quellen f ür Genealogen |
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2024/12/05 23:20:13 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Einladung zum Jubiläum der 75 . Wiederbesiedlung der Abtei Tholey |
Autor | 2024/12/13 16:39:19 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Absturz oder so |
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Date: 2024/12/05 23:50:08
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Guten Abend,
diese Rezension wurde bei H-Soz Kult
veröffentlicht. Obwohl mich
der überhebliche Ton des Rezensenten im ersten Absatz ziemlich
angepißt hat,
fand ich doch den Rest interessant.
Bene Vale
Roland Geiger
(quasi-) beruflich tätiger Genealoge
----------------------------
The Maker of Pedigrees. Jakob Wilhelm Imhoff and the Meanings of
Genealogy in
Early Modern Europe
Autor Markus Friedrich
Reihe Information cultures
Erschienen Baltimore 2023: Johns
Hopkins University Press
Anzahl Seiten IX, 301 S.
Preis $ 60.00
ISBN 978-1-4214-4579-3
Rezensiert für H-Soz-Kult von Magnus Ressel,
Historisches
Seminar, Goethe Universität Frankfurt am Main
Die Bedeutung der Genealogie in der gegenwärtigen Gesellschaft
lässt sich
leicht an dem Erfolg von Firmen wie Geneanet, Ancestry und
weiteren ablesen.
Auch jenseits von diesen Firmen existiert ein breiter Markt für
genealogische
Forschungen von der Ebene der interessierten Laien bis hin zu
(quasi-)beruflich
tätigen Genealogen, die gegen Honorar spezifische genealogische
Informationen
aufspüren. Bis zur weitgehenden Digitalisierung der
Kirchenregister im
deutschsprachigen Raum stellten solche Genealogen – nach der
persönlichen
Erfahrung des Rezensenten – häufig wohl die Mehrheit der Besucher
in vielen Archiven.
Die Existenz von mehreren Computerprogrammen für die Organisation
von
genealogischen Daten in unterschiedlichsten Datenbanksystemen
vervollständigt
den Eindruck eines auch und gerade in der Gegenwart viele
Emotionen und
allerlei Interesse erregenden Themas, welches entsprechend Umsätze
generiert.
Die Obsession mit der Genealogie – oder vielmehr der Produktion,
Speicherung
und Präsentation genealogischen Wissens – in Teilen der
gegenwärtigen
Gesellschaft hat Wurzeln, die tief in die europäische
Vergangenheit reichen,
wie Markus Friedrich in seiner Arbeit „The Maker of Pedigrees“
[Der Macher von
Stammbäumen] eindrücklich aufzeigen kann. Dabei fokussiert er sich
in seinem
Buch auf die Genealogie der Adelsgesellschaft um 1700 durch die
Konzentration
auf den wohl bedeutendsten europäischen Genealogen dieser Jahre,
den Nürnberger
Jakob Wilhelm Imhoff (1651–1728). Von diesem ist im Germanischen
Nationalmuseum
und weiteren Archiven Nürnbergs ein großer Nachlass zu seinen
genealogischen
Arbeiten aufbewahrt. Imhoff, der aus einer sehr bedeutenden
Familie des
Nürnberger Patriziats stammte, steht in diesem Werk für eine
Internationalisierung der Genealogie sowie nachhaltige mediale und
publizistische Innovationen. Von circa 1685 an hatte er damit
große Erfolge und
gewann eine europaweite Reputation – um dann 1712 am Höhepunkt
seines Erfolgs
nach dem Tod seiner Frau und zunehmenden Gesundheitsproblemen
sowie einer
Zuwendung zu einer verinnerlichten Frömmigkeit diese Arbeiten
einzustellen und
sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen.
Die Arbeit ist neben einer 22-seitigen Einleitung und einem
9-seitigen Schluss
in sechs Kapitel zu je etwa 20 bis 35 Seiten eingeteilt. Die
Einleitung stellt
das Thema vor und beleuchtet eingehend die Problemstellung des
Buches, welches
hauptsächlich zum Feld der neueren Wissensgeschichte zu rechnen
ist. Hier
werden die enorme Bedeutung genealogischen Wissens in der
Adelsgesellschaft des
Ancien Régime, ebenso der dazugehörige Markt, die Praxis des
Wissenserwerbs und
dessen Handhabung sowie Dissemination, wie auch die Instabilität
und fast
permanente Vorläufigkeit dieses Wissensbestandes beleuchtet. Auch
eine kurze
biographische Skizze Imhoffs wird geboten.
Im ersten Kapitel zur „Genealogy circa 1700“ beleuchtet Friedrich
das Gebiet
der Genealogie vor allem aus historischer Perspektive. Die
Genealogie war ein
traditionsreiches Feld, welches aber in den Jahrhunderten vor 1700
noch relativ
stark zur Mythologisierung neigte. Viele Adelige oder
Fürstengeschlechter
rühmten sich legendärer Vorfahren, seien es die Trojaner oder
bedeutende
Gestalten aus der Zeit Karls des Großen. Das späte 17. Jahrhundert
brachte eine
zunehmende Verwissenschaftlichung der Genealogie, was auch einer
verschärften
Überprüfung der Adelstitel vor allem in Frankreich geschuldet war.
Der Trend
der Zeit ging hin zu möglichst exakten, umfangreichen und
verifizierbaren
Ahnentafeln. Skepsis wurde eine wichtige Tugend der Genealogen.
Dabei bemerkt
Friedrich für die Zeit vor Imhoff einen Hang zum „Präsentismus“,
da die
Ahnentafeln vor Imhoffs Arbeiten selten über das Jahr 1400 ins
Mittelalter
reichten.
Das zweite Kapitel „A Patrician Genealogist and His City“ stellt
Imhoff, seine
reichhaltige Vorfahrenschaft und in Europa verteilte
Verwandtschaft sowie die
Stadt Nürnberg selbst heraus. Die Stadt war und blieb, wie
Friedrich mehrfach
betont, um 1700 – und entgegen einer älteren Literatur, die den
Niedergang
Nürnbergs seit dem Dreißigjährigen Krieg besonders betonte – in
vielerlei
Hinsicht ein europäischer Zentralort. Die hiesigen Patrizier
konnten just gegen
Ende des 17. Jahrhunderts nach langjährigen und zähen Bemühungen
vom Kaiser das
Recht auf Kooptation und den Titel „edel“ erlangen, was die
erhöhte
Sensitivität für das Themenfeld der Genealogie weiter erklären
mag. Jemand wie
Imhoff, der einigen Wohlstand geerbt hatte, Mitglied einer über
ganz Europa
verzweigten Familie war, in einer Stadt mit einem besonders
aktiven
Verlagswesen lebte und in seinen Jugendjahren viel durch Europa
gereist war,
war wohl ideal geeignet, um einer der europaweit führenden
Experten für
Genealogie um 1700 zu werden.
Das dritte Kapitel „Genealogy and the Nobility“ beleuchtet die
Zusammenarbeit
Imhoffs mit den Adels- und Fürstenhäusern des Alten Reichs und des
weiteren
Europa. Für Imhoff war es besonders wichtig, von den
verschiedensten
Adelsfamilien genealogische Informationen über ein ausgedehntes
Korrespondenzwesen zu erhalten, da er kaum selbst archivalische
Recherchen
vornehmen konnte – und wenn, dann nur in Nürnberg. Für die unter
stetigem
Konkurrenz- und teilweise auch bereits Legitimationsdruck stehende
Adelsgesellschaft Europas war es aus manchen Gründen attraktiv, an
Imhoff die
entsprechenden Informationen zu versenden. So konnten die eigenen
genealogischen Herkünfte sowie verschiedenen Linien und damit die
tatsächliche
Zugehörigkeit zur Welt des Adels quasi öffentlich nachgewiesen
werden. Ein
nicht intendierter Nebeneffekt mit langfristig eventuell
subversiven Effekten
war aber auch die stärkere Sichtbarmachung des Adels als eine
personal
greifbare und klar umrissene Gruppierung mit dazugehörigen
Verhaltensweisen und
Werten – die von den Lesern auch als kritikwürdig empfunden werden
konnten. In
diesem Kapitel sieht man latent ein Forschungsdesiderat bei der
Frage
aufschimmern, wann die Beschäftigung mit der Genealogie auch für
das Bürgertum
interessant wurde – um 1700 war dies offenbar noch keineswegs der
Fall.
Im vierten Kapitel betrachtet Friedrich „The Genealogical
Brotherhood“, auch
als europaweite „respublica genealogica“ bezeichnet. Hier werden
die Kontakte
Imhoffs mit vielen weiteren Genealogen im Alten Reich und ganz
Europa
beleuchtet und beispielsweise die genealogischen Arbeiten von
Zeitgenossen wie
Gottfried Wilhelm Leibniz und Philipp Jakob Spener hervorgehoben.
Es zeigt
sich, dass sich die Gruppe offenbar als eine lose Verbindung
Gleichgesinnter
begriff, was aber keineswegs unmittelbar zu einem Gefühl der
Zusammengehörigkeit und damit zum freigiebigen Teilen von
Informationen führte.
Mit manchen Genealogen Europas blieben die Kontakte Imhoffs kühl,
da diese
Personen ihr Wissen für sich behalten wollten. Häufig jedoch
gelang eine
dauerhafte – auch problemlos interkonfessionelle – Zusammenarbeit
über die
Ferne. Insgesamt betrachtet waren die Erfolge Imhoffs daher auch
recht
beeindruckend, er konnte neben seinen Büchern über Deutschland
auch über
Frankreich (im Wesentlichen sogar vor seinen Kontakten zu dessen
wichtigsten
Genealogen), die meisten Staaten Italiens (die Republik Venedig
und der
Kirchenstaat blieben allerdings eher außen vor) und nach einigen
Schwierigkeiten auch über Spanien und Portugal umfangreiche Werke
publizieren.
Man vermerkt nebenbei bei einigen der hier vorgestellten Akteure
eine gewisse
Verbindung des Pietismus zur Genealogie, die zu vertiefen künftig
noch lohnen
mag.
Das fünfte Kapitel zeigt uns „The Genealogist at Work“. Dieses
Kapitel ist
reich bebildert mit den Entwürfen und diversen Formen von Notizen
zu den
gewünschten Stammtafeln. Es präsentiert uns Imhoff quasi am
Schreibtisch beim
Zusammenfügen der Informationen und dem Herausstreichen von
Fehlern sowie dem
Einarbeiten neuer Kenntnisse. Hier arbeitete jemand mit vielen
Anmerkungen und
Einfügungen sowie mit Schere und Kleber, um zu zufriedenstellenden
Resultaten
zu gelangen. Am Beispiel des Herrscherhauses von Modena, den Este,
kann
Friedrich aufzeigen, wie Imhoff Stück für Stück seine
Informationen erhielt, in
sein Werk einbaute und schließlich einen tief ins Mittelalter
reichenden und
auf dem neuesten Stand des Wissens befindlichen Stammbaum der
Familie
erstellte.
Das sechste Kapitel handelt von einem ganz wesentlichen Aspekt des
Erfolgs
Imhoffs, „Publishing and Reading Genealogy“. Dabei geht es zentral
um die
Vermarktungsstrategien Imhoffs im Zusammenwirken mit seinen
Verlegern. Ein
Element von Imhoffs Erfolg war die Kombination von genealogischen
Tafeln mit
kurzen Biogrammen zu den jeweiligen Personen. Damit überkam er die
Leere der
„tabulas nudas“ und vermied zugleich das Problem der geringen
Sortierung von
Wissen in einem Fließtext ohne grafische Ordnungselemente. Er
nutzte weiterhin
sein Prestige, um immer nur mit den Spitzenverlagen seiner Zeit
zusammenzuarbeiten, nicht nur in Nürnberg, sondern auch in
Amsterdam oder
Leipzig. Dabei konnte er es sich leisten, auch sehr gute Angebote,
wie das des
königlichen Druckers von Frankreich abzulehnen. Auch war er
geschickt und
publizierte seine Genealogie zu Spanien kurz vor Ausbruch des
Spanischen
Erbfolgekrieges, was den Verkaufszahlen förderlich war. Zu einer
periodischen
Erscheinungsform durch genealogische Kalender ging Imhoff aber
nicht mehr über,
das folgte relativ bald nach seinem Ableben. Zur Lektüre und
Rezeption der
Imhoffschen Werke kann Friedrich durch Annotationen in den
Exemplaren der
heutigen Bibliotheken auch noch einige bemerkenswerte Details
beisteuern.
Der Schluss beginnt mit dem Duell italienischer Adeliger in
Nürnberg 1673, die
in Italien keinen Ort mit einer entsprechenden Erlaubnis gefunden
hatten.
Ausgehend von diesem intensiv rezipierten Ereignis fokussiert
Friedrich noch
einmal auf den Adel als diejenige Gruppierung, die bei der
Genealogie der
Frühen Neuzeit besonders im Mittelpunkt stand. Friedrich zeigt die
Verwissenschaftlichung der Genealogie als ein zweischneidiges
Schwert für den
Adel, der hiervon einerseits profitierte, andererseits aber
nunmehr auch immer
stärker als Gruppe mit eventuell problematischen Aspekten, wie
beispielsweise
Duellen, in den Blick geraten konnte. Friedrich lässt das offen,
betont aber
klar „that genealogy should be considered a key area of Europe’s
history of
knowledge“.
Dieser Aussage ist nach Lektüre des Werkes nachdrücklich
zuzustimmen. Die sehr
gründliche Studie Friedrichs, die in ihrer Kondensiertheit eine
Reihe äußerst
bedeutsamer Aspekte der Welt der „respublica genealogica“ und
darüber hinaus
aufzuzeigen vermag, bringt unser Wissen zur Geschichte der
Genealogie und der
Wissensgeschichte maßgeblich voran. Der essentielle Unterschied
des
vorliegenden Werkes zu den meisten Arbeiten im Feld der
Genealogieforschung
ist, dass diese eher auf den Nutzen genealogischen Wissens zielen,
Friedrich
den Blick jedoch auf die Entstehung beziehungsweise Produktion
desselben
richtet. Der Perspektivwechsel bringt wichtige Erkenntnisse und
gibt viele
Anregungen für eine methodisch erneuerte Hinwendung zu einem
traditionsreichen
Forschungsfeld.
Zitation
Magnus Ressel, Rezension zu: Friedrich, Markus: The Maker of
Pedigrees. Jakob
Wilhelm Imhoff and the Meanings of Genealogy in Early Modern
Europe. Baltimore
2023 , ISBN 978-1-4214-4579-3, in: H-Soz-Kult, 06.12.2024, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-137607.