Heute ist der 2. Februar.
Ein Tag wie jeder andere.
Bis mir meine Frau den alten, wohlvertrauten Spruch zurief:
Maria Lichtmess
Spénne fagess
bäi Daach senaacht gess
Maria Lichtmess
Spinnen vergessen
bei Tageslicht zu Abend gegessen
Im 5. Jahrhundert führte Papst Sergius I. das Fest „Mariä
Reinigung“ ein. Der
Name erinnert an den im Buch Moses vorgeschriebenen Besuch der
Mutter im Tempel
am 40. Tag nach der Geburt eines Kindes, also an das
Reinigungsopfer Mariä und
die Darstellung im Tempel. Die katholische Kirche hat zum
Gedächtnis an den
Ausspruch des greisen Simeon, der das kleine Jesuskind „ein Licht
zur
Erleuchtung der Heiden“ nannte, einen Feiertag zur Weihe des
Lichtes
angeordnet. Im Lauf der Jahrhunderte wechselte das Fest „Mariä
Reinigung“ öfter
seinen Namen, der erst „Frauentag“ und „Lichtweih“, dann
„Lichtermesse und im
14. und 15. Jahrhundert „Lichtfeuer“ hieß, bis schließlich der
Name
„Lichtmesstag“ entstand.
An Lichtmess werden die Kerzen für den am darauffolgenden Tag
erteilten
Blasiussegen geweiht. Einstmals erhielten die Gemeinde- und
Kirchenverwaltungsmitglieder an Lichtmess am Weihealtar
(Muttergottesaltar) vom
Pfarrer je eine geweihte Kerze, die sie als Wetter- oder
Sterbekerze behalten
durften. Bis zu Beginn des Dritten Reiches 1933 war es üblich,
dass diese
Kerzen bei Lichterprozession und über das Jahr hindurch bei
Begleitung des
Allerheiligsten mitgetragen wurden.
„Lichtmess – Spinnen vergess!“
Ein Ende fanden einst an Lichtmess die sogenannten Licht- oder
Spinnstuben. Der
Spruch: „Lichtmess – Spinnen vergess!“ war weit verbreitet. Der
Christbaum, der
in den bäuerlichen Anwesen in der guten Stube, die nur bei
besonderen Anlässen
aufgesucht werden durfte, stand, wurde einst erst nach Lichtmess
abgebaut.
Am Lichtmesstag wurden die Lichter in den Handwerks- und
bäuerlichen
Winterarbeitsstuben ausgelöscht. Nunmehr waren die Tage länger,
und es wurde so
lange gearbeitet, wie das Tageslicht reichte. Noch heute ist der
ländliche
Spruch: „An Lichtmess könne die Herrn beim Tag ess!“ zu hören.
Mit Maria Lichtmess beginnt der Vorfrühling. Bis in die Zeit vor
dem Ersten
Weltkrieg war er einer der bedeutsamsten Bauernfeiertage. Der
Bauer bereitete
die Frühjahrsarbeit vor. Für ihn war Lichtmess vor allem ein Tag
des Messens.
So wurde geprüft, wie weit der Wintervorrat an eingelagertem
Futter
aufgebraucht war. Wenn die Hälfte noch nicht überschritten war,
wusste er, dass
es bis zur neuen Ernte reichen würde. Die Hausfrau überprüfte
ebenfalls die
Wintervorräte. Da die dicken Räucherwürste lange haltbar waren,
wurden sie erst
dann abgeschnitten, wenn abzuschätzen war, dass nun die Hühner
bald wieder Eier
legen, und dass Garten und Feld Gemüse und Früchte bringen.
Dienstbotenwechsel an Mariä Lichtmess
Mit dem Lichtmesstag beginnt das Bauernjahr, zugleich endet damit
das alte,
vorangegangene bäuerliche Arbeitsjahr. Noch bis zum Zweiten
Weltkrieg war Mariä
Lichtmess ebenso ein „Dingtag“ wie Dreikönig, d.h. die Dienstboten
wechselten.
Bleiben oder gehen? Diese Frage war zwar schon geklärt, aber am
Lichtmesstag
kam der Umzug oder das erneute „Einstehen“ beim alten Dienstgeber.
Es war die
Zeit des Ausbezahlens und Neuverhandelns. Wollte ein Dienstbote
gehen, genügte
es, wenn er es noch acht Tage vor Lichtmess den Bauern wissen
ließ.
Am Lichtmesstag wurde in der Regel mündlich ein neuer
„Dienstvertrag“
abgeschlossen und den Knechten und Mägden der gesamte Lohn für das
vergangene
Jahr ausgezahlt. Eine wöchentliche oder monatliche Gehaltszahlung
war noch
unbekannt.
Zu Ehren der ausscheidenden Dienstboten kochte die Bäuerin mittags
tüchtig auf.
Die Dienstboten werden „ein- und ausgebacken“, hieß es. Danach gab
es oft einen
mehr oder weniger tränenreichen Abschied zwischen Bauersleuten und
den
Dienstboten, je nachdem wie man sich eben vertragen hatte.
Das Dienstbotenbuch wurde ausgehändigt. Meist hatte der Bauer,
wenn ein
ordentlicher Dienstbote den Hof verließ, die dafür übliche Formel
hinein
geschrieben: „Der NN hat treu und ehrlich gedient und war sehr
fleißig. Ich
hätte ihn oder sie auch gerne behalten“.
Hier in St. Wendel hat der Tag noch eine besondere Bedeutung. Denn
heute genau
vor 345 Jahren wurde unsere Stadt und die meisten umliegenden Orte
niedergebrannt.
Französische Truppen unter dem Comte de Bussy waren am Morgen
eingetroffen und
hatten in der Burg Quartier bezogen.
Die Bürger wissen, was ihnen bevorsteht, und der Stadtschultheis
Philipp von
Hame versucht, die Truppen unter dem französischen General Claude
de Thiard, Comte
de Bissy (sprich: Klood de Tiaard, Komd de Bissie), durch
Verhandlungen zur
Einsicht zu bringen. Doch sie verstecken sich hinter ihrem
königlichen Befehl
und ordnen an, des Abends alle Frauen und Kinder in den Dom in
Sicherheit zu
bringen.
Das Reiter- und Fußvolk wird von einem
Engländer kommandiert, der
dafür bekannt ist, daß er sich auf das schreckliche und grausame
Mordbrennen
versteht. Nachdem alle in der Kirche sind, ziehen die Truppen,
die fast
ausschließlich aus Söldnern bestehen, in die Burg ein.
Eine
zeitgenössische
Quelle schildert die Ereignisse im Detail:
"Um zehen Uhr des Nachts wurde die Trummel gerühret und kamen
darauff die
Soldaten in der finsteren Nacht wie die Teuffel und Höllische
Furien über die
Schloß= Brücken gelauffen, ein
jeder
etliche Stroh-Fackeln unter den Armen und eine brennende in der
Hand haltent, womit
sie ein in allen Ecken
der Statt Feuer
einwürffen, sodaß bald darauff die ganze Stadt in heller Flamme
gestanden."
Aber damit lassen sie es noch nicht genug sein. Am 5. Februar
kommen sie
wieder, um alles, was noch steht, endgültig zu zerstören. Sie
entfachen den
Brand neu und stecken auch das Schloß in Brand. Und drohen mit
Plünderung, Mord
und Verwüstung, falls die Bürger nicht binnen zwei Tagen alle
Mauern selbst
einreißen werden. "Was also der Feind nicht getan, das haben die
armen
Bürger aus Furcht selbst gemacht - aus Furcht, der unbarmherzige
Feind könne die
angedrohte Strafe vollziehen. Haben das wenige, das der Brand
nicht völlig
eingeäschert hat, selbst umgerissen und dem Erdboden
gleichgemacht."
Der entsetzte
Augenzeuge schließt
seinen Bericht: "Ein solches Weheklagen und Mordbrennung ist
nicht genugsam
zubeschreiben; Gott der Allerhöchste wolle sich der armen
Unterthanen erbarmen
und ferneres Mordbrennen gnädiglich abwenden."
Aus einer anderen Quelle weiß ich, daß das Haus, in dem wir
heute wohnen und
von dem ich Euch dies sende, damals auch gebrannt hat. Es wurde
danach wieder
aufgebaut, wovon die alten Holzbalken zeugen, deren Fälldatum
mithilfe der
Dentrochronologei auf den späten Herbst 1718 datiert werden
konnten.
So bin ich vermutlich einer der wenigen, der denen, die sein
Haus verbrannten,
nicht böse ist, weil ich dadurch viel über dasselbe erfahren
habe. Verrückte
Welt.
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Der mittlere Teil des Textes stammt aus:
https://www.rhoenundstreubote.de/lokales/aktuelles/art2826,506008
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