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2023/09/22 12:27:51 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] 8. Oktober 2023: 17. Deutsch-Pennsylvanischer Tag in Eberbach am Neckar |
Datum | 2023/09/27 12:53:32 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Zur Rekonstruktion von Burgruinen am Computer und die Burg Lichtenberg im Jahre 1620 |
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2023/09/07 13:19:59 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Einladung für Sonntag, den 24. September 2023 |
Betreff | 2023/09/07 21:44:22 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Freideutsch. Programm und Praxis einer kulturellen Avantgarde in Deutschland im 20. Jahrhundert |
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2023/09/22 12:27:51 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] 8. Oktober 2023: 17. Deutsch-Pennsylvanischer Tag in Eberbach am Neckar |
Autor | 2023/09/27 12:53:32 Roland Geiger via Regionalforum-Saar [Regionalforum-Saar] Zur Rekonstruktion von Burgruinen am Computer und die Burg Lichtenberg im Jahre 1620 |
Date: 2023/09/27 09:24:45
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...
Familientrennungen im nationalsozialistischen
Krieg.
Erfahrungen und Praktiken in Deutschland und im besetzten Europa
1939–1945
Herausgeber Lisner, Wiebke; Hürter, Johannes; Rauh, Cornelia;
Seegers, Lu
Reihe Das Private im Nationalsozialismus
Erschienen Göttingen 2022: Wallstein
Verlag
Anzahl Seiten 379 S.
Preis € 34,00
ISBN 978-3-8353-5202-5
Inhalt=> meinclio.clio-online.de/uploads/media/book/toc_book-76579.pdf
Rezensiert für H-Soz-Kult von Lukas Schretter,
Ludwig Boltzmann
Institut für Kriegsfolgenforschung, Zweigstelle Wien
Die politisch oder militärisch herbeigeführte Trennung und
Zerstörung von
Familien war eine kollektive und allgegenwärtige Erfahrung im
Zweiten
Weltkrieg. Dieser Sammelband zeigt anschaulich, dass sie zudem
eine kalkulierte
Begleiterscheinung der deutschen Kriegsführung sowie ein zentraler
Bestandteil
der NS-Besatzungs-, Rassen- und Biopolitik war. In den Beiträgen
wird
differenziert analysiert, wie Familien in der deutschen
Kriegsgesellschaft und
in europäischen Ländern unter deutscher Besatzung die Trennung
erlebten und
verarbeiteten. Die Beiträge geben zum einen Aufschluss darüber,
wie sich
„rassisch“ privilegierte Familien in das politische System des
Nationalsozialismus einschrieben und systemstabilisierend wirkten.
Zum anderen
zeigen sie die Praktiken, Strategien und Handlungsspielräume von
verfolgten und
ausgegrenzten Familien vor und nach einer (drohenden)
Familientrennung.[1] Der Sammelband knüpft an
Forschungen zu
Privatheit im Nationalsozialismus an, durchgeführt am Institut für
Zeitgeschichte München–Berlin. Er erschließt ein neues
Forschungsfeld: Die
Erfahrungen und Auswirkungen von Familientrennungen wurden von der
historischen
Forschung zum Zweiten Weltkrieg bislang wenig berücksichtigt.
Der erste Abschnitt enthält themenübergreifende Aspekte zur
Familie im
nationalsozialistischen Krieg, die zum Teil in den Beiträgen des
zweiten und
dritten Abschnitts aufgegriffen werden.
Tatjana Tönsmeyer zeigt, dass Familientrennungen und -zerstörungen
in der
Sozial- und Emotionsgeschichte der europäischen
Besatzungsgesellschaften einen
zentralen Platz einnehmen. Aufgrund kriegsbedingter Einberufung,
Flucht,
Deportation, Verfolgung und Vertreibung bestanden die
Besatzungsgesellschaften
häufig aus „Rumpf- oder Haushaltsfamilien“ mit weiblichen
Haushaltsvorständen.
Trennungen waren vor allem ein Charakteristikum jüdischer
Familien: Als
„rassisch“ Verfolgte und Angehörige einer Besatzungsgesellschaft
waren sie
besonderer Entrechtung und Verfolgung ausgesetzt. Die Trennung von
der
Herkunftsfamilie wurde sogar zur Überlebensstrategie, als das
Zusammenleben
einer jüdischen Familie zur seltenen Ausnahme wurde.
Demgegenüber argumentiert Isabel Heinemann anhand von
Familientrennungen und
-gründungen im Kontext der Zwangsumsiedlungspolitik in den
eroberten Gebieten
Polens, dass die Familie „als ‚Relais‘, als zentrale
Ordnungskategorie des
Sozialen [wirkte], über welche reguliert wurde, wer auf welche
Weise in der
Gesellschaft partizipieren durfte“ (S. 57 f.). So wurden
einerseits Familien
vollständig zum Arbeitseinsatz vor Ort gezwungen, ins „Altreich“
entsandt oder
ins Generalgouvernement deportiert, andererseits für die
„Wiedereindeutschung“
ausgewählte Familien nach den Erfordernissen des
Arbeitskräfteeinsatzes
aufgelöst. Ein Beispiel für die Zerstörung und Neugründung von
Familien im
Dienste der nationalsozialistischen Rassenpolitik ist die
Zwangsgermanisierung
und Adoption nicht deutscher Kinder.
Der zweite Abschnitt ist den nicht verfolgten Familien in der
deutschen
Kriegsgesellschaft gewidmet. Im Fokus der meisten Beiträge stehen
Familientrennungen aufgrund der Einberufung von Männern zum
Kriegsdienst.
Nicht verfolgte Familien der deutschen Kriegsgesellschaft knüpften
hohe
Erwartungen an das seltene Wiedersehen während des „Fronturlaubs“.
Er diente
unter anderem dazu, der Entfremdung in Ehen entgegenzuwirken. Das
NS-Regime
instrumentalisierte mittels Propaganda die Heimaufenthalte der
Soldaten, um
deren Moral zu stärken und den Familien vorübergehend eine zivile
„Normalität“
zu suggerieren. Je prekärer die militärische Lage und je seltener
der
„Fronturlaub“ wurde und je häufiger die Angehörigen der Soldaten
ihr Leben
durch alliierte Luftangriffe bedroht sahen, desto mehr geriet die
Familie als
kleinste soziale Einheit in den Fokus staatlicher Zugriffe: „Indem
individuelle
Enttäuschungen die kollektive Einsatzbereitschaft bedrohten, wurde
häusliche
Harmonie zur Staatsräson und das Private politisch“ (S. 85),
schreibt Christian
Packheiser. Zudem war der „Fronturlaub“ eine
bevölkerungspolitische Maßnahme,
um die Geburtenrate der „Volksgemeinschaft“ während des Krieges
stabil zu
halten – das NS-Regime erwartete von der „rassisch“ erwünschten
Familie, dass
sie während des Heimaturlaubs ihre Funktion als
Fortpflanzungsgemeinschaft
erfüllte. Katharina Piros mikrohistorische Analyse der
Feldpostkorrespondenz
eines Ehepaares zeigt, inwieweit die Trennungssituation und
gesellschaftlich-normative Vorstellungen die Familienplanung
beeinflussten.
Der Scheidung als die letzte Konsequenz, wenn sich Unstimmigkeiten
zwischen
Paaren häuften, nimmt sich ein Beitrag an. Die Scheidung nach dem
„Zerrüttungsprinzip“, die vor allem scheidungswillige Männer für
sich nutzen
konnten, war durch die Reform des Ehe- und Scheidungsrechts im
Jahr 1938
ermöglicht worden. Annemone Christians stellt aber fest, dass Ehen
in der Folge
nicht häufiger aufgelöst wurden als in Friedenszeiten.
Verfahrensbeispiele aus
der Verhandlungspraxis des Landgerichts München zeigen jedoch,
dass
kriegsbedingte Trennungen im Verlaufe des Krieges zunehmend in der
Scheidungspraxis sichtbar werden: „Die Abwesenheit des Ehemannes
konnte die
Missstände in einer Partnerschaft zusehends verschärfen – Dissens
und
Entfremdung kumulierten während der seltenen Wiedersehen im
Fronturlaub.“ (S.
161) Wie Paare der zunehmenden Entfremdung durch die
Inanspruchnahme von
Beratungsangeboten entgegenzuwirken versuchten, geht hingegen aus
den
zeitgenössischen Texten und Korrespondenzen von Walther von
Hollander hervor,
einem bekannten Schriftsteller und Kolumnisten für Ehe- und
Familienberatung.
Lu Seegers weist darauf hin, dass es eine persönlich entlastende
und
systemstabilisierende Strategie im Umgang mit den Zumutungen des
Krieges war,
wenn von Hollander auf die zwischenmenschlichen Probleme aufgrund
kriegsbedingter Trennungen von Eheleuten zwar hinwies, nicht aber
auf die
politische Dimension. Diese Beschränkung auf allgemein menschliche
Fragen war
wohl der Grund dafür, dass von Hollander seine Beratertätigkeit
nach der
NS-Zeit nahtlos fortsetzen konnte.
Unter den Bedingungen kriegsbedingter Familientrennungen
entwickelten Familien
Kommunikationsstrategien. Der Beitrag von Kathrin Kiefer und
Markus Raasch gibt
Einblick in die Lebenswelten deutscher Soldatenfamilien aus der
Perspektive von
Kindern. Er zeigt, dass Geschwisterbeziehungen für das emotionale
Überleben der
getrennten Familien besonders relevant waren. Geschwister bemühten
sich um ein
funktionierendes Familienleben; die älteren Kinder wurden in die
Verantwortung
genommen. Zu den vielfältigen Erfahrungen von Kindern gehörte
auch, dass
Geschlechtergrenzen im Laufe des Krieges immer mehr verschwammen.
Ein weiterer Beitrag widmet sich der Familientrennung während der
Umsiedlungsmaßnahmen von Deutschbalten und Wolhyniendeutschen in
das
Reichsgebiet und in die eingegliederten westpolnischen Gebieten
1939/40. Wiebke
Lisner zeigt, dass Wolhyniendeutsche, die im Gegensatz zu den
bürgerlich
geprägten Deutschbalten oft einer bäuerlichen Schicht angehörten,
begrenzte
Möglichkeiten hatten, ihre Umsiedlung selbstbestimmt zu
organisieren oder
Trennungen zu verhindern. Die Familientrennung wurde von den
Betroffenen zwar
dramatisch wahrgenommen, war aber zeitlich begrenzt – im Gegensatz
dazu war die
Zerstörung von polnischen und vor allem jüdischen Familien, die
als „rassisch“,
„volkstumspolitisch“ und „erbgesundheitlich“ unerwünscht
klassifiziert wurden,
vom NS-Regime beabsichtigt.
Der dritte Abschnitt des Bandes thematisiert Handlungsoptionen und
Praktiken
nichtjüdischer Familien unter deutscher Besatzung, insbesondere in
Osteuropa,
und jüdischer Familien im Holocaust. Die Beiträge greifen die
einleitenden
Überlegungen zur Familientrennung und -zerstörung im
nationalsozialistischen
Krieg exemplarisch auf. Trotz der Breite der Fallstudien haben sie
somit einen
gemeinsamen analytischen Kern.
Marcel Brüntrup untersucht die Zwangstrennung osteuropäischer
Zwangsarbeiterinnen und ihrer Kinder sowie die
Familienzusammenführung von
Zwangsarbeiter:innen. Ab 1943 wurden schwangere
Zwangsarbeiterinnen nicht mehr
in ihre Heimatländer zurückgebracht, um eine „rassische
Unterwanderung“ der
„Volksgemeinschaft“ zu verhindern, sondern konnten im Reich
entbinden, um
schnellstmöglich wieder für den Arbeitseinsatz verfügbar zu sein.
Schwangerschaftsabbrüche, die bei deutschen Frauen streng geahndet
wurden,
wurden gefördert. Vermeintlich „gutrassige“ Kinder sollten
hingegen
„germanisiert“ werden. In der Annahme, dass im Familienverbund
bessere Arbeit
geleistet würde, wurden schließlich auch die Familien der
Zwangsarbeiter:innen
nicht mehr getrennt; im Widerspruch zu den NS-Maßnahmen gegen die
Bildung
„unerwünschter“ Familien wurden sogar Familienzusammenführungen
arrangiert.
Zwangsarbeiterinnen und ihre Kinder sowie ganze Familien waren
also, wie
Brüntrup argumentiert, „Gegenstand von Aushandlungsprozessen an
der
Schnittstelle zwischen bevölkerungs- und rassenpolitischen Zielen
sowie
kriegswirtschaftlichen Anforderungen, in denen über
Zusammenführung oder
Trennung von Angehörigen, über Duldung oder Zerstörung des
Familienverbandes
entschieden wurde“ (S. 278).
Die Kommunikation getrennter jüdischer Familien beiderseits der
sowjetischen
Demarkationslinie zwischen 1939 und 1941 beschreibt Olga
Radschenko. Nachdem
der deutsche Angriff auf Polen eine Fluchtbewegung von
hauptsächlich jüdischen
Männern in das zunächst unbesetzte und dann sowjetisch besetzte
Ostpolen
ausgelöst hatte und Tausende von jüdischen Flüchtlingen
schließlich die „grüne
Grenze“ überquerten, versuchten viele Familien, eine
Familienzusammenführung zu
erreichen. Die Korrespondenz per deutscher und sowjetischer Post
und illegal
mit Hilfe von sogenannten Grenzgänger:innen vermittelte den
Familien
Emotionalität und Stabilität. Auch Lebensmittellieferungen
sicherten zumindest
vorübergehend das Überleben der im deutsch besetzten Polen
zurückgebliebenen
Familienangehörigen. Carlos Alberto Haas untersucht in seinem
Beitrag, wie
jüdische Familien den Moment ihrer Trennung in den Ghettos in
Polen
interpretierten. Er konzentriert sich auf die Vorstellungen von
Familie und auf
die Rollenbilder in der jüdischen Bevölkerung Ostmittel- und
Osteuropas vor
1939 und zeigt, wie Familien ihren Verlust im Ghetto in Erinnerung
an eine
bessere Vergangenheit und mit Hoffnung auf eine bessere Zukunft
wahrnahmen.
Der letzte Beitrag widmet sich Familientrennungen und
Neukonfigurationen von
Familien im belarussischen Raum. Die Institution Familie als
kleinste soziale
Einheit war vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion dem
sozialistischen
Kollektiv untergeordnet. Nach 1941 waren Familientrennungen und
-auflösungen
jedoch ubiquitär. Zugleich entstanden neue temporäre
Zweckgemeinschaften und
„Ersatzfamilien“. Sie wurden durch das Familiendekret von 1944 –
das die
sowjetische Familienpolitik weit über das Kriegsende hinaus prägte
– angeregt
und teilweise legitimiert. Als Quellengrundlage für diese
Untersuchung von
„Familien auf Zeit“ (S. 339) dienen Yuliya von Saal staatliche
Akten und
biografische Überlieferungen, unter anderem von Kindern und
jüdischen
Überlebenden.
Die unterschiedlichen Facetten des biopolitischen
NS-Machtanspruchs auf
Familien bilden die kohärente Klammer um die thematisch breit
gefächerten
Beiträge dieses Sammelbandes, ohne jedoch vermeintliche
Gemeinsamkeiten
familiärer Erfahrungen und Praktiken überzubetonen. Obwohl einige
der im
Sammelband vorgestellten Forschungen und Überlegungen von
einzelnen Autor:innen
bereits an anderer Stelle veröffentlicht wurden, bietet er neue
Erkenntnisse zu
Familientrennungen im Zweiten Weltkrieg. Dem Sammelband ist eine
breite
Rezeption zu wünschen, regt er doch nicht zuletzt aufgrund der
zugrundeliegenden Quellenvielfalt zu weiteren Forschungen an: zu
den
Definitionen, Funktionen und Aufgaben von Familie im Krieg und
danach, zur Ein-
und Ausgrenzung aus der vom NS-Regime propagierten
„Volksgemeinschaft“ und zum
Alltag von jüdischen sowie nicht-jüdischen Familien unter
deutscher Besatzung.
Anmerkung:
[1] Grundlage des Sammelbandes
ist ein Workshop
des Jahres 2019. Siehe den Tagungsbericht von Jonathan Voges:
Kriegstrennungen
im Zweiten Weltkrieg – Familienzerstörung zwischen
„Kollateralschaden“ und
Biopolitik, in: H-Soz-Kult, 20.09.2019, https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-127021
(24.09.2023).
Zitation
Lukas Schretter: Rezension zu: Lisner, Wiebke; Hürter, Johannes;
Rauh,
Cornelia; Seegers, Lu (Hrsg.): Familientrennungen im
nationalsozialistischen
Krieg. Erfahrungen und Praktiken in Deutschland und im besetzten
Europa
1939–1945. Göttingen 2022 , ISBN 978-3-8353-5202-5,, In: H-Soz-Kult,
26.09.2023, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-128428>.