Monatsdigest

[Regionalforum-Saar] online vortrag am 2. Februar: Das Königreich Böhmen - eine Übersicht

Date: 2022/02/01 20:37:31
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir dürfen auf unsere kommenden virtuellen (online) Veranstaltungen über
Zoom aufmerksam machen.

2. Februar 2022
Das Königreich Böhmen - eine Übersicht
Ein Streifzug durch Geographie, Geschichte, Sprachen, Völker, Kulturen,
Religionen, soziale Strukturen, Bildungswesen, Wirtschaft, Militärwesen und
genealogische Forschungsmöglichkeiten dieses so vielfältigen Landes
Vortragender: Günter Ofner
Bitte hier anmelden:
(https://us06web.zoom.us/meeting/register/tZIpde2qrTstGdIjiMh_acq24kcQiA2pQp-1)



Die Übersicht über alle virtuellen (online) Mittwochs-Vorträge, Schulungen
und Analysen über Zoom finden Sie hier
(https://www.familia-austria.at/index.php/aktuell/1729-einladung-zum-1-virtuellen-jahreskurs-2021-2022-bei-familia-austria-vortraege-forschertreffen-und-schulungen)


Die Übersicht über unsere virtuellen (online) Samstags-Stammtische über
Zoom
finden Sie hier
(https://www.familia-austria.at/index.php/aktuell/1745-virtuelle-samstag-stammtische-bei-familia-austria)


Mit freundlichen Grüßen
Der Vereins-Vorstand
Elisabeth Brunner, Dr. Peter Haas, Günter Ofner und Dr. Alexander Weber

[Regionalforum-Saar] Lichtmess

Date: 2022/02/02 18:51:34
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Heute ist der 2. Februar.
Ein Tag wie jeder andere.
Bis mir meine Frau den alten, wohlvertrauten Spruch zurief:

Maria Lichtmess
Spénne fagess
bäi Daach senaacht gess

Maria Lichtmess
Spinnen vergessen
bei Tageslicht zu Abend gegessen

Im 5. Jahrhundert führte Papst Sergius I. das Fest „Mariä Reinigung“ ein. Der Name erinnert an den im Buch Moses vorgeschriebenen Besuch der Mutter im Tempel am 40. Tag nach der Geburt eines Kindes, also an das Reinigungsopfer Mariä und die Darstellung im Tempel. Die katholische Kirche hat zum Gedächtnis an den Ausspruch des greisen Simeon, der das kleine Jesuskind „ein Licht zur Erleuchtung der Heiden“ nannte, einen Feiertag zur Weihe des Lichtes angeordnet. Im Lauf der Jahrhunderte wechselte das Fest „Mariä Reinigung“ öfter seinen Namen, der erst „Frauentag“ und „Lichtweih“, dann „Lichtermesse und im 14. und 15. Jahrhundert „Lichtfeuer“ hieß, bis schließlich der Name „Lichtmesstag“ entstand.
An Lichtmess werden die Kerzen für den am darauffolgenden Tag erteilten Blasiussegen geweiht. Einstmals erhielten die Gemeinde- und Kirchenverwaltungsmitglieder an Lichtmess am Weihealtar (Muttergottesaltar) vom Pfarrer je eine geweihte Kerze, die sie als Wetter- oder Sterbekerze behalten durften. Bis zu Beginn des Dritten Reiches 1933 war es üblich, dass diese Kerzen bei Lichterprozession und über das Jahr hindurch bei Begleitung des Allerheiligsten mitgetragen wurden.
„Lichtmess – Spinnen vergess!“

Ein Ende fanden einst an Lichtmess die sogenannten Licht- oder Spinnstuben. Der Spruch: „Lichtmess – Spinnen vergess!“ war weit verbreitet. Der Christbaum, der in den bäuerlichen Anwesen in der guten Stube, die nur bei besonderen Anlässen aufgesucht werden durfte, stand, wurde einst erst nach Lichtmess abgebaut.

Am Lichtmesstag wurden die Lichter in den Handwerks- und bäuerlichen Winterarbeitsstuben ausgelöscht. Nunmehr waren die Tage länger, und es wurde so lange gearbeitet, wie das Tageslicht reichte. Noch heute ist der ländliche Spruch: „An Lichtmess könne die Herrn beim Tag ess!“ zu hören.

Mit Maria Lichtmess beginnt der Vorfrühling. Bis in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war er einer der bedeutsamsten Bauernfeiertage. Der Bauer bereitete die Frühjahrsarbeit vor. Für ihn war Lichtmess vor allem ein Tag des Messens. So wurde geprüft, wie weit der Wintervorrat an eingelagertem Futter aufgebraucht war. Wenn die Hälfte noch nicht überschritten war, wusste er, dass es bis zur neuen Ernte reichen würde. Die Hausfrau überprüfte ebenfalls die Wintervorräte. Da die dicken Räucherwürste lange haltbar waren, wurden sie erst dann abgeschnitten, wenn abzuschätzen war, dass nun die Hühner bald wieder Eier legen, und dass Garten und Feld Gemüse und Früchte bringen.

Dienstbotenwechsel an Mariä Lichtmess
Mit dem Lichtmesstag beginnt das Bauernjahr, zugleich endet damit das alte, vorangegangene bäuerliche Arbeitsjahr. Noch bis zum Zweiten Weltkrieg war Mariä Lichtmess ebenso ein „Dingtag“ wie Dreikönig, d.h. die Dienstboten wechselten. Bleiben oder gehen? Diese Frage war zwar schon geklärt, aber am Lichtmesstag kam der Umzug oder das erneute „Einstehen“ beim alten Dienstgeber. Es war die Zeit des Ausbezahlens und Neuverhandelns. Wollte ein Dienstbote gehen, genügte es, wenn er es noch acht Tage vor Lichtmess den Bauern wissen ließ.
Am Lichtmesstag wurde in der Regel mündlich ein neuer „Dienstvertrag“ abgeschlossen und den Knechten und Mägden der gesamte Lohn für das vergangene Jahr ausgezahlt. Eine wöchentliche oder monatliche Gehaltszahlung war noch unbekannt.
Zu Ehren der ausscheidenden Dienstboten kochte die Bäuerin mittags tüchtig auf. Die Dienstboten werden „ein- und ausgebacken“, hieß es. Danach gab es oft einen mehr oder weniger tränenreichen Abschied zwischen Bauersleuten und den Dienstboten, je nachdem wie man sich eben vertragen hatte.
Das Dienstbotenbuch wurde ausgehändigt. Meist hatte der Bauer, wenn ein ordentlicher Dienstbote den Hof verließ, die dafür übliche Formel hinein geschrieben: „Der NN hat treu und ehrlich gedient und war sehr fleißig. Ich hätte ihn oder sie auch gerne behalten“.

Hier in St. Wendel hat der Tag noch eine besondere Bedeutung. Denn heute genau vor 345 Jahren wurde unsere Stadt und die meisten umliegenden Orte niedergebrannt.

Französische Truppen unter dem Comte de Bussy waren am Morgen eingetroffen und hatten in der Burg Quartier bezogen.
Die Bürger wissen, was ihnen bevorsteht, und der Stadtschultheis Philipp von Hame versucht, die Truppen unter dem französischen General Claude de Thiard, Comte de Bissy (sprich: Klood de Tiaard, Komd de Bissie), durch Verhandlungen zur Einsicht zu bringen. Doch sie verstecken sich hinter ihrem königlichen Befehl und ordnen an, des Abends alle Frauen und Kinder in den Dom in Sicherheit zu bringen.
         Das Reiter- und Fußvolk wird von einem Engländer kommandiert, der dafür bekannt ist, daß er sich auf das schreckliche und grausame Mordbrennen versteht. Nachdem alle in der Kirche sind, ziehen die Truppen, die fast ausschließlich aus Söldnern bestehen, in die Burg ein.
        
Eine zeitgenössische Quelle schildert die Ereignisse im Detail:

"Um zehen Uhr des Nachts wurde die Trummel gerühret und kamen darauff die Soldaten in der finsteren Nacht wie die Teuffel und Höllische Furien über die Schloß= Brücken gelauffen,  ein jeder etliche Stroh-Fackeln unter den Armen und eine brennende in der Hand haltent, womit sie ein  in allen Ecken der Statt Feuer einwürffen, sodaß bald darauff die ganze Stadt in heller Flamme gestanden."


Aber damit lassen sie es noch nicht genug sein. Am 5. Februar kommen sie wieder, um alles, was noch steht, endgültig zu zerstören. Sie entfachen den Brand neu und stecken auch das Schloß in Brand. Und drohen mit Plünderung, Mord und Verwüstung, falls die Bürger nicht binnen zwei Tagen alle Mauern selbst einreißen werden. "Was also der Feind nicht getan, das haben die armen Bürger aus Furcht selbst gemacht - aus Furcht, der unbarmherzige Feind könne die angedrohte Strafe vollziehen. Haben das wenige, das der Brand nicht völlig eingeäschert hat, selbst umgerissen und dem Erdboden gleichgemacht."
         Der entsetzte Augenzeuge schließt seinen Bericht: "Ein solches Weheklagen und Mordbrennung ist nicht genugsam zubeschreiben; Gott der Allerhöchste wolle sich der armen Unterthanen erbarmen und ferneres Mordbrennen gnädiglich abwenden."

Aus einer anderen Quelle weiß ich, daß das Haus, in dem wir heute wohnen und von dem ich Euch dies sende, damals auch gebrannt hat. Es wurde danach wieder aufgebaut, wovon die alten Holzbalken zeugen, deren Fälldatum mithilfe der Dentrochronologei auf den späten Herbst 1718 datiert werden konnten.

So bin ich vermutlich einer der wenigen, der denen, die sein Haus verbrannten, nicht böse ist, weil ich dadurch viel über dasselbe erfahren habe. Verrückte Welt.

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Der mittlere Teil des Textes stammt aus: https://www.rhoenundstreubote.de/lokales/aktuelles/art2826,506008

[Regionalforum-Saar] apart

Date: 2022/02/11 22:28:21
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Guten Abend,

sicher kennen Sie das Wort „apart“. Das bedeutet, das etwas aufgrund einer Eigenart oder eines besonderen Reizes auffällt.

Sie werden vielleicht deshalb meinen etwas erstaunten Blick verstehen, als ich gestern im Stadtarchiv St. Wendel in einer Akte über die alten Friedhöfe St. Wendels auf dieses Wort stieß [A214, Seite 18]. Da war jemand damit beauftragt worden, ein apartes großes Loch zu buddeln. Okay (mit sehr langem „y“) dachte ich und mußte unversehens lachen. Der Mitarbeiter im Stadtarchiv, der im Nebenraum seinem Tagwerk nachging, reagierte nicht, was okay war, denn vermutlich wußte er, daß ich ab und an dazu neige, aus welchen Gründen auch immer vor mich hin zu murmeln oder auch mal zu lachen.

Aber als ich dann weiterlas, blieb mir das Lachen im Halse stecken.

In St. Wendel gab es ursprünglich um die katholische Pfarrkirche einen großen Friedhof, der in den 1770ern seinen Nachfolger unterhalb des heutigen Saalbaus fand, eingeweiht 1779. Der alte Friedhof wurde 10 Jahre später entfernt, komplett abgeräumt und gepflastert und damit der Marktplatz erweitert.

In dem Abraum befanden sich nicht nur Erde und Steine, sondern auch … ich sag mal … die früheren Bewohner. Nun ja, auch die letzte Ruhestätte ist … pffff … eine Ruhestätte. Nur blieb für die um die Kirche Ruhenden diese Ruhestätte nicht ihre letzte Ruhestätte, jedenfalls nicht für die, die noch physisch dort anwesend waren.

„auff dem Newen Kirchhof ein àpartes großes Loch zu dem Ende fertigen lassen müssen, womit die mit denen Wagen gebrachte Bretter von denen Todenladen, und sonstige Gebein dazu begraben werden mögen, wodurch deme Johann Schwendler accordiret ein Loch 92 schuhe tief, 9. schuhe breit, und 14. schuhe lang zu machen, fort die befindtliche Todenladen nach gefertigtem Loch zu Versencken und die gebein mit denen Brettern darin zu werffen, demnecht abereins zu zu scharren, wofür denselb zu empfangen hat“

Vielleicht geht’s so etwas besser:

„auf dem Neuen Kirchhof ein abseits gelegenes großes Loch zu graben, worin die mit den Fuhrwerken [vom alten Kirchhof] herangebrachten Bretter der Särge und etwaige Knochen begraben werden sollten. Dazu wurde mit dem Johann Schwendler ein Vertrag geschlossen, er solle ein Loch von [Moment, 92 Schuhe, bei uns galt das Nürnberger Maß, die Ruthe zu 16 Schuh. Den Schuh kann man nachmessen u.a. in der Akte D1 im Pfarrarchiv St. Wendel, danach war solch ein Schuh 30,34 cm lang, also hatte das Loch eine Tiefe von] 27,91 Meter Tiefe, 2,73 m Breite und 4,25 m Länge [Jerres, was ist denn das für ein Loch? Liest sich wie der blöde Witz mit dem 27 Kubikmeter Schwimmbad - 1 m breit, 1 m lang und 27 m tief. Moment, ach nein, ach, ist das blöd. Da steht „9.“, nicht „92“, aber über dem Punkt hinter der 9 ist ein halbrunder Fleck, da sah beim Lesen aus wie ne „2“. In den alten Dokumenten haben die Zahlen hinten dran fast immer einen Punkt, oft auch davor, damit nichts hinzugefügt werden kann. Also ist das Loch 2,73 tief, genauso breit und 4,25 m lang.] Dann soll er die gefundenen Särge in dem Loch versenken und die Knochen und restlichen Bretter dazuwerfen und das Loch wieder zu werfen. Dafür erhielt er 3 Gulden.“

Ist nicht wenig Geld, aber da muß man schon hartgesotten sein, um so ne Arbeit überhaupt zu machen. Mich schüttelt es schon, wenn ich darüber schreibe.

Einen schönen Abend wünsche ich.

Roland Geiger

Re: [Regionalforum-Saar] apart

Date: 2022/02/12 08:37:05
From: Friedrich.Denne(a)t-online.de <Friedrich.Denne(a)t-online.de>

Hallo Roland,

sehr interessant, danke.

Fritz

 

.......

 

 

 

-----Original-Nachricht-----

Betreff: [Regionalforum-Saar] apart

Datum: 2022-02-11T22:38:23+0100

Von: "Roland Geiger via Regionalforum-Saar" <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

An: "Regionalforum" <regionalforum-saar(a)genealogy.net>, "Forum Saarland Genealogie" <saarland-l(a)genealogy.net>, "Pfalz Genealogie" <pfalz-l(a)genealogy.net>, "Forum Hunsrück Genealogie" <hunsrueck-l(a)genealogy.net>

 

 

 

Guten Abend,

sicher kennen Sie das Wort „apart“. Das bedeutet, das etwas aufgrund einer Eigenart oder eines besonderen Reizes auffällt.

Sie werden vielleicht deshalb meinen etwas erstaunten Blick verstehen, als ich gestern im Stadtarchiv St. Wendel in einer Akte über die alten Friedhöfe St. Wendels auf dieses Wort stieß [A214, Seite 18]. Da war jemand damit beauftragt worden, ein apartes großes Loch zu buddeln. Okay (mit sehr langem „y“) dachte ich und mußte unversehens lachen. Der Mitarbeiter im Stadtarchiv, der im Nebenraum seinem Tagwerk nachging, reagierte nicht, was okay war, denn vermutlich wußte er, daß ich ab und an dazu neige, aus welchen Gründen auch immer vor mich hin zu murmeln oder auch mal zu lachen.

Aber als ich dann weiterlas, blieb mir das Lachen im Halse stecken.

In St. Wendel gab es ursprünglich um die katholische Pfarrkirche einen großen Friedhof, der in den 1770ern seinen Nachfolger unterhalb des heutigen Saalbaus fand, eingeweiht 1779. Der alte Friedhof wurde 10 Jahre später entfernt, komplett abgeräumt und gepflastert und damit der Marktplatz erweitert.

In dem Abraum befanden sich nicht nur Erde und Steine, sondern auch … ich sag mal … die früheren Bewohner. Nun ja, auch die letzte Ruhestätte ist … pffff … eine Ruhestätte. Nur blieb für die um die Kirche Ruhenden diese Ruhestätte nicht ihre letzte Ruhestätte, jedenfalls nicht für die, die noch physisch dort anwesend waren.

„auff dem Newen Kirchhof ein àpartes großes Loch zu dem Ende fertigen lassen müssen, womit die mit denen Wagen gebrachte Bretter von denen Todenladen, und sonstige Gebein dazu begraben werden mögen, wodurch deme Johann Schwendler accordiret ein Loch 92 schuhe tief, 9. schuhe breit, und 14. schuhe lang zu machen, fort die befindtliche Todenladen nach gefertigtem Loch zu Versencken und die gebein mit denen Brettern darin zu werffen, demnecht abereins zu zu scharren, wofür denselb zu empfangen hat“

Vielleicht geht’s so etwas besser:

„auf dem Neuen Kirchhof ein abseits gelegenes großes Loch zu graben, worin die mit den Fuhrwerken [vom alten Kirchhof] herangebrachten Bretter der Särge und etwaige Knochen begraben werden sollten. Dazu wurde mit dem Johann Schwendler ein Vertrag geschlossen, er solle ein Loch von [Moment, 92 Schuhe, bei uns galt das Nürnberger Maß, die Ruthe zu 16 Schuh. Den Schuh kann man nachmessen u.a. in der Akte D1 im Pfarrarchiv St. Wendel, danach war solch ein Schuh 30,34 cm lang, also hatte das Loch eine Tiefe von] 27,91 Meter Tiefe, 2,73 m Breite und 4,25 m Länge [Jerres, was ist denn das für ein Loch? Liest sich wie der blöde Witz mit dem 27 Kubikmeter Schwimmbad - 1 m breit, 1 m lang und 27 m tief. Moment, ach nein, ach, ist das blöd. Da steht „9.“, nicht „92“, aber über dem Punkt hinter der 9 ist ein halbrunder Fleck, da sah beim Lesen aus wie ne „2“. In den alten Dokumenten haben die Zahlen hinten dran fast immer einen Punkt, oft auch davor, damit nichts hinzugefügt werden kann. Also ist das Loch 2,73 tief, genauso breit und 4,25 m lang.] Dann soll er die gefundenen Särge in dem Loch versenken und die Knochen und restlichen Bretter dazuwerfen und das Loch wieder zu werfen. Dafür erhielt er 3 Gulden.“

Ist nicht wenig Geld, aber da muß man schon hartgesotten sein, um so ne Arbeit überhaupt zu machen. Mich schüttelt es schon, wenn ich darüber schreibe.

Einen schönen Abend wünsche ich.

Roland Geiger



[Regionalforum-Saar] Witwerschaft

Date: 2022/02/17 19:23:00
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Witwerschaft. epochenübergreifend. transdisziplinär

Veranstalter Oliver Auge / Laura Potzuweit, Abteilung für Regionalgeschichte, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
18.11.2021 - 20.11.2021



Von Anne Krohn / Hannah Guhlke, Abteilung für Regionalgeschichte mit Schwerpunkt zur Geschichte Schleswig-Holsteins in Mittelalter und Früher Neuzeit, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Im Vergleich zu ihrem weiblichen Pendant stellt die kulturgeschichtliche Untersuchung der männlichen Witwer nach wie vor ein Forschungsdesiderat dar. Die internationale Tagung hatte demgegenüber genau die Betrachtung des Witwers aus unterschiedlichen Blickwinkeln zum Ziel. Der Einladung von Oliver Auge und Laura Potzuweit waren Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Disziplinen gefolgt, die das Thema aus antiker, mediävistischer, neuzeitlicher, aber auch religions- und kunstgeschichtlicher sowie literatur- und medienwissenschaftlicher Perspektive zu beleuchten vermochten. Die Tagung war somit ein weiterer Schritt im Hinblick auf die Erforschung der Witwer mittels vergleichender, wissenschaftlicher Auseinandersetzung in verschiedenen Epochen und Disziplinen.

Der zweite Prodekan der Philosophischen Fakultät Michael Elmentaler (Kiel) gab zunächst Einblicke in das breite Fächerspektrum der Fakultät sowie die Forschung und Lehre im Allgemeinen. Dann führte Oliver Auge (Kiel) anhand des Bildes „Der Witwer“ von Carl Spitzweg (1844 gemalt, im Besitz des Städel-Museums, Frankfurt am Main) in das Tagungsthema ein. Bei Witwern handele es sich keineswegs, wie man meinen könnte, nur um ein neuzeitliches Phänomen. Allerdings habe bisher noch keine eingängige kulturwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema stattgefunden. Mit dieser Tagung betrete man mithin wissenschaftliches Neuland.

BRITTA-JULIANE KRUSE (Wolfenbüttel) gewährte am Beispiel der Brandenburger Fürsten im 16. Jahrhundert Einblicke in die Dauer der Verlobung, Ehe und Witwer- bzw. Witwenzeit. Sie stellte u.a. die Identifikation der Elisabeth Magdalena von Brandenburg über ihren Ehemann Franz Otto von Braunschweig-Celle und das karitative Engagement der Hedwig von Brandenburg heraus. Die Witwen, die weniger Freiheiten genossen hätten als die Witwer, verließen i.d.R. die Residenzschlösser und zogen auf den jeweiligen Witwensitz. Im Gedenken an die verstorbenen Ehemänner gaben sie Kunstgegenstände verschiedener Art in Auftrag.

JULIA HÖRMANN-THURN UND TAXIS (Innsbruck) untersuchte Österreichs Herzöge der Tiroler und Habsburger Linie im 14. Jahrhundert hinsichtlich der Fragen, wie viele Fürsten Witwer wurden und wie viele Fürstinnen Witwen. Des Weiteren ermittelte sie die Altersstruktur der Eheleute, die Dauer der Witwerschaft und Neuverheiratungen sowie die damit verbundenen Motive. Besonders hervorzuheben sei Meinhard II. von Tirol-Görz, der überdurchschnittlich lange, ganze 22 Jahre, Witwer blieb. Überdies sei die Fürstin Mittelpunkt höfischer Festkultur gewesen – ein hinreichender Anreiz für Witwer, erneut zu heiraten. Eine Wiederheirat konnte zudem, gerade in dem betrachteten Zeitraum, zu einer wesentlichen Aufwertung des fürstlichen Status führen. Zum Schluss näherte Hörmann-Thurn und Taxis sich der emotionalen Betroffenheit der Witwer anhand verschiedener Taten und Reaktionen auf den Verlust der Frau.

Die Erst- und Zweitehen weiterer Herrscher Österreichs und des Heiligen Römischen Reichs im Zeitraum vom 14. bis 16. Jahrhundert betrachtete KARL-HEINZ SPIESS (Greifswald). Das Hauptmotiv für eine Wiederheirat sei die Sicherung dynastischer Nachfolge gewesen. Gingen nur ein oder zwei Söhne aus der ersten Ehe hervor, wurde sicherheitshalber dennoch eine zweite Ehe geschlossen. Auf die Herrscher habe ein starker „generativer Druck“ gewirkt, sodass besonders junge oder ältere Witwer ohne bzw. mit nicht ausreichend männlichen Nachkommen erneut heirateten.

LAURA POTZUWEIT (Kiel) beschäftigte sich vor dem Hintergrund der Schlagwörter „Verlust“, „Verbleib“ und „Veränderung“ mit der unmittelbaren Reaktion auf den Tod der Ehefrau, möglichen Ursachen für eine längere Witwerschaft und eventuellen Folgen für das Leben und die Herrschaft im Spätmittelalter. Aus den Quellen gehe weder eine Selbst- noch Fremdbezeichnung als Witwer nach dem Tod der Frau hervor. Witwerschaft sei multikausal und individuell gewesen. Einen speziellen „Witwertypus“ habe es offenkundig nicht gegeben. Ferner seien die Witwer in den Quellen begrifflich unsichtbar geblieben; der Verlust der Ehefrau habe zu keinen signifikanten sozialen Veränderungen geführt.

HANS-WERNER FISCHER-ELFERT (Leipzig) präsentierte Einblicke in die Witwer des alten Ägyptens. Die habe es augenscheinlich nicht gegeben, da sie innerhalb kürzester Zeit erneut heirateten und sich scheinbar als Witwe und nicht als Witwer bezeichneten. Fischer-Elfert erklärte das altägyptische Verständnis von Ehe am Beispiel typischer Selbstdarstellungen von Ehepaaren in verschiedenen Bildnisformen. Bezeichnenderweise fehlten die Begriffe „Ehe" und „Heirat“ im altägyptischen Wortschatz. Stattdessen seien Wendungen wie „in ein Haus eintreten“ überliefert – ein möglicher Hinweis auf das kulturelle Verständnis von Witwerschaft im alten Ägypten, das sich von dem späterer Epochen unterschied.

Die Quellen der klassischen Antike verschweigen Einzelheiten über Witwer, erklärte LINDA-MARIE GÜNTHER (Bochum). Aufgrund des demografischen Wandels habe es allerdings eine hohe Zahl an Wiederverheiratungen gegeben, die jeweils vom Alter des Witwers abhingen. Serielle Polygamie und Scheidungen hätten das Eintreten in eine langjährige Witwerschaft in der griechisch-römischen Antike unwahrscheinlich gemacht. Die Betrachtung von Haushalten und deren personeller Zusammensetzung offenbare, dass die Witwen selten mit Kindern allein, sondern üblicherweise bei ihren erwachsenen Söhnen lebten. Einige Varianten des Zusammenlebens seien vergleichbar mit modernen Patchwork-Familien.

Am singulären Fall von Alfonso III. d‘Este und Isabella von Savoy untersuchte SUSAN RICHTER (Kiel) die Witwerschaft nach dem Selbstmord Isabellas. Die strafbare Selbsttötung hatte eine Statusänderung Alfonsos und weitere Konsequenzen zur Folge. Der Witwer gab post mortem im Gedenken an seine Frau ein Porträt in Auftrag und ließ sich selbst in identischer Weise malen. Seine Abdankung sowie der Eintritt in den Kapuzinerorden könnten als eine Bußeleistung des Witwers angesehen werden. Wegen Alfonsos großer Trauer sei eine erneute Heirat nicht in Frage gekommen.

Mit Kaiser Franz Joseph I. stellte IRMGARD PANGERL (Wien) einen Herrscher vor, der offen um seine verstorbene Frau Elisabeth trauerte und aussprach, wie sehr er sie geliebt hatte. Trotz großer emotionaler Verbundenheit habe der Kaiser seine Aufgaben und Pflichten als Regent nicht unterbrochen. Im Gedenken an seine Frau gründete er den Elisabeth-Orden. Spekulationen über eine geheime Ehe mit Katharina Schratt, deren Verbindung von Elisabeth hergestellt worden war, ließen sich nicht bestätigen.

KURT ANDERMANN (Freiburg) fragte nach dem „adelstypischen Witwer“ und präsentierte zu diesem Zweck mehrere eindrucksvolle Beispiele aus der Zimmerischen Chronik des 16. Jahrhunderts. In seiner Betrachtung tauchten Witwer auf, die verschiedene Probleme zu bewältigen hatten. So sorgte sich Joachim von Alvensleben um das Wohl seiner Kinder, und Hans von Gemmingen trauerte um seine tote Ehefrau. Auch Andermann betonte, dass Witwerschaft als eine anthropologische Konstante interpretiert und als individuelles Phänomen betrachtet werden müsse. Ehrliche Trauer, obgleich in den Quellen selten feststellbar, schloss auch er nicht aus.

Den vergleichsweise kleinen Spielraum Geistlicher bei der Frage nach erneuter Vermählung nach dem Tod der Frau verdeutlichte MANFRED JAKUBOWSKI-TIESSEN (Göttingen) mit einigen Fallbeispielen sowie von ihm erhobenen Daten zur Propstei Husum vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Der Tod der Pfarrfrau, die als Ehefrau, Wirtschafterin und Erzieherin der Kinder neben ihrem Mann die tragende Säule des Hauses darstellte, riss ein Loch in das Pfarrerleben, das es schnell zu füllen galt. Die Witwerschaft sei also stets ein „Interims-Zustand“ gewesen, den der Pfarrer mit einer erneuten Heirat überwinden musste, um wieder seinen gewohnten Pflichten nachgehen zu können.

KAREN BRUHN (Kiel) lud zu einer „digitalen Spurensuche“ verwitweter – und das meinte auch hier wiederverheirateter – Kieler Professoren der Zeiträume 1665–1815 und 1919–1965 auf der Grundlage des Kieler Gelehrtenverzeichnisses[1] ein. Insbesondere das Vorhandensein noch junger Kinder, die es zu erziehen und denen ein Haushalt zu bereiten galt, sei für eine erneute Heirat eine naheliegende Motivation gewesen. Für den Kieler Professor hätte es aber auch „karrieretechnisch keine sinnvollen Gründe“ gegeben, Witwer zu bleiben. Weiterhin stellte Bruhn Friedrich Christoph Dahlmann und Kurt Hoffmann vor. Erst die Witwerschaft Hoffmanns öffnete ihm den Karriereweg; seine Ehe mit einer Frau, die dem Ideal der Rassenideologie der Nationalsozialisten widersprach, hatte seine Beförderung zum Professor zuvor verhindert.

Die vierte Sektion leitete Laura Potzuweit (Kiel) mit einer Kurzfassung des Vortrags von HANS JÜRGEN WULFF (Kiel) zum Thema Witwerschaft im Film ein. Witwerschaft werde als einschneidende Veränderung im Alltag des Mannes dargestellt, wobei die neue Lebensrealität ohne Frau fokussiert werde. Oftmals werde auch die Frage gestellt, ob eine Mitverantwortung am Tod der Frau eine Witwerschaft ausschließt, ob Mörder also gleichzeitig Witwer sein könnten. Im Gegensatz zu Witwen trauerten Witwer weniger offen und würden beispielsweise als Racheengel dargestellt. Witwerschaft im Film könne aber auch Auslöser für eine „Lebenserneuerung“ und Handlungsantrieb für eine neue Phase der Selbstverwirklichung oder Liebe sein. In jedem Fall sei sie nur ein Kapitel des Films und bleibe Ausgangspunkt für weitere Handlungslinien.

Auf diese thematische Hinleitung folgte die Vorführung des Films „About Schmidt“, zu dem ECKHARD PABST (Kiel) eine kurze Einführung gab. Der Protagonist Warren Schmidt findet kurz nach seiner Pensionierung seine Ehefrau tot auf und entdeckt zudem, dass sie eine jahrelange Affäre mit einem guten Freund hatte. Der Witwer fällt, wie Wullf für die filmische Darstellung von Witwerschaft konstatiert hatte, aus seiner gewohnten Routine, lässt sich gehen und verwahrlost geradezu. Es bedarf eines Impulses von außen, in diesem Fall eines TV-Spendenaufrufs und des daraus resultierenden Briefwechsels mit Schmidts neu gewonnenem Patenkind, der ihm Antrieb gibt, um seine Tochter von einer Heirat mit einem ungeeigneten Mann abzuhalten. Die Witwerschaft bringt die Handlung im ersten Drittel des Films also erst ins Rollen.

GESINE MIERKE (Chemnitz) betrachtete den Witwer in der mittelalterlichen Literatur. Dabei hielt sie fest, dass die Witwerschaft des Mannes in der Regel als „genealogisch-problematische Erzählkonstellation“ am Anfang der Erzählung stehe und die Handlung, ähnlich wie im Film, in Gang setze. Die Literatur diskursiviere grundlegende gesellschaftliche Problemkonstellationen der Witwerschaft und diene dabei häufig der Vergewisserung vorherrschender Ordnungen, beispielsweise bei der Frage nach angemessener dynastischer Nachkommenschaft, wie im Apollonius-Roman. In den behandelten Beispielen sei zudem deutlich geworden, dass Witwer schnell wieder heirateten und zukunftsorientiert handelten.

An ausgewählten Beispielen der Literatur des 19., 20. und 21. Jahrhunderts stellte KARIN TEBBEN (Heidelberg) die „Grenz- und Krisensituation“ heraus, in die die männlichen Figuren durch die Witwerschaft geraten. Die Darstellung des Witwers und seiner Problematik folge dabei der kritisch zu betrachtenden „anthropologischen Prämisse der Entstehungszeit“. Überraschenderweise bleibt die Literatur im 20. Jahrhundert die Witwerschaft als zentrales Thema schuldig. Als Grund für diese Leerstelle vermutete Tebben in der anschließenden Diskussion, dass der Witwer in der Literatur des 20. Jahrhunderts, aber auch das noch im 19. Jahrhundert vorherrschende mit Witwerschaft einhergehende Rollenverständnis, von anderen Diskursen der Männlichkeit abgelöst worden seien. Sicher sei zumindest, dass nach den Weltkriegen viele Witwen wenigen Witwern gegenüberstanden. Die Blut-und-Boden-Literatur aus der NS-Zeit, so Tebben, könnte diesbezüglich eine wertvolle Quellengrundlage für weitere Recherchen bieten.

RIKE SZILL (Kiel) hielt in ihrem Resümee der Tagung fest, diese habe weit mehr interessante Ergebnisse erbracht, als nur die wiederkehrende Erkenntnis, dass Witwer kaum in den Quellen nachzuweisen sind und meist erneut heirateten. Dennoch sei das Phänomen Witwerschaft nach wie vor in seiner Vielschichtigkeit schwer zu greifen. Szill skizzierte daher fünf Aspekte zur weiteren Beschäftigung. Erstens stünde man vor dem Problem einer konkreten Definition und der Frage, wie eine sinnhafte Erforschung des Phänomens gelingen kann. Mit dem zweiten Aspekt, „Witwer schaffen, oder: Die Suche nach einer fehlenden Kategorie?“ müsse nach dem konstituierenden Element des Witwers gefragt werden. Drittens könne man sich der Frage nach der emotionalen Betroffenheit des Witwers, die wiederholt in Diskussionen und Vorträgen anklang, anhand von „Ansätzen und Perspektiven aus der history of emotions“ nähern. Auch die Methode des queer reading könne vor dem Hintergrund der „Erwartungshaltungen an Amt, Geschlecht und Stand als Erklärungsmuster“ für verschiedene Handlungen und mögliche Handlungsspielräume des Witwers wichtige Erkenntnisse liefern. Schließlich sei es mithilfe des Ansatzes der Intersektionalität und der historischen Ungleichheitsforschung möglich, neben der „Masterkategorie Geschlecht“ die verschiedenen von Macht bestimmten Ungleichheitskategorien wie Alter, Stand oder Herkunft zu dekonstruieren, in denen sich ein Witwer bewegte.

Bei der Tagung betraten die Referentinnen und Referenten durchweg thematisches Neuland. Aus verschiedenen Perspektiven konnten interessante Einblicke in die männliche Witwerschaft gewonnen sowie deren unterschiedliche Ausprägungen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede über Epochen und Disziplinen hinweg beleuchtet werden. Es gibt, so hat sich gezeigt, kein einheitliches Bild des Witwers, und die ihn betreffenden konstituierenden Merkmale bedürfen einer Konkretisierung. Für jeden vermeintlichen Typus finden sich Ausnahmen, denn Witwerschaft war und ist ein zutiefst menschliches Phänomen und eine individuelle Erfahrung. Deutlich geworden sind die unterschiedlichen Erforschungspotentiale und Fragen, die an das Thema gestellt werden können, und die, trotz einer von den Teilnehmenden bedauerten Quellenknappheit, doch zahlreich scheinen.

Konferenzübersicht:

Michael Elmentaler (Kiel): Grußwort

Oliver Auge (Kiel): Begrüßung und Einleitung ins Tagungsthema

I. Fürstliche Witwen und Witwer

Britta-Juliane Kruse (Wolfenbüttel): Witwerschaft – Witwenschaft: Differenzen und Parallelen in den Biographien Johann Georgs, Elisabeth Magdalenas und Hedwigs von Brandenburg (1540–1600)

Julia Hörmann-Thurn und Taxis (Innsbruck): Der fürstliche Witwer – eine temporäre Rolle? Die Herzöge von Österreich und die Tiroler Landesfürsten im Spätmittelalter

Karl-Heinz Spieß (Greifswald): Konstellationen und Motive bei der Wiederverehelichung von fürstlichen Witwern im spätmittelalterlichen Reich

Laura Potzuweit (Kiel): Verlust – Verbleib – Veränderung. Reichsfürsten und ihre langjährigen Witwerschaften im Spätmittelalter

II. Der Witwer durch die Epochen

Hans-Werner Fischer-Elfert (Leipzig): Witwer im Alten Ägypten – ein kultur- und rechtsgeschichtliches Randphänomen?

Linda-Marie Günther (Bochum): Witwer in der griechisch-römischen Antike

Susan Richter (Kiel): Skandal, Frevel und Trauer: Fürstliche Witwerschaft nach Selbstmord

Irmgard Pangerl (Wien): „Sie wissen nicht, wie ich diese Frau geliebt habe“ – Kaiser Franz Joseph I. und sein Leben als Witwer

III. Adliger – Pfarrer – Professor. Gruppenbezogene Witwerschaft

Kurt Andermann (Freiburg): Als sei ihm sein bestes und liebstes Ross gestorben. Beobachtungen zu adliger Witwerschaft in Spätmittelalter und Frühneuzeit

Manfred Jakubowski-Tiessen (Göttingen): Allein im Pfarrhaus. Der Pfarrer als Witwer

Karen Bruhn (Kiel): Der Professor als Witwer? Familie und Karriere an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel vom 17. bis zum 20. Jahrhundert

IV. Zwischen den Disziplinen. Der Witwer aus künstlerisch-literarischer Perspektive

Hans Jürgen Wulff (Kiel): Witwernschaft im Film

Eckhard Pabst (Kiel): Kurze Einführung zum Film „About Schmidt“

Filmvorführung „About Schmidt“ mit anschließender Diskussion

Gesine Mierke (Chemnitz): „ich wil nu sîn ein witewære“. Zur Figur des Witwers in der Literatur des Mittelalters

Karin Tebben (Heidelberg): Der Witwer als Motiv in der schönen Literatur. Ein Streifzug durch die Jahrhunderte

Rike Szill (Kiel): Zusammenfassung

Anmerkung:
[1]https://cau.gelehrtenverzeichnis.de/.

Zitation

Tagungsbericht: Witwerschaft. epochenübergreifend. transdisziplinär, 18.11.2021 – 20.11.2021 Kiel und digital, in: H-Soz-Kult, 16.02.2022, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-9308>.


[Regionalforum-Saar] Ein Buch über Displaced Perso ns im französisch besetzten Deutschland nach Kriegsende

Date: 2022/02/17 19:33:08
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Reinventing French Aid. The Politics of Humanitarian Relief in French-Occupied Germany, 1945–1952

Autor(en) Humbert, Laure
Erschienen Cambridge 2021: Cambridge University Press
Anzahl Seiten 350 S.
Preis € 113,80
ISBN 978-1-108-83135-2
URL https://doi.org/10.1017/9781108916981

Rezensiert für H-Soz-Kult von Daniel Hadwiger, Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung, Erkner

Bei Kriegsende im Frühjahr 1945 war Deutschland eine „Flüchtlingsnation“. Nicht nur rund 14 Millionen Deutsche aus den ehemaligen Ostgebieten suchten in Deutschland eine neue Perspektive, sondern auch etwa elf Millionen Displaced Persons (DPs). Eine Repatriierung, Emigration in andere Länder und die Zusammenführung von Familien musste organisiert werden. Die Besatzungsmächte sowie internationale Organisationen wie die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) und die International Refugee Organization (IRO) versuchten die Unterbringung, Ernährung und eine medizinische Grundversorgung zugunsten der DPs sicherzustellen. Allerdings scheinen diejenigen Bevölkerungsgruppen nach Kriegsende weiterhin am stärksten benachteiligt worden zu sein, die paradoxerweise auch während des Kriegs am meisten gelitten hatten – insbesondere DPs aus Osteuropa.

Laure Humbert, Historikerin an der Universität Manchester, untersucht in ihrer quellenreichen Studie, wie die französische Besatzungsverwaltung und internationale Organisationen zwischen 1945 und 1952 humanitäre Hilfe in der französisch besetzten Zone Deutschlands zugunsten von DPs leisteten. Im Sommer 1945 waren dort offiziell 150.000 DPs registriert. Angehörige aus Russland, Polen und Jugoslawien waren darunter die größten Bevölkerungsgruppen. Die DPs waren nicht nur in sich heterogen und setzten sich aus ehemaligen KZ-Häftlingen, Zwangsarbeiter:innen und Kriegsgefangenen verschiedener Nationen aller Altersgruppen zusammen. Sie besaßen auch ganz unterschiedliche Zukunftsperspektiven: Manche wurden von den Besatzungsmächten als Arbeitskräfte rekrutiert, manche gegen ihren Willen in ihre Heimatländer zurückgeführt, andere wiederum emigrierten nach Westeuropa, in die USA oder Australien. Humberts Studie untersucht weniger das Schicksal von DPs oder die Sichtweise der deutschen Zivilgesellschaft, sondern den Umgang von französischen und internationalen Organisationen mit DPs im Deutschland der Nachkriegszeit.

Ziel des Buches ist es, das ungeklärte Verhältnis zwischen französischer Besatzungsmacht und den DPs aufzuzeigen und die Geschichte der DPs mit der nationalen Geschichte Frankreichs zu verbinden. Das Buch „follows the journeys of French relief workers in the German ruins“ (S. 4). Der Fokus liegt auf den Begegnungen zwischen französischen Amtspersonen, Fürsorger:innen, DPs und besiegten Deutschen auf dem Territorium der französischen Besatzungszone. Humbert argumentiert, dass die Fürsorge für DPs zu einem politischen und moralischen Projekt für den französischen Staat, die französischen Besatzungsbehörden und internationale Organisationen geworden sei. Das Verhältnis zwischen UNRRA und der französischen Besatzungsverwaltung blieb von Kompetenzstreitigkeiten und ungeklärten Machtbefugnissen geprägt. Zugleich zeigt Humbert die Diskrepanz zwischen dem humanitären Diskurs und der Besatzungswirklichkeit auf, die von Chaos, Korruption und ständigem Ressourcenmangel geprägt war. Frankreich habe es schlussendlich nicht geschafft, sich als gastfreundliche und humanitäre Nation in der Zeit nach dem Vichy-Regime zu inszenieren.

Laure Humbert hat bereits mit zahlreichen Publikationen zu Flüchtlingen und DPs im Europa der Nachkriegszeit zur neueren, transnational geprägten Geschichtsschreibung zur französischen Besatzungszone beigetragen.[1] Seit den 1990er-Jahren wurde die französische Besatzungszone in Deutschland nicht mehr als ausgebeutete Zone betrachtet. Vielmehr zeichnete die Forschung ein differenziertes Bild, indem etwa auf die frühe Öffnung der Universitäten sowie die besondere Kultur- und Sozialpolitik für die deutsche Bevölkerung hingewiesen wurde.[2] Humberts Studie nimmt nun eine Zwischenposition zwischen deutsch- und französischsprachiger Forschung ein. Sie untersucht weder den Alltag der Deutschen vor Ort noch etwa die französische Wirtschaftspolitik in der Zone. Stattdessen interessiert sie sich für internationale und französische Organisationen, die sich in der französischen Besatzungszone mit DPs auseinandersetzten.

Humberts Studie gliedert sich in zwei Teile. Die ersten drei Kapitel des Buches analysieren den Aufbau und die Rolle der französischen Verwaltung und der internationalen Organisationen, die drei letzten Kapitel deren soziale Arbeit vor Ort zugunsten der DPs.

Das erste Kapitel behandelt französische Diskussionen zur Anwerbung und Integration von DPs im kriegszerstörten Frankreich. Humbert zeigt, dass die französische Regierung nicht nur die politische Einstellung der DPs überprüfte, sondern sie auch nach Herkunft und Geschlecht hierarchisierte. So bevorzugte Frankreich DPs aus dem Baltikum und dem Banat gegenüber polnischen DPs und zeigte wenig Interesse an jüdischen DPs als Arbeitskräfte für den französischen Arbeitsmarkt. Spannend ist ebenso die Rolle von „Banater Schwaben“, die sich unter Hinweis auf ihre im 18. Jahrhundert aus dem Elsass ausgewanderten Vorfahren als Franzosen inszenierten. Durch eine erfolgreiche Lobbypolitik erhielten Angehörige aus dem Banat mehr finanzielle und materielle Hilfe von französischen Verantwortlichen als andere DP-Gruppen.

Das zweite Kapitel behandelt den Verwaltungsaufbau, das UNRRA-Personal und die Einrichtung von DP Lagern in der französischen Zone. Humbert hinterfragt die Meinung von Zeitgenossen, dass es DPs in Großlagern schlechter ergangen sei als in Privatunterkünften (S. 88). Die 244 Sozialarbeiter:innen, die 1945 für die UNRRA in der französischen Zone in den DP Lagern arbeiteten, waren jedoch oft unqualifiziert und stammten zum Großteil aus Frankreich. Deutlich macht Humbert, inwiefern „relief work was understood […] as a vehicle for the restoration of French prestige“ (S. 127).

Die Überprüfung und Repatriierung von DPs in der französischen Zone ist Schwerpunkt des dritten Kapitels. Humbert zeigt die komplexen Machtstrukturen zwischen den alliierten Besatzungsmächten und die unsichere Haltung Frankreichs gegenüber der Sowjetunion auf, deren DPs auch gegen deren Willen repatriiert wurden. Broschüren zur humanitären Hilfe von DPs sollten die neutrale Position der UNRRA in der französischen Zone aufzeigen und DPs davon überzeugen, sich als Arbeitskraft in Frankreich zu bewerben.

Im darauffolgenden Kapitel untersucht Humbert, wie die UNRRA auf die Bedürfnisse von DPs reagierte. Sie nuanciert die These von Tara Zahra, dass nach 1945 Kenntnisse der Psychologie in der sozialen Arbeit in Deutschland Einzug hielten.[3] Humbert zeigt auf, dass dies insbesondere für die britische und amerikanische Zone galt; viele französische Sozialarbeiter:innen dagegen „had […] never heard of Freud“ (S. 203). Eine Besonderheit der französischen Sozialarbeit war vielmehr die Förderung von Kultur wie Kunstausstellungen oder Konzerten durch DPs.

Im fünften Kapitel zeigt Humbert, wie Erwerbsmöglichkeiten für DPs in der lokalen Wirtschaft geschaffen wurden. Arbeit betrachtete die UNRRA als Therapie, um die DPs wieder in einen normalen Alltag zu integrieren. DPs arbeiteten für die UNRRA, oft aber auch für deutsche Unternehmen, wo sie wie im Krieg weiterhin schlecht bezahlte und unattraktive Beschäftigungen ausführten. Die UNRRA und deutsche Firmen bevorzugten ebenso wie Frankreich DPs aus dem Baltikum und dem Banat, während DPs aus Polen und der Ukraine weiterhin diskriminiert wurden und öfter außerhalb des DP-Lagers arbeiten mussten.

Im letzten Kapitel analysiert Humbert die Umsetzung der Anwerbestrategien Frankreichs aus der Perspektive der DPs. Bis 1950 emigrierten rund 37.000 DPs nach Frankreich, während nach Großbritannien zweimal so viele DPs gingen. Der Großteil der DPs versuchte in die USA, Kanada und Australien zu emigrieren. Frankreich schaffte es nicht, „to rebuild the image of the nation as an industrious and generous state“ (S. 323). Stattdessen galt Frankreich unter den DP als verarmtes Land und behielt bei ihnen mit seinen strengen und beliebigen Auswahlkriterien einen schlechten Ruf.

Humberts Untersuchung schließt mit dem Fokus auf die französische und internationale humanitäre Hilfe im Nachkriegsdeutschland eine wichtige Forschungslücke. Indem sie Diskurse internationaler Organisationen und die Praxis vor Ort miteinander abgleicht, wird deutlich, dass der Zweite Weltkrieg mit seinen Folgeerscheinungen für die Geschichte der humanitären Hilfe nicht unbedingt ein modernisierender Moment gewesen ist. Methoden aus der Zwischenkriegszeit und diskriminierende Vorurteile beeinflussten weiterhin die soziale Arbeit in der Nachkriegszeit. Ein Spezifikum der französischen Politik scheint die Kulturpolitik gewesen zu sein, die sich auch in der Förderung von DPs als Künstler:innen manifestierte. Ihre Studie zeigt auf Basis von zahlreichen Quellen insbesondere aus dem UN-Archiv und dem französischen Außenministerium die Relevanz einer dritten Perspektive zur französischen Besatzungszone in Deutschland auf. Humbert begreift die Geschichte der französischen Zone nicht als eine rein deutsch-französische Geschichte, sondern erweitert diese durch die Sichtweise von internationalen Hilfsorganisationen und DPs.

Das Fehlen deutschsprachiger Forschungsliteratur und deutscher Quellen ist allerdings bedauerlich. So hätten im Kapitel zur Unterbringung von DPs bei deutschen Privatpersonen (S. 96f.) oder zur Arbeit von DPs in deutschen Firmen (S. 267ff.) auch Quellen aus den südwestdeutschen Archiven gewiss interessante Befunde beigesteuert. Auch der Austausch zu weiteren internationalen Hilfsorganisationen und deutschen Wohlfahrtsorganisationen wäre lohnend gewesen. Insgesamt legt Laure Humberts jedoch eine spannende und kenntnisreiche Studie vor, die für die bisherige Forschung zur französischen Zone und zur Geschichte der humanitären Hilfe ein großer Gewinn ist.

Anmerkungen:
[1] Vgl. u.a. Sharif Gemie / Laure Humbert / Fiona Reid (Hrsg.), Outcast Europe. Refugees and Relief Workers in an Era of Total War 1936–48, London 2012; Laure Humbert, The French in Exile and Post-War International Relief, c. 1941–1945, in: Historical Journal 61 (2017), S. 1041–1064.
[2] Vgl. etwa Andreas Linsenmann, Musik als politischer Faktor. Konzepte, Institutionen und Praxis französischer Umerziehungs- und Kulturpolitik in Deutschland, 1945–1949/50, Tübingen 2010.
[3] Vgl. Tara Zahra, “The Psychological Marshall Plan”. Displacement, Gender, and Human Rights after World War II, in: Central European History 44 (2011), S. 37–62.

Zitation

Daniel Hadwiger: Rezension zu: Humbert, Laure: Reinventing French Aid. The Politics of Humanitarian Relief in French-Occupied Germany, 1945–1952. Cambridge  2021. ISBN 978-1-108-83135-2, In: H-Soz-Kult, 17.02.2022, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-112537>.




[Regionalforum-Saar] Historischer Kalauer

Date: 2022/02/21 09:27:14
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Guten Morgen,

ich bin zur Zeit auf der Suche nach einer Auswandererfamilie aus Bayern, die sich Baltimore, Maryland, niederließ und eine Bierbrauerei betrieb. Dazu kommt später noch ein längerer Artikel, der sich ein bißchen mit dem Selbstverständnis der ausgewanderten Deutschen in den USA um die Jahrhundertwende - 19. ins 20. - befaßt resp. dieses abbildet.

Auf der Website "Chronicling America", die von der amerikanischen Kongressbibliothek (Library of Congress) betrieben wird und alte digitalisierte und indexierte US-amerikanische Zeitungen zur Verfügung stellt [https://chroniclingamerica.loc.gov], gibt es zumeist englisch-, aber unter anderem auch deutschsprachige Zeitungen, wie z.B. den in Baltimore ansässigen "Der Deutsche Correspondent", in dessen Ausgabe vom 8. September 1912 auf Seite 2 ich eine Fabel und einen Kalauer fand:

Fabel
„Wie kannst Du nur“, sagte der Mensch zum Frosch, „mit Deiner heimtückischen Zunge so vielen harmlosen Geschöpfen den Lebensfaden zerreißen?!“
„Und womit schneidet ihr euch gegenseitig die Ehre ab?“ fragte der Frosch

Aus der Schule.
Lehrer: „Warum schuf Gott die Eva?“
- „Weil’s sonst dem Adam zu gut gegangen wäre!“

Einen schönen Tag wünsch ich Euch.

Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

Re: [Regionalforum-Saar]   Historischer Kalauer

Date: 2022/02/21 14:36:43
From: Robert Morsch via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>

Solche Lichtblitze sind wohl unser Salz, Roland. Danke! Robert

--
Diese Nachricht wurde von meinem Android Mobiltelefon mit GMX Mail gesendet.
Am 21.02.2022, 09:27 schrieb Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>:
Guten Morgen,

ich bin zur Zeit auf der Suche nach einer Auswandererfamilie aus Bayern, die sich Baltimore, Maryland, niederließ und eine Bierbrauerei betrieb. Dazu kommt später noch ein längerer Artikel, der sich ein bißchen mit dem Selbstverständnis der ausgewanderten Deutschen in den USA um die Jahrhundertwende - 19. ins 20. - befaßt resp. dieses abbildet.

Auf der Website "Chronicling America", die von der amerikanischen Kongressbibliothek (Library of Congress) betrieben wird und alte digitalisierte und indexierte US-amerikanische Zeitungen zur Verfügung stellt [https://chroniclingamerica.loc.gov], gibt es zumeist englisch-, aber unter anderem auch deutschsprachige Zeitungen, wie z.B. den in Baltimore ansässigen "Der Deutsche Correspondent", in dessen Ausgabe vom 8. September 1912 auf Seite 2 ich eine Fabel und einen Kalauer fand:

Fabel
„Wie kannst Du nur“, sagte der Mensch zum Frosch, „mit Deiner heimtückischen Zunge so vielen harmlosen Geschöpfen den Lebensfaden zerreißen?!“
„Und womit schneidet ihr euch gegenseitig die Ehre ab?“ fragte der Frosch

Aus der Schule.
Lehrer: „Warum schuf Gott die Eva?“
- „Weil’s sonst dem Adam zu gut gegangen wäre!“

Einen schönen Tag wünsch ich Euch.

Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger
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