Date: 2022/05/01 14:46:20
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Tagebücher als Quellen. Forschungsfelder und Sammlungen seit 1800
Autor Li Gerhalter
Reihe L'Homme Schriften. Reihe zur Feministischen
Geschichtswissenschaft (27)
Erschienen Göttingen 2021: Vandenhoeck
& Ruprecht
Anzahl Seiten 459 S.
Preis € 40,00
ISBN 978-3-8471-1179-5
Rezensiert für H-Soz-Kult von Anna Leyrer, Institut für
Zeitgeschichte,
Universität Wien
Die „aktuelle Situation“ der Selbstzeugnisforschung beschreibt Li
Gerhalter in
ihrer Dissertation „Tagebücher als Quellen. Forschungsfelder und
Sammlungen seit
1800“ so: „Es wurde eine spiralförmige Dynamik in Gang gesetzt:
Weil
Selbstzeugnisse beforscht wurden, wurden sie gesucht. Weil sie
gesucht wurden,
wurden sie auch gefunden. Und weil sie jetzt verfügbar waren,
konnten sie
zunehmend ausdifferenziert beforscht werden – und werden es immer
noch.“ (S.
261)
Diese Sätze vermitteln eine Ahnung davon, wie groß und
unübersichtlich das Feld
der Selbstzeugnisforschung tatsächlich ist, das sich Li Gerhalter
vorgenommen
hat. Die Arbeit, die 2021 in der L’Homme-Schriftenreihe erschienen
ist, wählt
eine wissenschaftshistorische Langzeitperspektive auf das
wuchernde
Forschungsfeld: Gerhalter beginnt ihre Untersuchung von
Tagebüchern als
wissenschaftliche Quellen mitnichten in den 1980er-Jahren, als das
historische
Interesse an Tagebüchern und Selbstzeugnissen im Zuge der „Neuen
Geschichtsbewegung“ wuchs, sondern mit der Säuglings- und
Kleinkinderforschung,
die im frühen 19. Jahrhundert begann, mit Elterntagebüchern zu
arbeiten. Dabei
geht Gerhalter von der These aus, dass die „Konjunkturen der
Selbstzeugnis forschung“
nur zusammen mit den „Selbstzeugnis sammlungen“ (S. 11)
verständlich
werden. Deswegen nimmt sie nicht nur Forscher in den Blick,
sondern auch
diejenigen, die Sammlungen aufbauen und verwalten – die Archivar
–, sowie
diejenigen, die Dokumente übergeben, die „Übergeber“ (S. 12).
Die Arbeit ist in zwei Teile gegliedert, die zunächst nur lose
gekoppelt
erscheinen: Der erste Teil befasst sich auf gut 200 Seiten mit
Tagebüchern als
„zentrale[r] Datengrundlage“ (S. 31), zuerst in der Fachhistorie
der Pädagogik,
der Evolutionsbiologie und der Entwicklungspsychologie (Kapitel
1),
anschließend in der Jugendpsychologie (Kapitel 2). Er überspannt
dabei einen
Zeitraum von um 1800 bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Untersucht
wird, „für welche Fragestellungen diaristische Aufzeichnungen zu
unterschiedlichen Zeiten ausgewertet wurden – und mit welchen
Sammlungsstrategien die Quellengrundlagen dafür geschaffen worden
sind.“ (S.
251)
Der zweite Teil schließlich befasst sich mit dem Nutzen von
Tagebüchern in den
Geschichtswissenschaften. Er gliedert sich in ein größeres Kapitel
(Kapitel 3)
zu den „historisch ausgerichteten Sammlungen“, die seit den
1980er-Jahren im
Zuge der stetig anwachsenden Tagebuch- und Selbstzeugnisforschung
entstanden
sind (S. 27); dieses Wachstum führt Gerhalter auf das „Fehlen der
Quellengrundlagen für die geänderten Forschungsinteressen“ (S. 28)
zurück. Des
Weiteren enthält der zweite Teil ein kleineres Kapitel (Kapitel
4), das exemplarisch
ausgewählte Tagebücher von Mädchen aus der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts
entlang der Analyseachsen des „Zu-schreiben-Beginnens“ und der dem
Tagebuch
anvertrauten Geheimnisse (S. 360) untersucht.
Im Wesentlichen widmet sich der zweite Teil also einer Darstellung
des
Forschungsfelds und insbesondere der „Bestandsaufnahme der zurzeit
insgesamt
verfügbaren Quellenbasis“ (S. 22). Gerhalter präsentiert zunächst
einen
informativen Überblick über die Sammlungen im deutschsprachigen
Raum. Mittlerweile
gebe es „zahlreiche Archive, die eigentlich einen anderen Fokus
verfolgen“ und
dennoch Selbstzeugnisse (jenseits der im Buch sogenannten
„Höhenkammliteratur“)
im Sinne von „Vor- und Nachlässe[n]“ (S. 273) aufnehmen. Es
existieren aber nur
„drei Sammlungen [von Selbstzeugnissen], die eigene Einrichtungen
sind, und
nicht Teil einer größeren Archivinstitution“ (S. 271); und zwar
das Deutsche
Tagebucharchiv in Emmendingen sowie die Sammlung Frauennachlässe
und die
Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen (beide in
Wien).
Zudem nimmt Gerhalter in diesem Teil eine vertiefte Analyse von
Sammlungsbeständen entlang der beiden Ebenen „soziale Schicht“ und
„Geschlecht“
vor. Sie fragt stichprobenartig nach der Zusammensetzung der
Bestände:
Enthalten die Sammlungen Tagebücher von Arbeiter und Dienstboten?
Und wie
verteilen sich die Tagebücher auf Männer und Frauen? Sie geht also
der
populären Annahme auf den Grund, dass vor allem bürgerliche Frauen
Tagebuch
geschrieben haben sollen. Diese Annahme lässt sich teilweise
bestätigen: Zum
einen gibt es in den untersuchten Beständen nur „einzelne
Nachweise“ von
Tagebüchern, die „in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von
Arbeiter oder
Dienstboten geschrieben wurden.“ (S. 322) Allerdings lässt sich
zugleich sagen:
„Mit retrospektiv verfassten Texten sind (ehemalige)
Arbeiter/innen oder
Dienstbot/innen in den Beständen sehr gut vertreten.“ (S. 323) Die
„Unterschiede in Bezug auf verschiedene auto/biografische Genres“
(S. 341)
differenzieren auch das Bild auf der Analyseebene Geschlecht.
Dennoch lässt
sich bei der Unterscheidung in (retrospektiv niedergeschriebene)
„lebensgeschichtliche Texte“ und diaristische Aufzeichnungen nicht
sagen, dass
Frauen generell eher Tagebuch schreiben, während Männer eher
lebensgeschichtliche Texte verfassen. Es müssen weitere Faktoren
berücksichtigt
werden: So finden sich etwa im Bestand der Dokumentation
lebensgeschichtliche
Aufzeichnungen in Wien sehr viele Tagebücher, die von Männern
verfasst wurden,
und zwar von Soldaten während der zwei Weltkriege. (S. 349)
Offensichtlich
können solche einschneidenden Ereignisse als
„Biografiegeneratoren“ (Alois
Hahn) wirken.
In der Einleitung behauptet die Autorin nonchalant, dass die
beiden Teile weder
„in einem direkten Bezug zueinander“ stehen noch einer
„genealogischen Logik“
(S. 10) folgen. Tatsächlich sind die einzelnen Kapitel in sich
abgeschlossen
und lassen sich separat lesen. Ihr Zusammenhang, wenngleich er
sich erst auf
den zweiten Blick erschließen mag, macht aber den Reiz der Studie
aus: Die
Autorin stellt, indem sie der Rolle von Tagebüchern als Quellen in
der
Wissenschaftsgeschichte in der longue durée seit 1800
(S. 251)
nachgeht, die in der „Neuen Geschichtsbewegung“ entstandenen
Forschungspraktiken in eine Tradition, die aus der Pädagogik und
der
Psychologie kommt. Die Geschichtswissenschaft tritt zwar erst zu
einem
Zeitpunkt auf den Plan, an dem Tagebücher in diesen beiden
Forschungsfeldern
„keine größere Rolle mehr“ (S. 254) spielten. Dennoch haben
Vorstellungen vom
Tagebuchschreiben, die dort entstanden waren, die
Geschichtswissenschaften
nachhaltig geprägt: Charlotte Bühlers jugendpsychologische
Forschungen zum
Tagebuch Anfang des 20. Jahrhunderts etwa waren es, die die
Motivation zum
Tagebuchschreiben als „inneres Bedürfnis“ (S. 377) erklärten und
die
Vorstellung von Tagebüchern als „verschriftlichten Geheimnissen“
(S. 363)
etablierten. Durch das Historisieren von Tagebüchern als
wissenschaftliche
Quellen schärft Gerhalter den Blick dafür, wie diese Quellen
wahrgenommen und
überhaupt erst als solche hergestellt werden.
Mit dem Fokus auf Arbeitswege und Wissenschaftspraktiken in ihren
zeitspezifischen Ausformungen über das 19. und 20. Jahrhundert
hinweg kann
Gerhalter zeigen, dass die „inhaltlichen Schwerpunkte der
selbstzeugnisbasierten Forschungs- und Sammlungstätigkeiten […]
einen
wesentlichen Einfluss darauf [hatten und haben], welche
auto/biografischen
Formate überhaupt wissenschaftlich wahrgenommen und damit sichtbar
gemacht
wurden“. (S. 12) So war eben diese Wahrnehmung in den
verschiedenen
wissenschaftlichen Disziplinen unterschiedlich konturiert: Das
Herstellen
„standardisierte[n] Wissen[s] über die menschliche Entwicklung“,
um das es der
Pädagogik und der Evolutionsbiologie und -psychologie ging,
interessierte und
produzierte andere Selbstzeugnisse als die
Geschichtswissenschaften seit den
1980er-Jahren, die, wie Gerhalter es nennt, aus
„zivilgesellschaftliche[n]
Ansprüche[n]“ (S. 11) heraus wuchs: Das Erschließen von
Tagebuchquellen
jenseits der „Höhenkammliteratur“ war der „dinghafte Ausdruck für
die
veränderten Vorstellungen davon, welche Personengruppen überhaupt
im Interesse
der historischen Forschung stehen.“ (S. 252)
Zudem, das hebt Gerhalter zu Recht besonders hervor, haben so die
Entscheidungen, „welche Texte […] gesammelt, beforscht und
veröffentlicht
werden […] einen Einfluss auf die aktuellen – und die zukünftigen
–
auto/biografischen Praktiken der Rezipient/innen der Ergebnisse.“
(S. 253)
Gerhalter betont aber auch einen weiteren Aspekt der verflochtenen
Beziehung
von Forschungsinteressen, Sammlungstätigkeit und autobiografischen
Praktiken.
Denn im Zuge der Einrichtung von Selbstzeugnis-Sammlungen werden
die
Übergeber/innen zu Handelnden: Sie entscheiden, was sie an die
entstandenen
Archive weitergeben – und an welche Archive. Gerhalter begreift
daher diese
Übergeber/innen als „Citizen Scientists“ (S. 12, 405) und widmet
ihnen ein
eigenes Unterkapitel (3.4).
Gerhalter skizziert so drei größere Entwicklungen, die die heutige
Selbstzeugnisforschung konturieren: Erstens lässt sich, vielleicht
erwartbar,
die „zunehmende Institutionalisierung und Professionalisierung der
wissenschaftlichen Arbeit“ (S. 403) zeigen. Zweitens zeichnet sich
die aktuelle
historisch-kulturwissenschaftliche Tagebuchforschung – im Kontrast
zu den
Fachgeschichten der Pädagogik und der Psychologie – durch eine
intensive
Auseinandersetzung mit „genretheoretische[n] Fragestellungen“ (S.
404) aus, wie
Gerhalter in Kapitel 4 exemplarisch vorführt. Und drittens rücken
damit die
Autor/innen der Quellen stärker in den Mittelpunkt. Sie sind nicht
einfach
„Proband/innen“, sondern es geht „nun darum, sie selbst zu Wort
kommen zu
lassen, ihre individuellen Lebensgeschichten zu erinnern und für
eine
interessierte Öffentlichkeit sichtbar zu machen.“ (S. 405)
Li Gerhalters Studie ist sorgfältig konzipiert und souverän
geschrieben. Sie
lässt sich ausgezeichnet als Begleiter für den Archivdschungel der
Selbstzeugnisforschung im deutschsprachigen Raum nutzen und
zugleich ist sie
Inspiration, wie sich ein Forschungsprojekt mit Selbstzeugnissen
gestalten
ließe. Zuletzt sei noch der fast liebevolle Umgang mit den vielen
zitierten
Quellen anzumerken, die Gerhalter mit gutem Sinn für die
Lesbarkeit einer
umfangreichen Studie ausgewählt hat.
Zitation
Anna Leyrer: Rezension zu: Gerhalter, Li: Tagebücher
als Quellen. Forschungsfelder und Sammlungen seit 1800. Göttingen
2021: ISBN 978-3-8471-1179-5, ,
In: H-Soz-Kult, 29.04.2022, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-114491>.
Date: 2022/05/01 14:52:01
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Einladung zur Buchvorstellung am 11. Mai 2022
Im Mai 2022 feiern wir 190 Jahre Hambacher Fest. Es gilt zu Recht
als eines der
bedeutendsten Ereignisse der deutschen Demokratiegeschichte.
Weniger bekannt dürfte sein, dass sich zeitgleich mit dem
Hambacher Fest in St.
Wendel ähnliche Szenen abgespielt haben, die nun erstmalig von
Herrn Dr.
Franz-Kockler, seines Zeichens Vorsitzender Richter am
Oberlandesgericht i.R.-
anhand der Ermittlungs- und Gerichtsakten aus juristischer Sicht
in Form eines
Buches aufgearbeitet wurden.
Diese Demonstrationen für Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit,
Pressefreiheit und Unabhängigkeit der Justiz verdienen vor allem
deshalb
Beachtung, weil sie uns ebenso wie die aktuellen Geschehnisse an
eines
erinnern:
Freiheit, Demokratie und ein friedliches Miteinander in Europa
sind keine
Selbstverständlichkeit. Sie mussten und müssen erkämpft und immer
wieder
gesichert werden.
Aus diesem Grund war es der Wendelinus Stiftung ein Anliegen
diesen Teil der
Geschichte von St. Wendel als Herausgeber das Buch einer breiten
Öffentlichkeit
zugänglich zu machen.
Im Rahmen des erLESEN Festivals wird der Autor Franz-Josef Kockler
sein Werk "Die
Keller`sche Gesellschaft" nun erstmalig einer breiten
Öffentlichkeit vorstellen.
Wann? Am 11. Mai 2022 um 19 Uhr
Wo? Hauptstelle der Kreissparkasse St.
Wendel, Bahnhofstraße 21-25 in St. Wendel
Aufgrund des begrenzten Platzangebotes bitten wir um Voranmeldung
bis zum 03.
Mai 2022 an Wendelinus Stiftung, 06851 15-427, info(a)wendelinusstiftung.de
Herzliche Grüße aus dem St. Wendeler Land.
Für die Initiativgruppe
Josef Alles
Wendelinus Stiftung
Bahnhofstraße 21-25
66606 St. Wendel
Telefon (06851) 15-427
Telefax (06851) 15-99970
E-Mail: info(a)wendelinusstiftung.de
www.wendelinusstiftung.de
Date: 2022/05/01 14:55:15
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Leben und Überleben am Niederrhein im
Spätmittelalter und in
der Frühen Neuzeit
Veranstalter Hiram Kümper
/ Monika
Gussone, Lehrstuhl für die Geschichte des Spätmittelalters und der
Frühen
Neuzeit, Universität Mannheim
Datum 10.12.2021
Von Monika Gussone, Lehrstuhl für die Geschichte des
Spätmittelalters und der
Frühen Neuzeit, Universität Mannheim
Das die Tagung ausrichtende Teilprojekt „Niederrhein“ des
DFG-Projekts
„Kleinkredit und Marktteilhabe im Spätmittelalter“ ist an der
Universität
Mannheim angesiedelt und bearbeitet in drei vergleichenden Studien
die Frage,
ob Kleinkredit im Spätmittelalter dem großen Teil der in prekären
Arbeits- und
Lebensverhältnissen lebenden Menschen dauerhafte Marktteilhabe
sichern konnte.
Ausgehend von der Projektthematik sollte der Blick – aufgrund der
Coronasituation in sehr kleinem Rahmen – auf andere Möglichkeiten
gelenkt
werden, die den wenig vermögenden Bevölkerungsschichten am
Niederrhein halfen,
ihren Lebensunterhalt im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit
zu
bestreiten. Menschen, die am Rande des Existenzminimums lebten,
sahen sich
infolge von Naturkatastrophen, Seuchen und anderen Krisen mit
großen
wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert. Vor allem nach
solch
einschneidenden Ereignissen, aber nicht unbedingt nur dann, waren
zahlreiche
Haushalte auf die Hilfsangebote der städtischen, kirchlichen und
privaten
Armenhilfe angewiesen. Wirtschaftliche Hilfe konnte auch in Form
von günstigen
Getreideverkäufen des Adels erfolgen, der sich immer auch zur
Fürsorge für
seine Untersassen verpflichtet fühlte. Insbesondere hing der
wirtschaftliche
Erfolg eines jeden jedoch von der Möglichkeit ab, Arbeit zu finden
und zu
behalten.
In ihrer Begrüßung stellte die Bürgermeisterin von Kalkar, Britta
Schulz, die
auffälligen Parallelen zwischen einzelnen mittelalterlichen
Seuchen und
Katastrophen, die auch das Niederrheingebiet betrafen, sowie der
andauernden
Pandemie und den Hochwasser-Ereignissen des Jahrs 2021 heraus,
woran HEIKE
HAWICKS (Heidelberg) inhaltlich mit ihrem Vortrag unmittelbar
anschließen
konnte. Sie betonte Parallelen zwischen den aktuellen Ereignissen
und denen der
Römerzeit, auch des 19. und 20. Jahrhunderts, vor allem aber den
Katastrophen
des 14. Jahrhunderts. Mithilfe naturwissenschaftlicher Methoden
ließen sich
Parallelen in der Großwetterlage – mit Extremhochwassern und
aufeinanderfolgenden Zyklonen – feststellen sowie die damaligen
Hochwasserstände berechnen. Im 14. Jahrhundert folgten zahlreiche
Katastrophen
teils rasch aufeinander: Der Pest, die 1349 das Niederrheingebiet
erreichte,
waren durch Nässe und Heuschreckenplagen verursachte Hungersnöte
in den
1310er-Jahren vorausgegangen, als deren Folge Xantener Quellen
steigende Preise
und eine Zunahme von Hausverkäufen vermerkten. 1342 brachte die
sogenannte
Magdalenenflut, benannt nach dem Festtag der heiligen Magdalena am
22. Juli,
die das Hochwasser von 2021 im selben Monat noch weit übertraf,
besonders am
Niederrhein große Zerstörung; sie ist in den Quellen präsenter als
andere
Unwetter. Interessant ist der Befund, dass dieses Hochwasser – wie
auch ein
weiteres im Jahr 1374 und die Pest von 1349 – sich auf die
Xantener
Urkundenproduktion auswirkten, die monatelang aussetzte. Weitere
Reaktionen
lassen die Quellen erkennen, etwa die vermehrte Stiftung von
Altären, die
Durchführung von Prozessionen, Bemühungen um den Verkauf
hochwassergeschädigter
Grundstücke an das Xantener Stift oder um den Erwerb von
Ländereien, die vom
Wasser entfernt lagen.
MARTIN W. ROELEN (Wesel) und MONIKA GUSSONE (Mannheim) widmeten
sich mit
unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten der Armenfürsorge in
Wesel und
Kalkar. So war es Roelens Anliegen, die Vielfalt der erhaltenen
Quellen
herauszustellen, die zur Erforschung der Armenpflege in Wesel, der
größten
Stadt des Herzogtums Kleve, herangezogen werden können, und zu
zeigen, welche
Arten von Informationen darin zu finden sind. Obwohl der größte
Teil des
Verwaltungsschriftguts bald kassiert und nicht überliefert worden
sein dürfte,
weisen beispielsweise bereits die als Teil der Stadtrechnungen
überlieferten
Steuerlisten des 14. Jahrhunderts einige wenige Personen als arm
aus, und
Listen mit geforderten Zahlungen für die Ummauerung der
Mathenavorstadt zeigen,
wer nicht zahlungsfähig (oder -willig) war. Die Stadt, in deren
Zuständigkeit
die Armenversorgung hauptsächlich fiel, war gut über die Zahl der
verschämten
Armen oder Hausarmen informiert. Neben der städtischen Verwaltung,
den
Hospitälern für Fremde (Johannishospital) und Einwohner
(Heilig-Geist-Spital)
und den Pfarrkirchen waren aber auch Bruderschaften in die
Armenpflege
involviert. Seit den 1440er-Jahren nahm die Zahl der privaten
Armenstiftungen
zu, die meist lange bestanden und teils noch heute existieren.
Gestiftete
Wohnungen für die Hausarmen wie auch feste Spendentermine oder
Pflegeschwestern
lassen insgesamt eine gute Kenntnis der Stifter über die
Armenversorgung in der
Praxis erkennen. Solche Stiftungen, dies lässt sich für Wesel wie
für Kalkar
sagen, stellten Lebensmittel, Kleidung, Brennstoff und auch
anderes zur
Verfügung und scheinen nicht selten auf diese Weise erkannte
Mängel
ausgeglichen zu haben. Die Struktur der Weseler Armenversorgung
wurde durch die
Reformation stark verändert, während sie in Kalkar im Wesentlichen
unverändert
blieb.
Monika Gussone konzentrierte sich auf die finanziellen,
administrativen und
rechtlichen Aspekte der Armenfürsorge in der – nach
mittelalterlichen Maßstäben
– knapp mittelgroßen Stadt Kalkar während des 15. und beginnenden
16.
Jahrhunderts. Zum städtischen Hospital, das ursprünglich Reisende,
Pilger,
Kranke und Alte gemeinsam versorgt hatte, kamen bis ca. 1500 drei
weitere
Einrichtungen hinzu: ein Melatenhaus und zwei Armenhöfe. Auch in
Kalkar ließ
sich also die auch anderswo zu beobachtende Spezialisierung in der
Versorgung
Bedürftiger erkennen. Obwohl die beiden Armenhöfe, in denen nur
nach bestimmten
Kriterien ausgewählte Hausarme Aufnahme fanden, zunächst private
Stiftungen
waren, unterstanden auch sie bald den Kalkarer Armenprovisoren,
die außerdem
auch für die restlichen städtischen Armen zuständig waren. Die
Armenversorgung
finanzierte sich zu einem großen Teil aus gestifteten und
selbsterworbenen
Renteneinkünften, daneben aber auch aus Pachteinnahmen von den
Besitzungen der
„Armen“. Regelmäßige Zahlungseingänge mussten angestrebt und
Ausfälle möglichst
vermieden werden. Entsprechend deutlich lässt die Armenordnung aus
dem Jahr
1443 erkennen, dass im Bereich der Armenfürsorge Großzügigkeit den
eigenen Schuldnern
gegenüber im Normalfall nicht möglich war und ausstehende Beträge
nachdrücklich
eingefordert werden mussten.
Der Vortrag von JULIA EXARCHOS (Aachen) musste krankheitsbedingt
ausfallen,
soll aber, wie auch die anderen Beiträge der Tagung, in einem
Sammelband
veröffentlicht werden. Ihr Beitrag behandelt die Integration der
unteren
sozialen Schichten in die spätmittelalterliche und
frühneuzeitliche Wirtschaft.
Im Zentrum steht dabei die Frage, wie diese Gruppen ihr Auskommen
sichern und
auf welche Strukturen und Mittelspersonen sie zurückgreifen
konnten. Anhand der
Organisation von Pfändungen und Handelsgeschäften geht der Beitrag
der
Vielfältigkeit der Organisationsformen und Strukturen, in denen
sich die
unteren sozialen Schichten bewegten, in den Städten Köln, Kalkar,
Wesel und
Dinslaken nach. Auf der Basis von primär normativen Quellen wie
Verordnungen
und Edikten, aber auch von Testamenten und Akten des Handels zeigt
der
Vergleich der Städte eine Diversität in der Organisation von
Pfändungen und der
Vermittlung und Kontrolle von Handelsgeschäften. Während in Köln
und auch in
anderen größeren Städten des Reichs bestellte Experten und
Expertinnen, die Keuffer
oder Keufferschen, bei Pfändungen hinzugezogen wurden,
sind diese für
Kalkar, Wesel und Dinslaken nicht belegt. In den drei
niederrheinischen Städten
übernahmen andere Gruppen oder Personen diese Aufgaben – ein
ähnlicher Befund
wie bei Handelsgeschäften –, was den Ablauf der Pfändungen jedoch
nicht weniger
effektiv werden ließ.
FRIEDERIKE SCHOLTEN-BUSCHHOFF (Münster/Möhnesee) befasste sich,
ausgehend von
Rechnungsschriftgut, das sie durch Informationen aus
Korrespondenzen,
Protokollen, Tagebüchern und weiterem Quellenmaterial ergänzte,
mit
verschiedenen Fragen zum adligen Wirtschaften, insbesondere am
Beispiel der
Freiherren von Loë auf Schloss Wissen in Weeze, deren Einkünfte zu
mehr als 50
Prozent aus Getreide erwirtschaftet wurden. Unter Anwendung
quantitativer
Methoden – da adlige Rittergüter komplexe wirtschaftliche
Einheiten waren –
sprach sie die Fragen nach einem speziellen adligen
Wirtschaftsstil, den
Beziehungen des Adels zum Markt, seinem Spekulationsverhalten und
seinem
Beitrag zur Marktintegration an. Schwerpunktmäßig untersuchte der
Vortrag, wie
sich der Adel in wirtschaftlicher Hinsicht den Untersassen
gegenüber verhielt
und wo er sich zwischen den Polen Gewinnmaximierung und
Fürsorgeverpflichtung
positionierte. Auf dem Land waren, anders als in der Stadt, wo es
Märkte und
zentrale Vorratseinrichtungen für Notzeiten gab, die adligen Güter
mit ihren
Speichern Anlaufstellen für den Kauf von Getreide. Selbst in
stadtnahen
Herrschaften mit guter Marktanbindung überwog der Verkauf von
Getreide am
Schlosstor an die Bevölkerung der näheren Umgebung an bis zu drei
angekündigten
Terminen pro Jahr zu durchweg deutlich geringeren als den gängigen
Marktpreisen. Hierin wie auch in Pachtstundungen oder in
kostenlosen
Getreideabgaben an Arme zeigte sich, dass die Fürsorgepflicht
höher gewertet
wurde als das Streben nach maximalem Gewinn.
HIRAM KÜMPER (Mannheim) behandelte das Thema Schulden aus einer
rechtlichen
Perspektive. Er bezog sich insbesondere auf die entsprechenden
Regelungen im
Sachsenspiegel, dem im Mittelalter weitverbreiteten und immer
wieder ergänzten
Rechtsbuch Eike von Repgows, und stellte auf diese Weise eine
Verbindung
zwischen dem oben erwähnten DFG-Projekt und dem Tagungsort her,
dessen Archiv
über eine verkürzte und redaktionell bearbeitete Fassung des
Sachsenspiegels
verfügt – höchstwahrscheinlich bereits seit dem 15. Jahrhundert.
Für das Thema
der Tagung war vor allem die Erkenntnis zentral, dass sich mit der
Urbanisierung und der Trennung von Land- und Stadtrecht das
Schuldrecht
überhaupt erst langsam aus dem Strafrecht heraus zu einem
eigenständigen
Rechtsgebiet entwickelte. Erst seit dem 12. Jahrhundert bildete
sich in den
Städten ein Schuldrecht aus, da Handelstätigkeit zugleich
Kreditbeziehungen und
zunehmendes Gewerbe vertraglich regulierte Arbeit nach sich zogen,
sodass
Rechtsgrundlagen und geregelte Verfahrensabläufe benötigt wurden.
Der
Sachsenspiegel mit seinem noch wenig entwickelten, aber bereits
als
eigenständig erkennbaren Schuldrecht lasse den Wandlungsprozess
erkennen, da er
sowohl alte Formen der Selbsthilfe als auch neue Verfahren des
entstehenden
Schuldrechts aufführe, etwa das Verfahren des sogenannten
Einlagers, bei dem
ein Schuldner, oft mit Begleitern und Pferden, im Fall von
Zahlungsverzug in
ein Gasthaus ziehen, dort bis zur Schuldbegleichung wohnen und die
Kosten für
den Aufenthalt tragen musste.
Die Tagung konnte angesichts des engen Zeitrahmens und der
überschaubaren Zahl
an Referent:innen nur einen Einblick in die Lebenssituation und
die
Unterstützungsangebote im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit am
Niederrhein
bieten. Es ist jedoch zu wünschen, dass Anknüpfungspunkte für
weitere
Untersuchungen und Anregungen zur näheren Beschäftigung mit der
Thematik,
speziell auch mit Bezug zum Niederrhein, gegeben werden konnten.
Konferenzübersicht:
Sektion I
Moderation: Monika Gussone (Mannheim)
Monika Gussone (Mannheim): Begrüßung und Einführung
Britta Schulz (Bürgermeisterin von Kalkar): Begrüßung
Heike Hawicks (Heidelberg): Magdalenenflut und Schwarzer Tod am
Niederrhein.
Krisen, Katastrophen, Krankheiten und ihre wirtschaftlichen Folgen
im 14.
Jahrhundert
Sektion II
Moderation: Ingo Runde (Heidelberg)
Martin W. Roelen (Wesel): Sozialfürsorge im mittelalterlichen und
frühneuzeitlichen Wesel (1300–1530) – die Quellenlage
Monika Gussone (Mannheim): Finanzierung und Organisation der
Armenversorgung im
spätmittelalterlichen Kalkar
Sektion III
Moderation: Hiram Kümper (Mannheim)
Julia Exarchos (Aachen): Arbeit, Armut und Integration. Die
wirtschaftliche
Einbindung der arbeitenden Armen im spätmittelalterlichen
Rheinland
Friederike Scholten-Buschhoff (Münster/Möhnesee): Zwischen
Paternalismus und
Gewinnmaximierung. Adelige Gutsbesitzer als Getreideverkäufer
Abendvortrag
Hiram Kümper (Mannheim): Einblick in die Ausstandsgesellschaft.
Schulden im
Kalkarer Sachsenspiegel und anderen mittelalterlichen
Rechtsaufzeichnungen
Zitation
Tagungsbericht: Leben und Überleben am Niederrhein im
Spätmittelalter und in
der Frühen Neuzeit, 10.12.2021 Kalkar, in: H-Soz-Kult, 25.04.2022,
<www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-9394>.
Date: 2022/05/02 17:23:50
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten Abend, |
Date: 2022/05/04 13:34:13
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Liebe Freundinnen und Freunde der Familienforschung,
die Genealogisch-heraldische Arbeitsgemeinschaft
Roland zu Dortmund e. V. möchte Sie sehr herzlich zu ihrer
folgenden Online-Veranstaltung auf der Webmeeting-Plattform ZOOM
einladen:
Roland-Online-Vortragsabend
PEEK & CLOPPENBURG - ZWEI KAUFLEUTE AUS
SÜDOLDENBURG GRÜNDEN IN DEN NIEDERLANDEN EINE TEXTILHAUS-KETTE
mit Lothar Grafe
am Dienstag, dem 10. Mai 2022 um 19.00 Uhr auf ZOOM!
Einladung mit Teilnahmemöglichkeit:
Wir vom Roland zu Dortmund würden uns sehr freuen,
Sie zu dieser Online-Veranstaltung auf ZOOM begrüßen zu dürfen.
Der Einlass in den ZOOM-Meeting-Raum beginnt um
18.30 Uhr.
Freundliche Grüße
Georg Palmüller
Genealogisch-heraldische
Arbeitsgemeinschaft
ROLAND ZU DORTMUND e. V.
Beauftragter
Roland-Öffentlichkeitsarbeit
Postfach 10 33 41
44033 Dortmund
Homepage: www.roland-zu-dortmund.de
Facebook: www.facebook.com/RolandZuDortmund
|
Date: 2022/05/10 12:57:58
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Salve,
ich bin in der Saarbrücker Zeitung über den Nachruf von Oliver
Schwambach auf
Dr. Dieter Staerk gestoßen, der am 15. März 2022 gestorben ist.
Manchem von Ihnen wird er durch sein Buch „Die Wüstungen des
Saarlandes“
bekannt sein, das - wenn auch in die Jahre gekommen - immer noch
als das
Standardwerk zu diesem Thema gilt.
Ich habe ihn einmal getroffen, das war bei einer
Mitgliederversammlung des
historischen Vereins für die Saargegend. Dieter Bettinger hat
mich ihm
vorgestellt. Als ich mit ihm sprach, fiel mir ein, dass ich in
dem Buch über
die Wüstungen festgestellt hatte, dass seine Angaben über den
untergegangenen
Ort Spixel bei Pinsweiler nicht ganz stimmen würden. Da lachte
er laut auf und
sagte:“Das ist nicht schlimm, in dem Buch stimmt manches andere
auch nicht!“ Und
fügte einen gedankenvolles "mehr" hinzu.
Mit freundlichen Grüßen
Roland Geiger
Hier ist der Artikel aus der SZ vom 16. März 2022
Patriarch der Künste: Dieter Staerk gestorben
Sulzbach/Saarbrücken Die Kultur erfüllte sein Leben – und er
erfüllte die
Kultur. Wenige Monate vor seinem 80. Geburtstag ist jetzt der
Saarbrücker
Theatermacher und langjährige Sulzbacher Kulturamtsleiter Dieter
Staerk
gestorben.
Von Oliver
Schwambach, Mitglied der Chefredaktion/Reporterchef
Eine Zahl nur, die schon doch vieles sagt: Rund 3000 Spieler
hatte seine
„gruppe 63“ in einem halben Jahrhundert. Menschen, die Dieter
Staerk für die
Kultur, das Theater vor allem, entdeckt, gewonnen und begeistert
hat. Menschen,
die Kultur nicht nur im Saarland leben und weitertragen. Jetzt
ist dieser große
Sulzbacher und Saarbrücker Kulturmacher gestorben, wenige Monate
vor seinem 80.
Ge-
burtstag. Ein Patriarch der Künste noch vom alten Schlag. Und
obwohl das eher
kleine Sulzbach über Jahrzehnte seine Hauptbühne war, war
Staerk wohl
wirkungsmächtiger als so mancher Generalintendant oder
großstädtische
Museumsdirektor.
Sicher, man könnte den Nachruf über den langjährigen Sulzbacher
Kulturamtsleiter auch mit Worten über einen unglaublichen
Sturkopf einleiten,
der sich – meist erfolgreich – gegen fast jeden durchsetzte,
wenn es denn
um die Kultur ging. Manchen wohl auch zur Weißglut trieb. Doch
für die Kultur
waren es goldene Jahre von 1978 bis 2007 in Sulzbach.
Dass etwa die alte Bergbau-Stadt heute noch ihr Wahrzeichen hat,
das
historische Salzbrunnen-Ensemble nämlich, ist wesentlich ihm zu
verdanken.
Staerk machte sich stark dafür (wo passte das Wortspiel besser),
dass keine
Planierraupe anrückte, um Platz zu machen für ein Parkhaus.
Heute ist das
Ensemble der Stolz der Sulzbacher.
Dem promovierten Historiker war dieser Einsatz
selbstverständlich. Der
gebürtige Saarbrücker („Ich bin e Mòòlschder Doodschläer“,
sagte er gern)
wusste einfach, wie bedeutsam Heimatgeschichte für Menschen sein
kann. Ob nun
Stein auf Stein gebaut oder aufgeschrieben. Große Orts-Chroniken
über
Quierschied und Sulzbach hat Staerk mit verfasst, kiloschwere
Brocken, die nach
wie vor ein Fundus der Regionalgeschichte sind. Bleibende Werte.
Sein
Saarland-Buch hat sogar ein halbes Dutzend Auflagen geschafft.
Staerk, der auch Germanistik und Geographie studiert hat,
organisierte
Veranstaltungen, Ausstellungen und Lesungen, stürzte sich
überdies in diverse
Ehrenämter, engagierte sich etwa im Präsidium des Bundes
Deutscher
Amateurtheater und wälzte bis in die Nacht hinein in seiner mit
über 7000
Büchern bestückten Saarbrücker Wohnung Bände, schrieb Aufsätze
und an Stücken.
Beruf, Berufung und Privates wurden da eins. Nicht jeder seiner
Mitstreiter konnte und wollte dieses Tempo mitgehen. Und auch er
selbst musste
in den letzten Jahren diesem ständigen Parforceritt Tribut
zollen.
Lohn freilich war, das Sulzbach kulturell glänzte: Mit den
Amateurtheatertagen,
zu denen Staerk in den 1990ern Ensembles aus halb Europa holte;
das spornte
dann auch hiesige Bühnenfans zu Höchstleistungen an. Über 160
Ausstellungen für
Fotografie und Bildende Kunst hat er zudem organisiert, zig
Lesungen
veranstaltet. Da brachte Dieter Staerk auch manchmal Autoren
zusammen, die
partout nicht zusammen passten. Aber er hatte auch dieses Gespür
für Talente.
Eine gewisse Deana Zinßmeister las schon bei ihm, als noch
niemand in ihr die
Bestsellerautorin erahnte. Viele hat er so gefördert.
Nichts war ihm aber so Herzenssache wie das (Amateur-)Theater,
vor allem seine
„gruppe 63“ mit ihrem „Tempel“ (eine ehemalige Leichenhalle) am
Echelmeyerpark.
Zu Beginn selbst Akteur, dann als Regisseur, als Dramaturg, als
Organisator
adelte er das vermeintliche Laienspiel. Auch das große
Welttheater traute er
sich, traute er seinen Mitspielern zu. Wen überrascht es da
noch, dass zum
Beispiel auch der heutige Berliner „Tatort“-Kommissar Mark
Waschke als
Steppke in der „gruppe 63“ spielte. Auch der heutige Sulzbacher
Bürgermeister Michael Adam (CDU) hat als 63er viel für das
Schauspiel Politik
gelernt. „Dr. Dieter Staerk prägte das kulturelle Leben mit
seinem
Engagement wesentlich, nicht nur in Sulzbach, sondern weit über
die Grenzen des
Saarlandes hinaus. Seine besondere Leidenschaft galt beruflich
wie auch privat
der Historie und dem Theater“, würdigt Adam nun seinen Regisseur
von einst.
Date: 2022/05/14 22:01:08
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten Abend,
Und so kenne ich es auch aus Akten, z.B. dem Akt von Notar Schneider aus St. Wendel, Nr. 10017 vom 08.07.1889: Da geht es um das „Concursverfahren über das Vermögen von Jacob Thome, Zimmermeister in St. Wendel.“ Die dazugehörige Immobilienversteigerung fand „am Montag, 8. Juli 1889, in dem Wirthslocale "Zum roten Hause" zu St. Wendel statt.“
Am 12.06.1897 verkaufen die Erben Riegel an Hermann Riegel sowohl das Gasthaus Tivoli in der heutigen Kelsweilerstraße als auch „Flur 6 Nr. 540/436, 442, 835/435, Wohnhaus, rothes Haus, mit Hintergebäude, Stallung, nebst Hofraum“.
In C2.108 bittet der Wirt Hermann Riegel zu St. Wendel um Ertheilung der Erlaubnis, den Pensionär Wendel Lion in seiner Wirtschaft zum "Roten Haus" als Zäpfer beschäftigen zu durfen pp.
Aber das sind natürlich alles alte Kamellen.
Bin auf das Buch gespannt.
Roland Geiger
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Heute in der Saarbrücker Zeitung, C3: |
Date: 2022/05/16 00:15:57
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
am Samstag in der Saarbrücker Zeitung:
Sensationelle Wende im Tholeyer
Denkmalstreit – doch der
Ärger um die Abtei geht weiter
Die Gerhard-Richter-Fenster brachten der Abtei Tholey 2020 viel
Glanz, der
davon ablenkte, dass sich der Orden in einen Grundsatz-Konflikt
mit dem Denkmalschutz
verbissen hatte. Der Streit, der bundesweit für Aufsehen sorgte,
ist jetzt
vorbei. Doch es wartet schon das nächste Problem.
Von Cathrin
Elss-Seringhaus, Reporterin
Eigentlich ist es eine frohe Botschaft, die in die Welt gehört:
Der seit 2019
immer wieder neu befeuerte Denkmalstreit um das Nordportal
zwischen der
Ordensgemeinschaft Tholey und dem Landesdenkmalamt ist
beigelegt. Dies
bestätigt sowohl der Leiter der Behörde Georg Breitner wie auch
Abt Mauritius
Choriol der SZ – zunächst mündlich. In einem schriftlichen
Statement der Abtei
klingt das so: „Die Abtei hat sich im vergangenen Jahr
entschlossen, gemeinsam,
konstruktiv und ergebnisoffen mit der Behörde konsensual eine
Lösung für das
Nordportal zu suchen, die sowohl religiöse als auch
konservatorische
beziehungsweise denkmalpflegerische und kulturelle Belange, aber
auch die
Verkehrssicherheit hinreichend berücksichtigt.“ Aber warum?
Schließlich wurde über
mehr als zwei Jahre hinweg mit ungewöhnlich harten Bandagen
gekämpft, es ging
um Grundsatzpositionen. Der Denkmalschutz verteidigte seine
Autorität und sein
Durchgriffsrecht gegen eigenmächtiges Handeln, der Orden berief
sich auf
grundrechtlich geschützte „religiöse Belange“, um eigene
Gestaltungs-Vorstellungen durchzusetzen.Klarer gesagt: Der Orden
wollte
bestimmen, was an Substanzerhalt erfolgt.
„Denkmalfrevel“ an einem
frühgotischen
Denkmal
Und er handelte danach. 2019 ließen die Benediktiner ohne
Genehmigung der
Denkmalschutzbehörde, die über Jahre die gesamte Sanierung der
Abtei betreut
hatte, verwitterte Rundbögen über dem Nordportal entfernen, die
aus dem 13.
Jahrhundert stammen. Der Ersatz durch ein bereits gefertigtes
neues Portal
wurde damit begründet, dass Glaubens-Botschaften „lesbar“ sein
müssten, die
verwitterte Figurengruppe des alten Portals dies aber nicht mehr
leiste, zudem
sei es baufällig. Die Denkmalbehörde schritt harsch ein, und der
imageschädigende Begriff des „Denkmalfrevels“ rauschte in
Zusammenhang mit
Tholey und der Katholischen Kirche bundesweit durch Feuilletons
und
Fachzeitschriften.
Konflikt wurde ein
Politikum
Schnell erreichte der Konflikt auch den Tholeyer
Bürgermeister, den
Landrat, den Kulturausschuss im Landtag und schließlich sogar
den damaligen
Ministerpräsidenten Tobias Hans (CDU), hineingezogen wurde aber
auch die
Unternehmerfamilie Meiser aus Illingen, die als Mäzen die
Sanierung des
ältesten Klosters Deutschlands überhaupt erst ermöglicht hatte.
Die Millionen schweren
Maßnahmen liefen zwischen 2008 und 2020 und sind weitgehend
abgeschlossen.
Mittlerweile hat sich die Familie Meiser aber als Finanzier
zurückgezogen, das
bestätigt der Orden auf SZ-Nachfrage. Ursächlich habe der
Rückzug nicht mit dem
Portal zu tun, heißt es. Abt Choriol und auch der Abtei-Sprecher
Pater
Wendelinus betonen mehrfach, wie „unendlich dankbar“ man der
Unternehmerfamilie
sei. Letzere gab bis Donnerstagnachmittag keine Auskunft über
die Trennung vom
Projekt Tholey trotz einer Anfrage.
Dem Orden fehlt jetzt der
Geldgeber
Zweifelsohne handelt es sich um eine Zäsur, und mutmaßlich
spielt dabei
auch der Denkmalstreit eine Rolle. Denn der heute 90-jährige
Senior der Firma,
Edmund Meiser, gilt als hartnäckiger Kämpfer für die Erneuerung
des Portals und
mischte sich 2020 auch öffentlich ein: Er nannte das
Landesdenkmalamt eine
„Verhinderungsbehörde“. Der Konflikt eskalierte – und irgendwann
zog dann Abt
Mauritius Choriol die Reißleine. „Wir wollten das so nicht
mehr“, sagt er der
SZ. „Wir haben entschieden, wir gewinnen wieder unsere
Autonomie.“ Der
Abteisprecher Pater Wendelinus sieht das Ganze als einen
„Abwägungsprozess“:
„Die negativen Geschichten verdunkelten den ungetrübten Blick
auf das
Erreichte.“ Das habe man erkannt und sich für den Konsens
entschieden. Hat
dabei die oberste rechtliche Instanz des Ordens mitgewirkt? Es
ist laut Pater
Wendelinus der Abtpräses der Beuroner Kongregation. Mit ihm habe
man sich
„beraten“, es sei keine Anweisung erfolgt. Der Abtpräses habe
davon gesprochen,
der „Freude“ Vorrang vor dem Streit zu geben. Im Klartext: Die
Tholeyer fanden
mit ihrer Berufung auf religiöse Belange keinen Widerhall, die
Kirche sah diese
Argumentation kritisch.
All dies muss Engelsgesang in den Ohren des obersten
saarländischen Denkmalschützers
Breitner sein. Er zieht als Sieger vom Feld, pflegt jedoch eine
behutsame
Sprache: „Diese sehr vernünftige Lösung begrüße ich
außerordentlich. Der
Eigentümer hatte einen Irrweg beschritten, und zusammen wollen
wir jetzt den
Rettungsweg für das Denkmal finden.“ Breitner sieht sich in
seiner moderaten
Strategie bestätigt, Kompromisslösungen anzusteuern, statt
sofort eine
juristische Totalkonfrontation zu wagen, etwa eine
Instandsetzungsverfügung zu
erwirken. Zugleich möchte er dem
„Friedefreudeeierkuchen“-Eindruck
entgegenwirken: Tholey habe bundesweit als Referenzfall
Aufmerksamkeit erregt.
Bei einem „Sieg“ der Abtei hätte die Kirche mit der Berufung auf
Glaubens-Aspekte jedwede Art von Willkür-Handeln in Bezug auf
kirchliche
Denkmäler legitimieren können. Nun aber sind nach Breitners
Ansicht religiöse
Belange generell kein Thema mehr. Das nütze auch hierzulande dem
Denkmalschutz.
Die saarländische Behörde steht glänzend da – und hat sofort das
nächste
Problem vor der Brust. Denn jetzt geht es darum, eine technische
Lösung für den
Rück-Einbau des Portals zu finden, das voraussichtlich nicht
mehr
verkehrssicher ist und eines Schutz-Vorbaus bedarf, um nicht
weiter zu
zerfallen. Das wird kosten, wie viel, ist noch offen. Klar ist
jedoch jetzt
schon, dass neue finanzielle Ressourcen für diese
Sanierungsmaßnahme aufgetan
werden müssen. Denn der Eigentümer, der Tholeyer Orden, hat
seine Geldquelle
verloren. Mit Hinweis auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit
ging schon so
manches Denkmal vor Gericht verloren. Doch die Mauritiuskirche
wurde
willentlich beschädigt. Verfahrensrechtlich wartet ein komplexer
Fall, die
nächste Baustelle Tholey.
Rabiater Eingriff in das
Tholeyer
Abtei-Denkmal – kein Kavaliersdelikt der Mönche
Meinung
Von Cathrin
Elss-Seringhaus, Reporterin
Der Konflikt ist vorerst beigelegt. Sieger und Verlierer sind
schwierige
Kategorien, wenn es um Denkmalschutz geht. Im Tholeyer Streit um
das Nordportal
der Abtei muss man andere Maßstäbe anlegen.
Mutmaßlich war es eine übergeordnete kirchliche Instanz, die das
Einlenken der
Tholeyer Benediktiner ausgelöst hat. Eine längst fällige
Entscheidung, denn der
verbissene Denkmal-Streit passte so gar nicht ins strahlende
Bild einer
rundumsanierten Abtei Tholey, die sich dank der Gerhard-
Richter-Fenster als
ein touristischer „Ort der Weltkunst“ profilieren wollte.
Deshalb wäre der
Orden sowieso nie als „Sieger“ vom Konflikt-Feld gezogen. Selbst
wenn vieles
dafür sprach, den „Schandfleck“ am Eingang zu entfernen, war
dieses Vorgehen
nun mal kein mit Naivität zu entschuldigendes Kavaliersdelikt,
sondern ein
rabiater, ja dreister Eingriff. Denn der Orden kannte durch den
jahrelangen
Sanierungsprozess die strengen Regeln des Denkmalschutzes. Ein
zu hartes
Urteil? Ja, wenn man konzediert, welch‘ eine „weltliche“
Überforderung das
Gesamtprojekt Abtei-Erneuerung für die zwölfköpfige
Mönch-Gemeinschaft
darstellen musste.
Nein, wenn man die Kirche als Institution nimmt. Wenn sie als
großer
Traditionswahrer eigene Denkmäler behandelt als wären sie
Ikea-Regale, dann
muss Tacheles geredet werden. So geschehen auch in Berlin, wo
2019 um die Sankt
Hedwig Kathedrale mit ähnlichen Grundsatz-Argumenten gefochten
wurde wie in
Tholey um das Nordportal. Es geht beim Denkmalschutz eben nur
selten um
Einzel-, sondern um Präzedenzfälle, weshalb die
Auseinandersetzungen auf
Außenstehende oft so rechthaberisch wirken.
Wobei man dem Leiter der saarländischen Denkmalschutzbehörde
Georg Breitner ein
Kompliment machen muss. Er behielt über all‘ die Zeit die
Dialogbereitschaft
aufrecht und einen bewundernswert verbindlichen Ton bei. Das kam
auch der
Familie Meiser zu Gute, die sich trotz immenser Geldgaben in
manchen Medien
unverhofft in der Rolle des Bösewichts wiederfand, der den Orden
angeblich
fernsteuerte und den Konflikt anheizte. Offensiv dagegen an ging
der Mäzen nie.
Traurig, wie er sich dadurch um das höchstverdiente öffentliche
Lob bringt.
Date: 2022/05/16 10:05:18
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
heute in der SZ: Vortrag über die Rolle Carl Juchs bei den St.
Wendeler
Unruhen von 1832 : Wurde geistiger Reichtum zum Fallstrick? Von Evelyn Schneider |
Date: 2022/05/17 08:23:31
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten Morgen, |
Date: 2022/05/17 10:12:29
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten Morgen, |
Date: 2022/05/18 08:43:55
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Vortrag zum Thema „BRAUCHTUM UND ABERGLAUBE“ Der Referent des Abends, Gunter Altenkirch, zählt wohl zu den bekanntesten und kompetentesten Volkskundlern des Saarlandes. In seiner Heimat Rubenheim, einem Ortsteil von Gersheim, hat er in einem Bauernhaus aus dem 18. lahrhundert ein „Museum für dörfliche Altagskultur und des saarländischen Aberglaubens" aufgebaut; in dem er etwa 30.000 Exponate aus diesem Wissensbereich ausstellt. Heute stellt er einige dieser Belegstücke vor, mittels denen er noch heute vorhandenen Aberglauben und praktiziertes Brauchtum beweist.
Dienstag, 24. Mai 2022 19 Uhr im Cusanus-Haus, St. Wendel, am Fruchtmarkt Der Eintritt ist frei |
Date: 2022/05/18 08:46:29
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Dienstag,
21. Juni Über die Anfänge jüdischen Lebens in Deutschland ist wenig Sicheres bekannt. Immerhin wissen wir aus einem Dokument des römischen Kaisers Konstantin für das Jahr 321 von einer jüdischen Gemeinde in Köln, die damals schon längere Zeit bestanden haben muss. Juden kamen wohl mit den römischen Soldaten nach Deutschland. Sie ließen sich an wichtigen Handelsstraßen nieder. Neben Köln, das wohl eine kontinuierliche jüdische Präsenz durch die Jahrhunderte aufweist, gehören Metz und Trier zu den frühesten jüdischen Gemeinden. Doch in der bald darauf einsetzenden Völkerwanderung verlieren sich weitgehend alle weiteren Spuren. Erst im 9. Jahrhundert mehren sich wieder die Hinweise. Unter Karl dem Großen wird das Gebiet um Mosel, Rhein und Maas zu einem Wirtschaftszentrum ersten Ranges. Das Rheinland entwickelte sich ab dem 10. Jahrhundert allmählich zum Zentrum des gesamten Weltjudentums, die Städte Speyer, Worms und Mainz, wurden Zentren höchster jüdischer Gelehrsamkeit und blühenden jüdischen Lebens. 19 Uhr im Cusanus-Haus, St. Wendel, am Fruchtmarkt Der Eintritt ist frei |
Date: 2022/05/18 08:59:51
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Wurde geistiger Reichtum zum Fallstrick? Vortrag über die Rolle des evangelischen
Pfarrers Carl Juch
bei den St. Wendeler Unruhen von 1832 Im Gefolge der nach St. Wendel verbannten
Herzogin Luise,
damals noch Ehefrau des Herzogs Ernst von Sachsen-Coburg, kam 1824
der
23-jährige Hofprediger Carl Juch nach St. Wendel. Er wurde
Konrektor am
Herzoglichen Lyzeum und zugleich erster Pfarrer der Stadt, in der
zu diesem
Zeitpunkt gerade einmal 41 evangelische Seelen lebten. 1831 gründete er mit anderen Gelehrten einen
politischen
Stammtisch und geriet so ins Fadenkreuz der Ermittler der St.
Wendeler Unruhen
im Jahr darauf. Gerhard Koepke, früher Pfarrer von St. Wendel
und später
Superintendent der ev. Kirche, erzählt uns seine interessante und
teilweise tragische
Geschichte in einem Vortrag mit zahlreichen Bildern und
Dokumenten.
Dienstag, 29. Juli 2022, 17.30 Uhr im Lesesaal des Landesarchiv Saarbrücken-Scheidt im Rahmen der Monatstreffen der
Arbeitsgemeinschaft für Saarländische Familienforschung
(ASF) Der Eintritt ist frei. Gäste sind uns stets
willkommen.
|
Date: 2022/05/18 09:03:00
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Am 18.05.2022 um 08:59 schrieb Roland
Geiger:
-- Mit freundlichen Grüßen Roland Geiger -------------------- Roland Geiger Historische Forschung Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel Tel. 06851-3166 email alsfassen(a)web.de www.hfrg.de |
Date: 2022/05/22 18:59:18
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Florian Steger:
Antike Medizin. Einführung und Quellensammlung
Erschienen Stuttgart 2021: Anton
Hiersemann |
Date: 2022/05/23 13:05:28
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Salve, da bin ich einem Satzfehler aufgesessen - der Vortrag war schon am 10. Mai. Ich hab das in der Schautafel am Dom fotografiert. Dort stand: Dienstag, 10. Mai (dann kam der Text. Darunter stand) Dienstag, 24. Mai Dann war die Seite zuende. Tatsächlich gehört der 24. Mai auf die nächste Seite oben drüber. Also gibts morgen keinen Vortrag über Brauchtum und Co Ergebenst Roland Geiger Am 18.05.2022 um 08:43 schrieb Roland
Geiger:
-- Mit freundlichen Grüßen Roland Geiger -------------------- Roland Geiger Historische Forschung Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel Tel. 06851-3166 email alsfassen(a)web.de www.hfrg.de |
Date: 2022/05/24 22:55:06
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Die St. Wendeler Wählerlisten von 1919 als
Quelle zur weiblichen
Sozialgeschichte |
Date: 2022/05/24 23:07:48
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Kartensammlung
Hellwig online
|
Date: 2022/05/28 09:15:46
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
gefunden in der Saarbrücker Zeitung vom 22. Mai 2022:
Als Friedhöfe nur
für Christen waren
Von Fredy Dittgen
Der „Heidenfriedhof“ im Heusweiler Ortsteil
Wahlschied ist
einzigartig im deutschsprachigen Raum, vielleicht in ganz
Mitteleuropa. 85
Jahre lang war er in Vergessenheit geraten, ehe er im
ehrenamtlichen Einsatz
von Bürgerinnen und Bürgern aus Wahlschied, Kutzhof, Köllerbach
und Saarbrücken
aus seinem Dornröschenschlaf riss wieder hergestellt wurde. Am
Samstag wurde
der „Heidenfriedhof“ unter großer Anteilnahme der Bevölkerung bei
einer kleinen
feier der Öffentlichkeit übergeben.
Vor 100 Jahren – am 22. Mai 1922 genau – hatte die damals
selbstständige
Gemeinde Wahlschied, trotz Widerständen aus der Kirche, unterhalb
des
evangelischen Friedhofs einen so genannten „bürgerlichen
Begräbnisplatz“ zur
Bestattung aller „unchristlichen Toten“ angelegt. Denn zu jener
Zeit wurden
noch immer ungetaufte Kinder, Nichtchristen, Verbrecher, aus der
Kirche
ausgetretene Menschen oder solche, die ihr Leben selbst beendet
hatten, nicht
in „geweihten Erde“ kirchlicher Friedhöfe bestattet.
Der kleine Begräbnisplatz war mit einer Weißdornhecker umgrenzt,
mit der man
nicht nur Tiere, sondern auch „böse Geister“ abhalten wollte. Der
Begräbnisplatz war nur wenige Jahre in Betrieb: Die letzte
Bestattung fand 1935
statt, danach verfiel der Friedhof, der im Volksmund fälschlich
auch
„Judenfriedhof“ genannt wurde, obwohl hier nie Juden beigesetzt
worden waren.
Unter den Gästen der Feierstunde waren auch Mitglieder der Familie
von Auguste
Pörtner aus Holz, die 1930 unmittelbar nach der Geburt gestorben
war und auf
dem „Heidenfriedhof“ begraben wurde: Drei ihrer noch lebenden
Schwestern und
viele Angehörige waren zur Eröffnung des restaurierten Friedhofs
gekommen. Die
96-jährige Hilde Eberhardt, die älteste Schwester von Auguste,
schilderte im
Gespräch mit der Saarbrücker Zeitung, warum ihre Schwester nicht
auf dem
kirchlichen Friedhof bestattet worden war: „Unsere Eltern waren
aus der
katholischen Kirche ausgetreten und zur Neu-Apostolischen Kirche
gewechselt,
bevor Auguste auf die Welt kam.“ Es sei schlimm für die Familie
gewesen, dass
ihr Kind „verscharrt wurde“, man fühlte sich ausgegrenzt.
Als vor zwei Jahren der „7-Dörfer-Wanderweg“
geplant wurde, war es der Kutzhofer Martin Zewe, der den
„Heidenfriedhof“
wiederentdeckte. Zewe bat die Gemeinde Heusweiler um Hilfe bei der
Wiederherstellung und fand auch Menschen, die mitarbeiten wollten.
Daran
erinnerten im Rahmen der Feierstunde Martin Zewe, Klaus Ollinger,
Bürgermeister
Thomas Redelberger, Gemeindereferentin Ulla Kern, der Wahlschieder
Ortsvorsteher Reiner Zimmer, Isabelle Ginsbach vom saarländischen
Umweltministerium, Bischof Pascal Ströbel von der
Neu-Apostolischen Kirche und
Vertreter der Zeugen Jehovas.
Finanzielle Unterstützung in Höhe von 7900 Euro gab es vom
Umweltministerium.
Damit wurden Sachmittel angeschafft für das Roden des völlig
zugewachsenen
Areals, für das Anlegen von Grabstellen, für Wegplatten und einen
Maschendrahtzaun. Das Eingangstor wurde nach alten Plänen
restauriert, Sitzbänke
aufgestellt, eine neue Weißdornhecke und Ziersträucher gepflanzt.
Ulla Kern und Bischof Strobel erinnerten an die Zeit als, wie oben
geschildert,
manchen Verstorbenen die Bestattung auf kirchlichen Friedhöfen
verwehrt wurde
und betonten, dass sich die Zeiten geändert hätten. Den Friedhof
bezeichneten
sie als Mahnmal gegen Ausgrenzung und Diskriminierung. Musikalisch
umrahmt
wurde die Feier vom Bläserkreis der evangelischen Kirche unter
Leitung von Hans
Roth.
Kleines Buch zur Geschichte des Heidenfriedhofs Wahlschied
erschienen:
=>
https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/saarbruecken/heusweiler/heimatkunde-buch-der-heidenfriedhof-in-heusweiler-wahlschied_aid-70145731
Date: 2022/05/28 20:39:04
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
dazu gab es am vergangenen Mittwoch im
Aktuellen Bericht einen Beitrag.
Den könnt Ihr Euch in der Mediathek zu
Gemüte führen, wie ich es jetzt auch gleich tun werde.
Das ist die URL ="" https://www.sr-mediathek.de/index.php?seite=7&id=116277
Die Reportage beginnt bei 23 min 55 Sekunden
FS
Roland Geiger
Date: 2022/05/29 18:18:16
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
B. Stuchtey: Geschichte des Britischen Empire
Erschienen München 2021: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten 128 S.
Preis € 9,95
ISBN 978-3-406-76699-2
Rezensiert
für H-Soz-Kult von Gerhard Altmann, Korb
Die als Charmeoffensive in der Karibik geplante Reise von Prinz
William und
seiner Gemahlin Kate nahm im Frühjahr 2022 einen zumindest für
die britische
Öffentlichkeit überraschenden Verlauf. Anstatt der üblichen
Hochglanzfotos mit
händeschüttelnden, von dankbaren Commonwealth-Bewohnern
umringten Royals sah
das heimische Publikum ungewohnte Szenen des Protests gegen die
Nummer 2 in der
Thronfolge: William und Kate wurden als Repräsentanten eines
Systems empfangen,
das sich in der Vergangenheit auf Sklaverei und Rassismus
stützte und das
strukturelle Fortleben tiefer sozioökonomischer Disparitäten zu
legitimieren
scheint. Dass im Herbst 2021 Barbados den Wechsel von der
konstitutionellen
Monarchie zur Republik vollzog, komplettiert das Bild einer
postkolonialen
Konstellation, in der das Empire Jahrzehnte nach seiner
insgesamt – zumal aus
der Perspektive des Mutterlands – recht geräuschlosen Abwicklung
doch noch ins
Gerede kommt. Dabei trug im 19. Jahrhundert gerade eine stärkere
„royale
Sichtbarkeit“ (S. 9) wesentlich dazu bei, das weltumspannende
Imperium von
einer Art Privatunternehmen wagemutiger Abenteurer und Kaufleute
zu einem
massentauglichen Symbol des britischen Patriotismus zu machen,
wie Benedikt
Stuchtey in seiner lesenswerten Einführung verdeutlicht. Der
universelle
Charakter des ehemaligen Empire spiegelt sich daher heute in
globalen Debatten
über dessen zwiespältige Hinterlassenschaften wider.
Stuchtey unterstreicht die Wechselwirkung zwischen Kolonisierern
und
Kolonisierten, die nicht auf einfache binäre Formeln
herunterzubrechen sei.
Ohnehin sei das Empire als „Sammlung miteinander konkurrierender
Entwürfe“ (S.
17) nicht einer über alle Kontinente hinweg gültigen Blaupause
gefolgt, was, so
darf man mutmaßen, bei der teilweise ebenso planlosen
Dekolonisation von
Vorteil war, da man sich in London – geschult am ersten
Disimperialism von 1776
und anders als manche kontinentale Reiche – nicht auf Biegen und
Brechen auf
ein Hinausschieben des Unvermeidlichen versteifte. Das half den
Verantwortlichen in Großbritannien, auch beim Abschied vom
Empire ein insulares
Sonderbewusstsein gegen die Zumutungen historischer Zäsuren in
Stellung zu
bringen. Dass dieser Prozess vor Ort, wie die Eroberung und
Unterwerfung zuvor,
bisweilen von unfassbaren menschlichen Tragödien begleitet
wurde, steht
freilich auf einem anderen Blatt.
In der Frühphase der Kolonisation spielten Handelsgesellschaften
wie die Royal
African Company eine herausragende Rolle bei der überseeischen
Expansion, in
deren Verlauf London Amsterdam den Rang als Angelpunkt des
frühneuzeitlichen
Finanzkapitalismus ablief. Der atlantische Dreieckshandel, den
britische
Akteure im Windschatten protektionistischer Gesetze
perfektionierten, führte
infolge der Versklavung unzähliger Menschen in der Karibik jene
Strukturen
herbei, die in flagrantem Widerspruch zum Selbstbild eines
„polite and
commercial people“ (Paul Langford) standen und auch durch
mäzenatische
Stiftungen der Profiteure im Mutterland nicht kompensiert zu
werden vermochten.
Am Beispiel des Denkmalsturzes vom Juni 2020 in Bristol
begründet Stuchtey ohne
Umschweife sein Urteil: Der Handel mit Sklaven und wohltätiges
Engagement sind
ein „unvereinbares Paar“ (S. 39).
Auch in der Geistesgeschichte Großbritanniens hat das Empire
tiefe Spuren
hinterlassen. Das komplexe Geflecht aus kriegerischer Eroberung,
seit 1690 vor
allem im ständigen Schlagabtausch mit Frankreich, genuinem
Forscherdrang, beispielsweise
in der Südsee, und der Notwendigkeit, etwa auf dem indischen
Subkontinent
unterschiedliche Legitimationsbedürfnisse zu befriedigen,
stimulierte Jeremy
Bentham und Adam Ferguson zu Reflexionen, denen Stuchtey eine
das Empire
„genuin prägende Handschrift“ (S. 52) attestiert. Die
Abschaffung der Sklaverei
1833 ist daher auch vor dem Hintergrund der intellektuellen
Vitalität
Britanniens im frühen 19. Jahrhundert zu betrachten. Stuchtey
sieht in diesem
Meilenstein einer – modern gesprochen – globalen
Menschenrechtspolitik eine
subtile Retourkutsche gegen die Vereinigten Staaten, deren
Triumph im
Unabhängigkeitskrieg durch das Festhalten an der peculiar
institution der
Sklaverei verdüstert wurde.
Aber auch nach 1833 verwandelten sich die britischen Territorien
nicht in
Pflanzstätten eines vom Geist der Gleichheit durchwehten
Humanismus. Vielmehr
verfestigte sich gerade in den Siedlerkolonien der Mythos des
zähen Pioniers,
der – weit davon entfernt, nur dem eigenen Vorteil zu frönen –
Teil einer großen
Zivilisierungsmission sei. Als sich in Kanada die Lage
dramatisch zuspitzte,
entsandte die britische Regierung Lord Durham nach Nordamerika,
um einen Ausweg
aus der Krise zu finden. Sein 1839 veröffentlichter Bericht
avancierte zu einer
„Art Magna Carta der Reformfähigkeit des Empire“ (S. 66), die
obendrein dem
Wunsch Londons nach einem Empire on the cheap ebenso Rechnung
trug wie, in der
östlichen Hemisphäre, die gewaltsame Öffnung Chinas für den
Handel mit
Großbritannien. Beide Ereignisse werfen mithin ein Schlaglicht
auf die
Entwicklung des Empire im 19. Jahrhundert, die von
fortschreitender Expansion
und dem gleichzeitigen Bemühen um eine Verdichtung der
Herrschaft
gekennzeichnet wurde. Die glanzvolle Krönung Georgs V. zum
Kaiser von Indien
anlässlich des Delhi Durbar 1911 markierte gewissermaßen den
symbolischen
Höhepunkt des britischen Imperialismus im langen 19.
Jahrhundert.
Nach dem Ersten Weltkrieg fand sich das Empire in den Mühen der
Ebene wieder.
Kein Wunder, dass die allenfalls vordergründig von imperialer
Nostalgie
heimgesuchte Margaret Thatcher in ihren Memoiren „die
trügerische Macht eines
Empire“[1] nach 1918 beklagte. Das
Massaker von
Amritsar 1919 und der 1922 unter anderem von Bomber-Harris
geleitete Luftkrieg
gegen den Irak entfachten das Gewaltpotential des Empire,
während sich eine
schmale weiße Oberschicht in Kenia der Illusion immerwährender
Dominanz hingab.
Die Übertragung von Völkerbundmandaten an Großbritannien erhöhte
indes den
Legitimationsdruck, zumal sich nationalistische Bewegungen vor
Ort auf während
des Kriegs geknüpfte intellektuelle Netzwerke stützen konnten.
Hundert Jahre
nach Durhams Bericht erschien Lord Haileys Bestandsaufnahme über
die Probleme
im subsaharischen Afrika und warf am Vorabend des Zweiten
Weltkriegs einen
Schatten voraus auf the shape of things to come. In Indien
führte das Empire
bereits Nachhutgefechte, die 1947 in die blutige Teilung des
Landes mündeten.
Dass laut einer oft zitierten Umfrage des Kolonialministeriums
1951 lediglich
vierzig Prozent der Briten wenigstens eine Kolonie nennen
konnten, dürfte kein
Schaden für den sich nun beschleunigenden Prozess der
Dekolonisation gewesen
sein, der unter dem whiggistischen Signum eines in der
britischen Geschichte
angelegten Fortschrittsgedankens stand und fast nahtlos in einen
„Paternalismus
der Entwicklungshilfe“ (S. 109) überging. Stuchtey verweist zu
Recht auf das
Dilemma einer Dekolonisation, die vor Ort zuweilen
fundamentalistische
Strömungen an die Macht brachte, schießt jedoch über das Ziel
hinaus, wenn er
diagnostiziert, der Abschied vom Empire habe die „Bruchstellen
eines in
Auflösung begriffenen politischen Konstrukts“ (S. 110)
bloßgelegt. Der Trend
hin zur Devolution und die Renaissance des schottischen
Separatismus müssen
vielmehr mit den sozioökonomischen Verwerfungen der
Nachkriegszeit in
Verbindung gebracht werden, als eine Desillusionierung nach dem
Sieg die
Modernisierungsdefizite der britischen Volkswirtschaft grell
konturierte und
der EG-Beitritt des Vereinigten Königreichs 1973 mit einem
schalen Beigeschmack
der Zweitklassigkeit behaftet war. Spätestens die anhaltenden
Konflikte um die
Immigration aus Staaten des Commonwealth entzogen imperialer
Nostalgie die emotionale
Grundlage.
Bisweilen eklektisch im Zuschnitt, trägt Stuchtey
britisch-empirisch eine
Vielzahl von Fakten und Begebenheiten zusammen, die einen
soliden Einblick in
die Geschichte des britischen Empire und dessen Nachleben
erlauben. Viel mehr
lässt sich auf 120 Seiten nicht veranschaulichen. Stuchteys
sorgsam abwägendes
Urteil verknüpft die imperiale Vergangenheit mit aktuellen
Kontroversen, die
nicht zuletzt auf den Ergebnissen einer seit zwei Jahrzehnten
äußerst rührigen
Empire-Forschung fußen. Das PR-Debakel der royalen Besucher in
der Karibik
bekräftigt diesen Trend nachdrücklich. Und der Sieg von Sinn
Féin bei den
nordirischen Wahlen im Mai 2022 könnte ein Menetekel dafür sein,
dass
Britanniens älteste Kolonie den heikelsten Akt der
Dekolonisation nun näher
rücken lässt.
Anmerkung:
[1] Margaret Thatcher, The
Downing Street Years,
London 1993, S. 5.
Gerhard Altmann: Rezension zu: Stuchtey, Benedikt: Geschichte des Britischen Empire München 2021: ISBN 978-3-406-76699-2, , In: H-Soz-Kult, 30.05.2022, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-112940>.
Date: 2022/05/30 09:02:14
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
letzten Samstag in der Saarbrücker Zeitung:
Wirbel um
das Buch eines Saarländers über den Ersten Weltkrieg
Am Anfang seiner Suche steht ein Fund. Vor drei Jahren stöbert
Franz-Josef
Schäfer im Alt-Saarbrücker Antiquariat. Der pensionierte
Geschichtslehrer ist
wie so oft auf der Suche nach Literatur aus oder über das
Saarland.
„Heimat-Geschichte ist mein Hobby“, erklärt der 69-jährige
Historiker und
Germanist. Dabei ist die Geschichte für ihn schon mehr als ein
Hobby. Schäfer
schreibt Bücher darüber. Eine seiner letzten Veröffentlichungen:
ein Buch über
den NS-Widerstandskämpfer Willi Graf aus Saarbrücken. „Willi
Graf und der graue
Orden“ heißt es. Nach den Sommerferien will Schäfer ein
Druckwerk über „Pastor
Arnold Fortuin“ veröffentlichen, über den „Oskar Schindler“ der
saarländischen
Sinti und Roma aus Illingen – aus Schäfers Heimatgemeinde. 38
Jahre arbeitet er
als Lehrer in Bensheim bei Darmstadt, vor „drei Jahren bin ich
wieder in die
Heimat zurückgekehrt“. In den Illinger Ortsteil Wustweiler.
Zurück ins Alt-Saarbrücker Antiquariat. „Dort hatte ich
plötzlich dieses kleine
Buch in der Hand“, erinnert sich der 69-Jährige. 157 Seiten,
eine Monografie
von Johann Zewe: „Aus der Masurenschlacht nach Sibirien.
Kriegs-Erlebnisse
eines Saarländers“; gedruckt in der „Lebacher Druckerei und
Verlagsgesellschaft
m.b.H.“. Ein seltenes Buch, meinen Schäfer und Antiquariat. Ein
Titel, der in
keinem Katalog einer öffentlichen Bibliothek auftaucht, auch in
der Deutschen
Nationalbibliothek in Leipzig und Frankfurt ist das Werk nicht
gelistet. „Ich
habe es für 100 Euro gekauft“, erinnert sich Schäfer.
Ein Buch ohne offizielles Erscheinungsjahr. „Es finden sich
Hinweise darin“,
sagt Schäfer. Zewe nimmt auf Seite 118 auf eine Begebenheit zu
Beginn des
Jahres 1918 Bezug: „Heute noch, nachdem bereits 14 Jahre
verflossen sind,
schwebt diese Nacht mit all‘ ihren schrecklichen Bildern klar
und deutlich vor
meinen Augen“, schreibt der Autor. Schäfer schlussfolgert: „Die
Drucklegung
liegt wohl im Jahre 1932.“
Doch wer war Johann Zewe? Schäfer will das unbedingt wissen. Der
69-Jährige
will Zewes Buch neu auflegen, hat die Sütterlin-Schrift bereits
in ein
Worddokument abgetippt. „Doch die Neuauflage ohne ein paar
Zeilen über den
Autor veröffentlichen?“
Ein Ansatzpunkt: „Die Lebacher Druckerei.“ Sie habe aber zum
Beispiel kein
weiteres Buch veröffentlicht. Das Kerngeschäft des Verlags war
der Druck des
Lebacher Anzeigers, eine Tageszeitung. „Ich habe gedacht,
vielleicht haben sie
in ihrer Zeitung Werbung für ihr Buch gemacht und haben Autor
Zewe vorgestellt.
Das Problem ist, die Ausgaben aus den Jahren 1931/32 sind sehr
lädiert und sind
im Saarbrücker Stadtarchiv daher zurecht gesperrt“, bedauert der
Historiker.
Auch der Verein für Landeskunde im Saarland hat der Lehrer um
Hilfe gebeten,
„sie sind sehr hilfreich, leider bisher vergeblich“. Das
Landesarchiv des
Saarlandes habe sich bemüht – vergeblich. „Es gibt auch keine
Entnazifizierungsakte von Johann Zewe.“ In Bergmannskalendern
hat er geschaut.
Schäfer geht davon aus, dass Zewe „eine gewisse Bildung“ hatte.
„Er hat nicht
nur niedergeschrieben, was er erlebt und gesehen hat. Er hat
Hintergrundwissen;
sprachlich ist das Buch sehr geschickt.“ Schülerlisten der
Mittelschulen und
Gymnasien will er daher durchschauen, „ich weiß aber nicht, wo
oder welcher
Jahrgang er ist, das wird sehr mühsam“. In Vermisstenlisten und
Listen von
Menschen in Gefangenschaft hat er recherchiert. „Da waren zum
Beispiel zwei
Johann Zewe aus Limbach und Lebach dabei, jedoch waren sie zu
einer anderen Zeit
dort, in einer anderen Einheit.“ Auch nennt Zewe im Buch die
Namen von
Vorgesetzten und gefallenen Kameraden nicht vollständig.
„Feldwebel B.“ steht
da nur, zum Beispiel. Machts nicht einfacher.
Im Ural, Sibirien und der Munitionsfabrik
Ansonsten sind die „Kriegserinnerungen eines Saarländers“ sehr
detailliert.
Zewe schildert seine Erlebnisse in der Masurenschlacht 1915, die
Schlacht im
Augustower Walde, seine Kriegsgefangenschaft in Sibirien, ab
1916 im Ural, als
er bei Waldarbeitern und in einer Munitionsfabrik arbeitet.
Seine
Fluchtversuche und eine Meuterei beschreibt er. Auch die
Revolution der
Rotgardisten, die Abdankung von Zar Nikolaus II., die Duma, die
Arbeiter- und
Soldatenräte beobachtet er aus der Gefangenschaft heraus. Seine
Freilassung und
Rückreise. „Wie jubelte unser Herz, als wir durchs schöne
Nahetal an blühenden
Obstgärten vorbei zur saarländischen Heimat fuhren! Freudig in
überschwänglichem Glück riefen wir uns zu: ,O Heimat, wie bist
du so schön!‘“,
schreibt Zewe am Ende des Buches. Aufgrund der Wahl der
Eisenbahnlinie durchs
Nahetal geht Schäfer davon aus, dass Zewe im mittleren Saarland
gelebt haben
könnte: im Raum Wadern, Schmelz, Tholey, Heusweiler, Lebach,
Illingen,
Merchweiler oder Marpingen. Aber „ich weiß es nicht“, sagt
Schäfer.
Eine „wertvolle Quelle“, nennt der Wustweiler das gefundene
Buch. Es sei
„hochspannend – gerade in der heutigen Zeit“. Durch den Krieg
der Russen in der
Ukraine habe der Russlandfeldzug von damals „wieder Aktualität
bekommen“,
erklärt Schäfer. Die Bilder ähneln sich. So schreibt Zewe:
„Brennende Dörfer
und Städte, zerschossene Gehöfte, blutgetränkte und zerstampfte
Fluren lassen
kämpfende Heere zurück. Verstört und ratlos irren die so grausam
aus ihrer
friedlichen Ruhe aufgestörten Bewohner umher und sehen, wie die
friedliche
Arbeit vieler Jahre in Rauch und Flammen aufgegangen ist. Aber
unbekümmert um
die Not und das Elend dieser Armen geht der Krieg seinen ehernen
Gang weiter,
um in den nächsten Stunden andere blühende Ansiedelungen und
Ortschaften in
Schutt und Asche zu legen.“
Respekt vorm Feind: „[...] lag schwerverwundet ein russischer
Feldwebel, von
Frost und Kälte zitternd, da über diese Höhen ein scharfer Wind
wehte. Der arme
Mann gab uns zu verstehen, daß er schon zwei Tage hier liege.
Was sollten wir
tun? Wir hatten Eile [...]. Hier lagen eine ganze Menge von
Federkissen herum,
welche die Russen aus Ostpreußen mitgeschleppt hatten. Das war
den Russen etwas
Neues; denn in Russland kennt das ärmere Volk keine Federkissen.
Von diesen
rafften wir einige zusammen und deckten damit den Verwundeten
gut zu. Dankbar
blickte er uns an und Tränen liefen über sein bleiches Gesicht.
Aber wir mußten
weiter.“
„Möglicherweise“, sagt
Schäfer, habe
sich Zewe vom Antikriegs-Roman „Im Westen nichts Neues“ von
Erich Maria
Remarque inspirieren lassen. „Es fällt auch auf, dass die Cover
von Remarques
Erstausgabe aus dem Jahre 1929 und Zewes Kriegserinnerungen
ähnlich gestaltet
sind.“ Wie Remarque verherrlicht Zewe nicht den Krieg, er
schildert eindrücklich
die Not und das Elend; „überhaupt nicht herablassend oder
rassistisch.“ Schäfer
würde auch daher gerne mehr über Zewe wissen. Vielleicht hat er
unter Pseudonym
geschrieben? „Dann wäre die Suche noch schwerer. Aber Johann
Zewe – einen so
sehr gebräuchlichen Namen im Saargebiet als Pseudonym zu wählen,
ich glaube
nicht daran“, sagt Schäfer. Vielleicht wissen ja die SZ-Leser
mehr, hofft er.
Vielleicht helfen Sie Schäfer dabei, dass am Ende seiner Suche
ein Buch steht –
und zwar eines mit Autorenporträt.
Hinweise über Johann Zewe an SchaeferFJ(a)t-online.de oder an
Franz Josef
Schäfer, Humeser Straße 54, 66557 Illingen.
Date: 2022/05/30 09:07:45
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
heute in
der Saarbrücker Zeitung:
Broschüre erinnert an St. Wendels Freiheitsfest
Von Evelyn
Schneider
Menschen singen Freiheitslieder, ziehen vom Bosenberg in das
Herz der Stadt St.
Wendel vor die Basilika. Dort stellen sie unweit des heutigen
Spinnrads einen
Baum auf, der mit einer Fahne in Schwarz, Rot, Gold geschmückt
ist. So
geschehen am 27. Mai 1832. 190 Jahre später hat die Stadt St.
Wendel an dieses
Freiheitsfest erinnert.
In verschiedenen Quellen ist die Rede von 2000 Menschen, die an
der
Veranstaltung teilnahmen. Eine beachtliche Zahl. Denn wie
Historikerin Andrea
Recktenwald vom St. Wendeler
Stadtarchiv anmerkt, war
die Stadt damals mit der heutigen von der Größe und der
Einwohnerzahl her nicht
vergleichbar. Als nach dem Wiener Kongress 1815 die Kantone
Baumholder,
Grumbach und St. Wendel an Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha
(so sein Titel
ab 1826) gingen, lebten hier insgesamt 25 000 Menschen. 1819
erhob der Landesherr
das Gebiet zum Fürstentum Lichtenberg.
Das Bosenberg-Fest 1832 in St. Wendel hatte einen politischen
Charakter ebenso
wie das berühmte Hambacher Fest, das zeitgleich – vom 27. Mai
bis 1. Juni –
stattfand. 20 000 bis 30 000 Menschen kamen zu dieser
Protestveranstaltung, bei
der Werte wie Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit
eingefordert wurden.
Unter den Rednern war auch ein St. Wendeler: Advokat Nikolaus
Hallauer.
Seine Rolle innerhalb der St. Wendeler Freiheitsbewegung war ein
Aspekt der
Vortragsreihe, welche die Stadt St. Wendel initiiert hatte.
Unter dem Titel
„St. Wendel im Vormärz“ entführten die Referenten Bernhard
Planz, Andrea
Recktenwald, Josef Dreesen, Gerhard Koepke und Franz-Josef
Kockler an fünf
Abenden in die Zeit Anfang des 19. Jahrhunderts. Die
Zuhörer erfuhren
dabei, wie sehr die napoleonische Zeit die Menschen hier geprägt
hatte, wie das
Verhältnis zwischen Regenten und Regierten während der Coburger
Zeit war, warum
sich Oppositionsgruppen bildeten und warum es im Zuge des
Freiheitsfests zu
Unruhen und schließlich auch zu Prozessen kam.
„Mit der Resonanz der Reihe sind wir zufrieden“, resümiert
Nicolas Pontius vom
Stadtarchiv. Zwischen 50 und 60 Gäste kamen zu den einzelnen
Vorträgen in
den Maximiliansaal des historischen Rathauses. „60 bis 70
Prozent der
Besucher haben sich alle Vorträge angehört“, so Pontius. Im
Anschluss gab es
jeweils einen Umtrunk. Dabei sei in Gesprächen deutlich
geworden, wie
aufmerksam die Zuhörer die Themen verfolgt hatten.
Doch nicht nur mit einer Vortragsreihe, sondern auch mit einem
Schriftstück
soll dem Jubiläum „190 Jahre Nationalfest der Deutschen zu St.
Wendel“ gedacht
werden. Die Broschüre „St. Wendel im Vormärz“ ist in
Zusammenarbeit des
Stadtarchivs St. Wendel mit dem Historiker Josef Dreesen
entstanden. „Pünktlich
zum letzten Vortrag der Reihe am 19. Mai ist sie eingetroffen“,
berichtet
Pontius. 200 Exemplare wurden gedruckt. Diese sind im Archiv
selbst, im
Rathaus, in der Stadt- und Kreisbibliothek sowie im Museum St.
Wendel
erhältlich.
Das Heft beginnt mit einer Chronik. „Diese gibt einen zeitlichen
Überblick“,
sagt Andrea Recktenwald. Der erste Eintrag ist der 30. Mai 1814. Im sogenannten Ersten Pariser Frieden trat
Frankreich die linksrheinischen
Territorien und somit auch St. Wendel ab. Nach dem
Wiener
Kongress begann dort die Coburger Zeit. Die Chronik endet 20
Jahre später, am
15. August 1834. Damals verkaufte Ernst I. das Fürstentum
Lichtenberg an
Preußen. Es folgt ein Aufsatz von Josef Dreesen, der mit der
Zeile „Die
unruhige Zeit 1830 bis 1832“ überschrieben ist. „Hier werden
noch mal die
Hauptjahre der Unruhen näher beleuchtet“, erklärt Recktenwald
Als es 1830 mächtig innerhalb der Bevölkerung brodelte – als
Auslöser gelten
Gerüchte, dass die Herzogin Luise St. Wendel verlassen würde und
ein neu
geschlossener Zollvertrag zwischen Lichtenberg und Preußen –
formierte sich
allmählich eine bürgerlich-liberale Opposition. Im Frühjahr 1831
gründeten der
Pfarrer Carl Juch sowie die Lehrer Johannes Schue und Philipp
Sauer einen
politischen Stammtisch, dessen Mitglieder regelmäßig in der
Wirtschaft von
Peter Keller (heute Spinnrad) zusammenkamen. Zu diesem Kreis der
sogenannten
Keller‘schen Gesellschaft gehörte später auch Advokat Nikolaus
Hallauer.
Sie, die Protagonisten der Opposition und der St. Wendeler
Freiheitsbewegung,
wurden von der Regierung später zur Rechenschaft gezogen. Nicht
nur wegen des
Bosenberg-Fests, sondern auch wegen der Unruhen, die folgten.
So brachen am 8. Juli 1832 in St. Wendel Tumulte aus. 700 bis
800
Menschen zogen singend durch die Stadt. Auslöser hierfür war ein
vermeintlicher
polnischer Freiheitskämpfer, der einige Tage zuvor in die Stadt
eingezogen war.
Umgehend wurde er auf Druck der Coburger Regierung des Landes
verwiesen, was
den Bürgern missfiel. Deren Proteste wiederum waren der
Obrigkeit ein Dorn im
Auge. Sie entsendete preußische Truppen nach St. Wendel, griff
mit aller Gewalt
durch. Das bedeutet für die „Unruhestifter“, darunter die Köpfe
der
Keller‘schen Gesellschaft, Arrest. Aus der Haft wandten sich
Philipp Sauer,
Carl Juch und Nikolaus Hallauer in Briefen an den
Sachsen-Coburger
Generalkommissar Eusebius Lotz. Auszüge aus diesen Schreiben
sind in der
Broschüre abgedruckt. Ebenso Ausschnitte aus Protokollen von
Zeugenbefragungen.
Im Vorfeld der Prozesse 1833 wurden ausführlichste Ermittlungen
angestellt. Wie
diese für die Oppositionellen ausgingen, erfahren die Leser
ebenfalls in der
Schrift. Diese endet mit Kurzbiografien der Protagonisten.
zu beziehen direkt im Stadtarchiv oder über „archiv(a)sankt-wendel.de“
Date: 2022/05/30 10:38:35
From: Robert Groß via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Hallo und guten Morgen, der gesuchte Johann Zewe ist zwischenzeitlich gefunden worden, wie Herr Schäfer mir gestern mitteilte. Mit freundlichen Grüßen Robert Groß