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2022/05/23 13:05:28
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] morgen doch kein Vortrag zum Thema „BRAUCHTUM UND ABERGLAUBE“
Datum 2022/05/24 23:07:48
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Kartensammlung Hellwig online
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2022/05/23 13:05:28
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] morgen doch kein Vortrag zum Thema „BRAUCHTUM UND ABERGLAUBE“
Autor 2022/05/24 23:07:48
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[Regionalforum-Saar] Die St. Wendeler Wählerlist en von 1919 als Quelle zur weiblichen Sozialgeschichte

Date: 2022/05/24 22:55:06
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)...

Die St. Wendeler Wählerlisten von 1919 als Quelle zur weiblichen Sozialgeschichte  
von Andrea Recktenwald, Stadtarchiv St. Wendel.

Beim Thema „Wahlen und Demokratie“ fallen sofort die Grundsätze einer demokratischen Wahl ins Gedächtnis. Allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim sind die Voraussetzungen einer Wahl in diesem Sinne. Vor allem das Prinzip der Allgemeinheit, das heute die Partizipation aller Bürgerinnen und Bürger ab dem 18. Lebensjahr in Deutschland und Europa ermöglicht, trägt maßgeblich zu diesem demokratischen Prozess bei. Bis vor hundert Jahren war aber ein großer Teil der Bevölkerung in Deutschland nicht zur Stimmabgabe berechtigt. Erst nach dem ersten Weltkrieg konnten Frauen bei der Wahl zur verfassunggebenden Nationalversammlung zum ersten Mal teilnehmen und auch selbst gewählt werden. [Daneben wurde das Wahlrecht auch auf Soldaten und alle ab dem 20. Lebensjahr erweitert]

In St. Wendel sind keine Hinweise dafür auszumachen, dass Frauen aktiv für ihr Wahlrecht eingetreten wären. Jedoch begannen sie sich 1918 im Verein katholischer erwerbstätiger Frauen und Mädchen und dem Verein der weiblichen kaufmännischen Angestellten und Beamtinnen beruflich zu organisieren.

Für wissenschaftliche und private Nutzer des Stadtarchivs St. Wendel hat diese Erweiterung der Stimmberechtigten heute noch einen weiteren Wert. Enthält doch eine Akte (D 1.76) Wählerlisten zu verschiedenen Wahlen in den 1910er Jahren. 1919 fanden in der Stadt sowohl die Wahlen zur deutschen Nationalversammlung als auch zur preußischen Landesversammlung statt. Zu den Stimmbezirken I und II sind Listen vollständig erhalten. Unterlagen zum Wahlbezirk III sind leider nicht mehr vorhanden.

Betrug der Personenkreis bei der Reichstagswahl 1912 noch 1459 Bürger, stieg dieser 1919 schon im I. und II. Bezirk zusammen auf 3052 Stimmen. Darunter waren jeweils etwas mehr als die Hälfte weiblich. Die Einwohnerzahl umfasste laut Versorgungsstatistik ca. 7872 Personen.

Informationen zur Person, wie Alter, Stand und Wohnort, sind mit verzeichnet und lassen jeden Einzelnen greifbar erscheinen. Die Stellung der Frau innerhalb der Haus- und Arbeitsgemeinschaft lässt sich in den Listen vor allem aus ihrem Stand ablesen und soll hier kurz vorgestellt werden.

Im Stimmbezirk I haben mehr als die Hälfte (458) der Frauen den Stand als Ehefrau. Es folgen die ohne Stand oder Gewerbe (147), von denen die meisten unverheiratete Töchter sind, was sich aus der Familienzusammensetzung ergibt. Die größte Gruppe unter den Berufen stellt die Anstellung als Dienstmagd (67) dar. Daneben gibt es eine größere Anzahl von Näherinnen (12) und zwei Modistinnen. Von der regen Handelstätigkeit in der Bahnhof- und Brühlstraße zeugen die zahlreichen Verkäuferinnen, Bürogehilfinnen und Kontoristinnen. Die Spanne der Beschäftigungen von Frauen reicht von Köchinnen, Arbeiterinnen, Lehrerinnen, zwei Geschäftsinhaberinnen, einer Filialleiterin, einer Buchhändlerin bis zu einer Medizinstudentin.

Im Stimmbezirk II stellen ebenfalls die Ehefrauen (402), Frauen ohne Stand (167) und Dienstmägde (67) die größten Gruppen. Seit zehn Jahren existiert an der Marienstraße das Marienkrankenhaus der Franziskanerinnen mit Schwestern und Pfründnerinnen, die jetzt ebenfalls wahlberechtigt sind. Genauso wie die St. Wendeler Lehrerinnen, von denen einige in der Maria-Magdalenenkapelle wohnen, die zeitweise als Schule dient. Insgesamt zählt der Bezirk 16 Pädagoginnen, was wohl dem Lehrermangel nach dem Krieg geschuldet ist. Auch hier entdeckt man eine Anzahl Näherinnen (17) und weitere fünf Modistinnen. In den Tabakfabriken und dem Eisenbahnausbesserungswerk finden Frauen Anstellung als Arbeiterinnen.

Ahnenforscher erhalten durch die Aufstellung einen Einblick in die Wohn- und Berufssituation ihrer Vorfahren zu einem bestimmten Zeitpunkt und können sich somit eine bessere Vorstellung ihres Lebens in der Stadt machen. Für Sozial- und Wirtschaftshistoriker ergeben sich aufschlussreiche Anhaltspunkte zur sozialen Zusammensetzung der Stadt und ein erweiterter Blick auf das Gewerbe.

Die Wählerlisten erweitern somit den Blick auf einen größeren Teil der Gesellschaft, was die Geschichte der Stadt vollständiger macht, und lassen ein heterogeneres Bild der Frauen der Zeit erkennen.


Quelle im Stadtarchiv St. Wendel:

„D 1.76   Reichstagswahl 1912, Wahl zur verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung 1919

1911 - 1913, 1918 - 1923. – 325 pag.
2 lose Kladden pag. 156 ff.; 235 ff.

Enth. u. a.: Verfügungen, Verordnungen, u. a. betr. Wahlordnungen, Wahlbezirke etc.; Wahlbezirke Stadt St. Wendel 1912, pag. 49; Nahe-Blies-Zeitung Nr. 147 v. 14. Dezember 1911, pag. 54: Wahlkreise im Regierungsbezirk Trier; Wählerlisten; Wahlergebnisse, u. a. Neunkircher Zeitung v. 17. Januar 1912, pag. 82: Ergebnisse Reichstagswahl Ottweiler, St. Wendel, Meisenheim; Wahlen zur verfassungsgebenden dt. Nationalversammlung 1918/19: Durchführung/Wahlrecht, Wählerlisten, Ergebnisse; Wählerlisten St. Wendel zur preuß. Landesversammlung 1919, pag. 156; Prospekte für Wahlurnen“

aus: „Unsere Archive“ Nr. 66/2021 aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland

downloadbar: https://www.compgen.de/2021/10/unsere-archive-nr-66-2021-aus-rheinland-pfalz-und-dem-saarland/