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Datum 2021/10/12 14:08:40
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Ev. Erwachsenenbildungswerk Rhei nland-Süd e.V.'
2021/10/15 14:28:59
Ludwig(a)FFM
Re: [Regionalforum-Saar] Masson - Hoffmann.
Betreff 2021/10/25 11:14:35
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Vortrag über Hexen im Stadtar chiv St. Wendel
2021/10/15 14:28:59
Ludwig(a)FFM
Re: [Regionalforum-Saar] Masson - Hoffmann.
Autor 2021/10/12 14:08:40
Roland Geiger via Regionalforum-Saar
[Regionalforum-Saar] Ev. Erwachsenenbildungswerk Rhei nland-Süd e.V.'

[Regionalforum-Saar] Sir William Siemens 1823–1 888. Eine Biographie

Date: 2021/10/07 22:34:13
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Sir William Siemens 1823–1888. Eine Biographie

Autor Wolfgang König

Erschienen München 2020: C.H. Beck Verlag

Anzahl Seiten 320 S.

Preis € 29,95

ISBN 978-3-406-75133-2

 

Rezensiert für H-Soz-Kult von Nils Havemann, Abteilung Neuere Geschichte, Historisches Institut, Universität Stuttgart

Lange Zeit neigten Biografien über bekannte Unternehmer dazu, deren Handlungen und Entscheidungen zu legitimieren und ihnen eine klare Zielgerichtetheit zuzuschreiben. Sie erzählten von genialen Erfindern, die durch einen Geistesblitz eine neue technische Idee entwickelten, sie entschlossen im eigenen Unternehmen umsetzten und schließlich in Form von attraktiven Produkten erfolgreich vermarkteten. Daher herrschte über viele Jahrzehnte – nicht zuletzt unter dem Einfluss der Unternehmen selbst, welche die Entstehung solcher Biografien über ihre Finanzierung häufig inhaltlich zu lenken versuchten – das Narrativ von Persönlichkeiten vor, die durch Wagemut, Geradlinigkeit und Durchsetzungskraft ein weltumspannendes Firmenimperium aufzubauen vermochten.[1]

Mittlerweile haben neue methodische Ansätze, mit denen nicht nur der individuelle Lebenslauf, sondern auch das volks- und betriebswirtschaftliche Umfeld sowie das geistig-kulturelle Milieu stärker untersucht werden, zu weitaus differenzierteren Betrachtungen geführt.[2] Längst ist dadurch ins Bewusstsein gedrungen, dass bei vielen bekannten Unternehmern der Grat zwischen Erfolg und Scheitern ziemlich schmal und von gewaltigen Rückschlägen gekennzeichnet war, die sie durch eigene Fehlentscheidungen zu verantworten hatten. Dass diese Abkehr von hagiografischen Darstellungen dem Respekt vor der Lebensleistung einzelner Unternehmer keinen Abbruch tun muss, belegt die vorliegende Studie von Wolfgang König über Wilhelm Siemens, mit der nach Werner von Siemens[3] und Carl von Siemens[4] nun auch der dritte Bruder aus der Gründergeneration des heutigen Großkonzerns eine angemessene Biografie erhalten hat.

Anfangs deutete wenig darauf hin, dass das 1823 geborene siebte von 14 Kindern zusammen mit seinen Brüdern die Entstehung eines Industrieunternehmens vorantreiben würde, das bereits Ende des 19. Jahrhunderts weit über Europa hinaus agierte. Aufgewachsen nahe Lübeck in der Familie eines Gutspächters, die zwar großen Wert auf Bildung legte, aber mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hatte, verließ er bereits mit 15 Jahren die Schule. Unter dem Einfluss und mit Unterstützung seines älteren Bruders Werner gelang es ihm, sich trotz seiner fehlenden Gymnasialbildung an der Universität Göttingen innerhalb von rund zehn Monaten ein naturwissenschaftliches Grundlagenwissen anzueignen. In einer Maschinenfabrik in Magdeburg erhielt er innerhalb von rund zwei Jahren den Feinschliff, den er für die erwünschte Laufbahn eines Ingenieurs benötigte.

Im Jahr 1843, im Alter von 20 Jahren, reiste Wilhelm nach England, um ein von Werner entwickeltes galvanotechnisches Verfahren zu vermarkten. Wenngleich ihm dies gelang, mündeten seine weiteren Bemühungen, Erfindungen gewinnbringend zu verkaufen, zunächst in einem finanziellen Fiasko. Dennoch entschied er sich dazu, in England zu bleiben, wahrscheinlich weil er sich am Vorabend der europäischen Revolutionsbewegung in der konstitutionellen Monarchie des Inselreiches wohler fühlte als im obrigkeitsstaatlichen Preußen. Unter bisweilen prekären Bedingungen verdingte er sich bei verschiedenen englischen Unternehmen, in denen „William“ zu einem kenntnisreichen Ingenieur heranreifte. Erst in den 1850er-Jahren wendete sich allmählich das Blatt, als er in seiner „geschäftliche[n] Doppelexistenz“ (S. 34) – freier Erfinder in einem eigenen Ingenieurbüro und Leiter des englischen Zweigs der 1847 in Berlin gegründeten Telegraphen-Bauanstalt von Siemens & Halske – zu reüssieren begann.

Das Kapitel, in dem König beschreibt, wie sich William Siemens in England um Aufträge für die Verlegung von Telegrafenlinien bemüht, ist das spannendste des Buches. In ihm spielt der Autor seine technischen Kenntnisse aus, die es ihm ermöglichen, die komplexen Bedingungen, unter denen die Welt allmählich verkabelt wurde, bis in die physikalischen Einzelheiten hinein derart klar darzustellen, dass selbst der Laie sie verstanden zu haben glaubt. Überdies schildert König auch diesen Teil der Biografie, die 1865 zur Gründung der Siemens Brothers and Company Limited als englische Filiale des deutschen Unternehmens führte, als einen von Fehleinschätzungen und innerfamiliären Konflikten begleiteten Prozess, der durchaus mit einem Scheitern der unternehmerischen Expansionsbemühungen hätte enden können.

Dieser chronologischen Erzählung des Lebensweges folgt ein systematischer Teil, der sich unter anderem mit Aspekten seiner Eingliederung in die englische Gesellschaft und seiner Erhebung in den Adelsstand, mit seinen technischen Innovationen wie zum Beispiel im Bereich der Stahlerzeugung („Siemens-Martin-Prozess“) und seinen wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt. Diesen Kapiteln ist wie der gesamten Biografie anzumerken, dass sie keine ausgefeilte wissenschaftliche Qualifikationsschrift ist. Die Unbefangenheit, mit der König ohne nähere Definitionen etwa Begriffe wie „Netzwerk“ oder „Familienunternehmen“ verwendet, die Schnörkellosigkeit der Einleitung und des nicht einmal zwei Seiten umfassenden Fazits sowie die reichhaltige Bebilderung offenbaren das Ziel dieser Biografie: Das Buch soll möglichst viele Menschen auch außerhalb der Geschichtswissenschaft erreichen.

Es ist zu hoffen, dass dieses Kalkül aufgeht, denn König hat nicht zuletzt wegen des Verzichts auf ausufernde theoretische Ausführungen eine farbige, gut lesbare Studie vorgelegt, in der das Bild der biografierten Person durch die Berücksichtigung ihrer Misserfolge an Schärfe gewinnt. Auch das der langen Geschichte des heutigen Siemenskonzerns wird dadurch um eine wichtige Facette bereichert.

Anmerkungen:
[1] Vgl. hierzu schon Klaus Kunkel (Hrsg.), Vom Hofbericht zur Pop-Broschüre. Über Firmenfestschriften, Unternehmerbiographien und Selbstdarstellungen, Köln 1971. Einen Streifzug durch solche älteren unternehmerischen (Selbst-)Darstellungen unternimmt u.a. Susanne Knabe, Firmenjubiläen. Geschichtsbewusstsein deutscher Unternehmen 1846 bis 1997, Inaug. Diss., München 2004. Zum Widerspruch von unabhängiger Forschung und finanzieller Abhängigkeit des Historikers in diesem Bereich vgl. jüngst Teresa Brandt, Paradoxien der Unternehmensgeschichtsschreibung. Wissenschaftliche Arbeit zwischen Berufshabitus und sozialer Abhängigkeit, Bielefeld 2021.
[2] Zu den verschiedenen theoretischen Ansätzen, Biografien von Unternehmern zu erforschen, vgl. Werner Plumpe, Unternehmer – Fakten und Fiktionen. Einleitung, in: ders. (Hrsg.), Unternehmer – Fakten und Fiktionen. Historisch-biographische Studien, München 2014, S. 1–26. Beispielhaft dafür, wie sich das Urteil über einzelne Unternehmer durch neue methodische Zugriffe versachlichen kann, sei genannt die Studie von Christian Marx, Paul Reusch und die Gutehoffnungshütte. Leitung eines deutschen Großunternehmens, Göttingen 2013.
[3] Johannes Bähr, Werner von Siemens 1816–1892. Eine Biografie, München 2016.
[4] Martin Lutz, Carl von Siemens 1829–1906. Ein Leben zwischen Familie und Weltfirma, München 2013.

Zitation

Nils Havemann: Rezension zu: König, Wolfgang: Sir William Siemens 1823–1888. Eine Biographie. München  2020. ISBN 978-3-406-75133-2, In: H-Soz-Kult, 08.10.2021, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-29392>.