Monatsdigest

[Regionalforum-Saar] Tagebücher als Quellen. For schungsfelder und Sammlungen seit 1800

Date: 2022/05/01 14:46:20
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>


Tagebücher als Quellen. Forschungsfelder und Sammlungen seit 1800
Autor Li Gerhalter

Reihe L'Homme Schriften. Reihe zur Feministischen Geschichtswissenschaft (27)
Erschienen Göttingen 2021: Vandenhoeck & Ruprecht
Anzahl Seiten 459 S.
Preis € 40,00
ISBN 978-3-8471-1179-5

Rezensiert für H-Soz-Kult von Anna Leyrer, Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien

Die „aktuelle Situation“ der Selbstzeugnisforschung beschreibt Li Gerhalter in ihrer Dissertation „Tagebücher als Quellen. Forschungsfelder und Sammlungen seit 1800“ so: „Es wurde eine spiralförmige Dynamik in Gang gesetzt: Weil Selbstzeugnisse beforscht wurden, wurden sie gesucht. Weil sie gesucht wurden, wurden sie auch gefunden. Und weil sie jetzt verfügbar waren, konnten sie zunehmend ausdifferenziert beforscht werden – und werden es immer noch.“ (S. 261)

Diese Sätze vermitteln eine Ahnung davon, wie groß und unübersichtlich das Feld der Selbstzeugnisforschung tatsächlich ist, das sich Li Gerhalter vorgenommen hat. Die Arbeit, die 2021 in der L’Homme-Schriftenreihe erschienen ist, wählt eine wissenschaftshistorische Langzeitperspektive auf das wuchernde Forschungsfeld: Gerhalter beginnt ihre Untersuchung von Tagebüchern als wissenschaftliche Quellen mitnichten in den 1980er-Jahren, als das historische Interesse an Tagebüchern und Selbstzeugnissen im Zuge der „Neuen Geschichtsbewegung“ wuchs, sondern mit der Säuglings- und Kleinkinderforschung, die im frühen 19. Jahrhundert begann, mit Elterntagebüchern zu arbeiten. Dabei geht Gerhalter von der These aus, dass die „Konjunkturen der Selbstzeugnis forschung“ nur zusammen mit den „Selbstzeugnis sammlungen“ (S. 11) verständlich werden. Deswegen nimmt sie nicht nur Forscher in den Blick, sondern auch diejenigen, die Sammlungen aufbauen und verwalten – die Archivar –, sowie diejenigen, die Dokumente übergeben, die „Übergeber“ (S. 12).

Die Arbeit ist in zwei Teile gegliedert, die zunächst nur lose gekoppelt erscheinen: Der erste Teil befasst sich auf gut 200 Seiten mit Tagebüchern als „zentrale[r] Datengrundlage“ (S. 31), zuerst in der Fachhistorie der Pädagogik, der Evolutionsbiologie und der Entwicklungspsychologie (Kapitel 1), anschließend in der Jugendpsychologie (Kapitel 2). Er überspannt dabei einen Zeitraum von um 1800 bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Untersucht wird, „für welche Fragestellungen diaristische Aufzeichnungen zu unterschiedlichen Zeiten ausgewertet wurden – und mit welchen Sammlungsstrategien die Quellengrundlagen dafür geschaffen worden sind.“ (S. 251)

Der zweite Teil schließlich befasst sich mit dem Nutzen von Tagebüchern in den Geschichtswissenschaften. Er gliedert sich in ein größeres Kapitel (Kapitel 3) zu den „historisch ausgerichteten Sammlungen“, die seit den 1980er-Jahren im Zuge der stetig anwachsenden Tagebuch- und Selbstzeugnisforschung entstanden sind (S. 27); dieses Wachstum führt Gerhalter auf das „Fehlen der Quellengrundlagen für die geänderten Forschungsinteressen“ (S. 28) zurück. Des Weiteren enthält der zweite Teil ein kleineres Kapitel (Kapitel 4), das exemplarisch ausgewählte Tagebücher von Mädchen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entlang der Analyseachsen des „Zu-schreiben-Beginnens“ und der dem Tagebuch anvertrauten Geheimnisse (S. 360) untersucht.

Im Wesentlichen widmet sich der zweite Teil also einer Darstellung des Forschungsfelds und insbesondere der „Bestandsaufnahme der zurzeit insgesamt verfügbaren Quellenbasis“ (S. 22). Gerhalter präsentiert zunächst einen informativen Überblick über die Sammlungen im deutschsprachigen Raum. Mittlerweile gebe es „zahlreiche Archive, die eigentlich einen anderen Fokus verfolgen“ und dennoch Selbstzeugnisse (jenseits der im Buch sogenannten „Höhenkammliteratur“) im Sinne von „Vor- und Nachlässe[n]“ (S. 273) aufnehmen. Es existieren aber nur „drei Sammlungen [von Selbstzeugnissen], die eigene Einrichtungen sind, und nicht Teil einer größeren Archivinstitution“ (S. 271); und zwar das Deutsche Tagebucharchiv in Emmendingen sowie die Sammlung Frauennachlässe und die Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen (beide in Wien).

Zudem nimmt Gerhalter in diesem Teil eine vertiefte Analyse von Sammlungsbeständen entlang der beiden Ebenen „soziale Schicht“ und „Geschlecht“ vor. Sie fragt stichprobenartig nach der Zusammensetzung der Bestände: Enthalten die Sammlungen Tagebücher von Arbeiter und Dienstboten? Und wie verteilen sich die Tagebücher auf Männer und Frauen? Sie geht also der populären Annahme auf den Grund, dass vor allem bürgerliche Frauen Tagebuch geschrieben haben sollen. Diese Annahme lässt sich teilweise bestätigen: Zum einen gibt es in den untersuchten Beständen nur „einzelne Nachweise“ von Tagebüchern, die „in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Arbeiter oder Dienstboten geschrieben wurden.“ (S. 322) Allerdings lässt sich zugleich sagen: „Mit retrospektiv verfassten Texten sind (ehemalige) Arbeiter/innen oder Dienstbot/innen in den Beständen sehr gut vertreten.“ (S. 323) Die „Unterschiede in Bezug auf verschiedene auto/biografische Genres“ (S. 341) differenzieren auch das Bild auf der Analyseebene Geschlecht. Dennoch lässt sich bei der Unterscheidung in (retrospektiv niedergeschriebene) „lebensgeschichtliche Texte“ und diaristische Aufzeichnungen nicht sagen, dass Frauen generell eher Tagebuch schreiben, während Männer eher lebensgeschichtliche Texte verfassen. Es müssen weitere Faktoren berücksichtigt werden: So finden sich etwa im Bestand der Dokumentation lebensgeschichtliche Aufzeichnungen in Wien sehr viele Tagebücher, die von Männern verfasst wurden, und zwar von Soldaten während der zwei Weltkriege. (S. 349) Offensichtlich können solche einschneidenden Ereignisse als „Biografiegeneratoren“ (Alois Hahn) wirken.

In der Einleitung behauptet die Autorin nonchalant, dass die beiden Teile weder „in einem direkten Bezug zueinander“ stehen noch einer „genealogischen Logik“ (S. 10) folgen. Tatsächlich sind die einzelnen Kapitel in sich abgeschlossen und lassen sich separat lesen. Ihr Zusammenhang, wenngleich er sich erst auf den zweiten Blick erschließen mag, macht aber den Reiz der Studie aus: Die Autorin stellt, indem sie der Rolle von Tagebüchern als Quellen in der Wissenschaftsgeschichte in der longue durée seit 1800 (S. 251) nachgeht, die in der „Neuen Geschichtsbewegung“ entstandenen Forschungspraktiken in eine Tradition, die aus der Pädagogik und der Psychologie kommt. Die Geschichtswissenschaft tritt zwar erst zu einem Zeitpunkt auf den Plan, an dem Tagebücher in diesen beiden Forschungsfeldern „keine größere Rolle mehr“ (S. 254) spielten. Dennoch haben Vorstellungen vom Tagebuchschreiben, die dort entstanden waren, die Geschichtswissenschaften nachhaltig geprägt: Charlotte Bühlers jugendpsychologische Forschungen zum Tagebuch Anfang des 20. Jahrhunderts etwa waren es, die die Motivation zum Tagebuchschreiben als „inneres Bedürfnis“ (S. 377) erklärten und die Vorstellung von Tagebüchern als „verschriftlichten Geheimnissen“ (S. 363) etablierten. Durch das Historisieren von Tagebüchern als wissenschaftliche Quellen schärft Gerhalter den Blick dafür, wie diese Quellen wahrgenommen und überhaupt erst als solche hergestellt werden.

Mit dem Fokus auf Arbeitswege und Wissenschaftspraktiken in ihren zeitspezifischen Ausformungen über das 19. und 20. Jahrhundert hinweg kann Gerhalter zeigen, dass die „inhaltlichen Schwerpunkte der selbstzeugnisbasierten Forschungs- und Sammlungstätigkeiten […] einen wesentlichen Einfluss darauf [hatten und haben], welche auto/biografischen Formate überhaupt wissenschaftlich wahrgenommen und damit sichtbar gemacht wurden“. (S. 12) So war eben diese Wahrnehmung in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen unterschiedlich konturiert: Das Herstellen „standardisierte[n] Wissen[s] über die menschliche Entwicklung“, um das es der Pädagogik und der Evolutionsbiologie und -psychologie ging, interessierte und produzierte andere Selbstzeugnisse als die Geschichtswissenschaften seit den 1980er-Jahren, die, wie Gerhalter es nennt, aus „zivilgesellschaftliche[n] Ansprüche[n]“ (S. 11) heraus wuchs: Das Erschließen von Tagebuchquellen jenseits der „Höhenkammliteratur“ war der „dinghafte Ausdruck für die veränderten Vorstellungen davon, welche Personengruppen überhaupt im Interesse der historischen Forschung stehen.“ (S. 252)

Zudem, das hebt Gerhalter zu Recht besonders hervor, haben so die Entscheidungen, „welche Texte […] gesammelt, beforscht und veröffentlicht werden […] einen Einfluss auf die aktuellen – und die zukünftigen – auto/biografischen Praktiken der Rezipient/innen der Ergebnisse.“ (S. 253) Gerhalter betont aber auch einen weiteren Aspekt der verflochtenen Beziehung von Forschungsinteressen, Sammlungstätigkeit und autobiografischen Praktiken. Denn im Zuge der Einrichtung von Selbstzeugnis-Sammlungen werden die Übergeber/innen zu Handelnden: Sie entscheiden, was sie an die entstandenen Archive weitergeben – und an welche Archive. Gerhalter begreift daher diese Übergeber/innen als „Citizen Scientists“ (S. 12, 405) und widmet ihnen ein eigenes Unterkapitel (3.4).

Gerhalter skizziert so drei größere Entwicklungen, die die heutige Selbstzeugnisforschung konturieren: Erstens lässt sich, vielleicht erwartbar, die „zunehmende Institutionalisierung und Professionalisierung der wissenschaftlichen Arbeit“ (S. 403) zeigen. Zweitens zeichnet sich die aktuelle historisch-kulturwissenschaftliche Tagebuchforschung – im Kontrast zu den Fachgeschichten der Pädagogik und der Psychologie – durch eine intensive Auseinandersetzung mit „genretheoretische[n] Fragestellungen“ (S. 404) aus, wie Gerhalter in Kapitel 4 exemplarisch vorführt. Und drittens rücken damit die Autor/innen der Quellen stärker in den Mittelpunkt. Sie sind nicht einfach „Proband/innen“, sondern es geht „nun darum, sie selbst zu Wort kommen zu lassen, ihre individuellen Lebensgeschichten zu erinnern und für eine interessierte Öffentlichkeit sichtbar zu machen.“ (S. 405)

Li Gerhalters Studie ist sorgfältig konzipiert und souverän geschrieben. Sie lässt sich ausgezeichnet als Begleiter für den Archivdschungel der Selbstzeugnisforschung im deutschsprachigen Raum nutzen und zugleich ist sie Inspiration, wie sich ein Forschungsprojekt mit Selbstzeugnissen gestalten ließe. Zuletzt sei noch der fast liebevolle Umgang mit den vielen zitierten Quellen anzumerken, die Gerhalter mit gutem Sinn für die Lesbarkeit einer umfangreichen Studie ausgewählt hat.

Zitation

Anna Leyrer: Rezension zu: : ISBN 978-3-8471-1179-5, , In: H-Soz-Kult, 29.04.2022, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-114491>.




 

[Regionalforum-Saar] "Die Keller`sche Gesellschaft"

Date: 2022/05/01 14:52:01
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Einladung zur Buchvorstellung am 11. Mai 2022

Im Mai 2022 feiern wir 190 Jahre Hambacher Fest. Es gilt zu Recht als eines der bedeutendsten Ereignisse der deutschen Demokratiegeschichte.
Weniger bekannt dürfte sein, dass sich zeitgleich mit dem Hambacher Fest in St. Wendel ähnliche Szenen abgespielt haben, die nun erstmalig von Herrn Dr. Franz-Kockler, seines Zeichens Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht i.R.- anhand der Ermittlungs- und Gerichtsakten aus juristischer Sicht in Form eines Buches aufgearbeitet wurden.

Diese Demonstrationen für Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit und Unabhängigkeit der Justiz verdienen vor allem deshalb Beachtung, weil sie uns ebenso wie die aktuellen Geschehnisse an eines erinnern:
Freiheit, Demokratie und ein friedliches Miteinander in Europa sind keine Selbstverständlichkeit. Sie mussten und müssen erkämpft und immer wieder gesichert werden.

Aus diesem Grund war es der Wendelinus Stiftung ein Anliegen diesen Teil der Geschichte von St. Wendel als Herausgeber das Buch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Im Rahmen des erLESEN Festivals wird der Autor Franz-Josef Kockler sein Werk "Die Keller`sche Gesellschaft" nun erstmalig einer breiten Öffentlichkeit vorstellen.

Wann?   Am 11. Mai 2022 um 19 Uhr
Wo?       Hauptstelle der Kreissparkasse St. Wendel, Bahnhofstraße 21-25 in St. Wendel
Aufgrund des begrenzten Platzangebotes bitten wir um Voranmeldung bis zum 03. Mai 2022 an Wendelinus Stiftung, 06851 15-427, info(a)wendelinusstiftung.de

 Herzliche Grüße aus dem St. Wendeler Land.
Für  die Initiativgruppe
Josef Alles

Wendelinus Stiftung
Bahnhofstraße 21­-25
666­06 St. Wendel
Telefon (06­851) 15­-427
Telefax (06­851) 15­-99970
E-Mail: info(a)wendelinusstiftung.de
www­.wendelinusstiftung­.de


 

[Regionalforum-Saar] Leben und Überleben am Nieder rhein im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit

Date: 2022/05/01 14:55:15
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Leben und Überleben am Niederrhein im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit

Veranstalter  Hiram Kümper / Monika Gussone, Lehrstuhl für die Geschichte des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, Universität Mannheim

Datum 10.12.2021

Von Monika Gussone, Lehrstuhl für die Geschichte des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, Universität Mannheim

Das die Tagung ausrichtende Teilprojekt „Niederrhein“ des DFG-Projekts „Kleinkredit und Marktteilhabe im Spätmittelalter“ ist an der Universität Mannheim angesiedelt und bearbeitet in drei vergleichenden Studien die Frage, ob Kleinkredit im Spätmittelalter dem großen Teil der in prekären Arbeits- und Lebensverhältnissen lebenden Menschen dauerhafte Marktteilhabe sichern konnte. Ausgehend von der Projektthematik sollte der Blick – aufgrund der Coronasituation in sehr kleinem Rahmen – auf andere Möglichkeiten gelenkt werden, die den wenig vermögenden Bevölkerungsschichten am Niederrhein halfen, ihren Lebensunterhalt im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit zu bestreiten. Menschen, die am Rande des Existenzminimums lebten, sahen sich infolge von Naturkatastrophen, Seuchen und anderen Krisen mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert. Vor allem nach solch einschneidenden Ereignissen, aber nicht unbedingt nur dann, waren zahlreiche Haushalte auf die Hilfsangebote der städtischen, kirchlichen und privaten Armenhilfe angewiesen. Wirtschaftliche Hilfe konnte auch in Form von günstigen Getreideverkäufen des Adels erfolgen, der sich immer auch zur Fürsorge für seine Untersassen verpflichtet fühlte. Insbesondere hing der wirtschaftliche Erfolg eines jeden jedoch von der Möglichkeit ab, Arbeit zu finden und zu behalten.

In ihrer Begrüßung stellte die Bürgermeisterin von Kalkar, Britta Schulz, die auffälligen Parallelen zwischen einzelnen mittelalterlichen Seuchen und Katastrophen, die auch das Niederrheingebiet betrafen, sowie der andauernden Pandemie und den Hochwasser-Ereignissen des Jahrs 2021 heraus, woran HEIKE HAWICKS (Heidelberg) inhaltlich mit ihrem Vortrag unmittelbar anschließen konnte. Sie betonte Parallelen zwischen den aktuellen Ereignissen und denen der Römerzeit, auch des 19. und 20. Jahrhunderts, vor allem aber den Katastrophen des 14. Jahrhunderts. Mithilfe naturwissenschaftlicher Methoden ließen sich Parallelen in der Großwetterlage – mit Extremhochwassern und aufeinanderfolgenden Zyklonen – feststellen sowie die damaligen Hochwasserstände berechnen. Im 14. Jahrhundert folgten zahlreiche Katastrophen teils rasch aufeinander: Der Pest, die 1349 das Niederrheingebiet erreichte, waren durch Nässe und Heuschreckenplagen verursachte Hungersnöte in den 1310er-Jahren vorausgegangen, als deren Folge Xantener Quellen steigende Preise und eine Zunahme von Hausverkäufen vermerkten. 1342 brachte die sogenannte Magdalenenflut, benannt nach dem Festtag der heiligen Magdalena am 22. Juli, die das Hochwasser von 2021 im selben Monat noch weit übertraf, besonders am Niederrhein große Zerstörung; sie ist in den Quellen präsenter als andere Unwetter. Interessant ist der Befund, dass dieses Hochwasser – wie auch ein weiteres im Jahr 1374 und die Pest von 1349 – sich auf die Xantener Urkundenproduktion auswirkten, die monatelang aussetzte. Weitere Reaktionen lassen die Quellen erkennen, etwa die vermehrte Stiftung von Altären, die Durchführung von Prozessionen, Bemühungen um den Verkauf hochwassergeschädigter Grundstücke an das Xantener Stift oder um den Erwerb von Ländereien, die vom Wasser entfernt lagen.

MARTIN W. ROELEN (Wesel) und MONIKA GUSSONE (Mannheim) widmeten sich mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten der Armenfürsorge in Wesel und Kalkar. So war es Roelens Anliegen, die Vielfalt der erhaltenen Quellen herauszustellen, die zur Erforschung der Armenpflege in Wesel, der größten Stadt des Herzogtums Kleve, herangezogen werden können, und zu zeigen, welche Arten von Informationen darin zu finden sind. Obwohl der größte Teil des Verwaltungsschriftguts bald kassiert und nicht überliefert worden sein dürfte, weisen beispielsweise bereits die als Teil der Stadtrechnungen überlieferten Steuerlisten des 14. Jahrhunderts einige wenige Personen als arm aus, und Listen mit geforderten Zahlungen für die Ummauerung der Mathenavorstadt zeigen, wer nicht zahlungsfähig (oder -willig) war. Die Stadt, in deren Zuständigkeit die Armenversorgung hauptsächlich fiel, war gut über die Zahl der verschämten Armen oder Hausarmen informiert. Neben der städtischen Verwaltung, den Hospitälern für Fremde (Johannishospital) und Einwohner (Heilig-Geist-Spital) und den Pfarrkirchen waren aber auch Bruderschaften in die Armenpflege involviert. Seit den 1440er-Jahren nahm die Zahl der privaten Armenstiftungen zu, die meist lange bestanden und teils noch heute existieren. Gestiftete Wohnungen für die Hausarmen wie auch feste Spendentermine oder Pflegeschwestern lassen insgesamt eine gute Kenntnis der Stifter über die Armenversorgung in der Praxis erkennen. Solche Stiftungen, dies lässt sich für Wesel wie für Kalkar sagen, stellten Lebensmittel, Kleidung, Brennstoff und auch anderes zur Verfügung und scheinen nicht selten auf diese Weise erkannte Mängel ausgeglichen zu haben. Die Struktur der Weseler Armenversorgung wurde durch die Reformation stark verändert, während sie in Kalkar im Wesentlichen unverändert blieb.

Monika Gussone konzentrierte sich auf die finanziellen, administrativen und rechtlichen Aspekte der Armenfürsorge in der – nach mittelalterlichen Maßstäben – knapp mittelgroßen Stadt Kalkar während des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts. Zum städtischen Hospital, das ursprünglich Reisende, Pilger, Kranke und Alte gemeinsam versorgt hatte, kamen bis ca. 1500 drei weitere Einrichtungen hinzu: ein Melatenhaus und zwei Armenhöfe. Auch in Kalkar ließ sich also die auch anderswo zu beobachtende Spezialisierung in der Versorgung Bedürftiger erkennen. Obwohl die beiden Armenhöfe, in denen nur nach bestimmten Kriterien ausgewählte Hausarme Aufnahme fanden, zunächst private Stiftungen waren, unterstanden auch sie bald den Kalkarer Armenprovisoren, die außerdem auch für die restlichen städtischen Armen zuständig waren. Die Armenversorgung finanzierte sich zu einem großen Teil aus gestifteten und selbsterworbenen Renteneinkünften, daneben aber auch aus Pachteinnahmen von den Besitzungen der „Armen“. Regelmäßige Zahlungseingänge mussten angestrebt und Ausfälle möglichst vermieden werden. Entsprechend deutlich lässt die Armenordnung aus dem Jahr 1443 erkennen, dass im Bereich der Armenfürsorge Großzügigkeit den eigenen Schuldnern gegenüber im Normalfall nicht möglich war und ausstehende Beträge nachdrücklich eingefordert werden mussten.

Der Vortrag von JULIA EXARCHOS (Aachen) musste krankheitsbedingt ausfallen, soll aber, wie auch die anderen Beiträge der Tagung, in einem Sammelband veröffentlicht werden. Ihr Beitrag behandelt die Integration der unteren sozialen Schichten in die spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Wirtschaft. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie diese Gruppen ihr Auskommen sichern und auf welche Strukturen und Mittelspersonen sie zurückgreifen konnten. Anhand der Organisation von Pfändungen und Handelsgeschäften geht der Beitrag der Vielfältigkeit der Organisationsformen und Strukturen, in denen sich die unteren sozialen Schichten bewegten, in den Städten Köln, Kalkar, Wesel und Dinslaken nach. Auf der Basis von primär normativen Quellen wie Verordnungen und Edikten, aber auch von Testamenten und Akten des Handels zeigt der Vergleich der Städte eine Diversität in der Organisation von Pfändungen und der Vermittlung und Kontrolle von Handelsgeschäften. Während in Köln und auch in anderen größeren Städten des Reichs bestellte Experten und Expertinnen, die Keuffer oder Keufferschen, bei Pfändungen hinzugezogen wurden, sind diese für Kalkar, Wesel und Dinslaken nicht belegt. In den drei niederrheinischen Städten übernahmen andere Gruppen oder Personen diese Aufgaben – ein ähnlicher Befund wie bei Handelsgeschäften –, was den Ablauf der Pfändungen jedoch nicht weniger effektiv werden ließ.

FRIEDERIKE SCHOLTEN-BUSCHHOFF (Münster/Möhnesee) befasste sich, ausgehend von Rechnungsschriftgut, das sie durch Informationen aus Korrespondenzen, Protokollen, Tagebüchern und weiterem Quellenmaterial ergänzte, mit verschiedenen Fragen zum adligen Wirtschaften, insbesondere am Beispiel der Freiherren von Loë auf Schloss Wissen in Weeze, deren Einkünfte zu mehr als 50 Prozent aus Getreide erwirtschaftet wurden. Unter Anwendung quantitativer Methoden – da adlige Rittergüter komplexe wirtschaftliche Einheiten waren – sprach sie die Fragen nach einem speziellen adligen Wirtschaftsstil, den Beziehungen des Adels zum Markt, seinem Spekulationsverhalten und seinem Beitrag zur Marktintegration an. Schwerpunktmäßig untersuchte der Vortrag, wie sich der Adel in wirtschaftlicher Hinsicht den Untersassen gegenüber verhielt und wo er sich zwischen den Polen Gewinnmaximierung und Fürsorgeverpflichtung positionierte. Auf dem Land waren, anders als in der Stadt, wo es Märkte und zentrale Vorratseinrichtungen für Notzeiten gab, die adligen Güter mit ihren Speichern Anlaufstellen für den Kauf von Getreide. Selbst in stadtnahen Herrschaften mit guter Marktanbindung überwog der Verkauf von Getreide am Schlosstor an die Bevölkerung der näheren Umgebung an bis zu drei angekündigten Terminen pro Jahr zu durchweg deutlich geringeren als den gängigen Marktpreisen. Hierin wie auch in Pachtstundungen oder in kostenlosen Getreideabgaben an Arme zeigte sich, dass die Fürsorgepflicht höher gewertet wurde als das Streben nach maximalem Gewinn.

HIRAM KÜMPER (Mannheim) behandelte das Thema Schulden aus einer rechtlichen Perspektive. Er bezog sich insbesondere auf die entsprechenden Regelungen im Sachsenspiegel, dem im Mittelalter weitverbreiteten und immer wieder ergänzten Rechtsbuch Eike von Repgows, und stellte auf diese Weise eine Verbindung zwischen dem oben erwähnten DFG-Projekt und dem Tagungsort her, dessen Archiv über eine verkürzte und redaktionell bearbeitete Fassung des Sachsenspiegels verfügt – höchstwahrscheinlich bereits seit dem 15. Jahrhundert. Für das Thema der Tagung war vor allem die Erkenntnis zentral, dass sich mit der Urbanisierung und der Trennung von Land- und Stadtrecht das Schuldrecht überhaupt erst langsam aus dem Strafrecht heraus zu einem eigenständigen Rechtsgebiet entwickelte. Erst seit dem 12. Jahrhundert bildete sich in den Städten ein Schuldrecht aus, da Handelstätigkeit zugleich Kreditbeziehungen und zunehmendes Gewerbe vertraglich regulierte Arbeit nach sich zogen, sodass Rechtsgrundlagen und geregelte Verfahrensabläufe benötigt wurden. Der Sachsenspiegel mit seinem noch wenig entwickelten, aber bereits als eigenständig erkennbaren Schuldrecht lasse den Wandlungsprozess erkennen, da er sowohl alte Formen der Selbsthilfe als auch neue Verfahren des entstehenden Schuldrechts aufführe, etwa das Verfahren des sogenannten Einlagers, bei dem ein Schuldner, oft mit Begleitern und Pferden, im Fall von Zahlungsverzug in ein Gasthaus ziehen, dort bis zur Schuldbegleichung wohnen und die Kosten für den Aufenthalt tragen musste.

Die Tagung konnte angesichts des engen Zeitrahmens und der überschaubaren Zahl an Referent:innen nur einen Einblick in die Lebenssituation und die Unterstützungsangebote im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit am Niederrhein bieten. Es ist jedoch zu wünschen, dass Anknüpfungspunkte für weitere Untersuchungen und Anregungen zur näheren Beschäftigung mit der Thematik, speziell auch mit Bezug zum Niederrhein, gegeben werden konnten.

Konferenzübersicht:

Sektion I
Moderation: Monika Gussone (Mannheim)
Monika Gussone (Mannheim): Begrüßung und Einführung
Britta Schulz (Bürgermeisterin von Kalkar): Begrüßung
Heike Hawicks (Heidelberg): Magdalenenflut und Schwarzer Tod am Niederrhein. Krisen, Katastrophen, Krankheiten und ihre wirtschaftlichen Folgen im 14. Jahrhundert

Sektion II
Moderation: Ingo Runde (Heidelberg)
Martin W. Roelen (Wesel): Sozialfürsorge im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wesel (1300–1530) – die Quellenlage
Monika Gussone (Mannheim): Finanzierung und Organisation der Armenversorgung im spätmittelalterlichen Kalkar

Sektion III
Moderation: Hiram Kümper (Mannheim)
Julia Exarchos (Aachen): Arbeit, Armut und Integration. Die wirtschaftliche Einbindung der arbeitenden Armen im spätmittelalterlichen Rheinland
Friederike Scholten-Buschhoff (Münster/Möhnesee): Zwischen Paternalismus und Gewinnmaximierung. Adelige Gutsbesitzer als Getreideverkäufer

Abendvortrag
Hiram Kümper (Mannheim): Einblick in die Ausstandsgesellschaft. Schulden im Kalkarer Sachsenspiegel und anderen mittelalterlichen Rechtsaufzeichnungen

Zitation
Tagungsbericht: Leben und Überleben am Niederrhein im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, 10.12.2021 Kalkar, in: H-Soz-Kult, 25.04.2022, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-9394>.




[Regionalforum-Saar] Strategien der Verhinderung. Der Zugang zu Archivalien in Frankreich und Deutschland im internationalen Vergleich

Date: 2022/05/02 17:23:50
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Guten Abend,

immer wieder höre und lese ich von erbosten Forschern, wie schlimm unsere Restriktionen in Deutschland hinsichtlich der Zugangsmöglichkeiten zu Archiven und deren Material sind und wie gut es die Leute in anderen Ländern haben.

Insofern finde ich die Besprechung dieser Tagung sehr interessant.

Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

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Strategien der Verhinderung. Der Zugang zu Archivalien in Frankreich und Deutschland im internationalen Vergleich

Tagungsort: Paris
Veranstalter:
Agnieszka Wierzcholska / Jürgen Finger, Deutsches Historisches Institut (DHI) Paris;
Corine Defrance (Centre national de la recherche scientifique (CNRS) / Unité mixte de recherches Sorbonne – Identités, relations internationales et civilisations de l’Europe (UMR Sirice), Paris;
Ulrich Pfeil, Université de Lorraine, Metz;
Annette Weinke, Universität Jena

Datum 19.01.2022 - 20.01.2022
Besprechung von  Lenn Quilisch, Berlin

Geheimnishorte oder Erkenntnisorte? Welche Rolle spielen Archive in Wissenschaft und Gesellschaft? In ganz Europa werden Fragen nach Transparenz und Informationsfreiheit einerseits und nach Privatsphäre und staatlichen Sicherheitsinteressen andererseits diskutiert. Die Debatte ist noch lange nicht abgeschlossen. Vielmehr sind die beteiligten Historiker, Archivare, Politiker und andere Akteure noch mitten im Aushandlungsprozess begriffen. Insofern war es das ausdrückliche Ziel der Tagung, den Blick über Frankreich und Deutschland hinaus in das restliche Europa zu werfen, ähnliche und unterschiedliche Erfahrungen zur Archivpolitik und -praxis zusammenzutragen und zu vergleichen. Auf der interdisziplinären Tagung kamen neben Historikern auch Juristen und Archivare zu Wort, die ihre eigenen Sichtweisen zur Debatte beisteuerten.

Den Anstoß zur Tagung gab eine Debatte, der in Frankreich eine große öffentliche Aufmerksamkeit zuteilwurde. Ein breites Bündnis – im Kern bestehend aus der Association Josette et Maurice Audin, der Association des archivistes de France und den Historiens et historiennes du contemporain (H2C) – forderte die Abschaffung der interministeriellen Anweisung IGI 1300. Diese verpflichtete die Archivare, alle jemals als geheim klassifizierten Dokumente in einem aufwendigen bürokratischen Verfahren einzeln freizugeben, was den Dokumentenzugang seit mehreren Jahren zunehmend erschwert. CORINE DEFRANCE (Paris) kritisierte bei der Eröffnung der Tagung die besonders restriktive Auslegung der Anweisung und verwies darauf, dass sie im Widerspruch zur Archivpolitik der letzten Jahre stehe. Denn das französische Archivgesetz von 1979, das 2008 abgeändert wurde, war eindeutig im Geiste einer Liberalisierung des Archivzuganges verfasst. Außerdem hatte Emmanuel Macron wiederholt erkennen lassen, dass er sich für den weiteren Abbau von Beschränkungen einsetzen wollte. Als Beispiel dafür kann die Einsetzung einer Kommission (Commission de recherche sur les archives françaises relatives au Rwanda et au génocide des Tutsi) mit exklusivem Zugang zu bisher unter Verschluss gehaltenen Dokumenten gelten, die Frankreichs Rolle beim Völkermord in Ruanda aufarbeiten sollte.

Obwohl das Bündnis letztlich Erfolg hatte und die Anweisung abgeschafft wurde, bleibt in Frankreich das Misstrauen der Forschenden gegenüber Politik und Verwaltung bestehen. In einer ähnlich ambivalenten Situation befinden sich auch Frankreichs westeuropäische Nachbarländer, gerade wenn es um besonders brisante zeitgeschichtliche Themen wie beispielsweise die Beziehungen der Schweiz zum nationalsozialistischen Deutschland geht. MARC PERRENOUD (Bern) arbeitete die unterschiedlichen Strategien heraus, mit denen die Bundes- und Kantonsarchive Forschenden die Arbeit bei diesem Thema erschwerten. Diese reichen von langen Sperrfristen über die praktische Beschränkung des Zugangs durch reduzierte Öffnungszeiten bis hin zur Überschwemmung der Forschenden mit irrelevanten Dokumenten. Besonders schwer zu erforschen ist in der Schweiz die Unternehmensgeschichte, in der sich nicht selten private und öffentliche Themen vermischen. Oftmals befinden sich die Unternehmensarchive in Privatbesitz, häufig gestatten Unternehmen den Archivzugang nicht, aus Angst, dass sich eine Untersuchung ruf- und damit geschäftsschädigend auswirken könnte.

Auch von staatlicher Seite werden Archive laut GÉRALD ARBOIT (Paris) und NICOLAS THIÉBAUT (Paris) häufig als Gefährdung für die nationalen Sicherheit betrachtet. Oftmals führt eine Mischung aus Unwissen, Übervorsicht und mangelnden Kriterien dazu, dass Behörden und Archive den Archivzugang aktiv erschweren.

In Luxemburg lässt sich gleichermaßen ein Widerspruch zwischen Verlautbarungen der Politik und archivpolitischer Praxis beobachten. Zwar wurde im Großherzogtum 2018 erstmalig ein Archivgesetz verabschiedet, das den Archivzugang auf eine gesetzliche Grundlage stellte und vereinfachte. CHRISTOPH BRÜLL und NINA JANZ (Luxemburg) kritisierten aber, dass bei der Erarbeitung dieses Gesetzes keine Forschenden eingebunden wurden. Ihre Bedürfnisse seien deshalb nur unzureichend berücksichtigt worden. Ein weiterer Kritikpunkt war abermals die harte Auslegung des Gesetzes durch die Archive. Hier scheint es erneut ein Gefälle zwischen politischen Willenserklärungen und archivarischer Praxis zu geben, das besonders deutlich bei historischen Themen zu Tage tritt, die in der Öffentlichkeit Emotionen auslösen und die identifikatorische Selbstverortung der Gesellschaft betreffen.

Das trifft auch auf Spanien zu, obwohl das Land gewissermaßen ein Sonderfall ist. Nach dem Ende der Franco-Diktatur hatte sich die Gesellschaft auf einen sogenannten Pakt des Vergessens geeinigt, aus Angst, das Land weiter zu spalten. Nach der Erfahrung von FLORIAN GRAFL (Heidelberg) wird der Zugang zu bestimmten Dokumenten bis heute oft aktiv durch die Archive behindert und verhindert. Im Spannungsfeld zwischen Versöhnung und Aufarbeitung hat man sich im direkten Anschluss an die Diktatur zunächst für erstere entschieden. In den letzten Jahren wird aber von verschiedenen Seiten verstärkt der Ruf nach Aufarbeitung laut. So bleibt abzuwarten, welche Richtung die spanische Archivpolitik in den nächsten Jahren einschlagen wird.

In den Ländern des ehemaligen Ostblocks, in denen die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche verhältnismäßig kurz zurückliegen und häufig mit Forderungen nach breiter Aufarbeitung verbunden sind, ist der Umgang mit Archiven besonders spannungsgeladen. Je nach Land lassen sich große Unterschiede in der Archivpolitik erkennen. Wie ANNETTE WEINKE (Jena) zu Beginn der Tagung herausstellte, wurde in der DDR mit dem Stasiunterlagengesetz eine Grundlage für einen freien Archivzugang hergestellt, auch in der Absicht, das Unrecht des SED-Staates vollumfänglich aufzuarbeiten und ihn zu disqualifizieren. Umso mehr fällt auf, wenn Archive und Behörden in Westdeutschland bei ähnlich brisanten Fragen, wie beispielsweise der Verstrickung des Bundesnachrichtendienstes in den Schutz deutscher Kriegsverbrecher vor Strafverfolgung, immer noch deutlich restriktiver agieren.
Auch in der Tschechischen Republik stehen sich die Grundrechte auf freie Forschung und Privatsphäre gegenüber und machen die Beschränkung des Archivzugangs zur Abwägungsfrage. Diese wurde aber, vielleicht noch radikaler als in der DDR, zugunsten der freien Forschung entschieden, sodass sich MIKULÁŠ ČTVRTNÍK (Prag) umgekehrt die Frage stellte, wie der Schutz der Privatsphäre sichergestellt werden könne. In Ostdeutschland wie in Tschechien spielt bei der liberalen Archivpolitik wohl auch eine entscheidende Rolle, dass die potenziell betroffenen ehemaligen politischen Eliten ihre Macht verloren hatten und eine Öffnung der Archive nicht verhindern konnten.

Ein Gegenbeispiel ist nach ION POPA (Manchester) Rumänien, wo die gesellschaftliche Elite der Ceaușescu-Diktatur auch nach deren Fall an der Macht blieb und an der rigorosen Aufarbeitung der Ceausescu-Zeit zunächst nur mäßig interessiert war. Erst 1999 wurde der CNSAS (Consiliul Național pentru Studierea Arhivelor Securității) gegründet, um Zugang zu den Archiven der Securitate zu gewährleisten. Jedoch blieben viele Dokumente noch in den Händen staatlicher Institutionen, die aus der Securitate hervorgegangen waren. Erst 2006 wurde eine Kommission eingesetzt, die die Ceaușescu-Diktatur aufarbeiten sollte, und der CNSAS erhielt eine Vielzahl an Beständen. Allerdings wurden in jüngerer Vergangenheit immer wieder Dokumente unter Verschluss gehalten, um Schaden von noch politisch aktiven Personen abzuhalten. Es kann also von einer langsamen, schrittweisen Öffnung der Archive gesprochen werden, die von Teilen der politischen und gesellschaftlichen Elite aus Eigeninteresse gebremst wurde und wird.

Ein Problem, das sich in fast allen europäischen Ländern in unterschiedlichen Formen und Ausmaßen finden lässt, ist die Frage nach der sogenannten Privatisierung von Dokumenten. Dabei werden amtliche Dokumente von politischen Entscheidungsträgern nach Hause genommen und teilweise Privatarchiven überlassen, die nicht der Archivgesetzgebung unterliegen. Bisher ist es schwierig, eine Herausgabe der Dokumente gegen den Willen der entsprechenden Personen zu erlangen, wie der bekannteste Fall in Deutschland zeigt: die Unterlagen des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl.

Aber nicht nur über Landes-, sondern auch über Berufsgrenzen hinweg sollten auf der Tagung neue Perspektiven geöffnet werden. Juristen und Archivare kamen ebenfalls zu Wort. Die juristischen Beiträge gaben einen Einblick in die archivrechtliche Lage in Deutschland und in die Möglichkeiten, den Archivzugang über den Rechtsweg zu erstreiten. Die archivrechtliche Frage wurde in Deutschland gegen Ende der 1980er-Jahre umfassend geklärt, wie THOMAS HENNE (Marburg) erläuterte. Entscheidend war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur informationellen Selbstbestimmung 1983, das den Schutz der Privatsphäre verfassungsrechtlich verankerte. Die föderale Struktur der Bunderepublik führt zudem zu einem unterschiedlichen Umgang mit Fragen des Archivzugangs in den verschiedenen Landes- und Kreisarchiven. Außerdem können sich die Nachrichtendienste vieler weiterer Verzögerungs- und Verschleierungstaktiken bedienen, um eine Herausgabe von Dokumenten zu erschweren oder ganz zu verhindern. Das Einklagen eines Archivzuganges ist aber laut CHRISTOPH PARTSCH (Berlin) in Deutschland ein gangbarer, zwar langwieriger, aber nicht selten von Erfolg gekrönter Weg.

Die Archivare bereicherten die Tagung um eine Reflexion über das Selbstverständnis ihrer Berufsgruppe. Lange Zeit herrschte das Bild von als Geheimnishütern zum Schweigen verpflichteter Archivare vor. Es gab aber in Frankreich durchaus Beispiele, in denen Archivare über diese Rolle hinauswuchsen und sich als Bürger für den öffentlichen Zugang zu staatlichen Informationen engagierten. Die Anweisung IGI 1300 steht beispielsweise auch aus Sicht vieler Archivare im Widerspruch zum Gesetz von 1979/2008. Auch Archivare beteiligten sich an dem oben genannten Bündnis, das die Losung „Ouvrez les archives!“ ausgab und die Aufhebung der IGI 1300 erstritt. Der Kern des Problems sind aber nach NATHALIE LOPES und JEAN-PHILIPPE LEGOIS (Beauchamp) die Sperrfristen und die Verfahren, über die Dokumente als vertraulich eingestuft werden. Dabei wird das Argument der nationalen Sicherheit von Verwaltungen vorgeschoben, in denen sich eine Kultur des Schweigens etabliert habe. Viele Dokumente seien ungerechtfertigterweise als geheim eingestuft, nicht, weil die Behörden wüssten, was sie enthalten, sondern gerade, weil sie es nicht wüssten und Angst vor einem Skandal oder dem Vorwurf des Geheimnisverrats hätten.

Die Frage, was Archive – selbst frei zugängliche – überhaupt abbilden können, stellt sich in besonderem Maß im kolonialen Kontext, in dem es häufig auch um konkrete, juristische Fragen nach Anerkennung und Entschädigung geht. Diesem Problemkomplex widmete sich eine Podiumsdiskussion. So ist laut KIM WAGNER (London) ein Kolonialarchiv schon Teil des kolonialen Projekts und vermittelt bereits als Institution ein koloniales Narrativ. Im Allgemeinen bilden Archive Machtstrukturen ab, und so kann bei Archivarbeit die Gefahr bestehen, dass die Perspektive von Opfern zu kurz kommt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwiefern sich Archive eignen, koloniale Gewalt aufzuarbeiten. Wagner betonte mehrmals, dass eine solche Aufarbeitung mit einer gänzlichen Öffnung der Archive nicht abgeschlossen sei, sondern, im Gegenteil, erst beginnen könne.

Des Weiteren, so STEFANIE MICHELS (Düsseldorf), müssten auch Museen als Archive gelten und sich selbst als solche begreifen. Damit müsse eine systematische Erfassung und Zugänglichmachung museumseigner Bestände einhergehen. Das bisherige nicht-archivarische Selbstverständnis von Museen resultiere unter anderem aus der noch immer vorherrschenden Bevorzugung schriftlicher Quellen. Die Teilnehmer diskutierten auch über die Frage, wer überhaupt Zugang zu Archiven und damit auch Macht über Narrative habe. Neben der Benachteiligung von Forschenden aus dem Globalen Süden stellt sich umgekehrt auch die Frage nach dem privilegierten Quellenzugang staatlich bestellter Untersuchungskommissionen, die oftmals kontroverse Themen aufarbeiten sollen – eine Praxis, die bei deutschen Ministerien und Behörden durchaus üblich geworden ist. Während solche Forschungsgruppen von einigen Teilnehmern als Problem verstanden und angesprochen wurden, unterstrich VINCENT DUCLERT (Paris), Vorsitzender der oben genannten Ruandakommission, die Unabhängigkeit der Kommission und deren Potenzial, wenn – wie im konkreten Beispiel – die Bestände auch für andere Forschende zugänglich gemacht würden.

Auf praktischer Ebene warf BERTRAND WARUSFEL (Paris) die Idee einer gemeinsamen, europäischen Rechtsnorm zum Archivzugang in den Raum, die vielleicht mittel- bis langfristig umsetzbar ist und in Europa Transparenz und vor allem Einheitlichkeit schaffen könnte. Offen blieb die über den Archivzugang und seine Verhinderung hinausweisende Frage, was in Archiven nicht zu finden, aber dennoch essenziell für eine ausgewogene Geschichtsforschung sei. Damit wird das Feld erheblich erweitert, da Machtverhältnisse, die absichtliche oder unabsichtliche Zerstörung von Dokumenten, die Bevorzugung schriftlicher Quellen, aber auch die Privatisierung von Dokumenten durch politische Entscheidungsträger in den Blick kommen. Historiker und Archivare müssen diese Fragen auch im 21. Jahrhundert weiterhin beobachten und notfalls auch selbst aktiv werden, um die Öffentlichkeit der Archive sowohl als Grundlage der Forschung als auch des demokratischen Diskurses sicherzustellen.

Konferenzübersicht:

Agnieszka Wierzcholska / Thomas Maissen (DHI Paris), Annette Weinke (Universität Jena),
Corinne Defrance (CNRS/UMR Sirice, Paris): Begrüßung und Einführung

Panel I: Transparenz und Kontrolle. Zugang zu Archiven in Europa

Présidence: Bertrand Warusfel (Paris)

Thomas Henne (Marburg): Archivrecht in Deutschland – ein Überblick zu den Rechtsnormen und Regelungen: Der Kampf um Transparenz, Anbietung und Zugang

Marc Perrenoud (Forschungsstelle Dodis – Diplomatische Dokumente der Schweiz): Accès aux archives en Suisse dans une perspective internationale

Christoph Brüll / Nina Janz (University of Luxembourg): Im Spannungsfeld zwischen Informationsfreiheit und Datenschutz: Das Luxemburger Archivgesetz von 2018 und die zeithistorische Forschung

Mikuláš Čtvrtník (State Regional Archives, Prague): Access to archives, tools restricting access, personality rights and privacy protection in the Czech Republic

Podiumsdiskussion: Umkämpfte Archive. Koloniale Vergangenheit erforschen

Présidence : Robert Heinze (DHI Paris)

Vincent Duclert (EHESS), Raphaëlle Branche (Université Paris Nanterre), Stefanie Michels (Universität Düsseldorf), Kim Wagner (Queen Mary University)

Panel II: Das Archiv. Eine Frage der nationalen Sicherheit?

Présidence : Olivier Forcade (Sorbonne Université/CNRS, UMR SIRICE, Paris)

Gérald Arboit (Sorbonne Université/CNRS, UMR SIRICE, Paris): Quand l‘archive devient un risque pour la sécurité nationale

Nicolas Thiébaut (CNRS (ISP, UMR 7220), Paris): Un pouvoir „exécutif“? Recherche sur l‘aménagement d‘une autonomie normative de l‘administration en matiere d‘accès aux archives publiques

Nathalie Lopes / Jean-Philippe Legois (Résau national d‘actions des archivistes): Les archivistes de France et le secret Défense: en quête d‘agentivité et de citoyenneté

Christoph Partsch (Berlin): Archivrecht in Deutschland – die Durchsetzung archivrechtlicher Nutzungsansprüche gegen Nachrichtendienste

Panel III: Gesellschaften im Umbruch und die Rolle von Archiven

Présidence : Ulrich Pfeil (Université de Lorraine, Metz)

Ion Popa (University of Manchester): A Twisted Road: Post-communist Legal and Political Steps to Accessing the Archives of the Former Romanian Securitate (Secret Police)

Florian Grafl (Universität Heidelberg): Dark Heritage vs. Kulturelles Erbe? Der Zugang zu Archivalien in Spanien zwischen Bewältigung der Franco-Diktatur und katalonischen Unabhängigkeitsbestrebungen

Ulrich Pfeil (Université de Lorraine, Metz): Der Umgang mit dem Archiv des Staatssicherheitsdiensts der ehemaligen DDR ab 1989

Zitation

Tagungsbericht: Strategien der Verhinderung. Der Zugang zu Archivalien in Frankreich und Deutschland im internationalen Vergleich, 19.01.2022 – 20.01.2022 Paris, in: H-Soz-Kult, 27.04.2022, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-9396>.


[Regionalforum-Saar] PEEK & CLOPPENBURG - ZWEI KAUFLE UTE AUS SÜDOLDENBURG GRÜNDEN IN DEN NIEDERLANDEN EINE TEXTILHAUS-KETTE

Date: 2022/05/04 13:34:13
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Liebe Freundinnen und Freunde der Familienforschung,

die Genealogisch-heraldische Arbeitsgemeinschaft Roland zu Dortmund e. V. möchte Sie sehr herzlich zu ihrer folgenden Online-Veranstaltung auf der Webmeeting-Plattform ZOOM einladen:

Roland-Online-Vortragsabend

PEEK & CLOPPENBURG - ZWEI KAUFLEUTE AUS SÜDOLDENBURG GRÜNDEN IN DEN NIEDERLANDEN EINE TEXTILHAUS-KETTE

mit Lothar Grafe

am Dienstag, dem 10. Mai 2022 um 19.00 Uhr auf ZOOM!

Einladung mit Teilnahmemöglichkeit:


Wir vom Roland zu Dortmund würden uns sehr freuen, Sie zu dieser Online-Veranstaltung auf ZOOM begrüßen zu dürfen.

Der Einlass in den ZOOM-Meeting-Raum beginnt um 18.30 Uhr.

Freundliche Grüße

Georg Palmüller


Genealogisch-heraldische Arbeitsgemeinschaft
ROLAND ZU DORTMUND e. V.
Beauftragter Roland-Öffentlichkeitsarbeit

Postfach 10 33 41
44033 Dortmund


[Regionalforum-Saar] Patriarch der Künste: Diete r Staerk gestorben

Date: 2022/05/10 12:57:58
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Salve,

ich bin in der Saarbrücker Zeitung über den Nachruf von Oliver Schwambach auf Dr. Dieter Staerk gestoßen, der am 15. März 2022 gestorben ist.

Manchem von Ihnen wird er durch sein Buch „Die Wüstungen des Saarlandes“ bekannt sein, das - wenn auch in die Jahre gekommen - immer noch als das Standardwerk zu diesem Thema gilt.

Ich habe ihn einmal getroffen, das war bei einer Mitgliederversammlung des historischen Vereins für die Saargegend. Dieter Bettinger hat mich ihm vorgestellt. Als ich mit ihm sprach, fiel mir ein, dass ich in dem Buch über die Wüstungen festgestellt hatte, dass seine Angaben über den untergegangenen Ort Spixel bei Pinsweiler nicht ganz stimmen würden. Da lachte er laut auf und sagte:“Das ist nicht schlimm, in dem Buch stimmt manches andere auch nicht!“ Und fügte einen gedankenvolles "mehr" hinzu.

Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger


Hier ist der Artikel aus der SZ vom 16. März 2022

Patriarch der Künste: Dieter Staerk gestorben

Sulzbach/Saarbrücken Die Kultur erfüllte sein Leben – und er erfüllte die Kultur. Wenige Monate vor seinem 80. Geburtstag ist jetzt der Saarbrücker Theatermacher und langjährige Sulzbacher Kulturamtsleiter Dieter Staerk gestorben.

Von Oliver Schwambach, Mitglied der Chefredaktion/Reporterchef

Eine Zahl nur, die schon doch vieles sagt: Rund 3000 Spieler hatte seine „gruppe 63“ in einem halben Jahrhundert. Menschen, die Dieter Staerk für die Kultur, das Theater vor allem, entdeckt, gewonnen und begeistert hat. Menschen, die Kultur nicht nur im Saarland leben und weitertragen. Jetzt ist dieser große Sulzbacher und Saarbrücker Kulturmacher gestorben, wenige Monate vor seinem 80. Ge-

burtstag. Ein Patriarch der Künste noch vom alten Schlag. Und obwohl das eher kleine Sulzbach über Jahrzehnte seine Hauptbühne war, war Staerk  wohl wirkungsmächtiger als so mancher Generalintendant oder großstädtische Museumsdirektor.

Sicher, man könnte den Nachruf über den langjährigen Sulzbacher Kulturamtsleiter auch mit Worten über einen unglaublichen Sturkopf einleiten, der sich – meist erfolgreich  – gegen fast jeden durchsetzte, wenn es denn um die Kultur ging. Manchen wohl auch zur Weißglut trieb. Doch für die Kultur waren es goldene Jahre von 1978 bis 2007 in Sulzbach.

Dass etwa die alte Bergbau-Stadt heute noch ihr Wahrzeichen hat, das historische Salzbrunnen-Ensemble nämlich, ist wesentlich ihm zu verdanken. Staerk machte sich stark dafür (wo passte das Wortspiel besser), dass keine Planierraupe anrückte, um Platz zu machen für ein Parkhaus. Heute ist das Ensemble der Stolz der Sulzbacher.

  Dem promovierten Historiker war dieser Einsatz selbstverständlich. Der gebürtige Saarbrücker  („Ich bin e Mòòlschder Doodschläer“, sagte er gern) wusste einfach, wie bedeutsam Heimatgeschichte für Menschen sein kann. Ob nun Stein auf Stein gebaut oder aufgeschrieben. Große Orts-Chroniken über Quierschied und Sulzbach hat Staerk mit verfasst, kiloschwere Brocken, die nach wie vor ein Fundus der Regionalgeschichte sind. Bleibende Werte. Sein Saarland-Buch hat sogar ein halbes Dutzend Auflagen geschafft.

Staerk, der auch Germanistik und Geographie studiert hat, organisierte Veranstaltungen, Ausstellungen und Lesungen, stürzte sich überdies in diverse Ehrenämter, engagierte sich etwa im Präsidium des Bundes Deutscher Amateurtheater und wälzte  bis in die Nacht hinein in seiner mit über 7000 Büchern bestückten Saarbrücker Wohnung Bände, schrieb Aufsätze und an Stücken. Beruf, Berufung und Privates wurden da eins. Nicht jeder seiner Mitstreiter konnte und wollte dieses Tempo mitgehen. Und auch er selbst musste in den letzten Jahren diesem ständigen Parforceritt Tribut zollen.

Lohn freilich war, das Sulzbach kulturell glänzte: Mit den Amateurtheatertagen, zu denen Staerk in den 1990ern Ensembles aus halb Europa holte; das spornte dann auch hiesige Bühnenfans zu Höchstleistungen an. Über 160 Ausstellungen für Fotografie und Bildende Kunst hat er zudem organisiert, zig Lesungen veranstaltet. Da brachte Dieter Staerk auch manchmal Autoren zusammen, die partout nicht zusammen passten. Aber er hatte auch dieses Gespür für Talente. Eine gewisse Deana Zinß­meister las schon bei ihm, als noch niemand in ihr die Bestsellerautorin erahnte. Viele hat er so gefördert.

Nichts war ihm aber so Herzenssache wie das (Amateur-)Theater, vor allem seine „gruppe 63“ mit ihrem „Tempel“ (eine ehemalige Leichenhalle) am Echelmeyerpark. Zu Beginn selbst Akteur, dann als Regisseur, als Dramaturg, als Organisator adelte er das vermeintliche Laienspiel. Auch das große Welttheater traute er sich, traute er seinen Mitspielern zu. Wen überrascht es da noch, dass zum Beispiel auch der heutige Berliner „Tatort“-Kommissar Mark Waschke als Steppke in der „gruppe 63“ spielte. Auch der heutige Sulzbacher Bürgermeister Michael Adam (CDU) hat als 63er viel für das Schauspiel Politik gelernt. „Dr. Dieter Staerk prägte das kulturelle Leben mit seinem Engagement wesentlich, nicht nur in Sulzbach, sondern weit über die Grenzen des Saarlandes hinaus. Seine besondere Leidenschaft galt beruflich wie auch privat der Historie und dem Theater“, würdigt Adam nun seinen Regisseur von einst. 

[Regionalforum-Saar] Kockler und die Keller’sc he Gesellschaft

Date: 2022/05/14 22:01:08
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Guten Abend,
etwas ist seltsam an dem Artikel. Da steht, das Spinnrad habe früher „Kellersche Wirtschaft“ geheißen. Ich kenne es eher als „das rote Haus“.

 

Und so kenne ich es auch aus Akten, z.B. dem Akt von Notar Schneider aus St. Wendel, Nr. 10017 vom 08.07.1889: Da geht es um das „Concursverfahren über das Vermögen von Jacob Thome, Zimmermeister in St. Wendel.“ Die dazugehörige Immobilienversteigerung fand „am Montag, 8. Juli 1889, in dem Wirthslocale "Zum roten Hause" zu St. Wendel statt.“

 

Am 12.06.1897 verkaufen die Erben Riegel an Hermann Riegel sowohl das Gasthaus Tivoli in der heutigen Kelsweilerstraße als auch „Flur 6 Nr. 540/436, 442, 835/435, Wohnhaus, rothes Haus, mit Hintergebäude, Stallung, nebst Hofraum“.

 

In C2.108 bittet der Wirt Hermann Riegel zu St. Wendel um Ertheilung der Erlaubnis, den Pensionär Wendel Lion in seiner Wirtschaft zum "Roten Haus" als Zäpfer beschäftigen zu durfen pp.

 

Aber das sind natürlich alles alte Kamellen.

 

Bin auf das Buch gespannt.

 

Roland Geiger

 

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Heute in der Saarbrücker Zeitung, C3:

Kockler und die Keller’sche Gesellschaft

Begeisterung für Geschichte und mehr Zeit im Ruhestand führten dazu, dass der St. Wendeler Franz-Josef Kockler unter die Autoren gegangen ist. Er arbeitet in seinem Buch die Prozesse rund um die Unruhen 1832 in der Kreisstadt auf.

von Evelyin Schneider

„Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten? Sei fliehen vorbei wie nächtliche Schatten“ klang es durch die Halle der Kreissparkasse (KSK) St. Wendel. Es ist die Hymne des Widerstands, deren Melodie um 1810 entstand. Ein Lied, das auch in der Zeit des Vormärz‘ gesungen wurde. In jenen Teil der Geschichte St. Wendels sollten die 60 Besucher an diesem Abend entführt werden.
„Wir wollen Ihnen heute Abend Erlesenes präsentieren“, hatte zuvor Hausherr und Vorstandsvorsitzender der KSK St. Wendel, Dirk Hoffmann, angekündigt. Denn die Lesung aus dem druckfrischen Buch „Die Keller’sche Gesellschaft – Die Unruhen des Jahres 1832 im Fürstentum Lichtenberg und ihre gerichtliche Aufarbeitung“ von Franz-Josef Kockler war Teil der Reihe „erLesen – Literaturtage im Saarland“. Druckfrisch übrigens im wahrsten Sinne des Wortes, denn lediglich zwei Tage zuvor waren die Bücher eingetroffen.

Auf dem in eine Wand eingelassenen Monitor erschien das Foto eines Gebäudes, das den St. Wendelern vertraut ist. Es zeigte das Spinnrad, vor dem wohl auch an diesem Abend viele Leute saßen und die letzten Sonnenstrahlen des Tages genossen. „Es ist ein Treffpunkt der Schülerschaft“, sagte Franz Josef Kockler, der in der Nachbarschaft aufwuchs. Das habe eine lange Tradition. Denn schon die Schüler des Lyzeums kamen in den 1830er-Jahren hier zusammen. Damals war es noch die Kellersche Wirtschaft. Daher auch der Name des politischen Stammtischs, der hier tagte und als Keller‘sche Gesellschaft in die Stadtgeschichte einging. Zu dieser gehörten unter anderem Johannes Schue, Carl Wilhelm Juch, Philipp Sauer sowie Advokat Nikolaus Hallauer. Sie bildeten eine bürgerliche Opposition gegen die coburgische Regierung, forderten unter anderem Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit.

Ihr Stammlokal wurde von Peter Keller geführt. Und jener Wirt ist mit ein Grund dafür, dass Kockler unter die Buchautoren gegangen ist. Denn als sich der Jurist, der bis 2010 Vorsitzender Richter am Saarländischen Oberlandesgericht war, im Ruhestand mit der eigenen Ahnenforschung beschäftigte, stieß er auf jenen Peter Keller. Während der Coburger Zeit (1816 bis 1834) stand der Gastronom im Zusammenhang mit Unruhen vor Gericht und wurde freigesprochen. An diesem Punkt setzte Kocklers berufliche Neugier ein. Er machte sich auf die Suche nach Vernehmungsprotokollen und Urteilen von damals, die er schließlich in Coburg fand. Sie bilden einen Schwerpunkt in seinem Buch.

Den Prozessen vorausgegangen war am 27. Mai 1832 das Bosenbergfest. Parallel zum Hambacher Fest kamen auch in St. Wendel die Bürger zusammen, um ein Zeichen für Freiheit zu setzen. In Folge der Unruhen griff die coburgische Regierung mit aller Härte durch. „Umfangreiche Ermittlungen begannen“, so Kockler. Diese führten im Januar 1833 zu acht Verfahren. Deren Urteile bewertete der Richter im Ruhestand als überwiegend moderat. Interessant seien die Wege, die dazu führten. So wurden beispielsweise die Aussagen von Belastungszeugen nicht verwendet, weil diese als betrunken galten. Einzig Nikolaus Hallauer sollte härter bestraft werden. Auf ihn und andere Akteure der Opposition, aber auch auf die wichtigsten Persönlichkeiten der Regierungsseite geht Kockler in seinem Buch ebenso ein wie auf die historischen Hintergründe, die wichtig sind, um die Motivation der Keller‘schen Gesellschaft zu verstehen.

Zum Abschluss las der Autor noch einige Passagen aus seinem Werk: „Die Protagonisten der Opposition brachten in der gegebenen politischen Konstellation erheblichen Mut auf und artikulierten tapfer ihre Ideen unter Inkaufnahme absehbarer Reaktionen der Obrigkeit. Text und Melodie der aus jener Zeit stammenden Hymne des Widerstands bringen das eindrucksvoll zum Ausdruck.“ Und es erklang: „Es bleibet dabei: die Gedanken sind frei.“


Hintergrund
Franz-Josef Kockler, bis 2010 Vorsitzender Richter am Saarländischen Oberlandesgericht, hat in seinem Ruhestand die Prozesse rund um die Unruhen 1832 in St. Wendel aufgearbeitet. „Recherchieren und Schreiben macht mir Spaß“, sagt der St. Wendeler. Daher hat er seine Erkenntnisse nun in einem Buch zusammengetragen: „Die Keller’sche Gesellschaft – Die Unruhen des Jahres 1832 im Fürstentum Lichtenberg und ihre gerichtliche Aufarbeitung“. Herausgeber dieses Buches ist die Wendelinus Stiftung. Deren Vorstand Josef Alles berichtete während der Lesung, dass er von dem Thema sofort begeistert gewesen sei und dachte: „Wir müssen das Werk der Öffentlichkeit näher bringen.“ Der Autor habe auf ein Honorar verzichtet. Erschienen ist das Buch bei der Edition Schaumberg. Es kostet 25 Euro, ISBN: 9783941095922.

[Regionalforum-Saar] Sensationelle Wende im Tholeyer De nkmalstreit – doch der Ärger um die Abtei geht wei ter

Date: 2022/05/16 00:15:57
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

am Samstag in der Saarbrücker Zeitung:

Sensationelle Wende im Tholeyer Denkmalstreit – doch der Ärger um die Abtei geht weiter

Die Gerhard-Richter-Fenster brachten der Abtei Tholey 2020 viel Glanz, der davon ablenkte, dass sich der Orden in einen Grundsatz-Konflikt mit dem Denkmalschutz verbissen hatte. Der Streit, der bundesweit für Aufsehen sorgte, ist jetzt vorbei. Doch es wartet schon das nächste Problem.

Von Cathrin Elss-Seringhaus, Reporterin

Eigentlich ist es eine frohe Botschaft, die in die Welt gehört: Der seit 2019 immer wieder neu befeuerte Denkmalstreit um das Nordportal zwischen der Ordensgemeinschaft Tholey und dem Landesdenkmalamt ist beigelegt. Dies bestätigt sowohl der Leiter der Behörde Georg Breitner wie auch Abt Mauritius Choriol der SZ – zunächst mündlich. In einem schriftlichen Statement der Abtei klingt das so: „Die Abtei hat sich im vergangenen Jahr entschlossen, gemeinsam, konstruktiv und ergebnisoffen mit der Behörde konsensual eine Lösung für das Nordportal zu suchen, die sowohl religiöse als auch konservatorische beziehungsweise denkmalpflegerische und kulturelle Belange, aber auch die Verkehrssicherheit hinreichend berücksichtigt.“ Aber warum? Schließlich wurde über mehr als zwei Jahre hinweg mit ungewöhnlich harten Bandagen gekämpft, es ging um Grundsatzpositionen. Der Denkmalschutz verteidigte seine Autorität und sein Durchgriffsrecht gegen eigenmächtiges Handeln, der Orden berief sich auf grundrechtlich geschützte „religiöse Belange“, um eigene Gestaltungs-Vorstellungen durchzusetzen.Klarer gesagt: Der Orden wollte bestimmen, was an Substanzerhalt erfolgt.

„Denkmalfrevel“ an einem frühgotischen Denkmal
Und er handelte danach. 2019 ließen die Benediktiner ohne Genehmigung der Denkmalschutzbehörde, die über Jahre die gesamte Sanierung der Abtei betreut hatte, verwitterte Rundbögen über dem Nordportal entfernen, die aus dem 13. Jahrhundert stammen. Der Ersatz durch ein bereits gefertigtes neues Portal wurde damit begründet, dass Glaubens-Botschaften „lesbar“ sein müssten, die verwitterte Figurengruppe des alten Portals dies aber nicht mehr leiste, zudem sei es baufällig. Die Denkmalbehörde schritt harsch ein, und der imageschädigende Begriff des „Denkmalfrevels“ rauschte in Zusammenhang mit Tholey und der Katholischen Kirche bundesweit durch Feuilletons und Fachzeitschriften.

Konflikt wurde ein Politikum
Schnell erreichte der Konflikt auch den Tholeyer Bürgermeister, den Landrat, den Kulturausschuss im Landtag und schließlich sogar den damaligen Ministerpräsidenten Tobias Hans (CDU), hineingezogen wurde aber auch die Unternehmerfamilie Meiser aus Illingen, die als Mäzen die Sanierung des ältesten Klosters Deutschlands überhaupt erst ermöglicht hatte. Die Millionen schweren Maßnahmen liefen zwischen 2008 und 2020 und sind weitgehend abgeschlossen. Mittlerweile hat sich die Familie Meiser aber als Finanzier zurückgezogen, das bestätigt der Orden auf SZ-Nachfrage. Ursächlich habe der Rückzug nicht mit dem Portal zu tun, heißt es. Abt Choriol und auch der Abtei-Sprecher Pater Wendelinus betonen mehrfach, wie „unendlich dankbar“ man der Unternehmerfamilie sei. Letzere gab bis Donnerstagnachmittag keine Auskunft über die Trennung vom Projekt Tholey trotz einer Anfrage.

Dem Orden fehlt jetzt der Geldgeber
Zweifelsohne handelt es sich um eine Zäsur, und mutmaßlich spielt dabei auch der Denkmalstreit eine Rolle. Denn der heute 90-jährige Senior der Firma, Edmund Meiser, gilt als hartnäckiger Kämpfer für die Erneuerung des Portals und mischte sich 2020 auch öffentlich ein: Er nannte das Landesdenkmalamt eine „Verhinderungsbehörde“. Der Konflikt eskalierte – und irgendwann zog dann Abt Mauritius Choriol die Reißleine. „Wir wollten das so nicht mehr“, sagt er der SZ. „Wir haben entschieden, wir gewinnen wieder unsere Autonomie.“ Der Abteisprecher Pater Wendelinus sieht das Ganze als einen „Abwägungsprozess“: „Die negativen Geschichten verdunkelten den ungetrübten Blick auf das Erreichte.“ Das habe man erkannt und sich für den Konsens entschieden. Hat dabei die oberste rechtliche Instanz des Ordens mitgewirkt? Es ist laut Pater Wendelinus der Abtpräses der Beuroner Kongregation. Mit ihm habe man sich „beraten“, es sei keine Anweisung erfolgt. Der Abtpräses habe davon gesprochen, der „Freude“ Vorrang vor dem Streit zu geben. Im Klartext: Die Tholeyer fanden mit ihrer Berufung auf religiöse Belange keinen Widerhall, die Kirche sah diese Argumentation kritisch.

All dies muss Engelsgesang in den Ohren des obersten saarländischen Denkmalschützers Breitner sein. Er zieht als Sieger vom Feld, pflegt jedoch eine behutsame Sprache: „Diese sehr vernünftige Lösung begrüße ich außerordentlich. Der Eigentümer hatte einen Irrweg beschritten, und zusammen wollen wir jetzt den Rettungsweg für das Denkmal finden.“ Breitner sieht sich in seiner moderaten Strategie bestätigt, Kompromisslösungen anzusteuern, statt sofort eine juristische Totalkonfrontation zu wagen, etwa eine Instandsetzungsverfügung zu erwirken. Zugleich möchte er dem „Friedefreudeeierkuchen“-Eindruck entgegenwirken: Tholey habe bundesweit als Referenzfall Aufmerksamkeit erregt. Bei einem „Sieg“ der Abtei hätte die Kirche mit der Berufung auf Glaubens-Aspekte jedwede Art von Willkür-Handeln in Bezug auf kirchliche Denkmäler legitimieren können. Nun aber sind nach Breitners Ansicht religiöse Belange generell kein Thema mehr. Das nütze auch hierzulande dem Denkmalschutz.

Die saarländische Behörde steht glänzend da – und hat sofort das nächste Problem vor der Brust. Denn jetzt geht es darum, eine technische Lösung für den Rück-Einbau des Portals zu finden, das voraussichtlich nicht mehr verkehrssicher ist und eines Schutz-Vorbaus bedarf, um nicht weiter zu zerfallen. Das wird kosten, wie viel, ist noch offen. Klar ist jedoch jetzt schon, dass neue finanzielle Ressourcen für diese Sanierungsmaßnahme aufgetan werden müssen. Denn der Eigentümer, der Tholeyer Orden, hat seine Geldquelle verloren. Mit Hinweis auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit ging schon so manches Denkmal vor Gericht verloren. Doch die Mauritiuskirche wurde willentlich beschädigt. Verfahrensrechtlich wartet ein komplexer Fall, die nächste Baustelle Tholey.


Rabiater Eingriff in das Tholeyer Abtei-Denkmal – kein Kavaliersdelikt der Mönche

Meinung

Von Cathrin Elss-Seringhaus, Reporterin

Der Konflikt ist vorerst beigelegt. Sieger und Verlierer sind schwierige Kategorien, wenn es um Denkmalschutz geht. Im Tholeyer Streit um das Nordportal der Abtei muss man andere Maßstäbe anlegen.
Mutmaßlich war es eine übergeordnete kirchliche Instanz, die das Einlenken der Tholeyer Benediktiner ausgelöst hat. Eine längst fällige Entscheidung, denn der verbissene Denkmal-Streit passte so gar nicht ins strahlende Bild einer rundumsanierten Abtei Tholey, die sich dank der Gerhard- Richter-Fenster als ein touristischer „Ort der Weltkunst“ profilieren wollte. Deshalb wäre der Orden sowieso nie als „Sieger“ vom Konflikt-Feld gezogen. Selbst wenn vieles dafür sprach, den „Schandfleck“ am Eingang zu entfernen, war dieses Vorgehen nun mal kein mit Naivität zu entschuldigendes Kavaliersdelikt, sondern ein rabiater, ja dreister Eingriff. Denn der Orden kannte durch den jahrelangen Sanierungsprozess die strengen Regeln des Denkmalschutzes. Ein zu hartes Urteil? Ja, wenn man konzediert, welch‘ eine „weltliche“ Überforderung das Gesamtprojekt Abtei-Erneuerung für die zwölfköpfige Mönch-Gemeinschaft darstellen musste.

Nein, wenn man die Kirche als Institution nimmt. Wenn sie als großer Traditionswahrer eigene Denkmäler behandelt als wären sie Ikea-Regale, dann muss Tacheles geredet werden. So geschehen auch in Berlin, wo 2019 um die Sankt Hedwig Kathedrale mit ähnlichen Grundsatz-Argumenten gefochten wurde wie in Tholey um das Nordportal. Es geht beim Denkmalschutz eben nur selten um Einzel-, sondern um Präzedenzfälle, weshalb die Auseinandersetzungen auf Außenstehende oft so rechthaberisch wirken.

Wobei man dem Leiter der saarländischen Denkmalschutzbehörde Georg Breitner ein Kompliment machen muss. Er behielt über all‘ die Zeit die Dialogbereitschaft aufrecht und einen bewundernswert verbindlichen Ton bei. Das kam auch der Familie Meiser zu Gute, die sich trotz immenser Geldgaben in manchen Medien unverhofft in der Rolle des Bösewichts wiederfand, der den Orden angeblich fernsteuerte und den Konflikt anheizte. Offensiv dagegen an ging der Mäzen nie. Traurig, wie er sich dadurch um das höchstverdiente öffentliche Lob bringt.




[Regionalforum-Saar] Vortrag über die Rolle Carl J uchs bei den St. Wendeler Unruhen von 1832

Date: 2022/05/16 10:05:18
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

heute in der SZ:

Vortrag über die Rolle Carl Juchs bei den St. Wendeler Unruhen von 1832 : Wurde geistiger Reichtum zum Fallstrick?

Mit der Rolle des Pfarrers Carl Juch im St. Wendeler Vormärz hat sich Gerhard Koepke in seinem Vortrag beschäftigt. Er zählte zu den Protagonisten bei den Unruhen 1832. Was vor allem beruflich Konsequenzen hatte.

Von Evelyn Schneider

Alte Fotografien, Karten, Gemälde und Aufnahmen von historischen Schriftstücken illustrieren den Vortrag von Gerhard Koepke. Dieser ist Teil der Reihe „St. Wendel im Vormärz“. Passenderweise beleuchtet der ehemalige Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Saar-Ost darin die Rolle von Carl Wilhelm Reginus Juch, einem evangelischen Pfarrer und Lehrer, der zusammen mit Kollegen 1831 die Keller‘sche Gesellschaft, eine bürgerlich-liberale Opposition, begründete. Der Referent gibt einen kurzen Überblick über die Quellen, die ihm zur Verfügung standen. An einer Stelle hatte er, der von Hause aus kein Historiker sei, dafür aber ehemaliger Pfarrer, einen Vorteil: Er konnte die Kirchenchronik einsehen.

„Ich entführe Sie in das Jahr 1824“, kündigt Koepke, der aktuell Vorsitzender des Adolf-Bender-Zentrums ist, den Besuchern im Maximiliansaal des historischen St. Wendeler Rathauses an. Damals gehörte die heutige Kreisstadt zum Fürstentum Lichtenberg. Es herrschte ein ausgeprägtes Staats- und Rechtsbewusstsein. Werte wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, die während der Französischen Revolution beschworen wurden, waren noch in den Köpfen der Menschen. Diese Haltung traf mit Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha (Titel ab 1826) auf einen Landesherrn, der sich als einen souveränen Fürsten verstand. Im Zuge des Wiener Kongresses hatte er 1816 die Kantone Baumholder, Grumbach und St. Wendel erhalten, erhob sie 1819 zum Fürstentum Lichtenberg. „Zwischen der neuen Regierung und den Regierten war es von Anfang an schwierig“, merkt Koepke an.

In jenem Jahr 1824 kam Ernsts Gattin, Herzogin Luise, nach St. Wendel. Keine freiwillige Reise, sondern eine Verbannung. In ihrem Gefolge war der 23-jährige Hofprediger Carl Juch. Dieser wurde am 11. Dezember 1801 in Gotha geboren. Später studierte er Philosophie und Theologie in Jena. „Das war die politischste Universität zu jener Zeit und die Wiege der Burschenschaften“, erläutert der Referent. Liberalismus und Sozialismus bestimmten Juchs Studentenleben, wobei er in dieser Zeit nie aufgefallen sei.

In St. Wendel wurde Juch Konrektor am Herzoglichen Lyzeums und zugleich erster Pfarrer der Stadt, in der zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 41 evangelische Seelen lebten. Eine Kirche gab es noch nicht, die Gottesdienste wurden in jenem Saal, in dem der Vortragende und die Zuhörer gerade zusammengekommen sind, abgehalten.

Es sind auch einige private Fakten über den Pfarrer bekannt. „Er hatte eine katholische Frau“, merkt Koepke an. Wobei das damals wohl weniger Aufsehen erregte, als sich vermuten ließe. 26 Jahre alt war Carl Juch, als er die fünf Jahre jüngere Wilhelmine Regine Riotte, auch Minna genannt, heiratete. Von vier Kindern liegen die Geburtsurkunden in Archiven vor. 1828 wurde Sohn Carl Wilhelm geboren, 1830 die Zwillinge Ernst und Albert (diese Namen trugen auch die beiden Söhne von Herzogin Luise und Ernst I.) und 1832 die Tochter Emilie Catharina. Drei weitere Kinder seien früh verstorben. „Es fehlt der Hinweis auf die Konfession der Kinder“, so Koepke. Und auch die Informationen, ob Minna Riotte vielleicht die Konfession gewechselt hatte. Vermutlich wurden die Söhne nach dem Glauben des Vaters, die Tochter nach dem der Mutter erzogen. Im Jahr 1828 lebten bereits 214 evangelische Bürger in St. Wendel.

Ab 1830 brodelte es in der Region. Mehrere Aspekte kamen zusammen, welche die Bürger gegen die Obrigkeit aufbrachten. So wurden alte Forderungen unter anderem nach Trennung von Verwaltung und Justiz wach. Zusätzlichen Zündstoff lieferte der Lichtenberger-Preußische Zollvertrag, der ohne Anhörung des Landraths, einem Gremium bestehend aus sieben gewählten Mitgliedern, in diesem Jahr geschlossen worden war.

1831 gründeten die Lehrer Carl Juch, Johannes Schue und Philipp Sauer den politischen Stammtisch, die Keller‘sche Gesellschaft, die sich im Wirtshaus von Peter Keller, dem heutigen Sprinnrad, traf. Hier wurde aus Presseberichten vorgelesen, die Freiheit propagiert und die Regierung kritisiert. Die Obrigkeit beobachtete das Geschehen, aber auch die Predigten Juchs, die als politisch eingestuft wurden. Dies hatte Konsequenzen. Zunächst wurde ihm Anfang 1832 das Predigen untersagt, dann wurde er im März suspendiert – zunächst als Pfarrer, zwei Monate später auch als Konrektor des Lyzeums.

Es kam der 27. Mai, jener Tag, an dem in St. Wendel – parallel zum Hambacher Fest – das Bosenberg Fest gefeiert wurde. In coburgischen Akten ist zu lesen, dass Carl Juch von einer Feldkanzel aus eine Rede gehalten und dabei Wein getrunken habe. Nach diesen Unruhen griff die Regierung streng durch. Protagonisten der Bewegung wie Juch wurden inhaftiert. Aus dem Arrest schrieb er einen Brief, wehrte sich gegen die Vorwürfe, beteuerte, dass er keine Revolution, sondern nur eine Reformation gewollt habe und unter einer Gemütskrankheit leide. Letztlich wurde er Anfang 1833 zu einer dreimonatigen Haftstrafe verurteilt, die er aber aufgrund der Zeit in Untersuchungshaft nicht mehr absitzen musste.

1834 trat Ernst I. das Fürstentum Lichtenberg an Preußen ab. Für Juch sollte das keine Besserung bedeuten, er wurde nicht geduldet, verließ mit seiner Familie im Oktober 1834 St. Wendel in Richtung Gotha. Dort starb er 1858 im Alter von 57 Jahren an einem Magen- und Darmleiden. Zwischenzeitlich hatte er wieder mal Anstellungen als Lehrer erhalten. „Aber er hat nie wieder richtig Fuß gefasst“, sagt Koepke. Der Theologe und Philosoph sei für seine Werte eingetreten, verfolgt und mundtot gemacht worden.

Wie ist also Juch zu bewerten? Auf der Leinwand blendet Referent Koepke verschiedene Aussagen ein, die andere über den Pfarrer getroffen hatten. So wurde er als „Einpeitscher“, aber auch als  „gutmütig mit zu geringer Welterfahrung“ beschrieben. Sein Nachfolger als Pfarrer in St. Wendel, Friedrich Moerchen, schrieb einmal: „so gerieth ihm leider der Reichthum seines Geistes zum Fallstrick“. Mit diesem Zitat hat Gerhard Koepke seinen Vortrag überschrieben.



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Auf einen Blick

Die Vortragsreihe „St. Wendel im Vormärz“ endet am Donnerstag, 19. Mai. An diesem Termin hält Franz-Josef Kockler ab 19 Uhr einen Vortrag zu dem Thema: „Die „Keller‘sche Gesellschaft“ – Die Unruhen des Jahres 1832 im Fürstentum Lichtenberg und ihre gerichtliche Aufarbeitung“. Veranstaltungsort ist der Maximiliansaal im historischen Rathaus in St. Wendel.

Anmeldung: Stadtarchiv, per Telefon (0 68 51) 8 09 19 60 oder per Mail: archiv(a)sankt-wendel. de

Hinweis: Im Gebäude gilt Maskenpflicht.

[Regionalforum-Saar] Nachtrag zu Gerhard Koepkes Juch-Vortrag

Date: 2022/05/17 08:23:31
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Guten Morgen,

gestern habe ich den Artikel über Gerhard Koepkes Juch-Vortrag über die Liste geschickt. Dazu habe ich mir ein paar Gedanken gemacht.

in der Zeitung steht die Annahme, daß die Kinder aus der Ehe Juch (protestantisch) -Riotte (katholisch) je nach Religion der Eltern getauft wurden, also die Jungen protestantisch, die Mädchen katholisch.

Carl Wilhelm Regimius Juch, protestantisch
*1801 Gotha +1858 Gotha

oo 03.05.1827 St. Wendel (Standesamt)
Regina Wilhelmina Riotte, katholisch
T.v. Johann Riotte und Anna Cetto
*06.04.1806 St. Wendel +nach 1860 Gotha.

Carl Juchs Beruf:
1824, Hofprediger, evangelisch, der Herzogin Luise St. Wendel
1827, Conrektor und Evangelischer Pfarrer St. Wendel
12.04.1850, Gymnasial Lehrer in Gotha

Kinder von Carl Juch und Regina Riotte sind:
i. Carl Wilhelm Juch *19.02.1828 St. Wendel.
ii. Albert Juch *27.02.1830 St. Wendel +04.03.1871 San Diego, Californiia
oo Ida Emily Putti
iii. Ernst Juch *27.02.1830 St. Wendel.
iv. Emilie Katharina Marie Juch *15.08.1832 St. Wendel.
v. Malwine Juch *12.08.1840 Gotha
oo Carl Louis Wilhelm Breitung am 18.07.1876 Erfurt

Ich habe die Taufe der Tochter Emilie Katharina Marie, geb. 1832, geprüft; sie steht nicht im Taufbuch St. Wendelin, St. Wendel.

Ich habe eine Vermutung für den Grund, basierend auf einem Vortrag über die standesamtliche Ehe, den vor ich ein paar Jahren hielt.

Danach gab es zwei Arten von Heiraten: die standesamtliche und die katholische.
Denn die Protestanten heiraten nicht in der Kirche, dort wird "nur" die standesamtliche Ehe "nachgefeiert" und bekräftigt vor der versammelten Gemeinde.
Gemäß Luthers "die Ehe ist ein weltlich Ding".

Da Juch und Riotte nicht katholisch geheiratet haben, sondern nur auf dem Zivilstandsamt, galten sie katholisch als nicht verheiratet.
D.h. ihre Kinder waren alle illegitim.

Ich glaube nicht, daß der katholische Pfarrer Creins sie unter diesen Umständen katholisch getauft hätte.
Wie er es bei Emilie Katharina Marie nicht getan hat.

Im Artikel steht außerdem etwas über drei weitere Kinder, die früh gestorben seien. Diese lassen sich nicht nachweisen. Gleichwohl sie in die lange Zeit zwischen Emilie Katharina Marie, geb. 1832 St. Wendel, und Malwine Juch, geb. 1840 in Gotha, passen würden. Malwine ist protestantisch getauft worden.

Die Taufen der älteren vier Kinder lassen sich vermutlich in den protestantischen Kirchenbüchern der Pfarrei St. Wendel nachweisen. Die Unterlagen liegen meines Wissens in Boppard im Ev. Kirchenarchiv.

Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

[Regionalforum-Saar] Die saarländischen Familienfo rscher treffen sich wieder in Saarbrücken

Date: 2022/05/17 10:12:29
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Guten Morgen,

am Dienstag, 31. Mai 2022, nimmt die Arbeitsgemeinschaft für Saarländische Familienforschung (ASF) wieder ihre Monatstreffen auf. Alle Mitglieder und Freunde bzw. an der Familienforschung Interessierte sind eingeladen.

Ab 16 Uhr im Lesesaal des Landesarchivs Saarbrücken.
Dudweilerstraße 1, 66133 Saarbrücken-Scheidt.
(Der Lesesaal liegt im obersten Stock, wohin der Aufzug fährt).

Gegen 17.30 Uhr wird es auch einen Vortrag geben; den halte ich, aber das Thema steht noch nicht fest. Ggf. hat es etwas mit dem Buch „Pocken, Masern und die Spanische Grippe“ zu tun, das im Februar an alle Mitglieder verteilt wurde und seitdem in unserem Shop zum Verkauf bereit liegt (15 Euro plus Versand).

Wir sehen uns heute in 14 Tagen in Scheidt.

Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger


[Regionalforum-Saar] Vortrag zum Thema „BRAUCHT UM UND ABERGLAUBE“

Date: 2022/05/18 08:43:55
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Vortrag zum Thema „BRAUCHTUM UND ABERGLAUBE“

Der Referent des Abends, Gunter Altenkirch, zählt wohl zu den bekanntesten und kompetentesten Volkskundlern des Saarlandes. In seiner Heimat Rubenheim, einem Ortsteil von Gersheim, hat er in einem Bauernhaus aus dem 18. lahrhundert ein „Museum für dörfliche Altagskultur und des saarländischen Aberglaubens" aufgebaut; in dem er etwa 30.000 Exponate aus diesem Wissensbereich ausstellt. Heute stellt er einige dieser Belegstücke vor, mittels denen er noch heute vorhandenen Aberglauben und praktiziertes Brauchtum beweist.

 

Dienstag, 24. Mai 2022

19 Uhr

im Cusanus-Haus, St. Wendel, am Fruchtmarkt

Der Eintritt ist frei

[Regionalforum-Saar] 1700 Jahre Judentum in Deutschland

Date: 2022/05/18 08:46:29
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Dienstag, 21. Juni

Über die Anfänge jüdischen Lebens in Deutschland ist wenig Sicheres bekannt. Immerhin wissen wir aus einem Dokument des römischen Kaisers Konstantin für das Jahr 321 von einer jüdischen Gemeinde in Köln, die damals schon längere Zeit bestanden haben muss. Juden kamen wohl mit den römischen Soldaten nach Deutschland. Sie ließen sich an wichtigen Handelsstraßen nieder. Neben Köln, das wohl eine kontinuierliche jüdische Präsenz durch die Jahrhunderte aufweist, gehören Metz und Trier zu den frühesten jüdischen Gemeinden. Doch in der bald darauf einsetzenden Völkerwanderung verlieren sich weitgehend alle weiteren Spuren. Erst im 9. Jahrhundert mehren sich wieder die Hinweise. Unter Karl dem Großen wird das Gebiet um Mosel, Rhein und Maas zu einem Wirtschaftszentrum ersten Ranges. Das Rheinland entwickelte sich ab dem 10. Jahrhundert allmählich zum Zentrum des gesamten Weltjudentums, die Städte Speyer, Worms und Mainz, wurden Zentren höchster jüdischer Gelehrsamkeit und blühenden jüdischen Lebens.

19 Uhr
im Cusanus-Haus, St. Wendel, am Fruchtmarkt
Der Eintritt ist frei

[Regionalforum-Saar] Vortrag über die Rolle des ev angelischen Pfarrers Carl Juch bei den St. Wendeler Unruhen v on 1832

Date: 2022/05/18 08:59:51
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Wurde geistiger Reichtum zum Fallstrick?

Vortrag über die Rolle des evangelischen Pfarrers Carl Juch bei den St. Wendeler Unruhen von 1832

Im Gefolge der nach St. Wendel verbannten Herzogin Luise, damals noch Ehefrau des Herzogs Ernst von Sachsen-Coburg, kam 1824 der 23-jährige Hofprediger Carl Juch nach St. Wendel. Er wurde Konrektor am Herzoglichen Lyzeum und zugleich erster Pfarrer der Stadt, in der zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 41 evangelische Seelen lebten.

1831 gründete er mit anderen Gelehrten einen politischen Stammtisch und geriet so ins Fadenkreuz der Ermittler der St. Wendeler Unruhen im Jahr darauf.

Gerhard Koepke, früher Pfarrer von St. Wendel und später Superintendent der ev. Kirche, erzählt uns seine interessante und teilweise tragische Geschichte in einem Vortrag mit zahlreichen Bildern und Dokumenten.


Dienstag, 29. Juli 2022, 17.30 Uhr

im Lesesaal des Landesarchiv Saarbrücken-Scheidt

im Rahmen der Monatstreffen der Arbeitsgemeinschaft für Saarländische Familienforschung (ASF)

Der Eintritt ist frei. Gäste sind uns stets willkommen.

[Regionalforum-Saar] falsches Datum: muß hei ßen Dienstag, 26. Juli 2022. Sorry.

Date: 2022/05/18 09:03:00
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>



Am 18.05.2022 um 08:59 schrieb Roland Geiger:

Wurde geistiger Reichtum zum Fallstrick?

Vortrag über die Rolle des evangelischen Pfarrers Carl Juch bei den St. Wendeler Unruhen von 1832

Im Gefolge der nach St. Wendel verbannten Herzogin Luise, damals noch Ehefrau des Herzogs Ernst von Sachsen-Coburg, kam 1824 der 23-jährige Hofprediger Carl Juch nach St. Wendel. Er wurde Konrektor am Herzoglichen Lyzeum und zugleich erster Pfarrer der Stadt, in der zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 41 evangelische Seelen lebten.

1831 gründete er mit anderen Gelehrten einen politischen Stammtisch und geriet so ins Fadenkreuz der Ermittler der St. Wendeler Unruhen im Jahr darauf.

Gerhard Koepke, früher Pfarrer von St. Wendel und später Superintendent der ev. Kirche, erzählt uns seine interessante und teilweise tragische Geschichte in einem Vortrag mit zahlreichen Bildern und Dokumenten.


Dienstag, 29. Juli 2022, 17.30 Uhr

im Lesesaal des Landesarchiv Saarbrücken-Scheidt

im Rahmen der Monatstreffen der Arbeitsgemeinschaft für Saarländische Familienforschung (ASF)

Der Eintritt ist frei. Gäste sind uns stets willkommen.


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Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

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Roland Geiger
Historische Forschung
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[Regionalforum-Saar] Florian Steger: Antike Medizin . Einführung und Quellensammlung

Date: 2022/05/22 18:59:18
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Florian  Steger: Antike Medizin. Einführung und Quellensammlung

Erschienen Stuttgart 2021: Anton Hiersemann
Anzahl Seiten 543 S.
Preis € 39,00
ISBN 978-3-7772-2120-5

Rezensiert für H-Soz-Kult von  Lutz Alexander Graumann, Universitätsklinikum Gießen und Marburg

Einführungen in die Medizingeschichte mit Schwerpunkt auf die Antike sind nicht gerade rar gesät, aber im deutschsprachigen Raum eher überschaubar.[1] Der neue Studienband von Florian Steger versucht hier eine aktuelle Übersicht von medizinischer Ideen- und Alltagsgeschichte in der Antike anhand von zahlreichen Textquellen im Original und deutscher Übersetzung, von den frühen Hochkulturen bis zur byzantinischen Zeit, zu präsentieren. Der Titel „Einführung und Quellensammlung“ ist hierbei Programm, zumal der Band aus einer Vorlesungsreihe an der Universität Ulm hervorgegangen ist (S. 10).[2]

In seinem Vorwort (S. 9–11) erläutert der Autor seine Schwerpunkte, nämlich Aufdeckung historischer Zusammenhänge, Alltagsgeschichte sowie Kulturtransfer unter dem Aspekt der mittlerweile etwas kritisch zu sehenden „abendländischen Medizin“. Er versucht eine frische Neuanordnung des altbekannten, aber mittlerweile überholten Lehrkanons der Geschichte der antiken Medizin und möchte dezidiert wegkommen von der berühmt-berüchtigten Namen-Medizin.

Es folgen 15 Kapitel, chronologisch gestaffelt mit jeweils einer eigenen thematischen Einführung gefolgt von den vorher zitierten Originalquellen (griechisch, lateinisch, Keilschrift, ägyptisch, hebräisch, arabisch) samt deutscher Übersetzung und kurzen Hinweisen auf verwendete Texteditionen. Dabei werden die zeitlichen Übersichten (Medizin in den frühen Hochkulturen, Medizin in der Bibel, Hippokrates und das Corpus Hippocraticum, Asklepios, Hellenistische Medizin, Griechische Medizin in Rom, Medizinische Fachliteratur in der frühen Kaiserzeit, Medizin nach Galen und Medizin in Byzanz) mit verschiedenen, interessanten thematischen Exkursen unterbrochen: „Medizin und Philosophie“ (S. 83–101), Ethik in der Medizin (S. 137–173), Patientenperspektive (S. 327–347), „Ärzte: Ausbildung und gesellschaftliche Stellung“ (S. 349–395), Christliche Ärzte (S. 397–427) und Nichtärztliche Gruppierungen (S. 429–445). Auch innerhalb der jeweiligen Einführungen finden sich immer wieder kurze Exkurse Stegers, wie z.B. zum Thema „Beschneidung“ (S. 50) und „Lepra“ (S. 52). Die Einführungen sind von unterschiedlicher Länge und Qualität: so ist beispielsweise das Thema „Asklepios“ ein bekannter Schwerpunkt Stegers (S. 177–239), während der Abschnitt über das Neue Testament (S. 56–58) recht kurz daherkommt. Aufgelockert wird das Ganze mit einigen, wenigen, aber passenden Abbildungen, teilweise vom Autor selbst gefertigt. Dem Haupttext beigefügt ist ein Abkürzungsverzeichnis der genannten Autoren und Werke, der verwendeten Referenzwerke, Inschriften, Papyri sowie die Bildnachweise (S. 509–511). Am Ende folgt noch ein sehr umfangreiches, empfehlenswertes Literaturverzeichnis, aufgeteilt nach zitierten „Textausgaben und Übersetzungen“ (S. 513–520) und „Sekundärliteratur (S. 520–543), bis 2020 aktualisiert.

Insgesamt liegt hier eine relativ lesefreundliche, deutschsprachige Übersicht zum Thema Antike Medizin vor, insbesondere mit den inhaltlichen Stärken beim Thema „Asklepios“ und der Inklusion von außereuropäischem (kleinasiatischem) Material.[3] Auf weite Strecken werden natürlich Ansichten des (Haupt-)Autoren rezipiert, die teilweise, aber auch nicht immer die überwiegende Forschungsmeinung widerspiegeln.[4] Genauso muss man natürlich diese Meinung als kritischer Leser nicht immer teilen. Textfehler sind insgesamt bei der Fülle an Material überschaubar, leider fehlt ein Stichwortindex. Stellt sich schließlich noch die Frage, für wen eigentlich dieses Studienbuch gedacht ist: den Medizinstudent:innen mit Wunsch nach Vertiefung ins Fach Antike Medizin, den nicht-humanistisch gebildeten Ärzt:innen mit entsprechendem Interesse? Der Abdruck von Originaltexten nach jeweiliger Standardedition, aber ohne kritischen Apparat mag vielleicht den Textunkundigen beeindrucken. Mit seinem großzügig angelegten und stabil gebundenen Studienbuch „Antike Medizin“ liefert Florian Steger eine über 500 Seiten starke, willkommene, aktuelle und dabei besonders preiswerte Übersicht zur Medizin in der Antike.

Anmerkungen:

[1] Wie z.B. Robin Lane Fox, The Invention of Medicine, 2020 (dt. Die Entdeckung der Medizin: Eine Kulturgeschichte von Homer bis Hippokrates 2021); Laura M. Zucconi, Ancient Medicine: From Mesopotamia to Rome, 2019; Vivian Nutton, Ancient Medicine, 2nd edition, 2013; Karl-Heinz Leven (Hg.), Antike Medizin: Ein Lexikon, 2005.

[2] Solch ein umfangreiches Studienbuch mit unzähligen Quellenangaben und einem sehr umfangreichen Literaturverzeichnis ist heutzutage schwerlich, wie angegeben, das Werk eines einzigen Autoren; zumindest verweist Steger im Vorwort auf die umfängliche Unterstützung hierbei durch Vincenzo Damiani und Frank Ursin.

[3] Vielleicht hätte man das Thema „spätantike Collegia-Bildungen“ in der Medizin etwas ansprechen können. Weiterhin handelt es sich bei der Gesamtdarstellung („abendländische Medizin“) immer noch um eine sehr westliche (westeuropäische) Perspektive: es fehlen Diskussionen über die vergleichbaren antiken chinesischen, buddhistischen, islamischen Medizintraditionen, Medizin in „lateinamerikanischen“ Frühkulturen; also letzten Endes handelt es sich auch hier um keine antike „World History“ der Medizin.

[4] Z.B. nicht unbedingt hilfreiche Aussagen wie: „Allen Schriften [der Epidemienbücher] gemein ist, dass diese von der Forschung als empirisch, realistisch und besonders theoriefrei beschrieben werden“ (S. 112); welche ungenannte „Forschung“ agiert denn aktuell noch so? Ferner ist zumindest für die griechisch-römische Medizin folgende Aussage fragwürdig: „Hiervon zu trennen ist die Chirurgie als Handwerk, welche erst um 1900 in die Medizin integriert wurde“ (S. 114).

Zitation
Lutz Alexander Graumann: Rezension zu: Steger, Florian: Antike Medizin. Einführung und Quellensammlung. Stuttgart 2021: ISBN 978-3-7772-2120-5, , In: H-Soz-Kult, 23.05.2022, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-98702>.

[Regionalforum-Saar] morgen doch kein Vortrag zum Thema „BRAUCHTUM UND ABERGLAUBE“

Date: 2022/05/23 13:05:28
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Salve,

da bin ich einem Satzfehler aufgesessen - der Vortrag war schon am 10. Mai.

Ich hab das in der Schautafel am Dom fotografiert. Dort stand:

Dienstag, 10. Mai

(dann kam der Text. Darunter stand)

Dienstag, 24. Mai

Dann war die Seite zuende. Tatsächlich gehört der 24. Mai auf die nächste Seite oben drüber.

Also gibts morgen keinen Vortrag über Brauchtum und Co

Ergebenst

Roland Geiger



Am 18.05.2022 um 08:43 schrieb Roland Geiger:

Vortrag zum Thema „BRAUCHTUM UND ABERGLAUBE“

Der Referent des Abends, Gunter Altenkirch, zählt wohl zu den bekanntesten und kompetentesten Volkskundlern des Saarlandes. In seiner Heimat Rubenheim, einem Ortsteil von Gersheim, hat er in einem Bauernhaus aus dem 18. lahrhundert ein „Museum für dörfliche Altagskultur und des saarländischen Aberglaubens" aufgebaut; in dem er etwa 30.000 Exponate aus diesem Wissensbereich ausstellt. Heute stellt er einige dieser Belegstücke vor, mittels denen er noch heute vorhandenen Aberglauben und praktiziertes Brauchtum beweist.

 

Dienstag, 24. Mai 2022

19 Uhr

im Cusanus-Haus, St. Wendel, am Fruchtmarkt

Der Eintritt ist frei


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Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

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Roland Geiger
Historische Forschung
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[Regionalforum-Saar] Die St. Wendeler Wählerlist en von 1919 als Quelle zur weiblichen Sozialgeschichte

Date: 2022/05/24 22:55:06
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Die St. Wendeler Wählerlisten von 1919 als Quelle zur weiblichen Sozialgeschichte  
von Andrea Recktenwald, Stadtarchiv St. Wendel.

Beim Thema „Wahlen und Demokratie“ fallen sofort die Grundsätze einer demokratischen Wahl ins Gedächtnis. Allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim sind die Voraussetzungen einer Wahl in diesem Sinne. Vor allem das Prinzip der Allgemeinheit, das heute die Partizipation aller Bürgerinnen und Bürger ab dem 18. Lebensjahr in Deutschland und Europa ermöglicht, trägt maßgeblich zu diesem demokratischen Prozess bei. Bis vor hundert Jahren war aber ein großer Teil der Bevölkerung in Deutschland nicht zur Stimmabgabe berechtigt. Erst nach dem ersten Weltkrieg konnten Frauen bei der Wahl zur verfassunggebenden Nationalversammlung zum ersten Mal teilnehmen und auch selbst gewählt werden. [Daneben wurde das Wahlrecht auch auf Soldaten und alle ab dem 20. Lebensjahr erweitert]

In St. Wendel sind keine Hinweise dafür auszumachen, dass Frauen aktiv für ihr Wahlrecht eingetreten wären. Jedoch begannen sie sich 1918 im Verein katholischer erwerbstätiger Frauen und Mädchen und dem Verein der weiblichen kaufmännischen Angestellten und Beamtinnen beruflich zu organisieren.

Für wissenschaftliche und private Nutzer des Stadtarchivs St. Wendel hat diese Erweiterung der Stimmberechtigten heute noch einen weiteren Wert. Enthält doch eine Akte (D 1.76) Wählerlisten zu verschiedenen Wahlen in den 1910er Jahren. 1919 fanden in der Stadt sowohl die Wahlen zur deutschen Nationalversammlung als auch zur preußischen Landesversammlung statt. Zu den Stimmbezirken I und II sind Listen vollständig erhalten. Unterlagen zum Wahlbezirk III sind leider nicht mehr vorhanden.

Betrug der Personenkreis bei der Reichstagswahl 1912 noch 1459 Bürger, stieg dieser 1919 schon im I. und II. Bezirk zusammen auf 3052 Stimmen. Darunter waren jeweils etwas mehr als die Hälfte weiblich. Die Einwohnerzahl umfasste laut Versorgungsstatistik ca. 7872 Personen.

Informationen zur Person, wie Alter, Stand und Wohnort, sind mit verzeichnet und lassen jeden Einzelnen greifbar erscheinen. Die Stellung der Frau innerhalb der Haus- und Arbeitsgemeinschaft lässt sich in den Listen vor allem aus ihrem Stand ablesen und soll hier kurz vorgestellt werden.

Im Stimmbezirk I haben mehr als die Hälfte (458) der Frauen den Stand als Ehefrau. Es folgen die ohne Stand oder Gewerbe (147), von denen die meisten unverheiratete Töchter sind, was sich aus der Familienzusammensetzung ergibt. Die größte Gruppe unter den Berufen stellt die Anstellung als Dienstmagd (67) dar. Daneben gibt es eine größere Anzahl von Näherinnen (12) und zwei Modistinnen. Von der regen Handelstätigkeit in der Bahnhof- und Brühlstraße zeugen die zahlreichen Verkäuferinnen, Bürogehilfinnen und Kontoristinnen. Die Spanne der Beschäftigungen von Frauen reicht von Köchinnen, Arbeiterinnen, Lehrerinnen, zwei Geschäftsinhaberinnen, einer Filialleiterin, einer Buchhändlerin bis zu einer Medizinstudentin.

Im Stimmbezirk II stellen ebenfalls die Ehefrauen (402), Frauen ohne Stand (167) und Dienstmägde (67) die größten Gruppen. Seit zehn Jahren existiert an der Marienstraße das Marienkrankenhaus der Franziskanerinnen mit Schwestern und Pfründnerinnen, die jetzt ebenfalls wahlberechtigt sind. Genauso wie die St. Wendeler Lehrerinnen, von denen einige in der Maria-Magdalenenkapelle wohnen, die zeitweise als Schule dient. Insgesamt zählt der Bezirk 16 Pädagoginnen, was wohl dem Lehrermangel nach dem Krieg geschuldet ist. Auch hier entdeckt man eine Anzahl Näherinnen (17) und weitere fünf Modistinnen. In den Tabakfabriken und dem Eisenbahnausbesserungswerk finden Frauen Anstellung als Arbeiterinnen.

Ahnenforscher erhalten durch die Aufstellung einen Einblick in die Wohn- und Berufssituation ihrer Vorfahren zu einem bestimmten Zeitpunkt und können sich somit eine bessere Vorstellung ihres Lebens in der Stadt machen. Für Sozial- und Wirtschaftshistoriker ergeben sich aufschlussreiche Anhaltspunkte zur sozialen Zusammensetzung der Stadt und ein erweiterter Blick auf das Gewerbe.

Die Wählerlisten erweitern somit den Blick auf einen größeren Teil der Gesellschaft, was die Geschichte der Stadt vollständiger macht, und lassen ein heterogeneres Bild der Frauen der Zeit erkennen.


Quelle im Stadtarchiv St. Wendel:

„D 1.76   Reichstagswahl 1912, Wahl zur verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung 1919

1911 - 1913, 1918 - 1923. – 325 pag.
2 lose Kladden pag. 156 ff.; 235 ff.

Enth. u. a.: Verfügungen, Verordnungen, u. a. betr. Wahlordnungen, Wahlbezirke etc.; Wahlbezirke Stadt St. Wendel 1912, pag. 49; Nahe-Blies-Zeitung Nr. 147 v. 14. Dezember 1911, pag. 54: Wahlkreise im Regierungsbezirk Trier; Wählerlisten; Wahlergebnisse, u. a. Neunkircher Zeitung v. 17. Januar 1912, pag. 82: Ergebnisse Reichstagswahl Ottweiler, St. Wendel, Meisenheim; Wahlen zur verfassungsgebenden dt. Nationalversammlung 1918/19: Durchführung/Wahlrecht, Wählerlisten, Ergebnisse; Wählerlisten St. Wendel zur preuß. Landesversammlung 1919, pag. 156; Prospekte für Wahlurnen“

aus: „Unsere Archive“ Nr. 66/2021 aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland

downloadbar: https://www.compgen.de/2021/10/unsere-archive-nr-66-2021-aus-rheinland-pfalz-und-dem-saarland/

[Regionalforum-Saar] Kartensammlung Hellwig online

Date: 2022/05/24 23:07:48
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Kartensammlung Hellwig online
Zu einem neuen Kooperationsprojekt des Landesarchivs Saarbrücken mit Wikimedia Commons

von David Schnur

Der International Council of Archives (ICA) hat die diesjährige Internationale Archivwoche vom 7. bis 11. Juni 2021 unter das Leitthema „Empowering Archives – Stärkung der Archive“ gestellt.

Im deutschsprachigen Raum haben die Wikimedia-Dachverbände aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie der Verband Schweizerischer Archivarinnen und Archivare (VSA-AAS) dieses Leitthema aufgegriffen und ihrerseits dazu aufgerufen, die Sichtbarkeit von Archiven in der Wikipedia und ihren zahlreichen Schwesterprojekten zu erhöhen. Erreicht werden konnte dies über die Erstellung neuer oder die inhaltliche Verbesserung bereits bestehender Wikipedia-Artikel zu Archiven, die Bereitstellung von digitalisierten Archivbeständen auf dem zentralen Medienserver Wikimedia Commons oder etwa durch eine Mitarbeit im Bereich der noch vergleichsweise jungen Wikidata, die zentral Metadaten für unterschiedliche Wikimedia-Inhalte bereitstellt.

Das Landesarchiv Saarbrücken hat sich hierin aktiv mit der Digitalisierung und Online-Stellung von rund 900 historischen Karten vom 16. bis ins 19. Jahrhundert eingebracht.

Die nunmehr digitalisierten Karten bilden den Bestand „Kartensammlung Fritz Hellwig“ und wurden dem Landesarchiv 2008 als Schenkung übergeben. Die epochenübergreifende Kartensammlung, die im Schwerpunkt die Großregion Saar-Lor-Lux und damit eine historische wie gegenwärtige Kernregion Europas abdeckt, wurde über Jahrzehnte hinweg von dem Historiker und Politiker Fritz Hellwig (1912 – 2017) zusammengetragen und vereinigt „Meisterwerke deutscher, niederländischer und französischer Kartografen“, wodurch sie „ein Gesamtbild der kartografischen Entwicklung in einem europäischen Grenzraum ermöglicht.“

Für die Kartensammlung, deren kunstvoll gefertigte Einzelstücke eine herausragende Visualität besitzen, bieten sich zahlreiche Möglichkeiten zur Nutzung und inhaltlichen Auswertung an, die über den engeren Kreis landesgeschichtlicher Forschung und Lehre hinausreichen. Durch den digitalen Zugang ist ferner eine orts- und zeitunabhängige Nutzung gewährleistet, die mit ihren verschiedenen genuin digitalen Funktionalitäten – etwa der barrierefreien Möglichkeit zur Detailansicht oder einem direkten Vergleich von mehreren Karten – zudem wesentlich komfortabler ist. Aufgrund ihrer besonderen Visualität eignen sich historische Karten in besonderem Maße zur Verlinkung innerhalb der Wikipedia und ihrer Schwesterprojekte, wobei selbst Sprachgrenzen keine Hindernisse darstellen (etwa im Unterschied zu textbasiertem Archivgut). Aus archivfachlicher Sicht ist ferner zu ergänzen, dass die Papieroriginale dadurch weitaus weniger Gefahrenmomenten ausgesetzt sind, da sie zukünftig nur noch in Ausnahmefällen ausgehoben und im Lesesaal bereitgestellt zu werden brauchen.

Damit gehen wir nicht nur neue Wege in der Bereitstellung von digitalisiertem Archivgut, sondern versuchen zugleich, dem Jedermann-Anspruch des Saarländischen Archivgesetzes noch besser gerecht zu werden.4 Nunmehr ist ein – zugegebenermaßen sehr kleiner – Teil unserer Bestände weltweit und rund um die Uhr online frei zugänglich nutzbar. Und noch mehr: aufgrund der kollaborativen Grundlagen von Wikipedia und ihrer Schwesterprojekte kann jedermann zur Verbesserung der Erschließungsdaten beitragen und die Sichtbarkeit der historischen Karten durch gezielte Verlinkungen sowie eine feinmaschigere Kategorienvergabe verbessern. Insbesondere die Wikipedia, die seit zwei Jahrzehnten von dem persönlichen Einsatz von Freiwilligen getragen und stetig fortentwickelt wird, eignet sich wohl wie kein zweites Online-Angebot für vergleichbare Projekte im Bereich des archivischen Crowdsourcings. Die digitale Bereitstellung der Kartensammlung Hellwig im Rahmen der 3. Internationalen Archivwoche 2021 kann hierbei auch aufgrund ihres herausragenden Inhalts als gelungenes Pilotprojekt angesprochen werden, dem in rascher Folge weitere Kooperationsprojekte folgen werden.

Weiterführende Links:
-Benutzeraccount des Landesarchivs auf Wikimedia Commons:
https://commons.wikimedia.org/wiki/User:LandesarchivSaarbrücken

- Gesamtübersicht über die hochauflösend digitalisierten Karten aus dem Bestand „Kartensammlung
Fritz Hellwig“ (mit Thumbnail-Ansichten und Direktlinks): https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Landesarchiv_Saarbrücken,_Best._K_Hellwig

[Regionalforum-Saar] Der „Heidenfriedhof“ in Wahlschied

Date: 2022/05/28 09:15:46
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

gefunden in der Saarbrücker Zeitung vom 22. Mai 2022:

Als Friedhöfe nur für Christen waren

Von Fredy Dittgen

Der „Heidenfriedhof“ im Heusweiler Ortsteil Wahlschied ist einzigartig im deutschsprachigen Raum, vielleicht in ganz Mitteleuropa. 85 Jahre lang war er in Vergessenheit geraten, ehe er im ehrenamtlichen Einsatz von Bürgerinnen und Bürgern aus Wahlschied, Kutzhof, Köllerbach und Saarbrücken aus seinem Dornröschenschlaf riss wieder hergestellt wurde. Am Samstag wurde der „Heidenfriedhof“ unter großer Anteilnahme der Bevölkerung bei einer kleinen feier der Öffentlichkeit übergeben.

Vor 100 Jahren – am 22. Mai 1922 genau – hatte die damals selbstständige Gemeinde Wahlschied, trotz Widerständen aus der Kirche, unterhalb des evangelischen Friedhofs einen so genannten „bürgerlichen Begräbnisplatz“ zur Bestattung aller „unchristlichen Toten“ angelegt. Denn zu jener Zeit wurden noch immer ungetaufte Kinder, Nichtchristen, Verbrecher, aus der Kirche ausgetretene Menschen oder solche, die ihr Leben selbst beendet hatten, nicht in „geweihten Erde“ kirchlicher Friedhöfe bestattet.

Der kleine Begräbnisplatz war mit einer Weißdornhecker umgrenzt, mit der man nicht nur Tiere, sondern auch „böse Geister“ abhalten wollte. Der Begräbnisplatz war nur wenige Jahre in Betrieb: Die letzte Bestattung fand 1935 statt, danach verfiel der Friedhof, der im Volksmund fälschlich auch „Judenfriedhof“ genannt wurde, obwohl hier nie Juden beigesetzt worden waren.

Unter den Gästen der Feierstunde waren auch Mitglieder der Familie von Auguste Pörtner aus Holz, die 1930 unmittelbar nach der Geburt gestorben war und auf dem „Heidenfriedhof“ begraben wurde: Drei ihrer noch lebenden Schwestern und viele Angehörige waren zur Eröffnung des restaurierten Friedhofs gekommen. Die 96-jährige Hilde Eberhardt, die älteste Schwester von Auguste, schilderte im Gespräch mit der Saarbrücker Zeitung, warum ihre Schwester nicht auf dem kirchlichen Friedhof bestattet worden war: „Unsere Eltern waren aus der katholischen Kirche ausgetreten und zur Neu-Apostolischen Kirche gewechselt, bevor Auguste auf die Welt kam.“ Es sei schlimm für die Familie gewesen, dass ihr Kind „verscharrt wurde“, man fühlte sich ausgegrenzt.

Als vor zwei Jahren der „7-Dörfer-Wanderweg“ geplant wurde, war es der Kutzhofer Martin Zewe, der den „Heidenfriedhof“ wiederentdeckte. Zewe bat die Gemeinde Heusweiler um Hilfe bei der Wiederherstellung und fand auch Menschen, die mitarbeiten wollten. Daran erinnerten im Rahmen der Feierstunde Martin Zewe, Klaus Ollinger, Bürgermeister Thomas Redelberger, Gemeindereferentin Ulla Kern, der Wahlschieder Ortsvorsteher Reiner Zimmer, Isabelle Ginsbach vom saarländischen Umweltministerium, Bischof Pascal Ströbel von der Neu-Apostolischen Kirche und Vertreter der Zeugen Jehovas.

Finanzielle Unterstützung in Höhe von 7900 Euro gab es vom Umweltministerium. Damit wurden Sachmittel angeschafft für das Roden des völlig zugewachsenen Areals, für das Anlegen von Grabstellen, für Wegplatten und einen Maschendrahtzaun. Das Eingangstor wurde nach alten Plänen restauriert, Sitzbänke aufgestellt, eine neue Weißdornhecke und Ziersträucher gepflanzt.

Ulla Kern und Bischof Strobel erinnerten an die Zeit als, wie oben geschildert, manchen Verstorbenen die Bestattung auf kirchlichen Friedhöfen verwehrt wurde und betonten, dass sich die Zeiten geändert hätten. Den Friedhof bezeichneten sie als Mahnmal gegen Ausgrenzung und Diskriminierung. Musikalisch umrahmt wurde die Feier vom Bläserkreis der evangelischen Kirche unter Leitung von Hans Roth.


Kleines Buch zur Geschichte des Heidenfriedhofs Wahlschied erschienen:
=> https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/saarbruecken/heusweiler/heimatkunde-buch-der-heidenfriedhof-in-heusweiler-wahlschied_aid-70145731

[Regionalforum-Saar] wie's in Tholey mit dem Portal der Abteikirche weitergeht

Date: 2022/05/28 20:39:04
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

dazu gab es am vergangenen Mittwoch im Aktuellen Bericht einen Beitrag.

Den könnt Ihr Euch in der Mediathek zu Gemüte führen, wie ich es jetzt auch gleich tun werde.

Das ist die URL ="" https://www.sr-mediathek.de/index.php?seite=7&id=116277

Die Reportage beginnt bei 23 min 55 Sekunden

FS

Roland Geiger

[Regionalforum-Saar] das British Empire - ein Über blick

Date: 2022/05/29 18:18:16
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

B. Stuchtey: Geschichte des Britischen Empire

Erschienen München 2021: C.H. Beck Verlag

Anzahl Seiten 128 S.

Preis € 9,95

ISBN 978-3-406-76699-2

Rezensiert für H-Soz-Kult von Gerhard Altmann, Korb

Die als Charmeoffensive in der Karibik geplante Reise von Prinz William und seiner Gemahlin Kate nahm im Frühjahr 2022 einen zumindest für die britische Öffentlichkeit überraschenden Verlauf. Anstatt der üblichen Hochglanzfotos mit händeschüttelnden, von dankbaren Commonwealth-Bewohnern umringten Royals sah das heimische Publikum ungewohnte Szenen des Protests gegen die Nummer 2 in der Thronfolge: William und Kate wurden als Repräsentanten eines Systems empfangen, das sich in der Vergangenheit auf Sklaverei und Rassismus stützte und das strukturelle Fortleben tiefer sozioökonomischer Disparitäten zu legitimieren scheint. Dass im Herbst 2021 Barbados den Wechsel von der konstitutionellen Monarchie zur Republik vollzog, komplettiert das Bild einer postkolonialen Konstellation, in der das Empire Jahrzehnte nach seiner insgesamt – zumal aus der Perspektive des Mutterlands – recht geräuschlosen Abwicklung doch noch ins Gerede kommt. Dabei trug im 19. Jahrhundert gerade eine stärkere „royale Sichtbarkeit“ (S. 9) wesentlich dazu bei, das weltumspannende Imperium von einer Art Privatunternehmen wagemutiger Abenteurer und Kaufleute zu einem massentauglichen Symbol des britischen Patriotismus zu machen, wie Benedikt Stuchtey in seiner lesenswerten Einführung verdeutlicht. Der universelle Charakter des ehemaligen Empire spiegelt sich daher heute in globalen Debatten über dessen zwiespältige Hinterlassenschaften wider.

Stuchtey unterstreicht die Wechselwirkung zwischen Kolonisierern und Kolonisierten, die nicht auf einfache binäre Formeln herunterzubrechen sei. Ohnehin sei das Empire als „Sammlung miteinander konkurrierender Entwürfe“ (S. 17) nicht einer über alle Kontinente hinweg gültigen Blaupause gefolgt, was, so darf man mutmaßen, bei der teilweise ebenso planlosen Dekolonisation von Vorteil war, da man sich in London – geschult am ersten Disimperialism von 1776 und anders als manche kontinentale Reiche – nicht auf Biegen und Brechen auf ein Hinausschieben des Unvermeidlichen versteifte. Das half den Verantwortlichen in Großbritannien, auch beim Abschied vom Empire ein insulares Sonderbewusstsein gegen die Zumutungen historischer Zäsuren in Stellung zu bringen. Dass dieser Prozess vor Ort, wie die Eroberung und Unterwerfung zuvor, bisweilen von unfassbaren menschlichen Tragödien begleitet wurde, steht freilich auf einem anderen Blatt.

In der Frühphase der Kolonisation spielten Handelsgesellschaften wie die Royal African Company eine herausragende Rolle bei der überseeischen Expansion, in deren Verlauf London Amsterdam den Rang als Angelpunkt des frühneuzeitlichen Finanzkapitalismus ablief. Der atlantische Dreieckshandel, den britische Akteure im Windschatten protektionistischer Gesetze perfektionierten, führte infolge der Versklavung unzähliger Menschen in der Karibik jene Strukturen herbei, die in flagrantem Widerspruch zum Selbstbild eines „polite and commercial people“ (Paul Langford) standen und auch durch mäzenatische Stiftungen der Profiteure im Mutterland nicht kompensiert zu werden vermochten. Am Beispiel des Denkmalsturzes vom Juni 2020 in Bristol begründet Stuchtey ohne Umschweife sein Urteil: Der Handel mit Sklaven und wohltätiges Engagement sind ein „unvereinbares Paar“ (S. 39).

Auch in der Geistesgeschichte Großbritanniens hat das Empire tiefe Spuren hinterlassen. Das komplexe Geflecht aus kriegerischer Eroberung, seit 1690 vor allem im ständigen Schlagabtausch mit Frankreich, genuinem Forscherdrang, beispielsweise in der Südsee, und der Notwendigkeit, etwa auf dem indischen Subkontinent unterschiedliche Legitimationsbedürfnisse zu befriedigen, stimulierte Jeremy Bentham und Adam Ferguson zu Reflexionen, denen Stuchtey eine das Empire „genuin prägende Handschrift“ (S. 52) attestiert. Die Abschaffung der Sklaverei 1833 ist daher auch vor dem Hintergrund der intellektuellen Vitalität Britanniens im frühen 19. Jahrhundert zu betrachten. Stuchtey sieht in diesem Meilenstein einer – modern gesprochen – globalen Menschenrechtspolitik eine subtile Retourkutsche gegen die Vereinigten Staaten, deren Triumph im Unabhängigkeitskrieg durch das Festhalten an der peculiar institution der Sklaverei verdüstert wurde.

Aber auch nach 1833 verwandelten sich die britischen Territorien nicht in Pflanzstätten eines vom Geist der Gleichheit durchwehten Humanismus. Vielmehr verfestigte sich gerade in den Siedlerkolonien der Mythos des zähen Pioniers, der – weit davon entfernt, nur dem eigenen Vorteil zu frönen – Teil einer großen Zivilisierungsmission sei. Als sich in Kanada die Lage dramatisch zuspitzte, entsandte die britische Regierung Lord Durham nach Nordamerika, um einen Ausweg aus der Krise zu finden. Sein 1839 veröffentlichter Bericht avancierte zu einer „Art Magna Carta der Reformfähigkeit des Empire“ (S. 66), die obendrein dem Wunsch Londons nach einem Empire on the cheap ebenso Rechnung trug wie, in der östlichen Hemisphäre, die gewaltsame Öffnung Chinas für den Handel mit Großbritannien. Beide Ereignisse werfen mithin ein Schlaglicht auf die Entwicklung des Empire im 19. Jahrhundert, die von fortschreitender Expansion und dem gleichzeitigen Bemühen um eine Verdichtung der Herrschaft gekennzeichnet wurde. Die glanzvolle Krönung Georgs V. zum Kaiser von Indien anlässlich des Delhi Durbar 1911 markierte gewissermaßen den symbolischen Höhepunkt des britischen Imperialismus im langen 19. Jahrhundert.

Nach dem Ersten Weltkrieg fand sich das Empire in den Mühen der Ebene wieder. Kein Wunder, dass die allenfalls vordergründig von imperialer Nostalgie heimgesuchte Margaret Thatcher in ihren Memoiren „die trügerische Macht eines Empire“[1] nach 1918 beklagte. Das Massaker von Amritsar 1919 und der 1922 unter anderem von Bomber-Harris geleitete Luftkrieg gegen den Irak entfachten das Gewaltpotential des Empire, während sich eine schmale weiße Oberschicht in Kenia der Illusion immerwährender Dominanz hingab. Die Übertragung von Völkerbundmandaten an Großbritannien erhöhte indes den Legitimationsdruck, zumal sich nationalistische Bewegungen vor Ort auf während des Kriegs geknüpfte intellektuelle Netzwerke stützen konnten. Hundert Jahre nach Durhams Bericht erschien Lord Haileys Bestandsaufnahme über die Probleme im subsaharischen Afrika und warf am Vorabend des Zweiten Weltkriegs einen Schatten voraus auf the shape of things to come. In Indien führte das Empire bereits Nachhutgefechte, die 1947 in die blutige Teilung des Landes mündeten. Dass laut einer oft zitierten Umfrage des Kolonialministeriums 1951 lediglich vierzig Prozent der Briten wenigstens eine Kolonie nennen konnten, dürfte kein Schaden für den sich nun beschleunigenden Prozess der Dekolonisation gewesen sein, der unter dem whiggistischen Signum eines in der britischen Geschichte angelegten Fortschrittsgedankens stand und fast nahtlos in einen „Paternalismus der Entwicklungshilfe“ (S. 109) überging. Stuchtey verweist zu Recht auf das Dilemma einer Dekolonisation, die vor Ort zuweilen fundamentalistische Strömungen an die Macht brachte, schießt jedoch über das Ziel hinaus, wenn er diagnostiziert, der Abschied vom Empire habe die „Bruchstellen eines in Auflösung begriffenen politischen Konstrukts“ (S. 110) bloßgelegt. Der Trend hin zur Devolution und die Renaissance des schottischen Separatismus müssen vielmehr mit den sozioökonomischen Verwerfungen der Nachkriegszeit in Verbindung gebracht werden, als eine Desillusionierung nach dem Sieg die Modernisierungsdefizite der britischen Volkswirtschaft grell konturierte und der EG-Beitritt des Vereinigten Königreichs 1973 mit einem schalen Beigeschmack der Zweitklassigkeit behaftet war. Spätestens die anhaltenden Konflikte um die Immigration aus Staaten des Commonwealth entzogen imperialer Nostalgie die emotionale Grundlage.

Bisweilen eklektisch im Zuschnitt, trägt Stuchtey britisch-empirisch eine Vielzahl von Fakten und Begebenheiten zusammen, die einen soliden Einblick in die Geschichte des britischen Empire und dessen Nachleben erlauben. Viel mehr lässt sich auf 120 Seiten nicht veranschaulichen. Stuchteys sorgsam abwägendes Urteil verknüpft die imperiale Vergangenheit mit aktuellen Kontroversen, die nicht zuletzt auf den Ergebnissen einer seit zwei Jahrzehnten äußerst rührigen Empire-Forschung fußen. Das PR-Debakel der royalen Besucher in der Karibik bekräftigt diesen Trend nachdrücklich. Und der Sieg von Sinn Féin bei den nordirischen Wahlen im Mai 2022 könnte ein Menetekel dafür sein, dass Britanniens älteste Kolonie den heikelsten Akt der Dekolonisation nun näher rücken lässt.

Anmerkung:
[1] Margaret Thatcher, The Downing Street Years, London 1993, S. 5.

Zitation

Gerhard Altmann: Rezension zu: Stuchtey, Benedikt: Geschichte des Britischen Empire München 2021: ISBN 978-3-406-76699-2, , In: H-Soz-Kult, 30.05.2022, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-112940>.

 

[Regionalforum-Saar] Wirbel um das Buch eines Saarl änders über den Ersten Weltkrieg

Date: 2022/05/30 09:02:14
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

letzten Samstag in der Saarbrücker Zeitung:

Wirbel um das Buch eines Saarländers über den Ersten Weltkrieg

Am Anfang seiner Suche steht ein Fund. Vor drei Jahren stöbert Franz-Josef Schäfer im Alt-Saarbrücker Antiquariat. Der pensionierte Geschichtslehrer ist wie so oft auf der Suche nach Literatur aus oder über das Saarland. „Heimat-Geschichte ist mein Hobby“, erklärt der 69-jährige Historiker und Germanist. Dabei ist die Geschichte für ihn schon mehr als ein Hobby. Schäfer schreibt Bücher darüber. Eine seiner letzten Veröffentlichungen: ein Buch über den NS-Widerstandskämpfer Willi Graf aus Saarbrücken. „Willi Graf und der graue Orden“ heißt es. Nach den Sommerferien will Schäfer ein Druckwerk über „Pastor Arnold Fortuin“ veröffentlichen, über den „Oskar Schindler“ der saarländischen Sinti und Roma aus Illingen – aus Schäfers Heimatgemeinde. 38 Jahre arbeitet er als Lehrer in Bensheim bei Darmstadt, vor „drei Jahren bin ich wieder in die Heimat zurückgekehrt“. In den Illinger Ortsteil Wustweiler.

Zurück ins Alt-Saarbrücker Antiquariat. „Dort hatte ich plötzlich dieses kleine Buch in der Hand“, erinnert sich der 69-Jährige. 157 Seiten, eine Monografie von Johann Zewe: „Aus der Masurenschlacht nach Sibirien. Kriegs-Erlebnisse eines Saarländers“; gedruckt in der „Lebacher Druckerei und Verlagsgesellschaft m.b.H.“. Ein seltenes Buch, meinen Schäfer und Antiquariat. Ein Titel, der in keinem Katalog einer öffentlichen Bibliothek auftaucht, auch in der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig und Frankfurt ist das Werk nicht gelistet. „Ich habe es für 100 Euro gekauft“, erinnert sich Schäfer.

Ein Buch ohne offizielles Erscheinungsjahr. „Es finden sich Hinweise darin“, sagt Schäfer. Zewe nimmt auf Seite 118 auf eine Begebenheit zu Beginn des Jahres 1918 Bezug: „Heute noch, nachdem bereits 14 Jahre verflossen sind, schwebt diese Nacht mit all‘ ihren schrecklichen Bildern klar und deutlich vor meinen Augen“, schreibt der Autor. Schäfer schlussfolgert: „Die Drucklegung liegt wohl im Jahre 1932.“

Doch wer war Johann Zewe? Schäfer will das unbedingt wissen. Der 69-Jährige will Zewes Buch neu auflegen, hat die Sütterlin-Schrift bereits in ein Worddokument abgetippt. „Doch die Neuauflage ohne ein paar Zeilen über den Autor veröffentlichen?“

Ein Ansatzpunkt: „Die Lebacher Druckerei.“ Sie habe aber zum Beispiel kein weiteres Buch veröffentlicht. Das Kerngeschäft des Verlags war der Druck des Lebacher Anzeigers, eine Tageszeitung. „Ich habe gedacht, vielleicht haben sie in ihrer Zeitung Werbung für ihr Buch gemacht und haben Autor Zewe vorgestellt. Das Problem ist, die Ausgaben aus den Jahren 1931/32 sind sehr lädiert und sind im Saarbrücker Stadtarchiv daher zurecht gesperrt“, bedauert der Historiker.

Auch der Verein für Landeskunde im Saarland hat der Lehrer um Hilfe gebeten, „sie sind sehr hilfreich, leider bisher vergeblich“. Das Landesarchiv des Saarlandes habe sich bemüht – vergeblich. „Es gibt auch keine Entnazifizierungsakte von Johann Zewe.“ In Bergmannskalendern hat er geschaut. Schäfer geht davon aus, dass Zewe „eine gewisse Bildung“ hatte. „Er hat nicht nur niedergeschrieben, was er erlebt und gesehen hat. Er hat Hintergrundwissen; sprachlich ist das Buch sehr geschickt.“ Schülerlisten der Mittelschulen und Gymnasien will er daher durchschauen, „ich weiß aber nicht, wo oder welcher Jahrgang er ist, das wird sehr mühsam“. In Vermisstenlisten und Listen von Menschen in Gefangenschaft hat er recherchiert. „Da waren zum Beispiel zwei Johann Zewe aus Limbach und Lebach dabei, jedoch waren sie zu einer anderen Zeit dort, in einer anderen Einheit.“ Auch nennt Zewe im Buch die Namen von Vorgesetzten und gefallenen Kameraden nicht vollständig. „Feldwebel B.“ steht da nur, zum Beispiel. Machts nicht einfacher.

Im Ural, Sibirien und der Munitionsfabrik

Ansonsten sind die „Kriegserinnerungen eines Saarländers“ sehr detailliert. Zewe schildert seine Erlebnisse in der Masurenschlacht 1915, die Schlacht im Augustower Walde, seine Kriegsgefangenschaft in Sibirien, ab 1916 im Ural, als er bei Waldarbeitern und in einer Munitionsfabrik arbeitet. Seine Fluchtversuche und eine Meuterei beschreibt er. Auch die Revolution der Rotgardisten, die Abdankung von Zar Nikolaus II., die Duma, die Arbeiter- und Soldatenräte beobachtet er aus der Gefangenschaft heraus. Seine Freilassung und Rückreise. „Wie jubelte unser Herz, als wir durchs schöne Nahetal an blühenden Obstgärten vorbei zur saarländischen Heimat fuhren! Freudig in überschwänglichem Glück riefen wir uns zu: ,O Heimat, wie bist du so schön!‘“, schreibt Zewe am Ende des Buches. Aufgrund der Wahl der Eisenbahnlinie durchs Nahetal geht Schäfer davon aus, dass Zewe im mittleren Saarland gelebt haben könnte: im Raum Wadern, Schmelz, Tholey, Heusweiler, Lebach, Illingen, Merchweiler oder Marpingen. Aber „ich weiß es nicht“, sagt Schäfer.

Eine „wertvolle Quelle“, nennt der Wustweiler das gefundene Buch. Es sei „hochspannend – gerade in der heutigen Zeit“. Durch den Krieg der Russen in der Ukraine habe der Russlandfeldzug von damals „wieder Aktualität bekommen“, erklärt Schäfer. Die Bilder ähneln sich. So schreibt Zewe: „Brennende Dörfer und Städte, zerschossene Gehöfte, blutgetränkte und zerstampfte Fluren lassen kämpfende Heere zurück. Verstört und ratlos irren die so grausam aus ihrer friedlichen Ruhe aufgestörten Bewohner umher und sehen, wie die friedliche Arbeit vieler Jahre in Rauch und Flammen aufgegangen ist. Aber unbekümmert um die Not und das Elend dieser Armen geht der Krieg seinen ehernen Gang weiter, um in den nächsten Stunden andere blühende Ansiedelungen und Ortschaften in Schutt und Asche zu legen.“

Respekt vorm Feind: „[...] lag schwerverwundet ein russischer Feldwebel, von Frost und Kälte zitternd, da über diese Höhen ein scharfer Wind wehte. Der arme Mann gab uns zu verstehen, daß er schon zwei Tage hier liege. Was sollten wir tun? Wir hatten Eile [...]. Hier lagen eine ganze Menge von Federkissen herum, welche die Russen aus Ostpreußen mitgeschleppt hatten. Das war den Russen etwas Neues; denn in Russland kennt das ärmere Volk keine Federkissen. Von diesen rafften wir einige zusammen und deckten damit den Verwundeten gut zu. Dankbar blickte er uns an und Tränen liefen über sein bleiches Gesicht. Aber wir mußten weiter.“

 „Möglicherweise“, sagt Schäfer, habe sich Zewe vom Antikriegs-Roman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque inspirieren lassen. „Es fällt auch auf, dass die Cover von Remarques Erstausgabe aus dem Jahre 1929 und Zewes Kriegserinnerungen ähnlich gestaltet sind.“ Wie Remarque verherrlicht Zewe nicht den Krieg, er schildert eindrücklich die Not und das Elend; „überhaupt nicht herablassend oder rassistisch.“ Schäfer würde auch daher gerne mehr über Zewe wissen. Vielleicht hat er unter Pseudonym geschrieben? „Dann wäre die Suche noch schwerer. Aber Johann Zewe – einen so sehr gebräuchlichen Namen im Saargebiet als Pseudonym zu wählen, ich glaube nicht daran“, sagt Schäfer. Vielleicht wissen ja die SZ-Leser mehr, hofft er. Vielleicht helfen Sie Schäfer dabei, dass am Ende seiner Suche ein Buch steht – und zwar eines mit Autorenporträt.

Hinweise über Johann Zewe an SchaeferFJ(a)t-online.de oder an Franz Josef Schäfer, Humeser Straße 54, 66557 Illingen.

[Regionalforum-Saar] Broschüre erinnert an St. Wendels Freiheitsfest

Date: 2022/05/30 09:07:45
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

heute in der Saarbrücker Zeitung:

Broschüre erinnert an St. Wendels Freiheitsfest

Von Evelyn Schneider

Menschen singen Freiheitslieder, ziehen vom Bosenberg in das Herz der Stadt St. Wendel vor die Basilika. Dort stellen sie unweit des heutigen Spinnrads einen Baum auf, der mit einer Fahne in Schwarz, Rot, Gold geschmückt ist. So geschehen am 27. Mai 1832. 190 Jahre später hat die Stadt St. Wendel an dieses Freiheitsfest erinnert.

In verschiedenen Quellen ist die Rede von 2000 Menschen, die an der Veranstaltung teilnahmen. Eine beachtliche Zahl. Denn wie Historikerin Andrea Recktenwald vom St.
Wendeler Stadtarchiv anmerkt, war die Stadt damals mit der heutigen von der Größe und der Einwohnerzahl her nicht vergleichbar. Als nach dem Wiener Kongress 1815 die Kantone Baumholder, Grumbach und St. Wendel an Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha (so sein Titel ab 1826) gingen, lebten hier insgesamt 25000 Menschen. 1819 erhob der Landesherr das Gebiet zum Fürstentum Lichtenberg.

Das Bosenberg-Fest 1832 in St. Wendel hatte einen politischen Charakter ebenso wie das berühmte Hambacher Fest, das zeitgleich – vom 27. Mai bis 1. Juni – stattfand. 20 000 bis 30 000 Menschen kamen zu dieser Protestveranstaltung, bei der Werte wie Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit eingefordert wurden. Unter den Rednern war auch ein St. Wendeler: Advokat Nikolaus Hallauer.

Seine Rolle innerhalb der St. Wendeler Freiheitsbewegung war ein Aspekt der Vortragsreihe, welche die Stadt St. Wendel initiiert hatte. Unter dem Titel „St. Wendel im Vormärz“ entführten die Referenten Bernhard Planz, Andrea Recktenwald, Josef Dreesen, Gerhard Koepke und Franz-Josef Kockler an fünf Abenden in die Zeit Anfang des 19.
Jahrhunderts. Die Zuhörer erfuhren dabei, wie sehr die napoleonische Zeit die Menschen hier geprägt hatte, wie das Verhältnis zwischen Regenten und Regierten während der Coburger Zeit war, warum sich Oppositionsgruppen bildeten und warum es im Zuge des Freiheitsfests zu Unruhen und schließlich auch zu Prozessen kam.

„Mit der Resonanz der Reihe sind wir zufrieden“, resümiert Nicolas Pontius vom Stadtarchiv. Zwischen 50 und 60 Gäste kamen zu den einzelnen Vorträgen in den Maximiliansaal des historischen Rathauses. „60 bis 70 Prozent der Besucher haben sich alle Vorträge angehört“, so Pontius. Im Anschluss gab es jeweils einen Umtrunk. Dabei sei in Gesprächen deutlich geworden, wie aufmerksam die Zuhörer die Themen verfolgt hatten.

Doch nicht nur mit einer Vortragsreihe, sondern auch mit einem Schriftstück soll dem Jubiläum „190 Jahre Nationalfest der Deutschen zu St. Wendel“ gedacht werden. Die Broschüre „St. Wendel im Vormärz“ ist in Zusammenarbeit des Stadtarchivs St. Wendel mit dem Historiker Josef Dreesen entstanden. „Pünktlich zum letzten Vortrag der Reihe am 19. Mai ist sie eingetroffen“, berichtet Pontius. 200 Exemplare wurden gedruckt. Diese sind im Archiv selbst, im Rathaus, in der Stadt- und Kreisbibliothek sowie im Museum St. Wendel erhältlich.

Das Heft beginnt mit einer Chronik. „Diese gibt einen zeitlichen Überblick“, sagt Andrea Recktenwald. Der erste Eintrag ist der 30.
Mai 1814. Im sogenannten Ersten Pariser Frieden trat Frankreich die linksrheinischen Territorien und somit auch St.Wendel ab. Nach dem Wiener Kongress begann dort die Coburger Zeit. Die Chronik endet 20 Jahre später, am 15. August 1834. Damals verkaufte Ernst I. das Fürstentum Lichtenberg an Preußen. Es folgt ein Aufsatz von Josef Dreesen, der mit der Zeile „Die unruhige Zeit 1830 bis 1832“ überschrieben ist. „Hier werden noch mal die Hauptjahre der Unruhen näher beleuchtet“, erklärt Recktenwald

Als es 1830 mächtig innerhalb der Bevölkerung brodelte – als Auslöser gelten Gerüchte, dass die Herzogin Luise St. Wendel verlassen würde und ein neu geschlossener Zollvertrag zwischen Lichtenberg und Preußen – formierte sich allmählich eine bürgerlich-liberale Opposition. Im Frühjahr 1831 gründeten der Pfarrer Carl Juch sowie die Lehrer Johannes Schue und Philipp Sauer einen politischen Stammtisch, dessen Mitglieder regelmäßig in der Wirtschaft von Peter Keller (heute Spinnrad) zusammenkamen. Zu diesem Kreis der sogenannten Keller‘schen Gesellschaft gehörte später auch Advokat Nikolaus Hallauer.

Sie, die Protagonisten der Opposition und der St. Wendeler Freiheitsbewegung, wurden von der Regierung später zur Rechenschaft gezogen. Nicht nur wegen des Bosenberg-Fests, sondern auch wegen der Unruhen, die folgten.

So brachen am 8. Juli 1832 in  St. Wendel Tumulte aus. 700 bis 800 Menschen zogen singend durch die Stadt. Auslöser hierfür war ein vermeintlicher polnischer Freiheitskämpfer, der einige Tage zuvor in die Stadt eingezogen war. Umgehend wurde er auf Druck der Coburger Regierung des Landes verwiesen, was den Bürgern missfiel. Deren Proteste wiederum waren der Obrigkeit ein Dorn im Auge. Sie entsendete preußische Truppen nach St. Wendel, griff mit aller Gewalt durch. Das bedeutet für die „Unruhestifter“, darunter die Köpfe der Keller‘schen Gesellschaft, Arrest. Aus der Haft wandten sich Philipp Sauer, Carl Juch und Nikolaus Hallauer in Briefen an den Sachsen-Coburger Generalkommissar Eusebius Lotz. Auszüge aus diesen Schreiben sind in der Broschüre abgedruckt. Ebenso Ausschnitte aus Protokollen von Zeugenbefragungen. Im Vorfeld der Prozesse 1833 wurden ausführlichste Ermittlungen angestellt. Wie diese für die Oppositionellen ausgingen, erfahren die Leser ebenfalls in der Schrift. Diese endet mit Kurzbiografien der Protagonisten.  

zu beziehen direkt im Stadtarchiv oder über „
archiv(a)sankt-wendel.de


Re: [Regionalforum-Saar] Wirbel um das Buch eines Saarl änders über den Ersten Weltkrieg

Date: 2022/05/30 10:38:35
From: Robert Groß via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Hallo und guten Morgen,
der gesuchte Johann Zewe ist zwischenzeitlich gefunden worden, wie Herr Schäfer mir gestern mitteilte.
Mit freundlichen Grüßen 
Robert Groß